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Beilage

Montag, 14. September 1931

Der Abend

Spalausgabe des Vorwärts

Die Ermordung Lichnowskys und Auerswalds

Wie der blutig- schmutzige Fingerabdrud eines Verbrechers 1 haftet auf der Seite der deutschen   Revolutionsgeschichte, die den 18. September 1848 in Frankfurt   beschreibt, die Ermordung Lich nowskys und Auerswald s. Von allem, was dieser Tag an Unheilvollem brachte, hat sich nichts so tief in das Gedächtnis nicht nur der Zeitgenossen, sondern auch der Nachlebenden eingeäßt, wie die Abschlachtung der beiden Abgeordneten; kein Name der dreiund­dreißig Toten, die das Volk im Barrikadenkampf verlor, feiner der auf Seite des Militärs Gefallenen ist bis auf diesen Tag so lebendig geblieben, wie der des schlesischen Magnaten und des preußischen Generals.

3u nicht geringem Teil kam es daher, daß Land auf, Land ab die Reaktion aus dem graufigen Geschehnis wacker Kapital schlug. Was der Reichsministerpräsident Fürst Leiningen am Tage nach der Tat der Königin Bittoria von England schrieb: Mein Freund Lichnowsky   und der gute, ausgezeichnete General Auerswald sind von diesen Turnern, einer blutigen Art von Demokraten, grausam ermordet worden", gab das Stichwort für eine

wilde Hehe gegen die Turner, die Demokratie, die Republit, gegen alles Schwarzrotgoldene. Daß wenige Tage danach, am 25. September, in Staufen   nicht etwa während eines Kampfes sechs Boltsmänner von badischer Soldatesta im Blutrausch nieder­gemetzelt wurden, erregte viel geringere oder gar keine Entrüstung. Wie selten tar erwies der Fall Lichnowsky- Auerswald, was es auf sich hat, wenn die Geschichte der Besiegten, wie meist, von den Siegern geschrieben wird. Allerdings fehlte es auch da= mals nicht an redlichen Versuchen, die Hintergründe der Begeben­heit durch objektive Betrachtung aufzuhellen, und in unseren Tagen ist es der unparteiischen Geschichtsforschung auch gelungen, die Vor gänge in ihrem Zusammenhang und in ihrer Bedeutung wieder­herzustellen.

Von den beiden Opfern war Hans v. Auerswald, als föniglich- preußischer Generalmajor der einzige Offizier in der Nationalversammlung, mehr eine leidende Nebenfigur des Dramas; sein Vater, Hans Jakob  , Landhofmeister und durch Jahr und Tag Oberpräsident von Ostpreußen  , wo er an der Auseinander­sehung zwischen Bauern und Junkern vor und während der Stein­Hardenbergschen Reform tätigen Anteil nahm, stellt den Sohn bei weitem in Schatten. Ganz im Vordergrund, mitten im hellsten Lichtkegel, steht dagegen der Fürst Felix Lichnowsky  , eine der genanntesten Persönlichkeiten der Paulskirche. Schon ehe der Fünfunddreißigjährige von dem Kreis Ratibor in das Revolutions parlament entsandt wurde, hatte er durch Streiche von oft peinlichem Beigeschmack viel von sich reden gemacht. In der preußischen Armee vermöchte sich der Leutnant der braunen Husaren in Ohlau   wegen Schulden und Weibergeschichten nicht zu halten. Da ihn sein Gönner, Prinz Wilhelm, vergeblich in der Diplomatie unter­zubringen suchte, machte Lichnowsky   die verbohrteste Sache dynastischer Legitimität zu der seinen, indem er sich, nicht als ein ziger deutscher Aristokrat, im spanischen Bürgerkrieg dem Don Carlos anschloß und bei ihm den General   und Generaladjutanten

spielte. Später fiel er in München   unangenehm auf, da er wegen eines persönlichen Streites den Herzog von Nassau zum Zweikampf herausforderte und mit der Reitpeitsche bedrohte; seine Ausweisung aus Bayern   war die Folge. Auch sein Verhältnis zu der schwerreichen Herzogin von Sagan Kurland, die gut zwei Jahrzehnte älter war als ihr Galan, lieferte allerhand Ge= sprächsstoff, ehe er sich 1847 ais Mitglied der Herrenkurie des Ver­ einigten Landtags   in die Politik stürzte und zunächst zu aller Er­einigten Landtags in die Politik stürzte und zunächst zu aller Er­staunen mit der Oppofition liebäugelte.

