Der Abend
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Nr. 430
B 215 48. Jahrgang
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Berkrachter Heimwehrputsch
Pfriemer geflüchtet- Starhemberg verhaftet- Sozialdemokraten fordern Entwaffnung und Bestrafung der Hochverräter
Die österreichische Heimwehr hat die Welt mit einem Sonntagsputsch überrascht. In der Nacht vom Sonnabend zum Sonntag wurden in einigen Orten der Obersteier mark Bahnhöfe und öffentliche Gebäude besetzt, Behörden verhaftet und aller übrige Unfug getrieben, der zu einem Butsch gehört. Am Sonntagnachmittag war aber schon wieder alles vorbei, leider nicht ohne daß es zu einigen blu= tigen Opfern gekommen wäre.
Anlage und Ausführung des Unternehmens verraten mehr Unfähigkeit, als man für möglich gehalten hätte. Dennoch wäre es verhängnisvoll falsch, die ganze Aftion nur als eine Lächerlichkeit zu behandeln. Den politischen Schaden, der durch sie angerichtet worden ist, wird das arme Desterreich noch zu spüren bekommen. Und was es für Deutsch land bedeuten würde, wenn sich eines Tages hier etwas Aehnliches, wenn auch mit dem gleichen Erfolge, abspielen würde, das läßt sich gar nicht ausdenken.
Die enge Zusammenarbeit der österreichischen Butschorganisationen mit den deutschen ist bekannt. Auch im Interesse Deutschlands muß gefordert werden, daß das Nest in Desterreich diesmal endlich gründlich ausgeräuchert wird. In Deutschland selbst muß rechtzeitig dafür gesorgt werden, daß die Frechheit des Hafenfreuzpöbels nicht in den Himmel wächst. Die Judenhezen auf offener Straße, wie sie der Berliner Westen am Sonnabend erlebte, find eine nationale Schande. Es ist notwendig, daß diesem Treiben mit aller Energie entgegengetreten wird. Nur so lassen sich üble Dinge verhindern, vielleicht noch üblere, als sie Desterreich soeben erlebt hat.
Die österreichischen Heimwehrfaschisten haben auf die Berzweiflungsstimmung spekuliert, in die die Bevölkerung durch das erpresserische Vorgehen des französischen Finanzfapitals versetzt wurde. Die Desterreichische Nationalbank hat in der schweren Finanzkrise des Juli 1931 auf Veranlassung des damals noch regierenden britischen Arbeiterkabinetts 150 Millionen Schilling Darlehen durch die Bank von England erhalten. Zur Zurückzahlung dieses Darlehns braucht das bettelarme, zur ,, unabhängigen" Lebensunfähigkeit verurteilte Land eine langfristige Anleihe, die ihm nur jene Mächte gewähren können, die es in dieser Unabhängigkeit" halten. Die Verhandlungen in Genf sind noch nicht zur Formulierung der Bedingungen gediehen, doch hat man erfahren, daß sie auf Abbau von Personal, herab drückung der schon so niedrigen Gehälter, Berfürzung der ohnehin schon unzureichenden Arbeitslosen fürforge hinauslaufen.
Es hat sich gezeigt, daß das österreichische Volk trotz seiner grenzenlosen Not auf eine Rettung durch den Faschismus verzichtet, weil es an diesen Retter nicht glaubt. In Paris aber sollte man nachdenken...!
Der Verlauf des Putsches.
Wien , 14. September. ( Eigenbericht.) In der Nacht zum Sonntag gegen Mitternacht unternahmen die östereichischen Putschversuch.
Heimwehren
einen
Mit Karabinern und Ma schinengewehren bewaffnet gingen sie von Bruck und anderen Orten aus gegen verschiedene Industrieorte vor. In mehreren Städten wurden die Bezirkshauptmann schaften besetzt. Der Hauptplatz von Bruck war von den Heimwehren mit Maschinengewehren besetzt. In sämt lichen Industrieorten Obersteiermarks hatten die Heimwehrlente die Straßen besetzt und Maschinengewehre aufgestellt.
In allen Orten wurde eine Proklamation Pfriemers angeschlagen, die ,, die Verfassung aufhebt"
und sagt:
Ich enthebe mit dem heutigen Tage sämtliche Militär, Gendarmerie- und Polizeibeamte ihres Eides und überüber nehme die Staatsgewalt."
Attentat auf Budapester D- Zug
Durch Sprengstoff in die Tiefe gestürzt/ 25 Tote, 14 Verletzte Budapest , 14. September. ( Eigenbericht.) tötet. Eine amtliche Darstellung führt die Katas strophe auf die Explosion einer Höllenmaschine zurück. In der Nacht zum Sonntag wurde der D.- Zug An der Unglücksstelle wurde ein 3ettel gefun. Budapest - wien - Breslau - Köln gegen den mit Drohungen gegen die kapitali. 23.30 Uhr eine halbe Stunde hinter dem Budapester Ostbahnhof, bei der Station Biatorbagh das stische Gesellschaft. Es heißt dann weiter, daß Opfer eines schweren Verbrechens. 25 Personen den Arbeitslosen durch das Attentat neue ArbeitsAngeblich wurden getötet, 14 schwer und zahlreiche leicht wurden der Zettel und Reste der Bombe von der gelegenheit geschaffen werden sollte. verletzt. Budapester Polizei beschlagnahmt. Außerdem wird mitgeteilt, daß die Gendarmerie etwa zehn Minuten nach der Katastrophe einen Mann festgenom. men hat, der den Schienen entlang in der Richtung nach Budapest lief. Er soll sich für einen Ingenieur ausgegeben haben. Später wurde ein zweiter verdächtiger Mann verhaftet, ohne daß die wirkliche Ursache der Katastrophe bisher aufgedeckt worden wäre.
