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Brüning Sei den Industriellen. Ein Alarmsignal.— Die Wirtschastsführer als Seelenretter. Der Reichsverband der Deutschen Industrie hat gestern abend eine Feier zu Ehren von Carl Dulsberg ver- anstaltet, der das Präsidium an Krupp von Bohlen und Halbach abgibt. Bei diesem Anlaß hielt Reichs» kanzler Brüning eine Rede, in der sich die folgenden bemerkenswerten Ausführungen finden: Auch an mein Ohr klingen tagtäglich— dal leise, mal lauter— Zweifel in die Zukunft una bange Rufe nach der Führung. Ich weiß, daß das eine naturgemäße Erscheinung ist. und ich hatte die Eh:«, Ihnen und Ihren Mitarbeitern vor wenigen Tagen darzutun. daß der Umfang der Tätigkeit der Reichsregie» rung in den vergangenen Wochen und Monaten ein viel umfassenderer gewesen ist, als es zur Stunde zweckmäßig erscheint, einer größeren Oeffentl ichkeit mitzuteilen. Abgesehen von diesen, hat �die Reichsregierung eine Fülle anderer Maßnahmen bereits getroffen bzw. zur Veröffentlichung in der nächsten Woche vorbereitet. Dar» über hinaus wird es nötig sein, gewisse noch weittragen» dere Schritte zu tun in dem Augenblick, in dem die B e w e- gung des englischen Pfundes, die am vergangenen Sonn- tag eingesetzt hat, in ihrer weiteren Entwicklung sicher erkannt wer- den kann.� Brünings Ausführungen über den Umfang der Tätigkeit der Reichsregierung beziehen sich auf umfangreiche Subventionen und Stützungen durch die Reichs- regierung, von denen die Oeffentlichkeit bisher noch keine Kenntnis hat und die ft ä r k st e n Industrien gegeben worden sind. Die Andeutungen des Reichskanzlers über weittragende Schritte lassen erkennen, mit wie ernster Sorge in Deutschland die Entwicklung der englischen Inflation verfolgt werden muß. Das Ausmaß der englischen Inflation kann den deutschen Außenhandel auf das schwerste beeinträchtigen. Die Worte des Reichskanzlers zeigen so die ganze Schwere und die kritische Gespanntheit der gegenwärtigen Situation. Herr Dulsberg hat auf die Rede de«s Reichs- kairzlers geantwortet. Er har selbstverständlich die Unter- ( n e h m e r gefeiert, er hat über den Materialismus des Volkes geklagt und schließlich deklamiert: „Den Unternehmern und allen anderen verantwortlichen Persönlichkeiten in der Wirtschaft obliegt es auf der anderen Seite, durch verständnisvolle Förderung einer geistigen Grund- Haltung unseres Volkes auf einer weit höheren Basis, als sie der Materialismus je zu geben vermag, zum Durchbruch zu ver- helfen. Ich bin der festen Ueberzeugung und möchte das gerade am heutigen Tage besonders betonen, daß unser deutsches Volk nur dann die zweite Blüte erleben wird, wenn der deutsche Mensch wiedei; seine deutsche Seele findet, wenn dem Gegeneinander ein Füreinander, dem Ringen um die Macht im Staate ein Ringen um die Macht für den Staat folgt." Jetzt kommen uns die Führer des bankrotten Kapita- lismus mit der Seelei Sie zeigen sich in einer neuen Rolle. Den Beruf zum wirtschaftlichen Führertum glaubt ihnen keiner mehr, also zeigen sie sich in der Rolle der Retter L der deutschen Seele. Wenn sie keine anständigen Löhne zahlen, so wollen sie doch- wenigstens Seelen retten. Vor dem Bankrott redeten sie vom Geldschrank, nach dem Bankrott von der Seele. Wir danken bestens für die Seelenrettung durch die bankrotten Wirtschaftsführer! Oer neue Zndustriepräfident. Krapp von Bohlen und Halbach Nachfolger Dvisbergs. 