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Mecklenburgischer Ministerinlrnth Sattgfesd i Die Mecklen- burgische Regierung hat von jeher aus dein Standpunkte ge- standen, daß sowohl von feiten des Staates wie der Kirche gegen die fakultative Zivilehe schwerwiegende Bedenken be- stehen und daß diese die für den Staat wie für die lutherische Kirche am wenigsten angebrachte Form ist. Zwischen meiner Regierung und den obersten Organen unserer Landeskirche besteht darüber keine Meinungeverschiedenheit. Allerdings hat meine Regierung nicht verkannt, daß die bürger- liche Form der Eheschließung mit den kirchlichen Anschauungen eines großen Theils der Bevölkerung nicht übereinstimmt, inan darf aber den Einfluß der Zivilehe auf das kirchliche Leben nicht überschätzen. 138S haben in Mecklenburg-Schwerin von 64 000 Paaren nur die kirchliche Trauung verschmäht. Möge diese Mittheilung die Agitation für die fakultative Zivilehe, die sich neuerdings auch bei uns erhebt, abschwächen. Abg. v. Hodenberg  (Welse) erklärt sich im Prinzip für d e n A n t r a g R o o», der allerdings mancher Abänderung bedürfe; es bestehen bei ihm zum theil dieselben Bedenken, wie beim Abg. Lieber. Abg. Bebel: Herr Schall ist in seiner Polemik gegen uns stets sehr unglücklich gewesen, aber so unglücklich wie heute niemals; heute ist er selbst für feine Parteigenossen ein enfant terrible geworden. Der längere Aufenthalt im Hause ist für Herrn Schall verderblich gewesen; seine Logik hat� sehr stark abgenommen. Meine Geschichtsanführungen, die ich gegen de» Grafen Roon vorbrachte, hat er nicht widerlegt, sondern bestätigt, nanientlich die Doppelheirath des Landgrafen Philipp von Hessen  . Es ging ihm hier wie beim Duell; was er nicht verlheidigen wollte, suchte er zu entschuldigen. Mit der Krankheit der erste» Frau entschuldigte Herr Schall, da er sich eine zweite gesunde Frau nahm. Soll heute jeder Mann einer kranken Frau sich eine zweite Frau nehmen oder eine Frau, die einen kranken Mann hat. einen zweiten Mann?(Heiterkeit.) Das würde eine schöne Geschichte werden!(Heiterkeit.) Die Kon- servativen haben alle Veranlassung, zu sagen: Der Himmel be- wahre uns vor unserem Freunde Schall  ! Und die evangelische Geistlichkeit hätte alle Ursache, Herrn Schall auf den Knien zu bilien, daß er möglichst schnell sein Mandat niederlegt, weil er durch seine Taktlosigkeit die evangelische Kirche diskreditirt. (Heiterkeit.) Präsident v. Buol rügt den AusdruckTaktlosigkeit" als «»parlamentarisch. Abg. Schall bestreitet, daß er den Landgrafen Philipp von Hessen   vertheidigt habe. Er habe ausdrücklich sei» Bedauern ausgesprochen über die große Konnivenz Luther's. Den Stand- pnnkt des Herrn Kropatscheck habe er nicht als einen solchen des Unglaubens bezeichnet. Abg. Graf Roon bleibt dabei, daß das Zentrum und Abg. Lieber gegen seine Ueberzeugung für die Zivilehe eintrete und verwahrt sich dagegen, daß er allen denen, welche für die Zivilehe eintreten, Unglauben vorgeworfen habe. Damit schließt um 51/» Uhr die Debatte. Präsident v. Bnol erklärt, daß der Antrag auf namentliche Abstimmung nur von Anwesenden unterstützt werden könne. Er werde daher die UnterstiitzungSfrage stellen. Nach einigen Bemerkungen der Herren Gröber, Manteuffel n»d Bennigsen erklärt Abg. Bebel(Soz.); Ich muß dagegen Verwahrung einlegen, daß der Präsident, obwohl thatsächlich die Unterschriften von dv Mitgliedern vorliegen, und zwar von Unterschriften, die sammt und sonders heute hier in der Sitzung gesammelt worden sind(Leb- hafter