W. A.Persich: Dörte im Tingeltangel
,, Marseille ist eine schlimme Stadt, selbst für unsereins", erzählte mir Kapitän Hundertmark in einer seiner guten Stunden, in denen zuweilen er sogar Landratten für erträgliche Kumpane hält.
" Und wo wir nun mal wieder in St. Pauli sitzen, mitten im Betrieb, muß ich an das schmutzig- bunte Leben da unten denken und daran, wie ich Dörte kennenlernte. Oder habe ich Ihnen die Sache schon mal erzählt? Nein?
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Also passen Sie auf- es ist wohl allmählich so'n Stücker zwanzig Jahre her- Deubel auch, geht die Zeit! Ich war grad Leichtmatrose geworden,' n richtiger Janmaat, der kein Geld auf der Naht haben konnte, ohne das Jucken in den Fingern zu kriegen. Wir liegen da unten unter einer Sonne, wie Ihr sie nie gesehen habt, und dösen durch die Tage. Eine Fracht soll kommen und tommt nicht.
Gegen achtzehn Glas bummel ich mal durch das Viertel hinter den Kais. Wilkins, der mir' n paar Jahre voraus war, hatte mir erzählt, in Marseille gäbe es ein Tingeltangel ,, El Garon", da würde was an den Tag gegeben. Ich finde das Dings denn auch und komme grad in den Laden reingeschneit, als' n kleines Mädel tanzt, fein und schlank und blond, wie man es da unten eigentlich nicht findet. Scheint denn auch Clou vons Ganze zu sein, die Deern ein Prachteremplar.' n büschen was versteht unsereins ja schließlich
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davon. Was soll ich sie weiter beschreiben, sie ist direkt zum Verrüdtwerden, alle Keris jucken sich die Augen, aber das Mädchen verschwindet hinten in einer Art Garderobe.
So'n Bengel wie ich es war, hat seine hundert Schilling zu ver= fieren, wenn's hoch kommt und vor nichts hat der Sailor weniger Respekt als vor Bargeld!
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Ich warte' ne Weile, höre und sehe nichts von dem Mädel, stehe auf und linse mal hinter den Vorhang, wo sie verschwunden ist. Da ist eine dünne Tür, wacklig und schief, das Licht sichert an den Kanten durch und mit dem Licht eine gräßliche französische Stimme:
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,, Was," sagt ein Kerl drinnen, das ganze Etablissement sitzt voller Gentlemen, sogar Engländer und Deutsche sind da, und du willst dich wieder mal nicht blicken lassen? Das wäre noch schöner der Vertrag ist unterschrieben, mein Herzblatt, da is nig dran zu tlingeln! Ehe ich es mit was anderem versuche, werde ich dir mal selbst Erziehung beibringen...", worauf irgend etwas an die Tür poltert, ein einer Spalt sich öffnet und ich sehe, wie der Wirt das Mädel gerade an den Schultern packt. Hein Seemann ist nu mal sachlich Fäuste zu
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eines holländischen Dampfers, ist darauf, ein klarer, gerader Ker!, was sein Gesicht anbetrifft und sonst eben ein Janmat, wie ich. Sie kommt, in der Hand ein Tablett, darauf eine Kanne, Tassen, Milch, Zucker und stellt es ab. Erst nachdem auch sie sich gesetzt hat, merkt sie die Sache mit der Photographie und da halte ich sie einfach fest. Immer noch ist der schwere und müde Ausdruck auf ihrem
Gesicht.
Ich will mehr wissen über den Janmaaten da drüben, meinen Kameraden auf großer Fahrt; da wird sie ganz still. Ich trinke meinen Kaffee, lasse sie in Frieden, denn diese Stimmungen fenne ich einigermaßen richtig, bald fängt sie von allein an:
„ Sie sind hier," sagte sie, und ich will ja tun, was Sie wollen, ich bin ja dazu da. Das hat der Wirt ja auch heute wieder gesagt, und weil es immer noch nichts nützte, wollte er mich schlagen. Das haben Sie verhindert, deshalb will ich dankbar sein."
