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Morgenausgabe

Rr. 447

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48.Jahrgang

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Der Vorwärts" erscheint wodjentäg­lich zweimal, Sonntags und Montags einmal, die Abendausgabe für Berlin und im Handel mit dem Titel Der Abend", Jllustrierte Gonntagsbeilage Bolt und Zeit".

Vorwärts

Berliner Boltsblatt

Donnerstag 24. September 1931

Groß- Berlin 10 Pf. Auswärts 15 Pf.

Die einspalt. Nonpareillezeile 80 Pf. Reflamezeile 5,- R. ,, Kleine An zeigen" das fettgebrudte Wort 25 Pf. ( zuläffig zwei fettgedruckte Worte), jedes weitere Wort 12 Pf. Rabatt It. Tarif. Stellengesuche das erste Wort 15 Pf., jebes weitere Wort 10 Pf. Worte über 15 Buchstaben zählen für zwei Worte. Arbeitsmarkt Zeile 60 Pf. Familien. anzeigen Zeile 40 Pf. Anzeigenannahme im Hauptgeschäft Lindenstraße 3, wochen­täglich von 8 bis 17 Uhr. Der Verlag behält sich das Recht der Ablehnung nicht genehmer Anzeigen vor!

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Friedensstörer Japan !

Ergebnis der Verhandlungen in Genf .

Genf , 23. September. ( Eigenbericht.) Die Geheimsizung des Völkerbundsrates heute ebend dauerte fast drei Stunden. Wiederum weigerte sich der japanische Vertreter Yoshizawa, Angaben über den Stand der Ereignisse in der Mandschurei zu machen. Es folgte eine lange Auseinandersetzung zwi schen Yoshizawa und dem chinesischen Vertreter Sze über die militärischen Maßnahmen von beiden Seiten. Der Rat ging ohne jede Stellungnahme auseinander; er wird morgen den ganzen Tag über in seinen Be­ratungen fortfahren.

Die Stellung Japans ergibt sich aus den Erläuterungen Die Stellung Japans ergibt sich aus den Erläuterungen Yoshizawas vor den Journalisten, die den Ausgang der Rats­tagung abgewartet hatten. Seine Regierung werde alles tun, um den Konflikt zu lokalisieren. Aber fie müsse den Schutz ihrer Interessen unbedingt(!) durchführen.

Das heißt also, daß Japan in seiner Besetzungsaktion schon zu weit gegangen ist, um dem Druck des Bölkerbundsrates weichen zu können, wenn es nicht sein gesamtes Prestige in der Mandschurei aufs Spiel sehen will.

Genf und die Mandschurei .

Eine Schicksalsfrage für den Völkerbund.

Es läßt sich nicht leugnen, daß der Völkerbund eine Vertrauenstrise durchmacht. Die reaktionären Machtpolitiker weisen mit Vorliebe darauf hin, daß bisher weder in der Abrüftung noch in der Bekämpfung der Wirt­Zurücziehung der Truppen auffordert, erklärte der japanische schaftskrise etwas Positives in Genf erreicht wurde. Diese Kriegsminister, die japanische Regierung fei dazu bereit, fo- Kritik mag zum Teil ungerecht sein, zumal sie dem Völker­bald die Umstände eine Zurückziehung ermöglichten.( bund als solchem eine Verantwortung zuschiebt, die in Wirk­Japan fei jedoch auf Grund der Verträge berechtigt, auf jeden kilo- lichkeit nur die gegenwärtigen Regierungen tragen. Aber was insgesamt 15 000 ann ausmache, während gegenwärtig nur meter der füdmandschurischen Eisenbahn 15 Soldaten zu unterhalten, diese Kritik ist nun einmal vorhanden, und es ist unbestreit­14 000 in der Mandschurei ständen. bar, daß sie immer breitere Massen in allen Ländern erfaßt. Bisher fonnte man immerhin den grundsätzlichen Ver­neinern des Völkerbundes entgegenhalten, daß in minde­stens zwei Fällen ein drohender Krieg durch so­fortiges Eingreifen des Rates verhindert worden sei: im November 1925 bei einem schweren Grenzzwischenfall zwischen Griechenland und Bulgarien und im Dezember 1928 bei einem akuten Konflikt in Gran Chaco zwischen Bolivien und Paraguay .

