Morgenausgabe Nr. 451
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W ▼ G. berliner Volksblatt
Sonnabend 26. September 1931 Groß-Äerlin 10 pf. AuswSris IS Z)f. Die ein sp alt. Nonpareillezeile 80 Pf. Revamezeile 5,— RM.„Kleine An« zeigen" das fettgedruckte Wort 25 Pf. (zulüfstg zwei fettgedruckte Worte), jedes weitere Wort 12 Pf. Rabatt lt. Tarif. Stellengesuche das erste Wort IS Pf, jedes weitere Wort 10 Pf. Worte über 15 Buchstaben zählen für zwei Worte. Arbeitsmartt Zeile 60 Pf. Familien» anzeigen Zeile 40 Pf. Anzeigenannahme im Hauptgeschäft Lindenstraße 3. wachen« täglich von 8»/, bis 17 Uhr. Der Verlag behalt sich das Recht der Ablehnung nicht genehmer Anzeigen vor!
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wie havas berichtet, halte der Amanzmmister Alandin heule nachmittag eine lange Unterredung mit dem Gouverneur der Lank von Aronkreich, Morel, dem Leiter der Ainanzableilung der Lank von Arankreich, und den Direktoren der grohen Pariser Kredil- inslilute. Lei dieser Gelegenheil wurden die Lage der sranzösischen Börse und namentlich die Schwierigkeilen einer grohen Pariser Lank eingehend geprüsl. Die Verhandlungen gehen heule nacht weiter, wie verlaulel. handelt es sich bei dem nicht genannten Bankunternehmen um die Banque Nationale de Credit, deren Bor - sitzender Vincent dieser Tage seinen Posten niedergelegt hatte. Eine Notierung der Aktten dieser Bank konnte heule nachmittag nicht zustande kommen. » Dieser alle Welt überraschende Bankkrach ist die erste weithin sichtbare Auswirkung der Entwertung des englischen Pfundes. Durch nichts konnte die eng« Vevflechtung. der ganzen Wirtschaft- lichen Welt so eindringlich demonstriert werden. Kein Land kann auf die Dauer von den Wirtschaftsnöten eines anderen Landes pro- filieren: das wird Frankreich auch in der Geldfrage einsehen müssen. Die Banque Nationale de Credit steht unter den sechs großen französischen�Depositen danken ihrem Geschäftsumfang nach an vierler Stelle. Sie wird an Bedeutung übertroffen von dem Credit Lyonnais, von der Societe Generale und von dem Comptoir d'Escompte. Die Banque Nationale ist erst im Jahre 1913 gegründet worden. Sie unterhält allein in Paris 37 Filialen; dazu kommen noch 513 Provinz- und drei Auslandsfilialen. Durch diese große Z a h l von Filialen würde ein endgültiger Zusammenbruch der Bank die Unruhe über das ganze Land verbreiten; diese Tatsache wird das Eingreifen der öffentlichen Stellen beschleunigt haben. Die Bilanz vom 31. Dezember 1939 zeigt eine Gesamtsumme von 5,5 Milliarden Franken, das sind mehr als 900 Millionen Mark. Die eigenen Mittel— Aktienkapital und Reserven— werden mit 494 Millionen Franken ausgewiesen(das sind 82 Millionen Mark; Kapital und Reserven der Dresdner Bank betrugen zur gleichen Zeit 134 Millionen Mark). Für das Geschäftsjahr 1930 wurde noch eine Dividende von 14 Proz. verteilt. Schlechteres Gelb— größerer Export? London . 25. September. Eine merklich« Wiederbelebung der Industrie infolge der Pfundentwertung wird aus vielen Gebieten Englands ge> meidet. Der Bergbau hat bereits mehrere Aufträge vom Kontinent und viele Anfragen kontinentaler Kohlenimporteure erhalten. Bier Textilfabriken in Lancafhire, von denen