3n seiner heuligen Sitzung nahm das Präsidium des Reichs- Verbandes der Deutschen Industrie offiziell Kenntnis von dem Rücktritt des bisherigen Vorsitzenden, Gehetmrats Dulsberg. An seine Stelle wurde zum Rachfolger einstimmig Dr. Krupp von Lohten und Halbach gewählt. An Stelle des Chemiekapitals übernimmt also die Schwer- i n d u st r i e mit Herrn Krupp von Bohlen und Halbach die Führung im Reichsverband der Deutschen Industrie . Wenn die Wahl von Herrn Krupp auch gestern einstimmig im Schöße des Präsidiums beschlossen wurde, so ist doch bekannt, daß seiner Kandidatur zum . Präsidenten des repräsentativsten deutschen Unternehmervevbandes doch schwere Reibungen innerhalb der Mitgliedschaft voraus- gegangen sind. Mit dem neuen Präsidenten übernimmt ein Mann die Führung des Reichsverbandes, der zu den schroffen Vertretern der schwerindustriellen Denkweise gehört. Das ganze Rezept, das Herr Krupp von Bohlen und Halbach auf der letzten Generaloersammlung seines Konzerns zur Gesundung der deutschen Wirtschaft präsentierte, bestand in einer scharfen Attacke gegen die Lohn-, Sozial- und Steuerpolitik in Deutschland . Zur Gesundung seiner eigenen upd der ihm befreundeten schwerindustriellen Betriebe schlug Herr Dr. Krupp auf der gleichen Sitzung vor, Arbeitslose nur bei gleichzeitiger Senkung der Löhne ein- zustellen. Das Prinzip war hierbei, bei Derstärkung der Belegschaft die Lohnsumme unverändert niedrig zu lassen. Auch der abgetretene Präsident, Geheimrat Duisberg, gehörte zu den Unternehmern, die alles Uebel der Wirtschaft von der öffent- lichen Derwaltung und der Seite der Löhne herleiteten. Es besteht aber gar kein Zweifel, daß der setzt vollzogene Personalwechsel im Präsidium des Reichsoerbandes der Deutschen Industrie, auch einen Wechsel in der Politik dieses Verbandes mit sich bringen wird, der sich in immer schärferer Betonung des Klassen- kampfgedankens gegen die Arbeitnehmerschaft auswirken wird. Alexanders Ende. Es ist aus mit der Weltrevolvtion in Boitzenburg. Boitzenburg. 25. September.(Eigenbericht.) Die Boitzenburger Stadtverordnetenversammlung beschloß mit 8 gegen 7 Stimmen, die Wohldes kommunistischen Bürgermeisters Dr. Alexander für ungültig zu erklären, well eine Orts- satzung nicht rechtzeitig genehmigt sei. Die mecklenburgische Regie- rung hatte schon vor einiger Zell eine Notverordnung erlassen, nach der der kommunistische Bürgermeister erst am 1. April 1332 sein Amt antreten sollte. Nach dem Beschluß� der Stadtverordneten- Versammlung wird wahrscheinlich eine Neuwahl erfolgen. Eröffnungsvorstellung der Komödie. Donald Ogden Stewart :„Rückkehr". Ein Konversationsstück über Liebe und Ehe mit munterem und lustigem Beginn und beinahe tragischem Ausgang. Wieder be» zaubert Sät« Dorsch ein beifallsfreudiges Publikum. Dsu
Kopf in den Sand!
Zwei Instanzen haben die«kröffnung de« Strafverfahren« gegen das Soisiemer Raziblatt wegen der Oritten Reich wird sein Kopf in
Oer Paragraphenstrauß:»Köpfe in den Sand? Oa sehe ich keine Orohnng. Ick stecke doch selbst den Kopf in de« Sand!" Bückzug des Völkerbundes. Lopaus ungenügende Zugeständnisse.
