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Erna&üfing:

Orient auf dem Bücherkarren

In dem grauen, milchig unklaren Dunste Berlins stehen die Bücherkarren. Eine absonderliche Auswahl Bücher wartet aus den Käufer. Da liegen die mst Hohn Ausgestoßenen neben solchen, von denen der Besitzer sich nur unter Tränen trennte. Aus dem Bücher- karven erleben sie das gleichmachende Schicksal des Wartens. Viele Hände suchen. Da sind etliche, die müssen in jeder greif» baren Auslage wühlen, das sind die vom Warenhaus her gewöhnt. Dann kommen Hände, lang und gierig, wie Spinnenbeine, sie betasten die Bücher auf ihren Wiederverkaufswert. Wieder ander« Hände können Bücher nur streicheln, für sie werden siemie bedrucktes Papier und Einband, sondern sind und bleiben ein Buchftabenmeer mit eingeschlossenen Seelen. In letzter Zeit marschiert, nahezu regimentsweise, der Orient auf den Bücherkarren. Sei es. daß die Türkei die lateinischen Buch- staben einführte, sei es, daß der Hunger so viele wissenschaftlich interessierte Menschen zur Veräußerung alles Entbehrlichen treibt. Bei ihrer Reif« in das Leben eines neuen Besitzers haben die Bücher ihr« ereignisreichen Schicksal«. Da taust ein Arbeitsloser eine türkische Grammatik mit Schlüsiel, zum Selbstunterricht. Hier in Berlin ist es für ihn kalt, immer kalt, auch im Hochsommer. Er ist schon so lang« aus dem Arbeitsprozeß ausgeschaltet, daß keine erwärmende Freude mehr in sein Innenleben kommt. Daz ewige Riedergeschlagensein macht frösteln. Nie, nie wird er«inen Sonnen- tag im Orient erleben. Wird er mal wieder Arbeit bekommen, dann muh er seine Lumpen mit Kleidern vertauschen, dann muß er wieder essen und sein Magen wird«in richtiges Essen nicht mehr vertragen. Er will die lastende Zeit ausnutzen. Diese Zeichen arabischer Schrift sollen ihm das Tor seiner Sehnsucht, die Pforte zum Orient öffnen. Er lernt das Alphabet, kühn betritt er den Garten der tausend Wirrnisse. Er lernt und lernt und müht sich mit kjäf und lam, die da man die Vokale wegläßt aneinandergefügt bedeuten können gel(komme), kel(Krätzig), gül(Rose), gil(Lehm), kül(Asche) und tüll(jeder, alles). Er lernt und lernt, bis er an ein« Stelle kommt, wo drei Seiten im Buche fehlen. Da hört er notgedrungen auf mit feinen Sprachstudien und das ist schade, denn er hätte das Buch erst, wenn er zehn Seiten weiter gewesen wäre, freiwillig in die Eck« geworfen. Da liegt ein persisches BuchKalila wa Dumna". Es ist das Fabelbuch des Orients. Die meisten Orientalen sagen, es wäre rot- samer gewesen, dieses Buch stattTausendundeine Nacht ' in«uro- päifche Sprachen zu übertragen.Kawila wa Dumna' hat«in« Geschichte, die sich wie folgt lieft:Ein Gelehrter brachte aus der großen Bibliothek eines indischen Fürsten dem persischen Zaren Kisra Nu Schirwan dieses Buch. Als der Herrscher von dem Inhalt