Die japanische Regierung verfriff im übrigen, wie verlautet, den Standpunkt, daß die Aufregungen in der Mandschurei lediglich als 3wischenfälle zu betrachten feien, die durch die Not­wendigkeit hervorgerufen wurden, die von China verlegten Rechte Japans zu schüßen. Infolgedessen müsse die japanische Regierung es ablehnen, daß der Völkerbund oder irgendeine andere Nation den kellogg- patt in Anspruch nehme. Nach japanischer Ansicht müffe der Streitfall von China und Japan allein aus­getragen werden.

Eine Erklärung der Kuomintang. Amerikaner getötet?

Drei

Die Berliner Ruomintang hat folgendes Telegramm aus China erhalten: Drei amerikanische Staatsange hörige von der British American Tobacco- Company in Mulden find von japanischen Soldaten getötet worden. Zum Bürger­Es fürchtet offenbar, daß dann seine großen Investierunmeister von Mulden hat Japan einen Oberst en ernannt, gen verlorengehen könnten. Es scheint nur möglich zu sein, der bisher stets für den Krieg gegen China eingetreten ist. Er zwang die Besetzung der südlichen Mandschurei rückgängig zu machen, die Bevölkerung, die japanische Flagge zu hissen. Sämtliche Straßen wenn Amerita und England gemeinsam intervenieren. Wie schilder sind in japanischer Sprache umgeändert worden. Japanische man hört, bewahrt Rußland vorläufig eine abwartende Flieger haben in der Gegend von Sinhungden und Dafujam Bom Haltung. Falls aber die Besißnahme der Südmandschurei durch ben abgeworfen und die Bevölkerung auf den Straßen in Japan vom Bölkerbund nicht verhindert werden kann, besteht die Mutden mit Maschinengewehren beschossen. Wahrscheinlichkeit, daß

Rußland die Nordmandschurei unter gleichem Borwand wie Japan den Süden besehen

mird, da es für seine dortige Bahn und seine Investierungen eben­falls den Berluft befürchten muß. Die Kriegsgefahr im Fernen Osten wird immer drohender.

Amerifa nimmt teil aber drückt sich.

-O

Genf, 23. September. ( Eigenbericht.)

Die für Mittwochabend angesetzte öffentliche Rais­fihung, die sich mit dem Konflikt in der Mandschurei befassen sollte, wurde plöglich abgesagt. Der Rat trat zu einer Ge­heimfihung zusammen.

Amerika , das durch seinen Gesandten in Belgien , Wilson, an den Beratungen des Rates teilnimmt, hat sich bisher ge­weigert, auf Japan ebenfalls einen Drud auszuüben bzw. fich an der Entfendung einer Militärtommiffion in die Mandschurei zu heleiligen. China beabsichtigt deshalb, nunmehr den Rat auf Grund des Artikels 15 des Bölferbundspaktes anzurufen. Der Rat fönnte auf Grund dieses Artikels eine viel schärfere Entschei­dung als bisher treffen.

Der Vertreter Japans erklärte auf die Frage, ob er Instruktionen feiner Regierung habe, man habe ihn davon unterrichtet, daß Japan feinen Krieg wolle, aber aus Sicherheitsgründen ge­3rungen jei, weitere Befehungen vorzunehmen.(!!)

Heute Debatte im Genfer Plenum.

Genf , 23. September.

Bon chinesischer Seite wird nach wie vor die fofortige glatte zurückziehung der japanischen Truppen verlangt, die bei der Gegenseite auf erhebliche Schwierigkeiten und Bedenken stößt. Dagegen hat sich der japanische Bertreter nach langem Drängen der übrigen Ratsmitglieder bereit erklärt, seiner Regie­rung telegraphisch die Zustimmung zur Entsendung einer Kommission neutraler Beobachter in die Mandschurei vorzu Was die besonders heifle Frage der Beteiligung der außerhalb des Bölkerbundes stehenden Mächte der Lösung des gegenwärtigen Konflikts betrifft, so hat die Regierung der Vereinigten Staaten heute mitteilen lassen, daß sie sich an einer Untersuchung des Sachverhalts in der Mandschurei im Augenblid nicht beteiligen würde.

schlagen.

