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Während Friedrich so da saß, und der Lärm, der Dunst regen- ..ger   Kleider, die Schankstubenatmosphäre von Bier und Tabak, die aus diesem Saal nie ganz zu bannen war, um ihn strömte und seine von der kühlen, reinen Schönheit des Herbsttages noch ganz erfüllten Sinne betäubte, fiel ihm plötzlich ein, daß er den Ko- mödianten bereits begegnet war, gestern, als sie am Wegrand hockten und sich eine Mahlzeit bereiteten, während der elende Wagen mit dem dürren Gaul tief im Schmutz steckte Auf«ine unerklärliche Weise nahmen in seiner Erinnerung die Gesichter der über die auf- gewickelten Brotpakete Gebeugten seine eigenen Züge an und ihn durchflutete, aus den Wurzeln der Seele aufsteigend, eine furchtbare und ewige Kälte. Da bewegte sich der Vorhang. Das Scharren und Klopfen da- hinter verstummte. Durch die Löcher in dem alten, zerfetzten Samt schauten gierige, gespannte Augen. Im Saal hob sich ein Kichern. Friedrich kroch in sich zusammen, schamvoll und erbittert, als be- rechnete e r durch das Loch im Vorhang die Einnahme des Abends und die Möglichkeit eines warmen Abendessens. Plötzlich fühlte er sich hier sitzen, um eine elende und niedrige Neugier an der Posse des Elends zu belustigen. Ein unnennbares Gefühl wollte ihn mit eisernen Fäusten zum Saal hinaustreiben. Da hob sich ein dünner, kläglicher Ton, suchte mühsam seinen Weg durch den Saal und zog eine Reihe anderer Töne nach sich, alle ebenso dünn, ebenso kläglich. Am klapprigen Flügel saß ein altes Männchen mit dünnem, schlohweißem Haar und tiefgcfurchtem Gesicht, schaute stumpf vor sich hin und schlug auf die Tasten, daß sie einen zerrissenen, jammervollen Laut von sich gaben. Das war das Orchester. Wieder kicherten die Leute. Friedrich zitterte. Starr sah er auf den Alten, dessen 5iände in dem kotigen Gassenhauer wühlten, um ein paar Pfennige daraus aufzusammeln. Eine ungeheure Welle von Empfindung hob ihn auf und trug ihn mit sich in weite, trostlose Einsamkeiten. Dann begann das Spiel. In fadenscheinigen Lappen stolzierte der Theaterfürst aus die Bühne. Seine Tochter trat zu ihm mit geflicktem Schleier und ausgetretenen Schuhen, deren schiefe Absätze bei jedem Schritt umknickten, was sie durch einen krampfhaft stelzen- den Gang zu verbergen suchte. Sie sang mit ihrem lächerlich auf- geputzten Bräutigam ein leichtfertiges Lied. Welch widerliche Qual! Der Fürst hatte seine Rolle vergessen, stotterte und blieb hilflos stecken, ein fleckiges Rot unter der Schminke seines verkommenen Gesichts. Stumpf und unentwegt klapperte der Alte Gassenhauer um Gassenhauer herunter. Das Publikum murrte, einige lachten. Friedrich schauerte. Welche Purzelbäume um einen Löffel warmer Suppe, um doch einmal am Wege zu verrecken er biß die Zähne zusammen und schaute starr auf die Bühne, wo das Spiel immer verzerrter und hilfloser wurde. Sie taumelten hin und her, versprachen sich, lachten grell und zur Unzeit und schienen völlig teilnahmslos, bis auf das Mädchen, das im verwüsteten Gesicht einen eigentümlich angstvollen Zug hatte. Man begann zu zischen, zu pfeifen, dazwischenzurufen. Jedes- mal, wenn die Fürstentochter mit dem geflickten Schleier in ihren schiefen Schuhen umknickte, ging ein Gelächter durch den Saal. Die Komödianten bewegten sich wie in glühenden Gewändern. Ein sinnloser Zorn packte Friedrich über diese Dumpfen und Satten, zu denen e r sich, trotz seines guten Anzugs und seiner ge-
