(Beilage Freitag, 18. September 1931
SivÄbttid Stinlnulgaße-Ja lifwafA
Nein: es sollte nicht schwer halten, aus dem Reichtum eines gewöhnlichen Berliner Wochentags, wie des heutigen etwa, an dem ich doch, objektiv betrachtet, gar nichts Besonderes erlebt habe, Stoff für sämtliche Dichtungsgattungen zu schöpfen. Schon am Vormittag, wo ich nur schnell zwei Zigaretten kaufen ging, wurde mir eigent- lich noch gratis das Material für ein hochmodernes Lustspiel mit hinzugegeben, eine Komödie, mit der ich Berlin erobern könnte, wenn: ja wenn ich sie bloß fertig brächte... Die Tcheidungs-Hoclpzeit. Daß zwei Leutchen heiraten, um voneinander loszukommen, � das ist, bei allen merkwürdigen modernen Ehemotioen, neu, das ist revolutionär, das ist sogar kon�radiktionär... andererseits aber durchaus natürlich, eventuell notwendig, und obendrein typisch für unsere Zeit: passen Sie nur auf. Beim Zigarrenhändler unterm Haustor stand eine meiner vielen ehemaligen Zimmerwirtinnen mit einem Brief von einer ehemaligen Zimmernachbarin<eben der Heldin meines Lustspiels), die, bald nach ihrer Hochzeit, bei ihrem Vater in der Provinz gelandet ist und sich flaut Brief) jetzt zurück- gelassenes Pfandgepäck per Nachnahme zuschicken läßt. In der Stille der Heimatstadt wird also die Arme über ihr Leben nach- denken, über die Zukunft und ihren Mann. Er war ihre Jugend- liebe, von der Fachschule her: sieben Jahre hatten sie einander ge- liebt und heimlich miteinander gelebt... wie schön war das! Sie lebten so glücksgebunden in einer Welt für sich dahin, daß ihnen außer ihrem Glück nichts recht gelang im Leben. Keine von den nach der Fachschule versuchten Existenzgründungen, die immer wieder Geld der Eltern von hüben und drüben verschlungen hatten, bis sie nach verbrauchtem Erbteil in Schulden gerieten und das junge Fräulein Frau ihre blonde Herrlichkeit immer häufiger in Leih- hausschlangen aufleuchten ließ. Da man wirkliche Not zu ertragen nicht die brutale Kraft besitzt und den erbittertsten Existenzkampf zu führen nicht den desperaten Mut, kommt es in diesem heiteren Milieu, das man seit jung an bildet, zur großen Trennungsszene. Man muß vorläufig bei den Eltern unterschlüpfen, jeder für sich. Die Welt für beide zusammen war zu schön, um sie so bitter ernst zu nehmen, wie sie genommen sein will. Aber sich trennen? Wie geht das an: wo alle Leute wissen oder doch ahnen, daß beide zusammenlebten, daß sie mit ihm„ging", wie man zu sagen pflegt (und ihre Füßchen waren ja wirklich immer neben den seinen her) ... das wäre eine Ehrlosigkeit, ein Skandal in der kleinen Provinz- stadt. Um sich trennen zu können, mußten sich die beiden erst regu- lär verbinden, Hochzeit machen, die Scheidungshochzeit.---So geschah �s. und jetzt ist also schon das Leben- zwischen den beiden durchgebrauste sie voneinander abdrängend, aus neue Bahnen.... wo» sagte ich: ein Lustspiel? Es ist eine schauderhaste Tragödie, die uns das Leben in allen Tonarten vorspielt: Trennung der Zusammengehörenden durch das Erwerbsleben. Um leben zu können, muh man sich vom liebsten im Leben trennen. Perfektion. Was ich auf dem Weg in die Stadt in der U-Bahn„erlebte", war äußerlich nichts, als daß ich vor einer mir unbekannten, mehr als hübschen Dame, nachdem ich sie eine Weile angestarrt, entsetzt davonlief— aber die Gedankenkette, die sich dabei in mir auslöste. war eine glatte Burleske. Als ich nach Passieren einer Station auf die vormals leere Sitzreihe zu