Widerspruchs die Namen der in Abwesenheit Unter- zeichneten sind nachher durch andere ersetzt worden! gegen alle bisherige Praxis plötzlich die Unterstützungsfrag« in Aussicht gestellt hat. Das ist eine Beleidigung für diejenigen Mitglieder, die ihre Unterschrift gegeben haben(Zustimmung). Die bisherige Praxis kann nur durch einen Beschluß geändert werden. Das Sammeln der Unterschriften nimmt längere Zeit in Anspruch. Verschiedene Mitglieder sind nicht gleich bereit, man muß ihnen zureden und ihnen klar machen, warum man ihre Unterschrift wünscht, unter Umständen gehen darüber Stunden hin und es kann passiren, daß Mitglieder, welche vorher ihre Einwilligung gegeben haben, genölhigt sind, den Saal zu verlassen und dann die namentliche Abstimmung nicht unterstützen können. Abg. Gröber: Jedes Mitglied hat das Recht, die Anträge einzusehen, um zu wissen, wer sie gestellt hat. Wir haben in den letzten Wochen Erfahrungen auf dem Gebiete der Geschäfts- ordnung gemacht wie früher nicht.(Sehr richtig! im Zentrum.) Wenn Mitglieder Hinausmarschiren, um das Haus beschluß­unfähig zu machen, kann man auch nachsehen. ob die hier sind, welche den Antrag unterstützt hgben. Die prinzipielle Seite der Frage wollen wir heute nicht entscheiden und ich beantrage, die Frage der Geschäfts- ordnungs- Kommission zu überweisen. Wir wollen niemandem den Antrag auf namentliche Abstimmung abschneiden und unterstlltzen ihn. Abg. v. Liebermann: Es sind 63 Unterschriften vorhanden gewesen, wir sind dem Präsidenten entgegengekommen und sind deshalb dagegen gewesen, daß er trotzdem die Unterstützungsfrage stellen wollte. Nach einigen weiteren Bemerkungen der Abgg. Graf Mirbach und Lenzmann wird die Frage der Geschäftsordnungskommission überwiesen. In namentlicher Abstimmung wird darauf der Antrag de? Grafen Roon zum§ 1299». mit 196 gegen 33 Stimmen abgelehnt; 4 Abgeordnete enthalten sich der Abstimmung; dafür stimmt nur etwa die Hälfte der Deutsch  - Konservativen; von der Reichspartei Graf Bernstorff, ferner die Polen   v. Janta- Polczynski und v. Dziembowski, die Welsen v. Hodenberg   und Graf v. d. Decken, die Antisemiten Jskraut, v. Liebennann und Wenwr und der Wildkonservalive v. Dalwitz. Gegen den Antrag stimmen die Sozialdemokraten, die beiden freisinnigen Gruppen, die deutsche Volkspartei, die National- liberalen, das Zentrum mit Ausnahme des Abg. Wolny, von den Konservativen die Abgg. v. Herter, Gras Holstein, Kropatscheck, v. Leipziger, v. Massow, v. Podbielski, Sachße, Eaurma v. d. Jeltsch, Gras Schwerin  , v. Buchka und Graf Douglas; ferner die Anti- semiten Förster und Vielhaben und die Wilden Prinz Hohenlohe- Schillingsfürst  , Küchly und Uhden. Der Antragsteller zieht die übrigen Theile sein«? Antrages zurück. Gegen 6'/« Uhr wird die weitere Berathung ans Donnerstag 11 Uhr vertagt. Unter großer Heiterkeit des Hauses setzt der Präsident auch noch die Margarine- vorläge auf die Tagesordnung. UoKales. A» die Parteigenossen des erste« verliuer Reichstags- Wahlkreises! Nachdem infolge deS Köllerkoups der Wahlverein monatelang geschlossen war, findet nunmehr am Freitag wieder die erste Versammlung statt. Da es sich um Neuregelung der Vereinsthätigkeit handelt, ist es Pflicht der Mitglieder, sich zahl- reich an der Versammlung zu bctheiligen. Der Vorstand. Auf die hente, Tonnerstag, Abend Schwedterstr. 23/24 bei Wernau   stattstndende Volksversammlung werden besonders die Frauen aufmerksam gemacht. In derselben wird die Broschüre von Gustav Keßler vorgelesen:Die Ziele der Sozialdemokralischen Partei." Die Einberuferin. ?nr Lokalliste. Das Lokal des Herrn Paul Timm Bellevue" in R u m m e l s b u r g. Hauptstr. 