Auf den Bänken der Paulskirche aber gefiel fich der Fürst Lichnowsky längst wieder in der Rolle des reattionären Ultra, zu der ihn Geburt und Erziehung beriefen. Wenn auf der Rechte der Nationalversammlung niemand lautloser und zurückhaltender mar als Auerswald, so niemand lauter und ausfallender als Lichnowitp. Auch der Neid mußte ihm zugestehen, daß er -ein stolzer Kopf mit schwarzem Knebel- und Schnurrbart- ein wunderschöner Mann" war, ein Mann wie gedrechselt, mit funkelnden Augen, höhnischen Lippen und aristokratisch weißen Händen. Aber das anziehende Aeußere des Fürsten   unterstrich noch das Herausfordernde seiner Haltung und seiner Worte. Mit feinem anderen Berfechter der Prinzipien von vorgestern befaßte fich denn die demokratische Literatur so häufig. Den in Spanien  herumabenteuernden Ritter hatte Heinrich Heine  

verewigt:

in Atta Troll  " als Schnapphahnski

Und im Antlitz unsres Helden Lag, wie immer, der Finanznot Blasse Wehmut, düst're Sorge,

und Georg Weerth   beschrieb 1848 in einem gar lustigen Büchlein Leben und Taten des berühmten Ritters Schnapp­hahnsti". Auch das Organ der äußersten Linken, die von Karl Marr geleitete Neue Rheinische Zeitung  ", nahm den verpreußten Slawen", der kein Deutsch, sondern Preußisch rede, aufs Korn und schilderte, wie er auf der Tribüne mit dem reinsten Akzent des preußischen Leutnants" spreche und sich mit verächtlicher Nonchalance" gebärde.

An feinen Namen in der Paulskirche heftete sich gerechterer Voltshaß als an den seinen. Wenn einer der 548 Abgeordneten am 18. September um feinen Preis in eine erregte Volksmenge geraten durfte, war es Lichnowsky  .

In der Tat trug er sich mit der Absicht, an dem verhängnis­vollen Tage nach Potsdam   zu fahren, um Friedrich Wil helm IV. für seine gegenrevolutionären Planungen zu gewinnen; es hieß, er strebe in einem mit Unterstüßung Preußens zu bildenden Reichsministerium nach dem Ressort des Auswärtigen. Was lag, da die Folgen des Waffenstillstandes zu Malmö   sich in Straßen­unruhen entluden, näher, als daß er blieb, um sich irgendwie aus­zuzeichnen und die allgemeine Aufmerksamkeit auf sein stets mehr als eitel betontes Ich zu lenten? Die harmlose Version wenigstens, daß er samt seinem Begleiter nur einen unschuldigen Spazierritt unternommen oder sich auch, wie Peter Reichensperger   schrieb, mit leichtfertigem Trag und herausfordernder Miene in der Nähe

Von Hermann Wendel  

der Krawalle" nur umhergetrieben habe, ist durch die heute be- 1 von verhängnisvollem Wind nicht viel anders in ihr eigenes Ver­kannten Urfunden widerlegt. Sein Ritt war nicht ein planloses, freules Spiel mit der Gefahr, sondern hatte Zweck und Ziel.

Sei es, daß ihn der Ehrgeiz zu Taten stachelte, sei es, daß nur das Husarenblut in ihm pricelte, auf jeden Fall fühlte sich der Fürst Lichnowsky, als Barrikaden die Frankfurter   Gassen ver­rammelten, und das Salvenfeuer durch die Straßen rollte, in der Haut des bloß zuschauenden Zivilisten nicht wohl. Von Spanien  her hatte er Erfahrungen im Freischürlerfrieg und Straßenfampf und tauschte schon mittags mit dem General Auerswald   als einem Fachmann die Ansicht aus, daß das Oberkommando die Niederzwingung des Aufstandes nicht richtig anlege. Nachdem er Nachdem er im Englischen Hof gegessen hatte, erschien er bald nach drei Uhr sehr aufgeregt auf der Hauptwache, wo sich außer dem Befehls haber, dem l. und f. General Nobile  , der Reichstriegsminister, der preußische General   Peucer aufhielt. Diesem setzte er aus­einander, das Gescheiteste sei, die Hälfte der verfügbaren Truppen aus der Stadt herauszuziehen und dann durch das Friedberger und Allerheiligentor den Aufrührern in den Rücken zu schicken; offen­sichtlich rechnete er damit, die Kompagnien selbst an Ort und Stelle zu führen. Peuder lehnte eine 3ersplitterung der schwachen militärischen Kräfte ab, doch als ihn Lichnowsky   nach einer fleinen Stunde abermals aufsuchte, erzählte, er habe sich ein Pferd von der Adjutantur des Reichsverwesers beschafft und für seinen Begleiter Auerswald auch eins erbat, weil sie draußen sehen wollten, wie es dort ausschaue, gab der Kriegsminister schließlich nach, nicht ohne mit seinen eindringlichen Warnungen auf den älteren der beiden starken Eindruck zu machen. Gleichwohl ritten die beiden Abgeordneten gemeinsam zum Eschenheimer Tor hinaus und wandten sich nach rechts zum Friedberger Tor, bis wohin die in der Bleich- und Seilerstraße operierende preußische Abteilung vor gedrungen sein mußte; auch hatte der Fürst erfahren, daß von Friedberg   her württembergische Artillerie heranrüde, und brannte darauf, sich an ihre Spize zu sehen und seine Nichtachtung des Volkes den Frankfurtern aus Kanonenschlünden zu verkünden. Statt auf preußische Infanterie oder württembergische Artillerie stießen beide