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und denn kann
,, So," erkläre ich nun ,,, was du da denkst, kleine Tänzerin, ist ganz falsch. Ich wollte gar nicht hierher. Du hast einfach gesagt, den Mund gefallen. Danke schön für den Kaffee. ich soll mitkommen. Und manchmal bin ich eben' n büschen auf ich ja wieder gehen!" Das sage ich und nehme meine Müze vom Haken. Was tut sie? Steht mit einem Rud auf und fragt: Ist das die Wahrheit? Ja," sagt sie selber weiter, das ist wohl die Wahrheit, Eie sind ja gekommen, als er mich schlagen wollte, und Sie fannien mich nicht." Dabei streichelt sie meine Hand, nimmt mir die Müze fort, macht wieder mit ihrem hübschen gespitzten Mund„ Scht " und schiebt leise einen Vorhang zu einem anderen Zimmer beiseite. Mit ihren beiden Händen trägt sie die Lampe , die da hinein leuchtet. Das Licht fällt auf ein großes Bett und daneben auf eine bunte Wiege, ein Herz ist darauf gemalt, ein paar Blumen, ein Dampfschiff und in holländischen Worten:
,, Seeleben ist Not." on
Ich sehe einen blonden Schopf, zwei kleine Hände, die sich an ein rotes Gesicht pressen, auf und ab geht ein Atem. ,, Wie alt ist er?" frage ich.
,, Morgen drei Jahre. Es ist ein Mädel. Sie heißt Dörte." " Dörte," das spricht sie mit ihrem spißen Französisch so lustig
aus, daß ich lachen muß, werde aber gleich wieder ernst und zeige auf das Bild:
Ihr Vater?"
,, Ja," antwortete sie ,,, nächstes Jahr macht er sein Examen. schon für uns drei reichen. Wenn er mal Steuermann ist, vier, Dann muß ich nicht mehr arbeiten. Die Bootsmannsheuer wird fünf Jahre noch, dann fängt das Leben erſt richtig an."
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,, Warum, zum Teufel, bist du denn Tänzerin?" frage ich sie. „ Ich habe nichts anderes gelernt. Zum Nähen sind meine Augen zu schlecht mein Vater war blind, müssen Sie wissen, schon als ich geboren wurde. Die Augen von meiner Mutter allein haben wohl nicht für mich gelangt.„ Er" sie zeigt auf das Bild- ,, lernte mich in Le Havre kennen, da tanzte ich in Schenken, Vater spielte dazu. Der Alte ist gestorben, allein konnte ich mich in den Kaschemmen nicht durchschlagen. So habe ich dies angefangen; nach. dem das Kind zur Welt kam und er mir den Ring gab."
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,, Marseille ist eine schlimme Stadt für eine Tänzerin," wieder. holte Kapitän Hundertmark nach einer kleinen Pause,„ besonders wenn sie hübsch und jung ist."
,, Was ist denn aus ihr geworden?" fragte ich schüchtern. „ Ja," er rührte lange den Zucker in seinem Grog,„ das ist eigentlich eine andere Geschichte. Schließlich kann ich es Ihnen ja ruhig sagen: er ist heute Kapitän auf einem deutschen Küstenfahrer. Sein Haus steht unten in Blankenese , dicht am Strand. Es hat ein Strohdach und grüne Fensterläden. Sie kennen es auch. Die beiden haben noch einen Sohn gefriegt, der musterte gestern bei mir für seine erste Fahrt an."
„ Und Dörte?"
,, Dörte," sagte er nachdenklich und schwieg dann, blinzelte in das Scheinwerferlicht.
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Ein Mädel mit einem Tarlatanrod und sehr großen hellen Augen trat eben auf die kleine, pappig bemalte Bühne, und der langhaarige Klavierspieler schien sein Instrument mit Fäusten zu bearbeiten, Dörte steht da oben. Deshalb bin ich ja heute in dieses Tingeltangel mit Ihnen gegangen. Wir müssen sehen, was sich retten läßt, der alte Wandertrieb ist wohl durchgeschlagen oder das Blut, das die Mutter mit dem blinden Vater durch die Kneipen von Le Havre trieb. Dörte ist vor einem Monat weggelaufen und Tänzerin geworden sehen Sie nur hin, das Mädel kann was. Ob wir beide, wenn wir ihr die Geschichte erzählen, sie wieder nach Hause bringen können?"
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Ravaller, men's gilt, ein paar fadilify braußbare Faufte au peigen W. Heydrich: Haithabu , ein deutsches Pompeji
habe ich nie eine Ausnahme gemacht und mache sie auch heute nicht. Also ran!