2, steht der Arbeiterschaft zu Versammlungen nicht zur Verfügung. Der Wirth giebt an, daß er in Rücksicht auf die Rriegervereine ,c. sein Lokal nicht hergeben wolle. Die Lokalkommission. Zehn Sabeldnelle oder noch mehr sind, wie hiesige Blätter melden, die Folge des hitzigen Wahlkampfes in der Akademischen Lesehalle. Am Dienstag hat die 132. Adtheilung des hiesige» Schöffengerichts an einem Messerstecher, dem ungebildeten Ar- beiter Ernst Hennig ein Erentpel statuirt, indem es ihn wegen Körperverletzung zu einem Jahre Gefängniß verurtheilte und ihn sofort in Haft nahm. Eine derartige exemplarische Bestrafung gebührt den Raufbolden unter der gebildeten Studentenschaft ebenfalls. Aus ihnen bilden sich bekanntlich später die Stützen der heutigen Ordnung. Wegen Mordes ist der Jnvalidenstr. 147 wohnende, bereits dreimal wegen Kuppelei bestrafte Arbeiter Gustav Wobser verhastet worden. Wobser, der mit einer lüderliche» Frauens- person ein sträfliches Verhältniß unterhielt, lebte nnt seiner Ehe- srau in Unfrieden und hatte dieselbe, sowie seine Kinder in der letzten Zeit schlecht behandelt. Dienstag Morgen kam Wobser zu seiner Schwägerin, der Frau S., und theilte derselben mit. daß ihre Schwester soeben sich den Hals durchschnitten habe. Frau Wobser lag im Blute schwimmend mit zwei Schnittwunden am Hals auf der Erde, neben ihr ein blutiges Messer, welches sie nach Angabe ihres ManneS in der Hand gehalten haben soll. Im Lazarus  - Krankenhause wurden an der bewußtlosen Frau auch Kopfverletzungen und ein R i p p e n b r u ch fest- gestellt. Hierdurch erschien die Annahme eines Selbstmord- Versuches ausgeschlossen. Die Wobser ist gestern früh verstorben, ohne vernommen werden zu können. Vor ihrem Tode hat sie aus eine Tafel die Worte geschriebenMann, Beil". Ein blutbeflecktes Beil. mit welchem die Kopfverletzungen beigebracht sein können, ist am Thatorte vorgefunden worden. Der Beschuldigte leugnet die That. Beschlagnahmte Fische. Gestern wurden in der städtischen Martthalle am Alexanderplatz   bei derselben Fischhändlerin, bei welcher am 22. Juni 600 Kilo Schellfische beschlagnahmt wurden, wiederum 260 Kilo Häringe beschlagnahmt. Man thäte vielleicht gut, endlich die saubere Fischhändlerin zubeschlagnahmen". Auf der Suche nach Arbeit ist am Dienstag Nachmittag der 20jährige Arbeiter Emil Prieba schwer verunglückt. Als Prieba, der am Montag aus Stettin   hierher gekommen war und noch keine Wohnung hatte, in der fünften Stunde über den Hackeschen Markt ging, um sich nach Beschäftigung umzusehen, wurde er von einem Geschäftswagen überfahren und am rechten Arme, am rechten Oberschenkel und am Kopse so schwer verletzt, daß ein Schutzmann des 13. Reviers ihn in ein Krankenhaus bringen mußte. Tie Frau Meisterin. Bei dem Schuhmachermeister G. in der Wiesenstr. 31 arbeitete und wohnte ein Geselle Rudolf S., ein Mann von 30 Jahren, der hin und wieder wohl etwas mehr trinkt, als er vertragen kann. Das war auch Dienstag Nach- mittag wieder vorgekommen. Ans irgend welcher Veranlassung gerielhen Meister und Geselle in Streit und es kam bald auch zu Thätlichkeiten. Obwohl der Geselle ohnehin schon den kürzeren zog, so mischte sich doch auch die Frau Meisterin noch ein und kam ihrem Manne mit dem Messer zu Hilfe. S. erhielt von ihr einen Stich in den Kopf, der ihn bedeutend verletzte. Das Blut rieselte sogar noch durch«inen Nothverband