meiner Linken einen zufälligen Blick warf, saß dort eine stark an jene Evelyne gemahnende Schön- heit, deretwegen zu meiner New-Porker Zeit der Millionär Thaw e:nen anderen Millionär in einem fashionablen Lokal niederschoß: ... ein schön profilierter Kops mit sentimental geschwungenem Kinn frei aus den Schultern strebend usw. Ein zweiter Blick überzeugte mich, daß die junge Dame noch überdies elegant war. Sie war ebenso elegant wie schön, vielleicht sogar noch mehr so. Wie rasfi- f niert war dieser herbstfarbene Kleiderstoss zum Goldbraun des Haares assortiert und Hals und Aermelabfatz zum Stoff, alles, bis aus. einen Steppstich, ein Nichtschen auf seine Wirkung kalkuliert. , Wieviel Zeit und Eiser mußten verwendet worden sein, alles auf den Maximaleffekt zusammenzupassen, abzustufen, die besonderen Schattierungen der negerbraunen Seidenstrllmpfe mit den Schuhen und deren Litzen zu kontrastieren, während Jägerhut und Schirm besondere in sich abgetönte und zum Ensemble passende Farben- komplexe auswiesen. Wie viele solch vollständig abgestimmter En- sembles besaß diese Frau. Ist nicht auch jede Welle des Haares auf den günstigsten Platz gesetzt, jedes Augenbrauenhärchen, jede Wimper in die gewünschte Kurve gebracht, die Beine diskret-oer- führerisch übereinandergeschlagen... Je öfter ich hinsah, desto mehr Raffinements entdeckte ich, desto mehr wuchs mein Staunen, in das sich bald eine Beunruhigung mengte. Nichts war zufällig, un- genützt, naiv, brachliegend an diesem Frauenkörper. Was— was ist der Preis, den der diesen gehäuften Anstrengungen unterliegende Mann bezahlen muß... Mit einem Satz war ich, obwohl schon das Abfahrtszeichen gegeben, zur Tür draußen. Die Vollkommene saß noch immer vollkommen unbeweglich, aber ein Mann neigte sich von der anderen Seite mit einem Lächeln zu mir hinüber, das zu de- sagen schien:„Wenn de so nach de Damsens kiekst, fahren se dir noch mal eens von deine langen Beene weg." Ist Nofretete schuldig? So oft ich an jenem Nachmittag die Türe meines sonst so stillen, fleißigen Nachbarn passierte, erschollen von drinnen Lachsalven und quoll ein süßlicher Zigarettendampf unten durch:— es war ein Studentengelage, in das ich hineinverwickelt wurde, und aus dem man mit einer durchgreifenden Regie einen Kinokitsch fabrizieren ' kann. Die Festlichkeit war ohne Rücksicht auf den Kalender ein- fach dadurch entstanden, daß eine Jugendfreundin des nachbarlichen Herrn»Doktor(der bis in die höchste Juristerei weiter hinaus stu- diert) eine Kiste geschickt hatte, welche aufgebrochen und voller Hobelspäne aus dem Boden stand, während der edlere Inhalt, drei Likör- und eine Tarragonaslasche, an einem kleinen Tischchen zirku- lierten, an dem die Gesprächsthemen, Launen und auch Umsassen ständig zu wechseln schienen. Und eben dies leichte Knüpfen und Lösen schien mir älterem Jahrgang das für die studierende Jugend und die damit verbundenen Jugendlieben und-ideen das Charakte- ristischc und in einer Weise sogar Erlösende zu sein: in einem Leben voller Gebundenheiten und Schwernisse. In dem Hin und Her und Rein und Raus und Prost dies und Prost das hatte mir eine blonde , Nachfolgerin der Ivgendsreundin(mit der Kiste) die erschütterndsten