füllten Börse, plötzlich nicht mehr gehörig fühlte. Ihm war, als schlich er wieder in den Anlagen umher, gehetzt und ausgestoßen ob seines auseinanderfallenden Rockes und seiner ausgefransten Hosen, und lauere auf die Brotrinden, die die Kinder fortwarfen. Als stünde er wieder mit seinem Manuskript vor der Post und würgte an den Tränen, weil ihm das Porto   fehlte, es abzuschicken. Wieder suchte er nach Mut und Worten, jemand um die paar Pfennige anzubetteln, und brachte es nicht fertig. Das Klavierspiel verstummte plötzlich. Friedrich, auffahrend, sah den Alten den Flügel verlassen und die Bühne hinaufwanken, um seine Rolle zu übernehmen. Das Stichwort war lange gefallen. Er aber tastete noch immer an der Wand herum. Er war blind. Während neben Friedrich alles in ein ungeheures Nichts ver- sank, gellte ein Psiff durch den Saal. Gelächter folgte, Geschrei und Getrampel. Gegenstände flogen auf die Bühne. Die Hölle war losgelassen., Die Komödianten, zuerst halb betäubt, versuchten, das Publi- kum zu beschwichtigen. Der Fürst wollte mit seinem Pathos, das in seiner gespreizten Hilflosigkeit Friedrichs Zähne zusammenschlagen machte, eine Rede halten. Man schrie ihn nieder. Der Prinzessin mit den schiefen Absätzen, die etwas sagen wollte, rief man unflätige Witze zu. Den Bräutigam erschlug ein wieherndes Gelächter. Einzig der blinde Alte stand stumm und ohne Regung, als sei er das längst gewohnt. Als gehöre das mit zum Programm. Er rührte sich auch nicht, als die Menge auf die Bühne dran� und ihr Eintrittsgeld zurückverlangte, blind, berauscht von dem Skandal, der Sensation, die das kleine Städtchen nicht oft erlebte. Eine gute Vorführung wäre ihnen nicht halb so lieb gewesen. Hunde, dachte Friedrich, die ihr Wild gestellt haben, und redete, aufspringend, auf sie ein. Er erstickte fast an seinem Ekel, aber ihm war, als hinge seine Seligkeit davon ab, daß er die Menge zurückhalte. Als er seinen Namen nannte einen Namen, dem er in Hunger und Arbeit Geltung verschafft hatte kannte ihn hin und wieder einer, und es wurde stiller. Man hörte ihm zu. Seht", sagte er atemlos und glühend,seht, es sind arme Lumpen, elende Schlucker! Was liegt euch schon an den paar Pfennigen? Ihr braucht sie nicht. Ihr seid ja alle reiche, gutgestellte, satte Leute" die Stimme versagte ihm sekundenlangaber die hier müssen ja am Weg krepieren, wenn ihr ihnen das nehmt, wovon sie morgen ihr Leben fristen wollen!" Er stockte, der Schweiß trat ihm auf die Stirn, er fürchtete umzusinken. Aber sein Zweck war erreicht. Die Menge, beruhigt, schlug vor, eine Sammlung zu veranstalten.Ja", rief Friedrich, sammeln wir für die Armen! Helfen wir den Komödianten, so wird Gott   uns helfen! Jeder Pfennig wird hundertfachen Zins tragen." Anstatt die Leute anzuspeien und ihnen seinen glühen- den Haß ins Gesicht zu schreien, sagte er:Wer kennt nicht den opferwilligen Sinn dieser Stadt?" Was den Bürgern schmeichelte. Mit der gesammelten hübschen Summe ging Friedrich wankend in die Garderobe. Der Fürst machte Miene, ihm pathetisch zu Füßen zu fallen. Steh aus", sagte Friedrich mit schwerer Zunge,nehmt und geht" er riß, mit zusammengebissenen Zahnen, noch Ringe von seinen Fingern und Geld aus seiner Tasche und stürzte hinaus, von der entsetzlichen Flamme hilflosen Mitleidens mit dem Elend der Welt verfolgt.