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Bei meinem Dazwischentreten muß dem Kneipenontel zumute sein wie dem Decksjungen vorm Klabautermann, an den wir alle nicht glauben wollen aber dann ist er mit einem Male da. Der Kerl zieht sich in den hintersten Winkel des Stalls zurück, den er Künstlergarderobe nennt und zittert ein bißchen zu sehr Franzose, um nicht sofort mit grenzenloser Hilflosigkeit eine Verbeugung zu machen und zu sagen:
,, D, pardon, Monsieur, ich mußte nicht, daß Sie mit Made= moiselle verabredet waren. Ich gehe schon. Pardon, Monsieur, bon soir, Mademoiselle."
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Die Kleine erst jetzt sehe ich ihre dünnen Schultern, ihr überschmales Gesicht unter schwerem Haar und helle, große, schöne Augen, die vorhin das Scheinwerferlicht forrigierte weiß nichts Rechtes mit mir anzufangen. Ich habe auch nicht eben die beste Schule im Umgang mit Damen hinter mir.
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' ne Tänzerin war damals' ne Dame für mich, mein Lieber, und auch heute möchte ich behaupten fündertmart sah mich drohend an, als erwarte er von einer jo morbiden Landratte aufs Bestimmteste eine unpassende Bemerkung. Da ich nickte und ihm zulächelte, fuhr er, weniger heftig, fort:
,, Na ja, das ist nun mal meine Meinung!
Da stehe ich also, wie ein echter Janmaat steht, wenn er zum erstenmal im Leben die schlanken Hände so' ner Frauensperson sieht, die mit Puder und Lippenstift umgeht wie unsereins mit Karte und Kompaß. Schließlich kommt bei ihr so was wie ein Lächeln zustande und sie sagt mit sehr müder Bewegung: " Ich danke Ihnen, Monsieur
wahr, das wollten Sie doch?"
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gehen wir nun hinaus, nicht
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Ihre Augen sind dabei merkwürdig. Ich sehe sie heute noch vor mir und weiß in diesem Moment, wie es mir durch die Seele ging. Mit Dummerjungengalanterie mache ich meinen Arm trumm, fie legt einfach ihre kleine Hand hinein und dann gucken alle im räucherigen Saal uns wütend und neidisch an. Wir setzen uns zu= jammen an meinen Tisch und der Wirt selber bringt neuen Wein. Soweit alles ganz schön und gut denken Sie, nu' aber endlich los mit dem Abenteuer, mit Mord und Todschlag oder mit einer eins A sentimentalen Liebesgeschichte. Mensch, haben Sie eine Ahnung von der Tüffeligkeit eines Janmaaten. Er möchte wohl so mit tausend auf ein Ziel los, parlez vous francais, speak you english - und er erzählt an Bord die tollsten Dinge, mas für'n Held er ist. Aber in Wahrheit möchte er am liebsten beidrehen und direkt an der Ankerwinde die Wut über seine eigene Dummheit auslassen.
Die Kleine gibt sich alle Mühe, mich mit luftigen Dingen 31t
unterhalten mit einem Gesicht, das sich müht, einer Pflicht nachzu kommen, und da wir immer noch nicht den richtigen Kurs zueinander finden, meint sie plöglich, nach einem Lachen über irgend etwas Albernes hinten im Raum:
Sie hatten doch die Absicht. mich nach Hause zu bringen?" Den Bersuch meiner Abwehr ignoriert sie einfach, erklärt sehr bestimmt: " Zahlen Sie! Wir werden gehen. Ich will Sie um nichts be= trügen. Kommen Sie gleich nach. Vor dem Eingang warte ich ich hole nur den Mantel aus der Garderobe."
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Wirklich, als ich auf die Straße trete, steht sie, weiß im Laternenlicht und ganz in einen Schal gewickelt, da und geht dann schweigend, schnell und zielbewußt neben mir her.