dieser Sammlung von Weisheit in Form von Tierfabeln der ältesten, die wir kennen Kenntnis nahm, war er so entzückt, daß er den Gelehrten mit Edelsteinen, Gold und Gewändern beschenkte, ihn an sein« rechte Seite nahm und er seitdem ihm der Allernächste im Leben wurde.' Und hier kauft ein Herr vom Berliner Bücher- karren dieses Fabelbuch, da ihn der Preis, ein Groschen, reizt. In seine Bibliothek wird er es nicht stellen. Schenkt er es der Staats- bibliochek oder heizt er mit ihm diesen Winter den Ofen? Beide Möglichkeiten stehen offen. Da liegen, stark mit arabischen und persischen Worten durchsetzt, türtisch« Gedicht«, die einer Frau nachgerufen wurden, die in Beyruth starb. Sie erinnern nicht nur an diese Tote, sie erinnern an Djaoid Bey. den Finanzminister der Iungtürken, der während seiner Amtszeit unablässig durch Europa jagte, um neue Pumpe für sein geldbedürftiges Land aufzunehmen. Djaoid Bey mußte sterben in der Türkei Mustafa Kemals , die derart arm geworden ist, daß sie sich nur eine Meinung erlauben kann. Djavid Bey aber wollte «ine neue Zeitung, ein Blatt der Opposition gründen. Darum mußte er an den Galgen. Djavid Bey war mit den drei Gütern beschenkt, die das Leben lebenswert machen. Er war gesund, er war klug, er war reich. In feiner letzten Nacht auf Erden weinten in den Groß- städten Europas Damen der Gesellschaft, um diesen vornehm liebens- würdigen Menschen. In dieser, seiner letzten Nacht ging manch' englische traditionelle Selbstbeherrschung verloren: denn man hatte Schritte unternoinmen, um Djaoid zu retten, was als eine Ein- Mischung in innerpolitisch« türkische Angelegenheiten betrachtet wurde und für Djavid die Schlinge des Strickes festzog. In Europa tobt«, weinte und heull« man um Djavid Bey und Djavid las Gedichte in feiner letzten Nacht. Und die gleichen GedichteDas Grab' liegen hier auf dem Bücherkarren in Berlin . In der Türkei räumt man auf mit den Büchern und Hand- schriften in arabischen Lettern. Diensteistige, reformbegeisterte Offiziere kontrollieren Bibliotheken und Archive und merzen aus. Dabei wanderten Staatspapiere, die von dem Verhältnis zwischen Bulgarien und der Tür.kel berichten, unter das Altpapier. Sie flatterten über den ganzen Balkan und sie wurden eifrigst gesammelt von Menschen, die ein Interesse daran haben. In der Türkei opfert man sich selbst und fein Gut dem nationalen Programm und hatte dabei das Pech, die Geschichte seines Landes zu verschleudern. Neulich lagen auf einem Obstwagen in Berlin lose Blätter mit arabischen Schristzeichen. Ob man hier nun wohl in die Geschichte Adrianopels(das 1362 türkischer Macht anheimfiel und zu unserer Zeit die Festung wurde, welche die Jugend zweier Länder mordet«) Pflaumen eindreht?

Sternliard Schröder: jCoblia

Jäger in den endlosen Sümpfen des Gran Chacos Südameri- kos, liebte ich die Einsamkeit, wenn auch ihre Allmacht mich ins Bodenlose drückte. Als ich einmal im Wasser herumstelzt«, mich bei jeden Knoten im Schilf neigte, um das darunterliegende Tellereisen zu revidieren, erbeutete ich zwei Fischottern. Auf dem Wege zum Ufer glibbert« dunkelbrauner Samt vor meinen Füßen, zwei Fischaugen quollen daraus hervor. Ein breites, reizendes Mäulchen fiepte wie ein Vogel. Eine ganz junge Fischotter war es. Trug ich die Mutter auf dem Rücken? Ich nahm das kleine unschuldige Otterntind auf den Arm und brachte es in meine Baumhöhle. Hier fiepte es so eindringlich, daß ich Schmerz empfand, der mich wiederum stoh inachte. Ich Halle also noch ein Gewissen. Lobo heißt im