hervor, den man ihm anlegte, und der Verwundete war gezwungen, ein Kranken- Haus aufzusuchen. Hundefängcr und Soimtagsruhe. Der deutsche Thier- schutzverein therlt uns folgendes mit: Ans Anordnung des königlichen Polizeipräsidittms muß von jetzt ab der Hundefang auch Sonntags ausgeübt werden. Demnach sei es Hundebesitzern, welche sich vor Unannehmlichkeiten und Koste» schützen wollen, dringend empfohlen, dafür Sorge zu tragen, daß ihre Hunde auch an Sonntagen stets vorschriftsmäßig mit Maulkorb und Steuermarke versehen aus die Straße gelangen. In einem Gasthofe der Friedrichstadt   hat sich in der Nacht zu Mittwoch die etwa 30 Jahre alte Frau des Ritter- gulsbefitzers Macketanz aus Eberswalde   aus dem Fenster gestürzt. Sie starb auf der Stelle. Die Unglückliche war mit einem quälenden Nervenleiden behaftet. Unglückliche Liebe zum Militär. Zwei Finger der linken Hand hat sich in Stendal   ein Husar abgehauen. Es geschah dies in der Absicht, sich dadurch vom Militärdienst zu befreien. Nach geschehener That hielt sich derselbe 24 Stunden verborgen, während dessen die verstümmelte Hand unverbunden blieb. Der Husar wurde nach dem Lazareth gebracht und wird nach seiner Wiederherstellung wegen Selbstverstümmelung vor ein Kriegs- gericht gestellt werden. Hinrichtung. Heute Morgen 6 Uhr sollen in Plötzensee  der Agent Karl tiurz, sowie der Kutscher Karl Wohlan durch den Scharfrichter Reindel aus Magdeburg   hingerichtet werden. Tie beiden haben am 1. Dezember v. I. den 82 jährigen früheren Bahnwärter Schulz in Teltow   umgebracht und beraubt. AuS dem Polizcibcricht vom 24. Juni. Gestern wurde am Opernhaus« der Bäckermeister Czerner, WUsnackerstraße 25 wohnhaft, durch einen Pferdebahnwagen angefahren und an- scheinend schwer am Kopfe verletzt. In der Oranien- straße wurde ein Dienstmädchen durch eine Taxameter- droschke überfahren und an beiden Beinen verletzt. Aus dem Hackeschen Markt an der Ecke der Oranien- burgerstraße fiel der schlafende Arbeiter Priebe von einem Geschäftswagen und wurde überfahre», anscheinend jedoch nicht erheblich verletzt. Infolge des rücksichtslose» Nadfahrens wurden überfahren in der Voßstraße eine Frau durch den stud. techn. Doerry und in der Adalbertstraße ein Kind durch den Friseur Schmieder. WitternngSiiberficht vom 24. Jnnt 18S6. Wetter-Prognose für Donnerstag, de» 2S. Juni»8»«. Zeilweise heiteres, vielfach wolkiges Wetter mit leichten Regenfällen und schwachen westlichen Winden; Temperatur wenig verändert. Berliner   Wetterbureau. 1896« Arbeitsverhältnisse der Kellner. Geradezu empörend ist die Lage der K e l l n e r im R i e s e n z e l t auf der Ausstellung, in welchem ein Wiener   namens Leopold Schwarz bis auf die Nacht zum Dienstag Oekonom   war, dann aber auf Veranlassung der Eigenthümerin des Unternehmens, der Radeberger Brauerei  , urplötzlich durch einen anderen Chef abgelöst wurde. Auf einem Bogen Papier  , der Kontrakt genannt wird, aber nur in einem Exemplar einzig in de» Händen des Oekonomen ist. hatten die aus Wien   hierher gelockten Kellner die Bedingung der eintägigen Kündigung und eine geradezu horrende Reihe von Strai- bestimmunge» bedenklichster Sorte zu unterschreiben. Bezeichne»» für die Art, wie die Strafgelder eingetrieben wurden, ist;ol- gender Vorfall: Vier Kellner hatten einen Wortwechsel mit- einander und sie wurden hierfür mit sofortiger Entlassung bestraft. Aber, so wurde ihnen erklärt, sie könnten bleibe», wenn sie je 3 M. Strafgeld an den Wirth entrichten würden. Die Kellner blechte» und