auf diesem strategischen Spazierritt"

am Hessendenkmal auf einen bewaffneten Boltshaufen, der sofort Flinten und Sensen drohend schwenite; ein richtiger Instinkt sagte der Menge, daß die zwei Reiter mit den militärischen Operationen gegen die Barrikaden zu tun hatten. Beschimpft, angegriffen und verfolgt sprengten sie zurück, aber Lichnowsky   lenkte, von Auerswald gefolgt, von seinen Plänen nicht ablaffend, auf Um wegen wieder zur Friedberger Landstraße. An der Einmündung der Eisernen Hand in die Eckenheimer Landstraße prallte er auf eine Schar, die in der Frühe aus den turhessischen Dörfern Ginn heim und Bockenheim   aufgebrochen war, um den Barrikaden­fämpfern zu Hilfe zu eilen. Leute, deren Nerven außer Rand und Band waren, erkannten den bestgehaßten Mann des Parlaments, Berwünschungen stiegen, Steine flogen, Schüsse fielen; jetzt half nur

mehr eilige Flucht.

Die ganze Gegend, damals noch außerhalb der Stadt, war wenig bebautes Gelände mit Gärten, Biesen und Heide. In die schmalen Pfade, die durch die Gärten leiteten, bog erst Auers­wald, dann Lichnowsky   ein. Vor dem Grundstück des Gärt die Pferde im Garten und suchten im Hause Zuflucht. Lätige Hilfs ners Schmidt trafen sie sich, ließen in ihrer steigenden Bestürzung bereitschaft steckte den General in einen Schlafrod, aber statt sich wie ein Hausbewohner forglos und friedlich in ein 3immer zu setzen, verbarg er sich auf einer Bodenkammer, während ich nowity in einem Verschlag des Kellers eingeschlossen wurde. Die Huftritte und die Pferde führten die Verfolger auf die rechte Spur. Kunde von Greueltaten der Soldateska bis zur Tollwut gereizt, in Eine Schar, mit phantastischen Waffen ausgerüstet, durch die falsche den nicht ganz irrigen Gedanken verbissen, daß Lichnowity einer der Schuldigen an dem Blutvergießen sei, füllte suchend lärmend nud drohend im Nu alle Räume. Als Auerswald auf­gestöbert war, führte man ihn trotz seiner Bitten vors Haus, stieß ihn, schlug ihn; er stürzte, und Schüsse machten seinem Leben

ein Ende.

Versteck vorbeizerrte, hervorgetreten: Ich bin's!", hätte er Auers Wäre Lichnowsky  , als die Menge den General an seinem wald, den niemand kannte und dem niemand übelwollte, gerettet. Aber soviel Ritterlichkeit brachte der Ritter nicht auf, sondern hockt: in seinem Verschlag, bis man auch ihn aufspürte. Auf Zureden einiger Ernüchterter, die auf seine Rettung bedacht waren, führte man ihn die Pappelallee nach Bornheim   entlang. Aber vergebens hatte er bei seiner Entdeckung in nicht heroischer, doch begreiflicher Todesangst die verhaßte Republit hochleben lassen, um die Ka naille" milde zu stimmen, schon nach einigen hundert Schritt kam es, ob mit, ob ohne seine Schuld, zu einem Gedränge, Schüsse

trachten,

er blieb mit födlicher Wunde liegen.