Spanischen Wolf, doch auch die Fischotter be» zeichnet man im spanisch sprechenden Südamerika mit Lobo. Es geschah, daß ich, der, um zu leben, jeden Tag Tiere tötet«, Lobita zu lieben begann. Nicht mehr allein war ich jetzt. Als sie größer, beweglicher wurde, ging ich mst ihr zu einem nahen Tümpel und warf sie mstten hinein. Ich muß glücklich ausgegese.hen haben dabei, denn Lobita wurde zu einem dicken Aal, der blitzartig unter Wasser hin- und herschoß. Tauchte sie einmal auf. konnte ich mich heiser rufen. Sie oerschwand und gründelte wieder nach Muscheln. Froh über ihre Freude, griff ich zur Pfeif«. Doch der Tabak lag im Baum. Zurückspringend, dampfte ich bald wieder dem Tümpel entgegen, aber meine kleine Freundin war weg. Ich lockte. Das Wasser regt« sich nicht. Schnell war das hohe Gras am Ufer abgesucht. Nichts. Nie war mir die Einsamkeit im Sumpf so schauerlich.Lobita!' Keine Antwort. Mir war's, als ob ich einen Menschen suchte. Hinter dem Tümpel schlangen sich ver- schlungene Bäume hoch. Das lange Buschmesser zischte wegbahnend hinein.Lobi ti tal' Totenstiller Urwald. Zurückkriechend suchte ich noch einmal am Tümpel jeden Grasbull ab. Plötzlich saß meine rechte Hand fest. Ich zog: Lobita mit ihren prächtigen Fisch­räuberzähnen hing daran. Mich erkennend, ließ sie los. putzte sich das Blut von den breiten Lippen und legte sich artig in mein« hohlen Hönde. Sicherlich war Lobita, überanstrengt durch das Schwimmen, unter das Gras gekrochen und fest eingeschlafen, als meine Hand sie aufschreckte. Zuwellen fühlte ich mich so jung wie die Kleine, die mst der Zell sogar etwas schalkhaft wurde. Nicht selten spiellen wir Ver- steck. Auf allen Vieren tollte ich von einem Busch zum andern, hinter unser Haus, legte mich auf den Bauch. Lobita wollt« näm­lich schneller sein als ich, hopste hinter mir her, stolpert« Über Ihre kurzen, krummen Schwimmbeinchen, fiepte wie ein Baby und raffte sich wieder auf. Am Ende lieh ich mich doch von der hechelnden Kleinen erwischen. Sie legte sich dankbar an meine Seite, fauchte zufrieden und knüpfte behaglich an den Narben meiner rechten Hand, die zwischen ihren wie geschliffenen Zahnrechen lag. Aber der Tag kam, wo die Winchestermunstion, Tee und Salz alle wurden. Zweimal wanderte ich mst Fellen fünf Tagereisen west zum Fluß. Das drstt« Mal nahm ich Lobita mst. Ein Dampfer brachte uns in acht Tagen nach Buenos Aires . Hier wohnten wir auf dem flachen Dach eines bescheidenen Gasthauses. Di« Wirts­tochter wurde eifersüchtig, wenn Lobita sich um die Füße des Kammermädchens schlängelle und sich nicht fortlocken ließ. Der Hausspitz wollte nur noch mst der Sumpfjungfer spielen, war nicht vom Dach zu prügeln. Ja, Artisten wollten mir einen großen Geldschein geben und meine Chaco-Lobita mitnehmen. Die Jagdbeute war schnell verkauft und vierzehn Tag« später hatte unser lebendes Häuschen uns wieder. Und hier, zwischen Sümpfen, Sümpfen, Wäldern, Wäldern, kamen wir uns noch näher,' bildeten unsere Sprache aus. Lobita ging nun auch mit mir zu dem nächsten Sumpf und fing für uns beide Fische. Ein bestimmter Laut von mir, sie verließ das Wasier. Bald wurde sie braun und schlank wie ihre wilden Schwestern.