Genf . 25. September.(Eigenbericht.) Die mit Spannung erwartete FreUagnachmittagfltzung des Völkerbundsrats begann mit der Erledigung von Finanzberichten. Die Unterstützung des österreichischen Anleihegesuchs durch das Finanzkomitee erhielt ihre Zustimmung mit b e s o n d e- ren Glückwünschen von Italien , Frankreich , England, Deutsch- land, Polen und Jugoslawien an den Kanzler B u r e s ch und seine Regierung. Durch die angenommene Entschließung zur H i l f e für Ungarn wird das Finanzkomitee ermächtigt, die nötigen Maß- nahmen zur Prüfung und Besserung der ungarischen Finanzlage zu treffen und einen Bericht darüber vor der nächsten Ratstagung zu veröffentlichen. Sodann erinnerte Ratspräsident Lerroux an China » und Japans Antwort. Der Rat danke dafür und unterstreiche die in der japanischen Antwort enthaltene Besserung der Situation durch Zurückziehung des größten Teils der Truppen in die Cisenbahnzone. V o s h i z a wo ttsß Japans . Antwort auf hen Appell des Völker- bundes, den mandschurischen Konflikt beizulegen, ausdrücklich noch- mals vorlesen,.in Anbetracht der Wichtigkeit". Der Rat Härte also nochmal» offiziell die Zurückweisung seiner Einmischung und die Ausrechlerhallung der noch bestehenden Lesehung. solange e» Japan » Sicherheil erfordere! Außerdem ließ Lerroux auch die japanische Darstellung de» Konflikts, die bereits verteill war, noch einmal ver- lesen. Danach hätten Chinesen die Bahnlinie angegriffen und«ine japanische Station überfallen. Die Lag« sei kritisch geworden, weil damals an der ganzen Bahnlinie nur 10 400 japanische Soldaten 220 000 chinesischen gegenübergestanden Höften. Die chinesischen Sol- baten der benachbarten Garnisonen seien entwaffnet und die lokalen Behörden unter Aufsicht der japanischen Truppen gestellt worden. Danach seien die japanischen Truppen zum größten Teil inner- halb der Eisenbahnzone konzentriert worden. Einige Detachements seien in Mukden und Kirin und anderen Orten belassen worden, doch existierte nirgendwo der Zustand einer milllärischen Besetzung. Die Kabinettssitzung vom 13. September habe dem Kommandeur be- sohlen, jede Zuspitzung de» Konflikts zu vermeiden. Auch mit der koreanischen Brigade von 4000 Mann, die nach der Mandschurei ge- zogen worden sei, entspreche die Zahl der dortigen Truppen noch nicht den Ziffern der Verträge mit China . Darauf protestierte Voshizawa gegen die Uebertreibungen gegen japanisch« Truppen, die noch und nach zurückgezogen würden, sobald et die llmstänbe erlaubten. Nirgendswo seien Marinetruppen gelandet worden, ver konslikt könne nur durch direkte Verhandlungen gelöst werden. Di« Besse- rung der Lage erlaube eine Beurteilung in größerer Ruhe. Di« Truppenzurückziehung ginge sogar über die Wünsche de» Rates hin- au». In Mukden und Kirin seien nur noch Beobachtungsposten. Ein chinesischer Minister Hab« direkte Verhandlungen angeboten, die Japan angenommen habe. Dieser Vorschlag sei später zurück- gezogen worden, weil die Ereignisse sich geändert hätten. Nun könnten aber die direkten Verhandlungen wieder aufgenommen werden. Er habe sich nicht mit den Maßnahmen de» Rate» zu de- fassen, deren Methoden könnten nach den Umständen wechseln. Aber vor allem müsse der Wille der Parteien geachtet werden. Im vorliegenden Falle würde der Rat nach seinem ganzen Charakter einen Akt der Klugheit begehen, wenn er eine verfrühte Einmischung vermeide, die vielleicht Gefahr laufe, eine Situation zu ver- schltmmern, die sich schon auf gutem Wege zur Besserung befinde. Sein« Regierung sei bereit, sofort in Berhandlungen zu einer wirk- lichen Lösung des Zwischenfalle» mit der chtnestschen Regierung«in- zutreten.— Demgegenüber wiederholte Sze-Chlna, daß China vertrauensvoll die Entscheidung in die Hände des Rates gelegt und daher Weisung gegeben habe, keinen Widerstand zu leisten. Daher habe jetzt Japan so groß« Gebiet« besetzt. China garantiere die Sicherhell der Japaner, wenn ihr« Truppen zurückgezogen würden. Der Rat habe geäußert, daß seine Schrille nur vorläufig seien. Er müsse nun durch sofortige Mahnahmen die Herstellung des statu»<zuc> herbeiführen. China glaub«, das könne garantiert werden durch die Entsendung einer neutralen Kommission. Wenn sich Japan weiter diesen Rotwendigkellen widersetze. so verletze«s seine Verpflichtungen aus Artikel IS des Bölter- bundspaktes. Werde dieser Artikel angewandt, so habe der Rat nach festen Bestimmungen zu handeln. Sze wandte sich dann dem Dorschlag direkter Berhandlungen zu. Die private Unterhaltung Mischen einem chinesischen Minister und dem japanischen Gesandten über Verhandlungen Hab« am 13. September stattgefunden, als man noch einen lokalen Zwischenfall vermutete. Al» sich die chineflsch« Regierung von dem kriegerischen Einfall überzeugt hätte, Hab« sie auf die Mitteilung Japan », e»