Wir marschieren durch ein paar gewundene Straßen, das Trippeln ihrer Stöckelschuhe pickt dünn durch den Anschlag meiner Kloben auf dem runden Pflaster, hinten blitzen Lichter des Hafens, Schiffs= leiber ragen schmer durch plötzliche Ausblicke zwischen baufälligen Häusern oder Schuppen, und wenn man stehen bleibt und den Atem anhält, fann man das Wasser an die Dalben schlagen hören. Wir kommen in eine frumme Straße ich sehe sie noch vor mir, Pfützen spiegelten die einzige Laterne mit ihrem langen Schatten, und die war schief.
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Das Mädal schließt hastig eine fleine Haustür auf, leuchtet mit einem im Luftzug immer wieder verlöschenden Streichholz auf die Stiegen. Meine geflüsterten Einwände bekommen nur ein„ Scht ", dann klappert eine leichte Kette gegen Holz, Wohnungsgeruch schlägt uns entgegen, noch eine Tür, ein Zimmer, eine Lampe und da size ich schon auf einem roten Plüschsofa, wie zu Hause.
Mir ist etwas aufgefallen: eben brennt Licht im Zimmer, fehrt sie blitzschnell ein Photo an der Wand um und so hängt es nun, das braune Papier nach vorn.
Mein Kopf brennt ganz gehörig. Ich bitte sie um Kaffee, Sie geht hinaus, wohl in die Küchenatürlich stehe ich auf und drehe bas Bild wieder herum. Ein Seemann , Bollmatrose, mit der Müze
Bor etwa 1000 Jahren, als Normannen und Wifinger mit ihren| legenheitsfunden bei Haddeby begann die systematische Ausgrabung, primitiven Langbooten die Küsten Europas umjegelten und nord- deren bisherige Ergebnisse bereits weit über unsere Grenzen hinwestwärts über Island und Grönland bis nach Nordamerika vor- aus Aufsehen erregt haben. drangen, gab es in der deutschen Nordmark, dem heutigen Schlesmig- Holstein, eine Art Handelszentrale, die den Warenverkehr zwischen den skandinavisch- baltischen Ländern und dem Süden Eu-| ropas vermittelte und deren Verbindungen sich wahrscheinlich so gar bis nach Nordafrika und Westasien erstreckten. Dieser Plazz Haithabu mit Namen lag am südlichen Ufer der Schlei, gegen
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Ganz einfach war diese Arbeit allerdings auch jetzt noch nicht. Das Gelände von Haithabu befindet sich in bäuerlichem Besitz, und da der Staat für einen Ankauf bisher noch keine Mittel flüffig ge= macht hat, so waren Nachgrabungen nur im Herbst und Winter möglich, wenn das Land brach lag.
über der heutigen Stadt, Schleswig , an jener alten, teilweise fünstliches zutage gefördert? Vor allem zum ersten Male einen vollstänlichen Wasserstraße, die von der Ostsee durch die Schlei über einen Kanal zur Treene und weiter durch die Eider zur Nordsee führte. Also ein Vorläufer des modernen Nordostseekanals.
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Dieses Haithabu , einstmals eine reiche und mächtige Stadt mit einer für jene Zeiten gewaltigen Einwohnerzahl von 4-5000 Men schen, war fast 900 Jahre sozusagen vom Erdboden verschwunden und damit aus dem Gedächtnis der Welt ausgetilgt. Auf dem ehemaligen Stadtgebiet filhrie der Bauer seinen Pflug, fäte und und erntete sein Getreide und weidete seine Rinderherden. Der Berg, auf dem einst ein starkes Kastell gestanden, bedeckte sich mit Wald. auf dem einst ein starkes Kastell gestanden, bedeckte sich mit Wald. Nur noch zwei Namen erinnerten an die vergessene und verschwundene Stadt ,, Oldenburg " ,, Alte Burg" und die Dorfbezeichnung Haddeby, die aus„ Haithabu" entstanden ist. Allerdings, am Westufer des sogenannten„ ,, Haddebyer Meeres" ( oder„ Selke Noor"), einem Zipfel der Schlei, umzog eine gewaltige Erdschanze im weiten Halbkreise ein flaches Wiesenareal von etwa 62 Hektar Ausdehnung. Dieser 10-12 Meter hohe Wall war an drei Stellen von Toren" durchbrochen, und ab und zu förderte der ackernde Landmann merkwürdige Dinge aus dem Boden zu Tage, bemalte Topfscherben, Urnen, bronzene Geräte, eiserne Waffen, Beile, Messer, Werkzeuge und anderes. Aber die Erinnerung an das alte Haithabu war so gründlich ausgelöscht, daß selbst der ursprüngliche Name verschollen geblieben wäre, wenn er sich nicht auf einigen zufällig entdeckten Runensteinen wiedergefunden hätte. Die entzifferten Inschriften auf zweien derselben lauten: ,, König Sven setzte diesen Stein über Startha, seinen Waffengefährten, der westwärts gefahren war, aber vor Haithabu fiel". Und die andere: ,, Thurlf aufstellte diesen Stein, der Vasall Svens, über Erif, seinen Heimdegen, der fiel, da Helden belagerten Hait habu. Er war aber ein Steuermann und guter Held". Das war die erste Kunde vom alten Haithabu.