Eine» Morgens war Lobita nicht da. Ich dachte sofort an den Tümpel, ging hin, sah zwei Ollern am Ufer. Lobita mit einem Freund? Wie weit mochte sie den hergelockt haben? Er war dunkler, größer, wild. Si« spiellen. Leise schlich ich mich zurück. Lobita war allein ausgegangen, sie würde allein wiederkommen. Aber ich hörte sie ersi in der Nacht. Schwankend, mit tiefen Biß- wunden, kam sie nach Hause, schlief sofort unter meinen Händen ein. Fortan wurden ihre Bewegungen selbstbewußter, schmiegsamer. Das helle Leibchen dehnte sich, zarte Erhebungen zeigten sich rosig an flaumigen Stellen. Bald. Ich freute mich schon auf die dunkel« braunin Samtkinder. Kurz danach fand mich eine Mondscheinnacht unweit meines Jagdlagers auf einem Baum Unter mir, auf einem Landstreifen zwischen zwei Sümpfen, war ein von dem Jaguar häufig benutzter Wlldwechsel. Ich mußte lang« warten. Vollgesogene Moskitos hingen in meinem Gesicht. E» war so unheimlich still, daß ich sie unter meinen reibenden Händen platzen hörte. Plötzlich«in Schrei in meinem Häuschen. Ich sauste durch die Luft, fühlte Erde, raste. Die am Winchester befestigt« Langrohrlampe blitzt« auf zwei Phos- phorisch leuchtende Kugeln in meiner Baumhöhle. Scharf zackte das Korn in der Kimm« gegen ein» der grüngelben Lichter. Knall. Röcheln im Baum. Finsternis. Nie flog das Messer so schnell zwischen meine Zähne. Wer da grellt« das Lampenlicht wieder in die Höhl«, riß den Jaguar noch einmal hoch. Dann klatschte das Tier tot hin. Lobita lag mst zermalmten Kopf hinten auf ihrem Lager. Was ich in jener Nacht tat, weiß ich nicht mehr. Geschlafen habe ich nicht. Ich war wieder allein mit mir und den Sümpfen. Acht Jahr« sind inzwischen dahingegangen. Immer denke ich an Lobsta. wie man an«in verlorenes, gleichartiges Wesen denkt. Wie ist das möglich? Und nun habe ich mich von einem Druck befrest und endlich Lobitas Geschichte geschrieben, so. wie man sie begreifen kann. Aber wie wenig begreifen wir.

Jwan Jteilbul: Während die Familie im Restaurantgarten an einem Kaffeetisch nahe der Steinbrüstung saß und den kleinen Booten und Seglern zusah, die in der Nähe und Weite kreuzten lag die braungraue Dogge hinter einem der Stühle und leckte beharrlich das Fell an der Pfote. Zwischendurch sah sie zu den Menschen am Tisch hin- auf, vorwurfsvoll und doch nur für einen Augenblick, als ob sie sich wegen ihrer Gedanken genierte. Nämlich die Dogge wartete darauf, ob nicht von den Herren und Frauchen da oben jemand die Hand nach unten zu ihr aus- strecken würde, um freundlich ihr Nackenfell zu durchkrauen. Sie hall« eine trank« Pfote. Und das ist der Vorzug, den Kranke vor Gesunden genießen: Man sagt ihnen Gutes und kraut ihnen im Fell. Was halle nun aber die Dogge von ihrer schlimmen Pfote! Gar nichts. Niemand liebkoste sie. Das Fräulein wandt« manch- mal den Kopf, und dann warf der Hund sehr schnell seinen Blick zu ihr auf aber sie betrachtete ihn nicht, sondern mich, denn sie ihrersests meinte, ich hätte mein Vergnügen daran, sie zu be- trachten... während ich meinersest» doch die Dogge bellachtet hatte. An einer Seite