Da sehr bald hessische Chevaurlegers das Feld behaupteten, wurde er in die Villa Bethmann  , dann ins Heiligegeiſtspital gebracht, aber abends gegen elf Uhr erlag er seinen Verlegungen.

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Folgenden Tages wurden die Leichen auf dem Friedhof be stattet. Wilhelm Jordan   hielt den Gemordeten die Grabrede und Laube las auf den Gesichtern der Menge, die die Trauer­versammlung umstand, mehr Groll als Mitleid. Die Untersuchung gegen die zum Teil geflüchteten Täter verlief äußerst schleppend, da sich kleinstaatlicher Jammer Deutschlands  ! außer dem Bein­lichen Verhöramt der Freien Stadt Frankfurt das turfürstlich­hessische Justizamt Bockenheim  , das großherzolich- hessische Land gericht Rödelheim, das großherzoglich- hessische Landgericht Offenbach  und das herzoglich- nassauische Kriminalgericht Wiesbaden  , jede dieser Behörden auf eigene Faust, mit dem Fall befaßten. Aber wenn auch am Ende Frankfurt   und Hanau   gegen einige Beteiligte sehr harte Zuchthausstrafen auswarfen, ergab sich doch, daß, von einem Mordkomplott gar nicht zu reden, die Totschläger nicht etwa ver­tierte Verbrecher oder, auch nur politische Fanatiker waren, sondern Durchschnitt, was Durchschnitt heißt, biedere Kleinbürger, gut­gezogene Ehemänner, harmlose Schoppenstecher, die, zur Maffe zu gezogene Ehemänner, harmlose Schoppenstecher, die, zur Maffe zu jammengeflumpt, befonderen psychischen Gefeßen unterlegen und

derben hineingeweht worden waren wie in das ihrer Opfer. Selbst die Henriette 3obel, die, in zeitgenössischen Berichten als ein durch Politik entmenschtes Weib" auftauchend und nachher zu sech­zehn Jahren Zuchthaus verurteilt, die Menge angestachelt und eigen. händig mit Schirm und Steinen beim Tode Auerswalds nach­geholfen hatte, erwies sich nicht als Megäre, sondern als eine durch Nahrungssorgen aus dem seelischen Gleichgewicht geratene ehrbare Bürgersfrau.

Alle Akten aber und alle Schlüsse, die sich daraus ziehen lassen, bestätigen die Auffassung, die Richard Schwemer   in seiner Ge­schichte der Freien Stadt Frankfurt am Main" vertritt, daß die gräßliche Untat" vom 18. September mit dem in der Stadt aus­gebrochenen Kampfe nichts zu tun hatte, auch innerlich nicht, denn von wüsten Ausschreitungen und Exzessen, auch nur gegen das Eigen. tum, findet sich, wenn von der Waffenplünderung abgesehen wird, nicht ein einziger Fall".

Die Berge kreißen...

mus.

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Von Jonathan

abschütteln. Die freißenden Berge bilden die Ursache einer meiner Ehe ich davon berichte, muß ich eine unangenehme Erinnerung frühesten Blamagen. Parturiunt montes, nascitur ridiculus Dieser Satz stand in dem lateinischen Lehrbuch für Quinta lächerliches Mäuschen." Ich aber ließ in meiner zehnjährigen Harm­und war zu übersetzen: ,, Die Berge freißen, geboren wird ein losigkeit die Berge ,, freisen  ", und bei der Erörterung dieses Fehlers stellte sich heraus, daß ich weder über das Wort kreißen noch über die damit zusammenhängenden Dinge Bescheid wußte. Was mir den wochenlangen Spott der älteren und wissenden Klassentameraden eintrug.

Die Berge aber waren schon lange vor jenem Vorfall der Gegen­stand meiner regsten Phantasie. Noch niemals hatte ich Berliner  Junge einen Berg gesehen. Einmal hatte ich von einem Berg ge­träumt, das war eine vornübergeneigte schwindelnde Felsenklippe gewesen, die sich in Wolfen   verlor. Nach dem Kreuzberg  , der da mals noch unverdeckt durch Häuser das Tempelhofer Feld überragte, nahm mich meine Mutter öfter mit. An seinen durch Sandgruben und Buddelarbeiten aufgerissenen Hängen suchte ich mir das Bild eines richtigen" Berges zu konstruieren, denn der mußte natür­lich aus foliden Steinen aufgetürmt sein, nicht aus rutschendem Sand. Erst eine Reise in die Sächsische Schweiz   sollte meine sehn­füchtigen Erwartungen befriedigen. Hier fand ich die Steingebilde meiner Träume durch die Wirklichkeit übertroffen. Die Mitreisenden im Rupee aber haben sich nicht schlecht gewundert, als ich von Dresden   an fortwährend aus dem Fenster hinaussah und auf die erhöhten Elbufer weisend meinen Vater fragte: Sind das schon ganz richtige Berge?" Wobei niemand verstand, warum ich. auf das richtige" so starten Wert legte.