blieben. Ein Wiener   Kellner hatte die Kühnheit, den Oekonom   kürzlich bei Einführung einer neuen Strafbestimmung zu bitten, doch den Angestellten eine unbeanf- sichtigte Besprechung über den neuen Ukas zu gestatten. Die Antwort des Oekonomen lautete dahin, daß der Fragesteller als Agitator" mit zweiStrichen" im Buche vermerkt werden sollte. Dieser letztgenannte Wiener   Kellner erhielt dieser Tage vom Polizeipräsidenten die Bolschaft, daß er als lästiger Ausländer binnen acht Tagen das preußische Staatsgebiet zu verlassen habe, denn er sei in Wien   zweimal wegen Ueberiretungen mit je 24 Stunden Haft bestrast worden! Kürzlich hat das mannhafte Berliner   Bürgerthum, soweit es auf der Ausstellung vertreten ist, der bis dahin in iveitesten Kreisen unbekannten Institution ok naval architects un­bändige Ehren erwiesen, nachdem wenige Wochen vorher erst die offiziöse Engländerhetze ine Werk gesetzt worden war. Nunmehr veranstaltet der Arbeitsausschub dem berühmten Knackfnsbilde zum Trotz für Herrn Li-Hung-Tschang ein großes Fest, das am Sonnabend bei Adlon   u. Dressel mit 400 Gedecken beginnt und mit einer großartigen Illumination endet. Uns soll es nicht wundern, wann der chinesische Vizekönig sich eiligst eine Reinkultur von guten Deutschen   ansbittet, um sie in China   neben den Pagoden dem Volk als Muster guter Gesinnung vorzuhalten. Das Tropenhaus in der Kolonial- Ausstellung ist zum Preise von 20 000 M. an das Auswärtige Amt verkaust worden. Es wird als Regierungsgebäude in Togo   aufgestellt werden. Ktmpk und MiffeuMufk. Im Schiller-Theater kommt hente Bauernseld's Lustspiel Bürgerlich und Romantisch" zur erstmaligen Aufführung. Frau Clara Meyer spielt in diesem Stücke als letzte Gastrolle die Katharine von Rosen. JTritz Fvirdmauu. (Fortsetzung aus der zweiten Beilage.) In der weiteren Verhandlung versucht der Angeklagte es so darzustellen, daß er von den Klienten schlecht unterrichtet und in den Glauben versetzt worden sei, die Leute wären froh, das Geld los zu werde». Der Präsident konftatirt, daß der An- geklagte 300 M. Vorschuß genommen aber sast nichts dafür ge« than habe. I» bezug auf seine persönlichen Verhältnisse erklärte der An- geklagte, daß er die felsenfeste Ueberzeugung hatte, daß man ihm sein Amt nicht absprechen würde.Ich halte dem Ehrenralh ge- beichtet, daß ich mir durch wahnsinnige Spekulationen in den Jahren 1890 und 91 eine große Schuldenlast aufgebürdet hatte. Gleich- zeitig hatte ich aber das Versprechen gegeben und die Aussicht dazu nachgewiesen, es erfüllen zu können, durch ein mühevolles und arbeitsreiches Leben mich von meinen Verbindlichkeiten be- freien zu können. Der Ehrenrath hatte mir wohl auch Vertrauen geschenkt und es schien mir, als sollte es ein Zeichen des Wohl- ivollens sein, daß man den Termin vor dem Reichsgericht immer wieder hinausschob, wie ich annahm, um mir Zeit zu geben, in meine Geldangelegenheiten etwas Ordnung zu bringen!!" Der Angeklagte behauptet, daß sein Vetter Hermann auf ein Guthaben von 13 000 M. verzichtet und 50 000 M. zur Regulirung zur Verfügung gestellt. Die vorhandenen Schulden betrugen etwa 260 000 M davon kommen etwa 100 000 M. an die Firma Mühsam u. Co. für Getreidespckulation. Im No- vember v. I. brach das Unglück herein. Vetter Hermann Friedmann zahlte in diesem Monat nicht mehr und bald wurde F. bekannt, daß derselbe sich in kolossale Spekulationen eingelassen und sich eine Schuldenlast von etwa anderthalb Millionen Mark ans« gebürdet habe. Damit war auch der Zusammenbruch