Tfhfor ftakofi: Hausherr undWohnpariei Hausherr und Wohnpartpien können sich gegenseitig memals verstehen. Hausherr und Wohnparteien sind aufeinander schon von Natur aus feindselig eingestellt, wie Hund und Katze. Das rührt aber daher, daß Hausherr und Inwohner sich gegenseitig immer nur von den schlechten Setten zeigen. Schon der Umstand an und für sich, daß«in Hausherr das Recht hat, von uns viermal im Jahr einen bestimmten Betrag zu fordern, macht ihn verhaßt. Denn die Menschen haften die Wohnung für eine ebenso natürliche Sache, wie z. B. die Luft: und wir gelangen allmählich zu der Ueberzeugung, daß auch die Wohnung ein Geschenk der Natur sei, es also die größte Ungerechtigkeit ist. dafür eine Miete zu verlangen. Mein Arzt oerordnete mir einmal Gebirgsluft zur Herstellung meiner Gesundheit. Als armer Mensch konnte ich nichts anderes tun, als,ins vierte Stockwerk zu übersiedeln, und wenn ich durchs Fenster schaute, schien es mir, als wäre ich in gleicher Höhe mit dem Blocks- berg gewesen. Diese Gebirgswohnüng gehört der Frau Sziporka, die nicht mußte, daß ich mir durch das bei ihr gemietete Zimmer einen Aufent- halt am Semmering   ersparte und sie verlangte daher bloß dreißig Kronen monatlich. Als Untermieter hatte ich mit dem Hausherrn natürlich nicht das geringste zu tun, und wenn ich das Stiegengeländer zerbrach oder meine Zigarre vor der Tür des Hausherrn wegwarf, tat ich das in dem ruhigen Bewußtsein, daß die daraus erwachsenden Streitigkeiten Frau Witwe Sziporka erledigen werde. Für dreißig Kronen monatlich. Und ich kam darauf, daß der Untermieter eize�ich die Hilfs- truppe der Mietpartei im Kampfe gegen den Hausherrn ist. Jene Parteien, die sich Untermieter halten, sind dem Hausherrn am meisten verhaßt, was leicht erklärlich ist. Frau Sziporka zahlte vierhundert- vierzig Kronen Miete, nahm aber von ihren Untermietern sechs- hundertzwanzig ein. Sie wohnte also nicht nur umsonst, sondern die Wohnung trug ihr auch noch obendrein hundertachtzig Kronen rein ein. Das konnte der Hausherr nicht verschmerzen. Ich konnte aber diesen angenehmen Zustand nicht lange genießen. da sich mein Gesundheitszustand wieder verschlechterte. Ich ging zum Arzt. Wissen Sie, was Ihnen fehlt?" sprach er.Sie steigen zuviel Stiegen." Er untersuchte meine Lunge, mein Herz und empfahl mir, eine Wohnung im Parterre zu nehmen. Von da an wurde ich eine selbständige Wohnpartei. Ich über- siedelte in das Haus meines Onkels, in eine Wohnung, welche infolge der dort herrschenden Feuchtigkeit immer nur von Verwandten be- wohnt wurde. Mein Onkel war ein sehr gebildeter Mensch, aber durch den Tod seines Vaters wurde er frühzeitig ein Hausherr. Das änderte sowohl an seinen Manieren, wie auch an seiner Bildung sehr viel, denn die Mieter verbitterten ihm das Leben, er aber wurde schließlich ein grober Mensch. Ich hörte ihn oft sagen, daß ihm die Mieter dreißig Jahre seines Lebens geraubt hätten. Da der Alte sechzig Jahre zählte, konnte ich leicht ausrechnen, daß er wenn er momentan sterben würde volle neunzig Jahre gelebt hätte. Ich erwähnte ihm auch einmal zaghaft, sein Leben sei unserer Familie sehr teuer und ich wolle ihm deshalb sehr gerne die(dreistöckige) Last von den Schultern nehmen, damit die Wohnparteien von nun an mit einer beliebigen