zwei feit vier Iahren stillagen, sollen wieder eröffnet werden. Die Barrow Steel Corp. beabsichtigt, am Montag zwei ausgeblasene Hochöfen wieder in Betrieb zu nehmen und 1400 Arbeiter einzu- stellen. Die Liverpooler Baumwollbörse hat am Donnerstag 45 000 Ballen Baumwolle umgesetzt, was den höchsten Umsatz an einem einzigen Tage seit Bestehen der.Börse darstellt!> Britische Währungsrevolution. London , 25. September. Der„Daily Herald" gibt heut« an hervorragender Stelle die vielfach vertretene Ansicht wieder, daß zahlreiche andere europäische Länder dem Beispiel Englands folgen und die Goldwährung aufheben würden. Das Pfund werde, dem Blatt zufolge, sicherlich zu einer neuen wissenschaftlich kontrollierten Währung auf internationaler Grundlage werden, die der auf Gold basier- ten Währung anderer Länder gegenüber tatsächlich stabil und sicher sein würde. Das Blatt glaubt, daß England unmittelbar vor einer Währungsrevolution steht, die ebenso bedeutungsvoll sein dürste, wie die industrielle Revolution. Inflationserscheinungen an der Londoner Börse . London . 25. September.(Eigenbericht.) Die Anpoffung der Aktienkurse quf dc� LyndoneJ� Byrse. an den veränderten Pfundwert geht von Tag zu Tag mehr in Spekulation über. Die Besitzer festverzinslicher Werte steigen in Aktien um, so daß der Abstand zwischen den im Kurse anziehenden Aktien und den sinkenden festverzinslichen Werten immer größer wird. Das find Inflationserscheinungen, obwohl man von Inflation in England im Sinne einer Aufblähung des inneren Kredits bisher nicht sprechen kann. Die Bank von England wird im Gegenteil— damit rechnet man wenigstens in der City— den Diskontsatz, der seit der Aufgabe des Goldstandards 6 Proz. beträgt, noch weiter erhöhen, um einer Ausdehnung des Geldumlaufs vor- zubeugen, welche durch die Belebung des Exports und der inneren Wirtschaft infolge des sinkenden Pfundkurses bestimmt ein- treten könnte. Um die Spekulation zu bekämpfen, ist das Termin- g e s ch ä f t, die übliche Handelsmethode an der Londoner Börse, ab Montag verboten. Es dürfen nur noch Kassageschäfte statt- finden. Das Pfund erholte sich am Freitag in den Nachmittags- stunden infolge von Käufen von Paris und New'Jork . Diese Stützustgstäufe werden in der City damit erttärt, daß man die Sterlingbesitzer an den dortigen Plätzen mit Rücksicht auf die bereits gespannte Lage vor weiteren Verlusten schützen will. Die Schluß- kurse lagen wieder niedriger, Berlin 16, Paris 96, New Bork 3,78%,
Berlin steht zur Partei! Keine einzige Stimme für die Sonderbündler! Der Bezirksvorstand der Sozialdemokratischen Partei Berlins teilt mit: Bezirksvorstand und Sreisleiler billigten in ihrer Sitzung vom 25. September einstimmig die vom Parteiausschuh am 22. Sep- tember getroffene Entscheidung.« Auch der Bezirksausschuß de» Bezirks Magdeburg- Anhalt hat einstimmig die Stellungnahme des Partei- ausschnsses gebilligt._ Besuch Brünings in Washington ? Eine nicht dementierte„Kombination". Washington, 25. September. Hier waren Gerüchte verbreitet, daß h o o v e r Reichskanzler Brüning nach Washington eingeladen habe. Unterstaats- fekretär Castle erklärte aus Anfrage, daß diese Gerüchte lediglich eine Kombination darstellten. Cr hob jedoch hervor, daß ein Besuch Brünings in Washington äußer st" willkommen sein werde. In Washingtoner politischen Kreisen wird hierzu erklärt, daß trotz dieses Dementis ein Besuch Brünings durchaus im Bereiche der Möglichkeiten liege, selbst wenn bisher, soweit amtlich bekannt, keine Schritte zur Herbeiführung des Besuches unter- uommen worden seien. Lava! hat Einladung angenommen. Paris , 25. September. (Eigenbericht.) Ministerpräsident L a v a l hat den Ministerrat am Freitag von der Einladung des Präsidenten Hoover zu einem Besuch in Washington unterrichtet. � Der Ministerrat hat ein- stimmig die Bedeutung dieser Einladung anerkannt, der der Minister- Präsident Folge le i st« n wird. Die Abreise nach Amerika dürfte Mitte Ottober erfolgen.