Aber erst 1908, als man auf der Haddebyer Flur jenes berühmte 20 Meter lange Wikingerboot ausgrub, das sich heute im Schleswiger Museum befindet, und unter dem Boot ein großes holzgezimmertes Rammergrab freilegte, in dem sich Knochen, Waffen, Pferdegeschirr und der Schmuck eines germanischen Ede lings fanden, wurde man auf den Plaz näher aufmerksam. Dennoch dauerte es noch etwa 15 Jahre, ehe man ernsthaft an eine Durchforschung des Geländes gehen konnte und in etwa 2-3 Meter Tiefe unter der Oberfläche, unter Humus und Sandschichten, ganz erstaunliche Dinge aufdeckte.
Nach eingehenden Quellenforschungen wissen wir heute wieder von dem alten Haithabu , daß es etwa um 600 n. Chr. von schwe= dischen Seefahrern und Händlern gegründet worden ist. Seine Mutterstadt war das schwedische Birka am Mälarsee. In blutigen Kämpfen mußte es gegen die Dänen verteidigt werden, denn ein alter Bericht verkündet, daß die Königin Asfried bei haithabu ihren Gatten Knuba und ihren Sohn Sigtrygg verloren habe. Allen Widerständen und Angriffen zum Troß aber gedieh Haithabu zu ciner machtvollen nordischen Handelsempore, die während der zwei Jahrhunderte von 850 bis 1050 ihre Glanzzeit erlebte. Die Leute von Haithabu , Händler, Handwerker, Krieger und Seefahrer, erbauten den oben erwähnten Kanal von der Schlei zur Treene, der die gesicherte Durchfahrt zur Nordsee ermöglichte. Leute aus Hait habu fchifften auf ihren gebrechlichen Langbooten die Elbe, Weser , und den Rhein hinauf und dehnten ihre Fahrten um Europa herum bis nach dem Mittelmeere, nach Byzanz und Trapezunt aus, so daß sogar ein persischer Chronist jener Zeit von der großen Stadt am nördlichen Ozean" berichtete, von der man Bernstein , Mühlsteine, Eisen, Pelze und andere kostbare Dinge bezog.
digen Grundriß einer wifingdeutschen Stadtanlage, von einer Ge= nauigkeit und Uebersichtlichkeit, wie er bisher noch nicht gefunden worden ist. Er ist in furzen Zügen zu fennzeichnen. Haithabu wurde von Norden nach Süden durch eine Hauptstraße und von Often nach Westen durch einen Kanal in vier etwa gleich große Stadtbezirke eingeteilt, deren besondere Bestimmung klar zutage liegt: Ein Wohnviertel, ein Handwerkerviertel, ein Speicherviertel und ein Gräberfeld, auf welchem die Gräber in mehreren Schichten übereinander liegen. Von den Gebäuden sind selbstverständlich nur spärliche Grundreste vorhanden, die jedoch über ihren Zweck klaren Aufschluß geben. Im Wohnviertel findet man die verschiedenartigsten Gebrauchsgegenstände, wie sie in jedem Haushalt vorhanden waren. Im Handwerkerviertel liegen gleichartige Dinge in gröBeren Mengen beieinander, dazu die Werkzeuge, die zu ihrer Anfertigung dienten; Webwirtel, Schmelztiegel, Hämmer, Zangen, Töpferscheiben und anderes. Einige Stellen kennzeichnen sich als Glasmacherstätten, in anderen wurde Schmuck hergestellt. Dann gibt es Schmieden, Zimmerwerkstätten, Sattlereien, Bootswerften usw.