Anzahl von Iahren mein Leben verkürzen mögen. Die Antwort auf diesen Vorschlag war, daß mich mein Onkel hinauswarf, aber nur aus seiner Wohnung und nicht aus dem Haus. Das kränkte mich aber nicht besonders. Viel mehr schmerzte mich das Mißtrauen der Inwohner. Die Wohnparteien betrachten nämlich einen Verwandten des Hausherrn einfach für einen Spitzel, der sich unter der Maske einer ehrlichen Wohnpartei ins Haus schleicht, um ihre Geheimnisse zu erlauschen. Um nun diesen Zustand ein Ende zu setzen, verbreitete ich geschickt die Nachricht, daß mich der Hausherr hinausgeworfen habe. Und was sagten die Leute darauf?" Was muß das für ein Mensch sein, den sogar ein Hausherr hinauswirft!" Meine Lage gestaltete sich mit der Zeit sehr unerträglich und ich übersiedelte beim nächsten Quartal kurzerhand in ein fremdes Haus, und jetzt kann auch ich schon mit offener Stirne gegen die Haus- Herren ankämpfen. iAuwriiicrt« Uebersetzung aus dem Ungarrschcn mm Grete Ncufeld.)
Jteinrich Illinden:'J)U* 3llChsbO& Der Dichter Karl Wakusch hatte in einem seiner Romane ein- mal geschrieben:Ein Gegenstand, der zehn Mark wert ist, ist für drei Mark immer noch teuer, es sei oenn, daß man ihn wirklich braucht." Dies war auch im Leben sein Standpunkt, obwohl er sonst eben nicht viel von Gelddingen veistand, sich in der Regel kaum darum kümmerte. Seine Frau Ella aber dachte anders. Seit- dem sie ein paarmal das Glück gehabt hatte, Kleidungsstücke für em Drittel des eigentlichen Preises zu ergattern, galt sie in ihren Kreisen als Kaufgenie. Und diesen Ruhm wollt« sie sich wahren: koste es, was-s wolle. Manchmal wunderte sich Wakusch, woher die vielen Blusen, Röcke, Hüte und Sonnenschirme eigentlich kamen. So glänzend waren doch seine Einnahmen schließlich nicht, wenn es ihm auch ganz leidlich erging und der Mangel bisher vor seiner Tür noch immer kehrt gemacht hatte. Gelegentlich erkundigte er sich sogar, hörte mit halbem Ohr die Pappenstielpreise, verwies auf seine Romanstelle und beruhigte sich wieder. Mißtrauischer wurden die Freundinnen.So etwas möchle ich auch haben," erklärte die eine oder die andere,führe mich doch mal hin!" Aber niemals klappte es. Stets gab es eine Abhaltung oder ein Hindernis. Bald war es das letzte Stück gewesen: dem Ge- schäftsinhaber war Verschwiegenheit zugesicheit worden, oder ein erwartekfr telephonischer Anruf hinderte am Ausgehen. So tuschelte man allerhand, nieinte, der Ehrgeiz, in den sich Frau Ella gesteigen hatte, habe siemeschugge" gemacht. Entweder verheimliche sie die wirklichen Preise und nehme mehr vom Wirtschastsgeld oder sie erwerbe tadellos erhaltenes Zeug äus zweiter Hand. Vielleicht mache sie auch einfach Schulden. Eines Abends kam sie mit einer geradezu wundervollen Fuchs- boa nach Hause.Sieben Mark," rief sie triumphierend schon unter der Tür. Das war jedoch selbst dem gutgläubigen Gatten zu bunt. Es folgten erregte Auseinandersetzungen, freilich ergebnislos. Manchmal inoes haben die Wände Ohren oder die Fenster Augen. Bereits die Morgenstunden des nächsten Tages brachten die Entscheidung. Anscheinend hatte eine Bekannte den Erwerb der Boa an der Quelle beobachtet. Jedenfalls übereichte der verdutzte Postbote Frau Ella eine offene Karte mit den vielsagenden Worten: Gans, du hast den Fuchs gestohlen."