nehme die Entsendung einer chinesisch-japanischen Kommisfiou«wx geantwortet, jede Verhandlung sei jetz�oöllig ausgeschlossen. Zur allgemeinen lleberraschung erklärte plötzlich Lord Cecil , daß der Rat aus Grund des Artikels 11 au- gerufen worden sei. Cr könne daher die Erwähnung des Aelikets IS nicht verstehen, der nur In spezieller Prozedur an- gewandt werden könne. Der Rat habe nur die Erhaltung des Friedens im gegenwärtigen Zustande der Sache zu verhandeln. Rur dann könne die Regelung erfolgen. Diese Regelung des Zwischenfalls aber sei Sache der Parteien und er müsse flch darin völlig der Anschauung de» japanischen Vertreters an- schließen, et sei denn, daß andere Verpflichtungen der Schieds- gerichlsbarkell in Vetrachl kämen. Daher hätte der Rat die ersten Schritte getan. Roch vor Ihne» seien die japanischen Truppen teilweise zurückgezogen worden und befänden sich jetzt dauernd im Zustand weiterer Zurücknahme Das fei auch von Chinas Vertreter nicht bestritten worden. Ver Räftn-t wünsche die baldige völlige Zurückziehung der Truppen zur Erhaltung de» Friedens von beiden Seiten. Habe der Rat Zweifel an dieser Tatsache, s o müsse er weiter sehen, welche Schritte er unternehmen wolle. Wer bis hierhin habe der Rat seine Aufgabe der Erhaltung de» Frieden» voll und ganz erfüllt Ratspräsident Lerroux verlas abschließend eine Erklärung, wonach die Zurückziehung der Truppen begrüßt wird. An Japan wird der Appell gerichtet, sobald wie möglich alle Truppen zurückzuziehen, an China , die Sicherheit der Japaner zu garantieren. Der Rat wünsche laufend unterrichtet zu sein über die Maßnahmen beider Parteien und vertage die Aussprache über die Frage bis zu neuen Mitteilungen. * Dieser Ausgang ist unbefriedigend und enttäu». s ch e n d. Die Haltung Japans hätte eine schärfer« Zurückweisung verdient. Der Bertreter Chinas war durchaus im Recht, als er dieses Zurückweichen des Dölkerbundsrats beklagte. Die öffentliche Meinung der Welt wird die juristische Unterscheidungen des Lord Cecil zwischen einer Anrufung auf Grund des Artikels 11 und auf Grund des Artikels IS nicht begreifen, sondern nur die Tatsache sehen, daß e, dem Rat weder gelungen fft, ein bindendes Räu- mungsversprechen Japans zu erhalten, noch die japanisch« Regierung zu bewegen, ein« neutrale Untersuchungskommission an Ort und Stelle zu«ntsenden. Ueberdies ist die juristische Argumentation Cecil» höchst anfechtbar. Die Bereitwilligkeit Japans , direkt mll China zu verhandeln, wird durch die Tatsache entwertet, daß solch« Verhandlungen unter dem Druck einer militärischen Aktion erfolgen sollen. Es wäre gewiß übertrieben, von ektan völligen Verjagen des Völkerbundes in diesem Falle zu sprechen. Zweifellos hat das Eingreifen des Rates Japan zu gewissen, wenn auch ungenügenden Zugeständnissen veranlaßt. Die Gefahr einer kriegerischen Explosion ist jetzt zwar nicht gänzlich gebannt, aber doch stark veringert. Wenn es keinen Dölkerbung gäbe, dann stünde der Fern« Osten wahrscheinlich heute schon in hellen Flammen. Dennoch wird man den Eindruck nicht los, daß der Bölkerbund sich als noch. zu schwach erwiesen hat, um einer Großmacht seinen Wilten mif- zuzwingen. Krisenhaftes im Völterbundsrat. Genf. 2S. September.(Eigenbericht.) Im Nomen der nichtständigen Ratsmitglieder sprach der norwegische Außenminister Braadland dem Generalsekretär energische Bedenken über die Behandlung des mandschurischen Konflikt«, durch«ine Geheimtommission der vier ständigen Ratsmächt« und dem Präsidenten aus. Die nichtständigen Rats- Mitglieder befürchteten, daß damit ein P r ä z e d e n z f a l l geschaffen werde, daß gerade d!« wichtigsten Fragen der Erhaltung des Friedens ausschließlich durch ein Komitee der Großmächte behandelt werden. Er macht« ferner gellend, daß der gesamt« Rat nach den Bestimmungen des Pakts hie Verhandlungen zur Friedens- stcherung zu führen habe. Der Generalsekretär bestritt die Möglichkeit eines Präzedenzfalles, da es sich bei der Berufung der vier Großmächte nur um ein« vorübergehende Erleichterung für den Rat»präs>d«nt«n zwischen den Sitzungen des Rats durch «w Studienkomite« handle.