Laoal und Briand haben ferner über die bevorstehende Berliner Reise und die verschiedenen Fragen, die im Laufe der B e- sprechungen mit den deutschen Ministern behandelt werden, berichtet, Die angekündigte Erklärung über die Berliner Reise wird der Ministerpräsident am Sonnabend abgeben. Der„T e m p s" schreibt am Freitag zu dem Berliner Besuch, es wäre ein Irrtum, von den Berliner Besprechungen eine Art politisches Wunder zu erwarten und zu glauben, daß ihre Ergebnisse das Aussehen Europas mit einem Schlage ändern und die Lösung aller Probleme erleichtern werden. Aber es wäre ein nicht geringerer Irrtum, anzunehmen, daß die Reise einen reinen Höf- lichkeitsbesuch darstelle. Es gebe zwar Fragen, die die Deutschen auf Grund der von ihrer Regierung offiziell eingenommenen Haltung nur schwer erörtern könnten, aber auf dem Gebiet der praktischen Zusammenarbeit und der täglichen Arbeit für die berechtigten Jnter- essen jedes einzelnen Landes ließe sich vielleicht etwas machen. Wenn Franzosen und Deutsche dann dazu kämen, gewisse Probleme ge- meinsam zu diskutieren und ihre Bemühungen zu vereinen, dann wäre ein Anfang der Interessengemeinschaft und eine Atmosphäre geschaffen, die die Anpassung der Politik der beiden Länder an die Forderungen der Zukunft erleichtern würde. Franzosenbesuch und„Kriegsverbrecher". Im Zusammenhang mit der Meldung über den geplanten Empfang der sranzöstschen Minister durch Reichspräsident von Hindenburg ist von der Nationalistenpresse die Frage aufge- warfen worden, ob die französische Regierung amtlich Mitteilung von der Annullierung der„Kriegsverbrecherliste" gemacht habe. Dazu wird von zuständiger Seite vollkommen zutresfend erklärt: „Die Tatsache, daß der franJösifche Ministerpräsident den Wunsch ausgesprochen habe, vom Reichspräsidenten empfangen zu werden, spreche viel mehr für ein Nichtweiterbestehen der Kriegsverbrecher- liste, als eine formal-furistische Regelung der Angelegenheit das tun könne. Es sei unwürdig, die Streichung einer Liste zu ver- langen, die von Deutschland nie anerkannt worden sei. Di« Tot » sache des Besuches beweis« schon, daß Frankreich von. den alten Methoden abgerückt sei."
Bon Liebknecht bis Scheringer. Trohky hält der KpO. den Spiegel vor. „Die Fehler der KPD ', in der Frage des Volks« entscheids... werden in alle Lehrbücher der revolutionären Strategie als Beispiel dafür aufgenommen werden, was man nicht machen darf." „An der Haltung des Borstandes der KPD. ist alles falsch: falsch die Einschätzung der Situation, falsch das gesteckte Ziel, falsch die Mittel, die zur Erreichung des Ziels angewandt wurden." (L. T r o tz k y in„Bulletin der Opposition, Nr. 24, September 1931.) Trotzky untersucht in dem„Bulletin der Opposition" die Geschichte der Volksentscheidstaktik der KPD . und ihre theoretischen Grundlagen. Er macht sich lustig über das Schreiben vom 21. Juli an die sozialdemokratischen Mit- glieder der preußischen Regierung.„Ist die SPD . nur eine Abart des Faschismus, wieso kann man dann von ihr ver- langen, daß sie zusammen mit der KPD . die Demokratie verteidigt?" Und hat man der SPD . Bedingungen für die gemeinsame Aktion gestellt, warum stellte man den Nazis keine Bedingungen für den gemeinsamen Volks- entscheid? Was für eine„Abart des Faschismus" recht ist, sollte doch auch für die andere billig sein? Man sprach von der„Einheitsfronttaktik".