begrenzt« den Garten der Tanzsalon. Der Wiener Walzer schallt« gedämpft durch die großen Fenster. Das Fräulein sah sich zu den Fenstern um, und auch ihre Muller wurde aufmerksam. Di« Herren beobachteten die kleine Fähre, die schein- bar von Menschen überlastet war: die Herren dachten: man sollt« wetten, ob die Fähre umkippen wird oder nicht. Dann bekamen sie Lust zum Kartenspielen. Di« Dogge leckte unaufhörlich ihre wunde Pfote. Sie kam durchaus nicht auf den Gedanken, die Leute am Tisch da oben durch irgendeinen Laut aus ihr Weh aufmerksam zu machen. Sie hielt

sich dazu nicht für berechtigt. Ihr Mund hing an den Winkeln ha* ab wie bei vereinsamten Menschen. Ich dachte: Wenn es wahr sein sollt«, daß der Mensch eist- sprechend seiner Führung auf Erden verwandelt würde in ein höheres oder in ein niederes Wesen... Mir wurde bange. Ein Hund sein? O Herz, in einer Region seine Tag« leben, wo man sich nur mit Hunden verständlich bespricht: vom Menschen gellennt durch Millionen Etagen. Wie eine Fußmatte stumm auf dem Boden liegen und im tiefsten eine Sehnsucht in sich tragen, well man zu Menschen gehörte, gehört... Der Hund dachte: Kam« jetzt ein Kind mst einem Ball und rollte ihn über die Erde, juchhe zwischen den Beinen von Stühlen und Tischen, juchhe, oder würfe es ihn in die Wellen hinunter.- Er hörte ihr Geräusch.- Eine Wunde hat man, dachte der Hund, und man wlld nicht einmal im Fell gekraut. Im Tanzsalon sangen zwei von der Kapelle Worte zum Jazz. Das Fräulein, durch die Männerstimmen sehr interesfiert, starrt« zur Musik hin. Aus dem Rückweg zur See streifte ihr Blick auch die Dogge Seht, ach. seht ihr, schon wieder die Pfote', rief das Fräulein und genoß mit Vergnügen ihr gutes Herz. Und die Familie be- trachtete nun ihren Hund. Er war sofort in die Höhe gesprungen auf daz erste An» zeichen hin, daß man den Umgang mit ihm wünscht«. Ich sah ober- halb seiner Vorderpfote ein beträchtliches Stück vom Fell gleichsam abgezogen. Sie liebkosten ihn, sie krauten ihn, sie hielten ihm ein Stück Kuchen hin. Hohe! Er halle die VerbinSung mst Menschen wieder. Er mußtebitte schön' machen, dreimal, und beim vierten Mal, als seine Demut zur Zufriedenhest der Muller des Fräuleins aus- gefallen war, durfte er, das Stück Kuchen in der Schnauze, um den Tisch herum an seinen alten Platz unterm Stuhl. Er hielt seinen Kuchen zwischen den Pfoten wie«in Löwe sein Fleisch und biß kleine Stücke, behaglich wie ein Rekonvaleszent, mst schrägzuschnappender Schnauze ab. Süß ist es. mst den Menschen zu leben. Später schlang der Herr auf dem Stuhl einen Arm um den braunfelligen Hals der Dogge und ließ sie mst den Vorderpfoten auf der steinernen Brüstung stehen. Das Tier sah aus den See hin- aus, es interessierte ihn sehr. Mitunter blickten die braunen Augen, die sich von Menschenaugen in nichts unterschieden, den Herrn an, der ihm die Erscheinungen auf dem See erklärte. Siehst du, Robby, das ist ein Motorboot', sagte der Herr, und das ist ein Paddler und das Nasie ist der See* Darf ich noch hier oben bleiben?' fragten die Augen.Ja? Danke. Was bedeutet das alles da?'