Dagegen verlautet, daß der Präsident des Bölkerbundsrates beabsichtige, morgen in irgendeiner Form die Bölterbunds­versammlung mit der Angelegenheit zu befassen.

Japans Starrheit.

Tofio, 23. September. Das japanische kabinett hat nach längeren Beratungen den Borschlag des Völferbundstates, eine Sonderfommiffion zur Unterfudung des Muldenfonfliffs einzusehen, abgelehnt.

Zu der Entschließung des Bäfferbundstates, die Japan zur

Die japanische Flotte ist in Nagajati zusammengezogen und martet dort auf den Befehl zum Auslaufen. Gleichzeitig sind von Dairen aus große Marineeinheiten nach Tientsin und Tsingtau ab­gegangen. Die chinesische Polizei in Tschantschun wurde gefangen genommen. Bei der Besetzung Tschantschuns durch japanische Truppen haben zahlreiche Personen ihr Leben verloren, viele Gebäude wurden zerstört.

In Shanghai sind mehrere japanische Zerstörer eingetroffen mit dem Auftrage, die dortige japanische Kolonie zu schützen. Die chinesische Bevölkerung in Shanghai , Hantau, Tientsin, Beking, Nanking ist in größter Aufregung.

Es ist eine einzig dastehende Ungerechtigkeit und Unmenschlich feit, daß Japan gerade jetzt, wo China unter der Ueberschwemmungs­fatastrophe leidet, diesen Ueberfall unternommen hat. Das chinesische Bolf verlangt von der Nationalregierung die notwendige Bereit schaft, und ist selbst bereit, jederzeit fürs Vaterland zu sterben."

Defterreichs Sanierung.

Sozialdemokraten für Ersparnis, aber gegen Kürzung der Sozialausgaben.

Wien , 23. September. ( Eigenbericht.),

Im Hauptausschuß des Nationalrats erstattete Bundeskanzler Bures ch am Dienstag Bericht über seine Genfer Berhandlungen. Der Hauptausschuß gab dann einstimmig seine 3u ftimmung dazu, daß durch Ersparungen die Ausgaben auf höchstens 1900 Millionen Schilling herabgefeßt und die Einnahmen mit 2000 Millionen Schilling festgelegt werden. Davon sind 100 mil lionen für die Tilgung furzfristiger Schulden bestimmt. Für das Jahr 1931 bedeutet das eine Ersparung von 35 Millionen Schilling. Der Bundeskanzler erklärte, daß die Hälfte der Ersparungen durch Verminderung des Personalaufwandes gedeckt werden solle. Die Sozialdemokraten erklärten, daß sie die Herabsehung der Ausgaben auf 1900 Millionen Schilling für möglich halten, aber jede Senkung der Ausgaben für die Arbeitslosenversiche der Ausgaben feien beim Bundesheer, bei der Polizei und der rung und die Krisenfürsorge entschieden ablehnten. Kürzungen Gendarmerie möglich. Die Erhöhung der Einnahmen sei durch Gr­höhung der Steuern auf große Einkommen und Vermögen gegeben. Eine Herabsehung der Beamtenbezüge halfe sie nur für möglich, fo­lange ihre Forderungen nicht erfüllt seien.