%ernnL: Sos.ialiUtfches aus WSA. Abraham Cahan   ersählt
Vor vierzig Jahren wanderte aus dem südrussischen Ansiedlungs- rayon, d. h. dem Gebiet des Zarenreiches, in dem allein Juden wohnen durften wenn sie nicht Kausleut« erster Gilde oder akademisch Graduierte waren, Abraham Cahan   nach Amerika   aus. Dort hat er später die New-Aorker Tageszeitung Vorwärts" gegründet, die in jüdischer Sprache und in hebräischen Schriftzeichen erscheint, und von jeher den Standpunkt der euro- päischen, besonders der deutschen   Sozialdemokratie vertreten hat. Noch heule leitet Cahan-diese sehr lebendige Zeitung, die gegen- wärtig eine Auflage von 130 000 Exemplaren hat. Man sieht dem weißhaarigen aber lebhaften Mann die mehr als 71 Jahre nicht an, die er schon zählt. Oftmals hat er Europa   besucht, auch eben jetzt wieder. Von ihm kann man vieles aus der Geschichte der modernen Arbeiterbewegung hören. Er erzählte mir u. a., daß er schon die internationalen Kongresse in Brüssel   1831 und in Zürich  1833 als amerikanischer Delegierter mitgemacht hat. Gelegentlich des Züricher   Kongresses verhandelte der deutsche Parteivorstand eine Beschuldigung, die gegen den baltischen Emigranten Sergej S ch e w i t s ch erhoben worden war. Schewitsch hatte sich in Amerika  , auch in Deutschland  , in der Partei betätigt, aber es war gegen ihn die Anklage erhoben worden, mit der Geheimpolizei in Verbindung zu stehen. August Bebel   schlug in: Parteivorstand vor, da dieser doch weder die Verhältnisse in Rußland   noch in Amerika   genau kenne, den anwesenden Cahan zu hören, der über die Bewegung und ihre Führer sowohl in Rußland   wie Amerika  genau unterichtet wäre. Wilhelm Liebknecht  , dem"die Anklage gegen Schewitsch begründet schien der Alt« hatte ja lange genug als politischer Flüchtling iin Auslande gelebt, um auch der typischen Spitzelangst der politischen Emigration jener Zeit zu unterliegen wollte von diesem Gutachter zunächst nichts wissen, während Richard Fischer als Sekretär des Parteivorstandes Bebel   zustimmte, dessen Meinung dann auch siegreich blieb. Die Verhandlung endete mit der vollständigen Freisprechung und Rehabilitierung Schewitsch'. Aus die Bitte, dieses Ergebnis im Zentralorgan, dem BerlinerVorwärts", zu veröffentlichen, meinte Bebel, damit würde die Sache nur wieder aufgerollt werden. Aber man gab dem Freigesprochenen eine schristliche Bescheinigung seiner Unschuld, ein zweites Exemplar erhielt Cahan   für die Genossen in Amerika  . Schewitsch lebte nachher in München   mit seiner Frau, die keine andere war als Helene von Rakowitza, geborene Doenniges, eben die Frau, für die Ferdinand Lassalle   n>nd- vierzig Jahre vorher in das tödliche Duell gegangen war. Unter den ersten Führern der sozialistischen   Bewegung in Amerika  , die von Deutschen   ins Leben gerufen worden ist, nennt Cahan   u. a. Alexander Jonas und D o u a i, dessen Name auch älteren deutschen   Parteigenossen aus der Literatur noch gekannt sein wird. Auch Schewitsch gehörte zu den tätigsten Genossen. Hermann Schlüter   kam erst später hinüber. Die sozialistische Bewegung in USA  . ist bekanntlich auch heute, besonders unter den echten Amerikanern, noch ziemlich schwach. Die große Masse der freigewerkschaftlich Organisierten steht sozialisti­schen Gedanken noch fern. Anders in der Einwanderung besonders aus Völkern, die schon stark sozialistisch beeinflußt sind, also ziemlich