Dinge über ihre jäh veränderte Lebenslage kaum zu Ende erzählt, als sie ein zweiter Herr Doktor in ein lustiges Gespräch verwickelte, dem sie ganz hingegeben war, indessen ich mit meinem Bedauern über ihre Vermögensverluste kläglich nachhinkte. Und kaum hatte ich mich der neuen Stimmung angepaßt, als sie samt ihrer Trägerin verschwunden und durch eine phänomenal schwarze, scheinbar dritte Jugendfreundin abgelöst worden war, die auf ein Haar der Nofretete glich, wenn sie in einer Berliner Vorstadt Auferstehung feiern würde. Und während ich mich jetzt wiederum zu einiger Heiterkeit durch- gerungen hatte, mußte ich mit ansehen, wie der Doktor Nummer 2 die Nofretete, nachdem sie ein bißchen gelächelt, genippt, geraucht, gesprochen, Ansichtskarten geschrieben und auf allen Stühlen ge- sessen(alles in l'A Minuten) ernst zu konfrontieren begann... in der etwas ungeschickt gespielten Rolle als Kriminalkommissar. Nofretete war schon am früheren Nachmittag hier gewesen... allein mit dem Rock des„Kommissars", aus dem 15 Mark fehlten. An dieser Tatsache zerbrachen die wechselnden Stimmungen und fröhlichen Launen, obwohl der Geldverlust nicht schmerzte. Die Realität des Lebens war eingedrungen in diese durch Bllcherwissen und Vaterschecks geschützte Welt... ist Nofretete schuldig? Sie beantwortete indiskrete Fragen unbefangen und unverdrossen... ist sie schuldig? Wie oft springt man verantwortungslos auf die bequemste Erklärung: was man nicht ohne einen Schock erklären kann, muh man es erklären? Jedenfalls mußte eine gute Regie das Geld wieder finden lassen. Ich, sagen wir, ziehe 15 Mark (die ich leider nicht besitze) aus der Kiste heraus. Der Doktor Nummer 2 wäre jetzt von dem Alb der Verdächtigung besteit und sagte sich: natürlich, im Innersten habe ich's ja gefühlt: Nofretete ist unschuldig. Beim Einstecken müßte der Doktor aber außerdem noch andere 15 Mark in seiner Tasche finden. Jetzt würde mir
Nofretete königlich ägyptisch zulächeln... und mich einladen: zu einem Nofretete-Tce. Der Streit mit Greta Garbo . Wenn in meinen Halbschlaf Wirthauslärm dringt und streitende Männerstimmen: weiß ich, daß drüben in der Kneipe sich dieser Roman der Frau„Greta Garbo " mit einem neuen Raufkapitel fortsetzt. Morgen wird die wirklich ehrlich naiv aussehende Frau wieder am hohen Rundtisch stehen und mit der Wirtin sich über Haushaltsangelegenheiten eingehend und ausschließlich unterhalten, und ihr Mann wird wie ein treuer Schirmherr neben ihr stehen, als hätte es nie Differenzen gegeben. Abends können sie aber doch wieder nicht ferne bleiben(es ist so eng in der Kammer zu Hause und kein Licht): also kommt man, um über einem kleinen Becher zu plaudern, in die Kneipe. Ein Bekannter wird dann die Greta- Garbo -Gleiche auf eine 2. Molle zu sich laden und ihrem Mann auch ein Glas an seinen Tisch stellen. Nicht er ist derjenige, der merkt, das Gretas Kavalier zärtlich wird, sondern ein anderer, der früher einmal den Kavalier gespielt: bei der, wie gesagt, immer naiv blickenden und niemals lauten jungen Frau. Worte werden in die Kneipe geschleudert und andere kommen zurück, hüben und drüben bilden sich Gruppen, während Greta in ratloser Unschuld da- steht... und manchmal bricht der Sturm los. Tags darauf wird wieder alles geleimt und man sieht mit Staunen, was Unvernünftiges vernünftige Männer angerichtet. Nicht umsonst darf keine Frau auf ein Piratenschiff. Uebrigens war es ein auswärtiger Roman- tlker, der den größten Aufruhr in der Kneipe entfachte: indem er Greta Garbo die Hand küßte. Was immer man darf: das keines- falls. Und endlich beweist der Fall meine Theorie, daß die naiven Frauen die stärkeren sind. Da kommen die Dämoninnen einfach nicht mit!