Als der ziemlich stark besesie Zug den Eisenbahn viadukt bei der genannten Stelle passierte, ent gleiste die Maschine des Zuges und stürzte mit den Wagen 24 Meter in die Tiefe. Ein Teil des Zuges geriet in Brand. Der Lokomotiv : führer, der Heizer, der Fahrkartenkontrolleur des Expreßzuges, ein Postbeamter, mehrere Eisenbahn beamte, ein Dorfnotar mit seiner Frau, einige Tage: löhner und fünf Frauen wurden auf der Stelle ge=
Heute abend:
Alles in den
Sportpalast!
In Mürzzuschlag verlangte die Heimwehr von der Gendarmerie die Uebergabe der Macht, was jedoch ver. weigert wurde. In Judenburg machte die Heimwehr morgens den Versuch, die Bezirkshauptmannschaft zu besehen. Sie wurde aber vom Bezirkshauptmann abgewiesen. Um 10 Uhr ist Gendarmerie von Bruck einmarschiert und hat die von der Heimwehr verhafteten Bolizisten befreit und die Stadt von der Heimwehr geräumt. Im Auftrage der Regierung ist in Judenburg Militär einmarschiert und hat die öffentlichen Gebäude befett. In Kindberg hat die Heimwehr den Bahnhof besett. In Kirchdorf in Oberösterreich wurde der Bezirks. hauptmann von Heimwehrleuten verhaftet. Er wurde nach kurzer Zeit von der Gendarmerie befreit und zwei Heimwehrführer verhaftet. Die Heimwehr hat auch den Pyhrn- Paß zwischen Selztal und Linz besetzt. Ebenso wurde der Ort Bad Aussee eingenommen. Gegen Mittag ist die Heimwehr aus Bruck in Lastautos und requirier ten Postautos abgezogen. Sie führte vier Maschinengewehre mit und erklärte, wieder zurückkommen zu wollen. Auch aus dem Ennstal wurden große Ansammlungen von Heimwehrleuten gemeldet.
Die Nachrichten über den Putsch kamen frühmorgens in die Zentrale der Sozialdemokratischen Partei und des immer attionsbereiten Republikanischen Schutzbundes. Rasch wurde das nötige Redaktions-, Drud- und Expeditionspersonal am Sonntagmorgen aus den Wohnungen herbeigeholt und bald erschien eine Sonder ausgabe der Arbeiter Zeitung ", die Wien und feine weite Umgebung, dann auch die Provinzstädte alarmierte; im Laufe des Tages folgte noch eine zweite.
Der Schutzbund wurde mobilisiert und bezog die vorgeschriebenen Bereitschaften unter der Parole: Kein Borgehen, aber stärkste Abwehr jeden Angriffs!
( Weitere Meldungen siehe auch zweite Seite.)
Die sozialdemokratischen Forderungen.
Der sozialdemokratische Parteivorstand und der Vorstand der freien Gewerkschaften haben am Sonntag durch die Abgg. Seit Bauer und Danneberg der Regierung folgende Forderungen über reicht:
Sofortige Niederwerfung des Putsch versuchs mit den Mitteln der Staatsgewalt und Verhaffung der Hochverräter, fofortige Anwendung der Bestimmungen der Bundes verfaffung, daß die Bundesregierung die Angelegenheiten des Sicherheitsdienstes den Landesbehörden abnehmen und eigenen Organen übertragen fann, sofortige Freimachung der von den Heimwehren besetzten Eisenbahnstationen. Für den Fall, daß diesen Forderungen nicht binnen fürzester Frist entsprochen wird, behalten sich Partei und Gewerkschaften die Ergreifung aller zweddienlichen Maßnahmen vor. Bundesfanzler Dr. Buresch erklärte, daß die Regierung alle macht mittel anwenden werde, um den Putsch noch am Sonntag zu be enden.
Bon verschiedenen Orten waren Militärabteilungen nach Obersteiermart abgegangen, vor allem aus Glaz, Klagenfurt und auch aus Wien . Mittags erfolgte in Hönigsberg bei Mürzzuschlag ein 3ufammenstoß. Als die Heimwehr versuchte, die Ortschaft zu besetzen, wurde sie von Arbeitern davongejagt. Während des Zus rückgehens schoffen die Heimwehren aus Maschinengewehren. In Kapfenberg versuchte die Heimwehr das Arbeiterheim anzugreifen. Die Gendarmerie ging gegen die Heimwehr vor und räumte den Platz.
Im Rückzug fchoffen die Heimwehrler auf die Arbeiler. Es wurden zwei Arbeiter getötet, drei Arbeiter und ein Heimwehrmann verlegt. Ferner wird gemeldet, daß in Mariazell bewaffnete Heimwehr den Bahnhof besetzt hat. Schutzbund hat die Heimwehr aus Pernegg verjagt.
Am frühen Nachmittag ließ die Regierung mitteilen, daß h aft befehle gegen die Heimwehrführer Pfriemer, Rauter und Graf Lamberg erlassen worden sind. Es hat den Anschein, als wenn der Putsch im Abflauen begriffen ist.
In der Partei herrscht der Eindruck vor, daß die Regie. rung zuerst infolge der Sabotage des steierischen Landeshauptmanns Rintelen nur zögernd gegen den Putsch vorgegangen ist. Dr. Rintelen ist ein christlichsozialer Ergreaktionär. Das ent