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Dieses Argument verfehlt zwar seinen Eindruck auf die sachlichen Beurteiler des Völkerbundes nicht, aber es wird meist mit der Gegenfrage beantwortet: Würde der Völker­ bund auch den Willen und die Kraft haben, einen friegeri­schen Konflikt zu verhüten, in den eine Großmacht mit ständigem Ratssitz verwickelt wäre? Bis zu einem gewissen Grade fann man auch diese Frage auf Grund eines Präze­denzfalles positiv beantworten: im September 1923 ge­lang es dem Völkerbund, nach der Beschießung von Korfu durch die Flotte Mussolinis, Italien zur Einstellung der Feindseligteiten zu bewegen und den Griechen zum Teil Genugtuung zu verschaffen. Die Beilegung dieses letzteren 3wischenfalles, bei dem Italien fich flar ins Unrecht gesetzt hatte, erfolgte unter wenig erbaulichen Begleitumständen durch ein faules Kompromiß. Das Urteil des Völkerbundes hätte, um wirklich gerecht zu sein, viel härter gegen Italien ausfallen müssen. Man empfand es aber damals schon als einen Erfolg, daß Italien , nachdem es zunächst durch Salan­dra die Zuständigkeit des Böllerbundes überhaupt bestritten hatte, schließlich unter dem Drud Englands von dieser grund­fäßlichen Ablehnung abging. Das war freilich ein Jahr nach dem Marsch auf Rom . Mussolinis Stellung im Innern war noch sehr unsicher, die Rüstungen Italiens noch bei weitem nicht so fortgeschritten wie heute. Wer weiß, ob in einem ähnlichen Fall und unter den gegenwärtigen Umständen der Völkerbund den Mut aufbringen würde, gegen Italien flar Stellung zu nehmen. Und wer weiß, ob er die Kraft befizen würde, sich heute bei der Regierung Mussolinis Respekt zu verschaffen. Diese Frage ist schon deshalb angebracht, weil man es vor drei Jahren erlebte, daß bei einem akuten Konflikt um Albanien der Völkerbundsrat vor der drohenden Haltung Italiens zurüdwich und mit Mühe und Not Jugoslawien davon abbringen fonnte, den Bölker­bund offiziell anzurufen. Alle aufrichtigen Freunde des Bölkerbundes und des Friedens haben damals dieses Aus­weichen außerordentlich bedauert. Denn es wurde damit ein Präzedenzfall geschaffen, der den Skeptikern recht zu geben schien. Indessen konnte auch dieser Zwischenfall, wenn nicht formell durch den Völkerbundsrat, so doch durch eine vom Rat gebilligte diplomatische Aktion der Groß­mächte ohne kriegerische Verwicklungen aus der Welt ge= fchafft werden; und das war ja schließlich die Hauptsache.

Unvergleichlich ernster ist jedoch die Situation, vor die der Völkerbund durch die Ereignisse in der Man­dschure i oder, besser gesagt, durch die Haltung Japans gestellt ist. Gleichviel, was sich in Mukden und Umgebung ursprünglich abgespielt haben mag, völferrechtlich Rechtes als Mitglied des Bölkerbundes den Rat ange­liegt der Fall ganz klar: China hat in Ausübung seines Rechtes als Mitglied des Völkerbundes den Rat ange= Sein Bertreter erklärte am Sonnabend, daß er Infor­Grrufen. Japan hat zunächst versucht, Zeit zu gewinnen. mationen seiner Regierung erwarte, am Dienstagpor­mittag war er aber angeblich noch immer nicht im Besiz von Instruktionen und gab dafür allerhand Erklärungen ab, die das japanische Vorgehen in der Mandschurei in das denk­bar ungünstigste Licht rückten: er sprach von den Milliar= den, die Japan in der Mandschurei investiert habe und die zu schützen sein gutes Recht sei. Dieses zynische Be= tenntnis zum militaristischen und wirt­schaftlichen Imperialismus wurde jedoch noch verschlimmert durch die am Dienstagabend ausge­sprochene Weigerung Japans , eine Untersuchung an Ort und Stelle durch die Militärattachés der fremden Mächte anzunehmen, mie sie im Rate angeregt wurde. Mit

Der Bundeskanzler erklärte zum Schluß der Sizung, daß er das Barlament für den 30. September einberufen und dort seine Bor­lagen einbringen werde.

Das Reichskabinett tagt. Borbereitung des Winterprogramms.

Das Reichskabinett tritt am Donnerstagvormittag wieder zu einer Rabinettsfigung zusammen. Die Tagesordnung, deren Beratung mehrere Tage in Anspruch nehmen dürfte, umfaßt 32 Punkte. Das Ergebnis der Beratungen soll in einer Notverord mung zufammengefaßt werden.