„Aber wieso ist das Auftreten Schulter an SchuHpr mit den Faschisten gegen die SPD. und das Zentrum die Anwendung der Ein- heitsfronttaktik gegenüber den sozialdemokratischen und christ- lichen Arbeitern? Das wird'«in proletarischer Kopf nie ver- steben". „Man den?? vielleicht an die sozialdemokrätischen Ar- beiter, die im Gegensatz zu ihrer Partei an dem Volks- entscheid teilnehmen? Aber wie viele waren es? Unter der Einheitsfront sollte man doch nicht gemeinsame Aktionen mit Arbeitern verstehen, die ihre Partei verließen, sondern mit denen, die ihr treu blieben. Zum Unglück sind es noch sehr viele..." Sodann zerpflückt Trotzky einen nach dem anderen die Gründe, die von Thälmann und seinen Spezialführern für ihre Taktik vorgebracht werden. Im Jahre 1917 vor ihrer Machtergreifung haben die Bolschewiki sehr heftig die Koalitionsregierung Kerensky und die Sozialdemokratische Partei bekämpft. Als jedoch im August 1917 der General Kornilow den Versuch machte, mit der Hilfe eines Teiles der Armee die Koalitionsregierung zu stürzen, eine Rechtsregierung einzusetzen und gegen die Ar- beiterorganisationen vorzugehen, ähnlich, wie es sich die natio- nale Opposition in Deutschland plant. Da Habensich die Bolschewiki auf die Seite der Regierung der SP. Rußlands gestellt und Kornilow bekämpft. „Lenin mußte sich damals vor einem Haftbefehl Kerenskys verstecken. Hat vielleicht das Zentralkomitee der bolschewistischen Partei der Kerenski -Regierung das Ulti- matum gestellt: Entweder befreist du unsere Genossen und nimmst die entehrenden Anklagen gegen sie zurück oder wir kämpfen nicht gegen Kornilow ? S o würde wahrschein« lich das ZK. Thälmann- Remmele-Neumann ge- handelt haben. So handelte aber n i ch t L e n i n. Er schrieb damals:„Es wäre ein verhängnisvoller Fehler, zu denken, daß das revolutionäre Proletariat fähig ist, um sich an den Sozialrevolutionären und Menschewiken„zu rächen"..., siq im Stich zu lassen im Kampf gegen die Konterrevolution. Die Frage so stellen würde heißen: spießerische„Mo- r a l b e g r i s f e" auf das Proletariat übertragen.. Trotzky vergleicht weiter das Kräfteverhältnis in Deutsch , land in den Jahren 1923 und 1931 und kommt zu dem Schluß, daß die Chancen einer proletarisch en Revolu- tion heute viel kleiner sind als 1923. Dabei darf man nicht vergessen, sagt Trotzky, daß die SPD. noch immer eine Partei von Millionen bleibt. Man darf nicht vergessen, daß dank dem grauenhaften Rattenkönig von Fehlern der kommunistischen Führung in den Jahren 1923 bis 1931 die SPD . heute eine viel größere Widerstands- kraft besitzt als 1923. Daß die KPD. im Juli/August 1921 so mächtig war, daß sie einen offenen Kampf gegen die ganze bürgerliche Gesellschaft wagen tonnte, gegen den Faschismus und die SPD. , könnte nur jemand behaupten, der soeben vom Mond herunterfiel. Die Parteibürokraten der KPD. glauben das selber nicht. Sie benutzten dieses Argument nur, weil der Volks- entscheid durchgefallen ist und sie deshalb der Notwendigkeit enthoben wurden, die Probe aufs Exempel zu machen. Die stalinistische Bürokratie ist nach Trotzkys Meinung immer mehr bestrebt, den Faschismus mit seinen eigenen Waffen zu bekämpfen, sie entlehnt Farben aus seiner Palette, sie bemüht sich, ihn in der patriotischen Auktion zu überschreien. „Das sind nicht mehr Methoden einer prinzipiellen Klassen- politck, sondern Kunstgriffe kleinbürgerlichen Konkurrenz- kampfes." Es ist schwer, sich eine schändlichere prinzipielle Kapi- tulation vorzustellen... als die Losung der„Bolksreoolution". Durch keinerlei Sophisterei, durch keinerlei Zitatenverdrehung.