Die Bergsehnsucht bin ich Flachländer niemals losgeworden. Ihretwegen kann ich es noch als gereifter Mann nicht laſſen, wochens lang mit Rudjad und Kniehosen herumzustromern. Auch die harm lofen Mittelgebirge   Deutschlands   tun es nicht mehr. Nur in den Hörnern, Schroffen und Zinnen des Hochgebirges blidt mich das an, was als ,, Berg  " so mächtig auf die Vorstellungswelt meiner Jugend eingewirkt hat. Da laffe ich mich achthundert Bahnkilometer nicht verdrießen...

Auch heuer nicht. Aber die Berge sind in dieser Regenzeit offenbar beim Streißen, und weil sie das nicht gut öffentlich tur fönnen, haben sie sich bis zu den Füßen in weiße Federkissen ge­steckt. Ich sehe sie nicht. Und so bleiben mir mit meiner treuen Kameradin nur Talspaziergänge durch den feuchten Wald.

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Es duftet nach Moos und Pilzen. Ob wir Steinpilze finden? Halt, was bewegte sich da? Ein Busch fnallgelber Butters blumen ist irrsinnigerweise lebendig geworden, die Blüten fingern ganz erregt hin und her. Da erscheint zwischen den Stengeln die Ursache des Wunders: ein braunes Feldmäuschen.

Es muß davonlaufen. Denn kaum zwei Schritt entfernt regen sich auch Berge, wahrhafte Fleischgebirge für den kleinen Nager. Aber der fürchtet sich nicht. In aller Seelenruhe holt er sich mit den Borderpfötchen einen Stengel heran, wie ein Schiffsmann ein Seil einholt. Dabei erfahre ich, daß diese Butterblumen auch Früchte tragen, winzige Hörnchen, die in Stachelkugeln beieinander stehen, wie die Morgensterne mittelalterlicher Bauern anzusehen. Mäuschen zieht sich einen solchen Klumpen zurecht, betnappert ihn, zehrt ihn auf. Ein zweiter Stengel wird eingeholt, ein dritter. Dann ist der Busch abgeweidet und nach fünf Minuten zieht sich das Mäuschen so ruhig, wie es hervorgefrochen, unter das Blatt werk zurüd.

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Das

Dieses Mäuslein ist das beglüdende Ereignis des Tages. Hast du gesehen, wie glatt das braune Fell war? Und wie munter die kleinen Stecknadelaugen blickten! Und so geschickt griff es sich mit den Borderpfoten die Früchte, fast wie ein Mensch mit den Händen." Abends noch beim Gutenacht: Weißt du noch, das nied

liche Mäuschen?"

Achthundert Kilometer bin ich gereist, um die Berge zu sehen. Sie haben getreißt. Ein Mäuslein wurde geboren...

Die Kathedrale als Goldgrube. Die Niederlegung der gewaltigen Erlöser- Kathedrale in Mostau, deren Bau 44 Jahre gedauert und 30 Millionen Mark Kosten erfordert hatte, und durch die Rußlands   Sieg über Napoleon   gefeiert wurde, macht schnelle Fortschritte. Von den fünf goldenen Domen wird das Blattgold entfernt, und es wird berichtet, daß zwei Zentner reines Gold so gewonnen werden sollen, während die Mostauer sogar glauben, daß sich dreiviertel Tonnen des foftbaren Metalls ergeben würden. Die Mittelfuppel, die in ihrem Riesenmaß das Stadtbild beherrschte, ist nur noch ein häß­liches Eisenstelett. Ein englisches Blatt berechnet, daß der Wert des Goldes bei dem gegenwärtigen Preise für dieses Metall nahezu zwei Millionen Mark betrage. An der Stelle des Domes soll bekanntlich das riesige Sowjet- Haus entstehen, dessen Hauptsaal allein 17 000 Plätze enthalten wird.