enZth- HUarküag in ifpcrn Nun bin ich wieder die gleiche Straße gewandert, über die wir «inst in den dunklen Nächten schritten, in Reihen zu zweien: quer vor der Brust hingen uns Gewehr und Patronengürtel, die den Nocken wundscheuerten und den Atem verklemmten. Damals lohte am Horizont düsterrot der Scheiterhaufen der Front. Das Grollen des Völkerhasscs brach nie ab in unseren Ohren und ließ die Ge- spräche In der Korporalschaft ball» verstummen. Denkst du noch daran, Kam'rad, der du jetzt an der Straße Morslede-Ppern sicher bester schläfst als früher je beim Fourage- Unteroffizier im Heu? Und war das doch schon der Wollust wall- lüstigste, damals, als wir noch auf dieser Straß« über Stacheldraht und glitfchige Baumstämme vorwärts stolperten! In die Nächte des Grauens. Achtung! Granatloch! Weitersagen! Mensch, tu die Zigarette weg!'- In Ppern ist Markttag du lachst, Kam'rad? E» ist so! Ja. und deinen Appelzinenorden denn du warst ein braver Sachse aus Crimmitschau und ohne jeden Sinn für Heroisches deinen Appelzinenorden mit dem empörend gelben Bande, dem du nicht entgehen konntest, als wir beide die Patrouille am Wegekreuz von Brodseinde machten, oh, deinen schönen gelben Appelzinenorden habe ich hier imMuseum of War' wiedergefunden, neben ver- bogenen und oerrosteten Seitengewehren, zerfetzten und verwitterten Gasmasken, Feldtelephonen. Achselstücken, Koppelschlöstern, die ein geschwätziger Belgier in leidenschaftslosem schlechtem Französisch in einem Keller zeigt. Dort drüben aber ist Markttag. Markt in Ppern! Warum Europa nicht untergehen kann, trotz allem? Schlendere mit mir eine Viertelstunde über den Markt von Ipern, und du weißt, warum! Denn da stehen nur noch die grauen, kläglichen, niedrigen Stumpfen von den einstmals stolzen Tuchhallen dieser Stadt der Weber und kämglichen Kaufherren. Daneben, freilich, die Käthe- drale vom helligen Martin die Kathedrale, weißt du, die immer die heiße, bellende Wut unsrer Haubitzen erregte, weil der Eng- länder von ihrem Turm in unsre Stellungen, unsre Quartiere, unsre Löcher äugte, ist neu erstellt in schönem weißem Backstein. Auch sonst ist dieses Ppern, wie alle die anderen Orte, Paschendaele und Vierkaoenhoek, Zonnebeeke und Becelaere, die nur einmal zer- hackte Keller und zerpflügte Friedhöfe waren, auferstanden wie ein Saatfeld im Frühling. Praktisch ist's hier und ein bißchen un- gemüttich, wie alles Neue. Selbst der Dorfschmied von Zonnebeeke darf jetzt auf seinem Wasierklosett sitzen, wenn er will oder muß. Jeder Diehkraul hat noch seinen Granattrichter: aber nicht pro memoria; er ist vielmehr die Tränke, die man gerade dort braucht. Ohne dos Wellblech unsrer.Siegfriedstellung' kein Hühner, stall, kein Karnickelbehälterl Aber Markttag auf dem großen, frisch gepslasterten Rathaus- platz von Ipern das ist eine Lektion europäischer Geschichte. Ueber Gräbern Geschäfte! Ein Korb grüner, sauber gewaschener Spinat steht auf dem Stumpf einer Säule. Di« Ziegelmauer dort, die immer noch rot blutet, ist geputzt mit Blumenkohl und Peter- silie. Das Mädchen, das Aepfel und Pflaumen verkauft, sitzt auf dem Bauch eines Heiligen ohne Kopf und strickt fleißig, well die Kundschaft noch fehlt. Karo, angeschirrt an seinen Wagen, hat sich in den Eingang des Unterstandes gelegt, in dem noch die Drähte kunterbunt liegen,, die einmal Schrapnell und Gasgranate an- forderten. Er sonnt sich und gähnt und leckt mit der roten weichen Zunge nach der deutschen Hand, die chm jetzt den dicken, struppigen Kopf streicheln will. Ja. Europa ist so unsentimental. Europa ist so vergeßlich! Wär's anders, wir wären längst dort, wo das Feuerland oder Kamtschatka heute noch sind. Es lebe uns« Vergeßlichkeit! Wenn man alles bedenkt: ihr verdanken wir, daß wir immer noch leben. In Europa . In Dpern._

Weltoorrat an Erdöl . Nach neuerlich angestellten Berechnungen soll der Weltoorrat an Erdöl in 80 bis 100 Iahren erschöpft sein. Man nimmt sogar an. daß die Erdölquellen in den Vereinigten Staaten bereits in 20 bis 26 Iahren versiegen werden. Amerika hat auch die größte Ausbeute unter allen Oel gewinnenden Ländern der Gegenwart. Es bringt täglich über 2 Millionen Faß Rohöl in den Handel.