in der ganzen europäischen   Emigration. Dem verdankt ja auch der jüdischeVorwärts" seine beträchtliche Verbreitung, während die deutsche Parteipresie und schon gar die englische, weit dahinter zurckbleibt. Der New-UorkerVorwärts" geht so gut, daß er die ganzen Ausgaben der jüdisch-sozialistischcn Partei deckt. Infolge der schweren Wirtschaftskrise sind aller- dings die Einnahmen aus Inseraten außerordentlich stark zurück- gegangen. Eigenartig ist es doch wohl, hören zu müssen, daß seit Jahren nur«ine englisches ozialistische Tageszeitung in USA  . erscheint und zwar in Milwaukee, wo unsere deutschen   Landsleute den Vorwärts" herausgeben. Der New-PorkerVorwärts" hat auch eine englische Wochencmsgabe. Di« genaue Zahl des Arbeitslosenheeres im Dollarlawde ist nicht bekannt, da ein« amtliche Statistik darüber ebensowenig besteht, wie eine öffentliche Fürsorge oder Unterstützung. Cahan   erzählt, daß er bei seinem vierzigjährigen Aufenthalt zum ersten Male in der jetzigen Krise den erschütternden Anblick derhrsadlines" (Brotlinien) gehabt hat: Lange Polonäsen von Hungern- den, die in größter Hitze oder schärfster Kälte auf die Tasse Kaffee, das Brötchen und die fünf Cents warten, die private Wohltätigkeit ihnen schenkt. Allerdings wird die Not gemildert auch durch die vielenA r b e i t e r r i n g e", proletarische Versicherungsgesellschaften auf Gegenseitigkeit, sowie durch Unterstützung der Verwandten, so man solche hat und sie selbst nicht hungern. Die gesetzliche Ein- fllhrung einer Arbeitsiosenfürsorge wird wohl nicht zu umgehen sein. Trotz dieses Massenelends hat die kommunistische Agitation in den Massen sehr geringen Erfolg. Dagegen ist in der Intelligenz und besonders im ruinierten Bürgertum ziemlich viel Schwärmerei für Bolschewismus und Sowjetruhland verbreitet. Ein bekannter Charatterzug des amerikanischen   Lebens ist die ungeheuerliche Korruption, auch in der Polizei. Präsident Hoover hat eine eigene Untersuchungskommission dafür eingesetzt, nach ihrem VorsitzendenVickersham-Kommission" genannt. Sie hat in ihrem Bericht fast in allen Städten der Union   schwere Korruption der Polizei festgestellt mit einer einzigen Ausnahme: Milwaukee! Und diese stark deutsche   Stadt ist bekanntlich auch die am meisten sozialistische, steht unter sozialisttscher Leitung und hat mehrmals den leider schon verstorbenen Siebenbürger   Viktor L. Berger ins Repräsentantenhaus nach Washington   entsandt. Allerdings hat es die sozialistische Partei noch niemals über einen einzigen Vertteter im Kongreß gebracht. Das war entweder Berger oder Mayer-London  . Zur Zeit ist das Vundesparlament vollkommen soziaiistensrei. Die kiefste Mine der Well. Die Morro-Velho-Goldmine in Brasilien  , geschaffen durch Heroorragende englische Bergwerks- ingenieure, hält mit 2,4 Kilometer Tiefe den Weltrekord aller Schachtanlagen. Der Abstieg kann nur auf verschiedenen Etappen Drahtseilbahnen, Fahrstühle usw erfolgen. Der ganze Weg nimmt nicht weniger als vier volle Stunden in Anspruch. Eine riesige Lüftungsanlage bemüht sich, die geradezu entsetzliche Hitze auf der Sohle abzuschwächen. In der Minute werden 30 000 Kubikmeter Lust in die Erde gepumpt.