Bei französische Wald
Von Erich Gollgelreu
Wir wollen heute, diese Tage sind dafür gegeben, einen Spa- ziergang durch den französischen Wald machen. Man sieht dabei mehr als Bäume. Man sieht dabei etwas vom französischen Volk. Von diesem Volk, mit dem wir in Frieden leben wollen und müssen— auch wenn es uns in etwas kleinbürgerlicher, aber an- gesichts unserer Nazis sehr verständlichen Angst keine Kredite geben will. » Schwere, tiefe Tannenwälder gibt es wohl bloß in den Vo- gesen. Im allgemeinen ist der stanzösische Wald genau wie das fran- zösische Volk: rassig stark gemischt, uneinheitlich, eher heiter als ernst, ein bißchen unordentlich, sehr schwer zu durchdringen— auf alle Fälle recht reizvoll. In den deutschen Wald sind die Preußen einmarschiert. Stramm durchziehen ihn linealgrade Schneisen, auch die Bäume selbst stehen wie die Soldaten: wer eine gute Karte hat, weiß stets aus den Meter genau, wo er sich befindet, und für Förster muß in Deutsch - land der Wald ein ideales Feld sein. Natürlich ist er auch für die andern sehr schön in seiner schwermütigen Dunkelheit, in seinem bezaubernden Duft— und wer will sagen, daß die Ordnung eine schlechte Sache sei? Die Ordnung ist eine gute Sache und das Wandern durch den deutschen Wald gewiß nicht nur des Müllers, sondern oller frischen Menschen Lust. Da ist aber auch schon der große Unterschied: durch den beut- schen Wald kann man wandern, durch den französischen nur wan- deln— so wie man durch das nüchterne Berlin marschieren, durch das meist winklige, farbige, �tets zum Verweilen einladende Paris eigentlich nur spazieren kann. Deutsche Bäume werden oft genug gesetzt, später, nach der„Schonzeit", sogar noch versetzt, und dann benehmen sie sich entsprechend würdig. Französische Bäume sind einfach da, niemals benehmen sie sich irgendwie und„gesetzt" schon gar nicht. Vielleicht hat sie Gott, der Herr, gezählet, der Förster be- stimmt nicht. Im Werden und Vergehen des deutschen Waldes regiert der Mensch. Im Werden und Vergehen des französischen Waldes re- giert der Zufall oder vielleicht der Wille der Natur. Daß sich der Franzose selbst um seinen Wald zu kümmern hat, schrieb weder Rousseau , noch Diderot , noch Voltaire , deren Bürgerethit, unbewußt, heute noch in Frankreich heiliges Gesetz ist. Natürlich herrscht auf diese Weise im französischen Wald eine an sich zwar sehr malerische, aber wohl auch unhygienische Enge. Die Bäume haben meistens ganz dünne Stämme, die an die hohen Stöckelbeine französischer Schulmädchen erinnern, die sich darin merkwürdig spät entwickeln. Sie nehmen einander Luft und Erde weg und sorgen, ähnlich einer Gemeinschaft bedächtiger Kleinbürger, dafür, daß keiner von ihnen ausbricht, aus der Reihe tanzt und in den Himmel wächst. Tatsächlich ist der deutsche Wald höher als der französische. Aber auch die deutsche Gotik wuchs ja höher hin- auf als ihre Mutter im Westen: der Kölner Dom greift in die Wolken, ober die Türme von Notre-Dame brechen ab, wie sie im besten Wachstumszuge sind und lächeln auf Paris herab. Die Sehnsucht nach dem Unendlichen ist die deutsche Sache, das Sich- bescheidenkönnen mit dem Menschen- und Baummöglichen die fran- zösische. Spaziergänge in deutschen und französischen Wäldern sind wie Spaziergänge in der deutschen und französischen Seelenland- schast. Der französische Wald ist ein Schulwald. Alle erdenklichen Baumarten wachsen und wuchern in ihm empor, den Kindern, die sie beim Namen kennen sollen, sicher nicht gerade zum Vergnügen. Das Wichtigste, was sie parallel auch bei ihrem Volke sehen, wer- den die Kinder sicher auch lernen: die verschiedensten Rassen ver- tragen sich miteinander und einigen sich unter dem Sammelnamen Wald. Und das Licht, das nicht, wie bei uns in„Lichtungen" Einlaß findet, verteilt sich in Millionen goldenen Tropfen, ein himm- lischer Segen, gleichmäßig auf alle. Puck und Pan könnten herumspringen in diesem wirren Wald, in dem alles in einem heillos-heiligen Trubel durcheinandersprießt. Denn es ist ein Wald der Lebensfreude, ein Wald der guten Geister,