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Der Hausbau war denkbar einfach. Steine waren rar und wurden wenig verwendet. Die Häuser bestanden in der Hauptfache aus Ballengerüsten mit Flechtwerk und Lehmbewurf. Die Straßen waren oder vielmehr sind heute noch- regelrecht gepflastert. Ueberall finden sich Brunnenanlagen. Holzbrüden vermittelten den Verkehr über den Kanal. Und am Ufer des Haddebyer Meeres findet sich wohlerhaltenes Faschinenwert und eingerammte Pfähle- ,, Dückdalben" die Reste eines sorgfältig ausgebauten Hafens.
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Vorläufig ist allerdings erst ein kleiner Teil Haithabus eingehend durchforscht, und niemand weiß, was für Schäze noch im Boden verborgen liegen. Jedoch ist der Ueberblick über die ganze versunkene Stadt bereits jetzt schon vollkommen flor, wenn auch jedes Jahr noch neue, tiefere Aufschlüsse verschafft. Daß Haithabu fedenfalls seinerzeit von überragender Bedeutung für nordische Kultur, nordischen Gewerbefleiß und nordischen Handel und auch ein politisch hochwichtiger Zentralpunkt der Grenzmart gewesen ist, bemeist die Tatsache, daß um 850 der Hamburger Bischof Ansgar hier die erste christliche Missionskirche anlegte, allerdings außerhalb der eigentlichen Stadt im heutigen Haddeby. Daß sie zum Mittelpunkt des christlich- kirchlichen Lebens in dieser Gegend wurde, verhinderte der 200 Jahre später eingetretene plötzliche und schreckliche Fall von Haithabu .
Wir haben oben Haithabu ein deutsches Pompeji genannt. Das hat seinen besonderen Grund. Die Dänen hatten von Anbeginn immer wieder versucht, den blühenden Ort unmittelbar an ihrer Grenze zu vernichten. Ströme von Blut find um den Besitz Hait habus vergossen worden. Endlich, im Jahre 1050 n. Chr., schlug die Todesstunde der glanzvollen Handelsstadt. Ein unvermuteter Ueberfall durch ein dänisches Heer machte der Herrlichkeit ein jähes und fürchterliches Ende. Die Wut der Eroberer verschonte weder Menschen noch Dinge. Haithabu wurde dem Erdboden gleichgemacht und nie wieder aufgebaut. Seine Erbschaft trat das am Nordufer der Schlei gelegene, bis dahin völlig unbedeutende Dorf Sliaswig - Schleswig an, ohne jedoch die Vorgängerin jemals zu er= reichen.
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Der Platz, auf dem Haithabu gestanden hatte, blieb verödet. Sturmfluten ließen die Reste versanden. Ueber dem Sande bildete sich Humus. Wald flog an, wurde wieder gerodet und in Acker und Wiesen umgewandelt. So ist haithabu gewissermaßen gleichfalls eine verschüttete Stadt geworden wie Pompeji am Fuße des Vesuv . Und wie Pompeji ersteht es jetzt langsam wieder aus der Versunkenheit auf als ein jahrhundertelang vergessen gewesener Reuge alter Zeiten.
Haithabu war zu jener Zeit tatsächlich der einzige große Umschlagplatz für jene Waren im deutschen Norden. Bon Schweden, Finnland und den baltischen Küsten strömten die eigentümlichen Landesprodukte hier zusammen, wurden in Haithabu aufgestapelt und nach Bedarf weiter verschifft. Es muß sich also um eine verhältnismäßig große und befestigte Siedlung gehandelt haben, wie sie zu jenen Zeiten in diesen Breiten noch selten war. Und angeregt non diejen historischen Feststellungen und den zahlreichen Gesund Berlagsanstalt Baul Ginger. Co., Berlin GB 68, Lindenstraße 3.
Berantwortlich für Politik: Victor Shift: Wirtschaft: 6. Klingelhöfer: Gewerkschaftsbewegung: J. Steiner; Feuilleton : Dr. John Schifowsti; Lotales und Sonstiges: Frizz Karstädt; Anzeigen: Th. Glode; fämtlich in Berlin . Verlag: Borwärts- Verlag G. m. b. S., Berlin . Drud: Vorwärts- Buchdruderei Sieran 2 Beilagen