s der klingenden Märchen. Traurig zu denken, daß viel von diesem märchenhaften Garten Gottes im großen kleinen Krieg zerschossen worden ist. Denn mehr noch als in seinen Kathedralen und weit mehr noch als in seiner von Angst und Mißtrauen und kaufmän- nischen Ueberoorsicht diktierten Politik schlägt hier das Herz unseres Nachbarvolkes. Kleinei Besuch Von Iwan Heilbul Einmal, aus dem Lande, als ich noch spät in der Nacht am Tisch über einem Manuskript saß, klopfte es einige Male ans Fenster. Das Zimmer lag im oberen Stock. Aber dicht gegenüber liegt der Kirchhof und es war in der Zeit zwischen zwölf und eins. Auf Zehen ging ich zum Fenster, etwas eng um die Brust. Das Klopfen hörte nicht auf. Es war ein Falter.„Bitte", begann er,„laß mich herein." Draußen war es stockduster. Auch sauste der Sturm. Es war unmöglich, ihn abzuweisen. Ich öffnete also das Fenster, ließ ihn herein und kümmerte mich nicht weiter um ihn. Aber sehr bald mußte ich merken, daß ich mir einen unbescheidenen Gast in die Stube geladen hatte. Er sauste um mich herum, um die Lampe, kroch mit einem wahrhaft unanstän- digen Gang übers Papier und verwischte die Tinte. Er sah aus wie ein Hund, der sich in hockender Stellung über die Straße schleift. „Pfui Teufel", sagte ich,„Falter, laß das, gemein sieht das aus." Cr wollte nicht hören, er tat, was er wollte.— Ich fuhr{ort zu schreiben und beschattete meine Augen, um ihn nicht zu sehen. Darauf jagte er mir gegen die Hand. Er wollte, daß ich Notiz von ihm nehmen— daß ich mich ärgern sollte. Das tat ich denn auch auf der Stelle. Ich sprang enttüstet hoch und warf mit dem Manuskript nach ihm, er surrte steil in die Höhe, kroch an der Decke, blieb sitzen und sah mich sturäugig an. Ich stand auf dem Stuhl.„Ich bin ein einzelner Herr", sagte ich,„und wohne als Einlogierer auf Erden, bin unbeweibt. Ersieh daraus, Falter, daß ich unbehelligt zu leben wünsche, auch in der Nacht. Du bist wohl der Geist meiner lieben Braut, die ich lassen mußte, weil sie mich nachts, zwischen eins und zwei, am Schreib- tisch umsurrte wie du?" Er sah mir so frech von oben herab in die Augen, daß ich deutlich begriff, all meine Güte würde vergebens fein. Ich sprang auf den Tisch und schlug mit der Faust nach ihm. Er aber war schon entwichen. Ich sperrte das Fenster auf, setzte mich wieder. Ich hörte ihn lachen. Ob ich wohl dächte, er ginge wieder ins Dunkle hinaus, in die kalte Nacht—? Hihihi. Ich tat so, als hätte ich ihn ganz vergessen, als hätte ich mich abgefunden mit seiner Person. Das machte ihn unverschämt zum Entsetzen. Er machte Radau und stürmte gegen die Lampe. — „Wirf nicht die Lampe um, du Verfluchter...1" rief ich und sprang wieder entrüstet auf. So lohnt die Welt die Liebe zum Nächsten. Aber mein Gast war scheinbar konfus geworden. Er irrte, schwirrte mit furchtbarem Krach in der Lampenkuppel herum, er hatte vielleicht zu lange ins Licht geschaut, war vielleicht geblendet— er fiel auf den Tisch und lag still. Tot war er nicht— strapaziert nur, ein wenig. Da nahm ich den Herrn zwischen Daumen und Zeigefinger. Das Herz schlug mir heftig, da ich ihn wüten und strampeln fühlte— ich trug ihn zum Fenster. „Gott weiß es", rief ich,„ich habe es nicht gewollt! Aber wie kann ich gut zu dir sein, wenn du ein Bandit bist!" Dann öffnet« ich das Fenster, ließ ihn aus der Klammer meiner Finger los. Gewiß, er war mehr als ein Falter. Die irrende Seele eines teuren Verwandten, huhu... Und draußen hörte ich ihn zetern im Sturm- „Ganz finster, ganz finster! Hinausgeschmissen hat er mich Armen! Er sitzt in der warmen, hellen Stube— mich hat er hinaus» gesetzt, einfach hinaus, in die düstere, stürmische Nacht?"