des Angeklagten be- siegelt. F. ordnete mit seinem Mitarbeiter Dr. Lowenstein die vorhandenen Akten, beauftragte ihn, daß er von den Einnahmen zunächst 600 M. monatlich an seine Frau abzuführen habe, so- dann kämen 2000 M. zur Ablösung des Berger'schen Darlehns und dann erst seien die Bureaukosten und sein Gehalt zu decken. Am 9. Dezember reiste ich nach Leipzig  . Ich hatte den Kopf verloren und kehrte nicht nach Berlin   zurück." Der Angeklagte will nur 700 M. bei seiner Flucht besessen haben, von denen er 800 M. von Maximilian Harden   geborgt hatte. Seine Begleiterin hat er im Bellealliance-Theater kennen gelernt und natürlich hat sie ihm falsche Vorspiegelungen gemacht. Präs.: Na, kurz und gut, das Mädchen ist mit Ihnen auf die Reise gegangen. A n g e k l.: Alle Welt weiß, daß ich nachtblind bin und nicht allein reisen kann. Der Prä­sident geht nun eingehend die Vermögenslage des Angekkagten zur kritischen Zeit durch, um festzustellen, ob er überhaupt hoffen konnte, die 6000 Mark an Berger auszuzahlen. Er hebt dabei hervor, daß fast von sämmtlichen Gerichtsvollzieher» Berlins   seit dem Jahre 1893 Pfändungen in Beträgen von unter 100 Mark gegen ihn vollstreckt worden seien. Der Präsident konftatirt, daß die 6000 M. am 9. Juni dieses Jahres mit Zinsen und Kosten gezahlt wurde». Der An- geklagte erklärt, dies sei von Freunden geschehen. Präs.: Ich muß nun noch einmal auf Ihre Vermögenslage zurückkommen. Sie hatte» 100 000 M. väterliches Vermögen gehabt, haben dieses aber ver- borgt und es war unwiderbringlich verloren. Im Jahre 1888 trat dann jemand mit der Anregung an Sie heran, sich durch Börsenspekulationen, namentlich Roggen- spekulationen, das Verlorene recht bald wieder zu gewinnen. Sie verdienten auch auf einen Schlag 8000 Mark, da»» aber kam die große Schwänze und nun kamen Sie in unermeßliche Differenzen und Ihre Verluste bezifferten sich mit Kourtagen und Wucherzinsen auf 400 000 M. Angekl.: Im Sommer 1390 habe ich mir versprochen, niemals mehr zu spekuliren. In der Zwischenzeit hatte ich aber Wuchergeld aufgenommen. Ich wurde aber von diesen Leuten in ungeheurer Weise ge- peinigt und ich kam in eine sehr schlimme Lage. Ich ging zu dem mir bekannten Wirkl. Geh. Legalionsrath Lindau, dieser verwandte sich für mich und es kam dann eine Gruppe von Geldmänner», zu denen der Generalkonsul Landau  , Rudolf Mosse  , Bleichröder  :c. gehörten, die eine Summe von 60000 M. mir zur Verfügung stellten gegen das Versprechen, nicht mehr zu spekuliren. Der Kommerzienrath Anton Wolff zog sich zurück, weil er selbst vor dem Zusammenbruche stand, dazu kam die Affaire Friedländer u. Sommerfeld. Die Thatsache, daß Pfändungen in zahlloser Menge bei ihm vorgenommen wurden, giebt der Angeklagte zu, er meint aber, diese hätten nur de» Charakter einer Pression gehabt. Es sei wahr, daß er keinen Stuhl mehr in seinen Räumen hatte, an dem nicht ein Siegel sich befunden, aber er wußte ganz genau, daß nichts passirte und nicht? abgeholt werde» würde. Einzelne seiner Gläubiger standen auf dem Standpunkt des Generalkonsuls Landau  , der stets sofort klagte und sagte dabei: Wenn man Sie nicht drückt, bekommt man nichts von Ihnen. Er versichert nochmals, daß er seit 1390 nie wieder einen Pfennig pekulirt habe. Der Vertheidiger läßt feststellen, daß in der Zeit vom Oktober 1894 bis November 1895 die Einnahmen des Angeklagte» noch 130 000 M. betrugen. Präs.: Ihnen war es bei der Pflicht zu ziemlich umfangreichen Abzahlungen also jedenfalls sehr angenehm, die Berger'schen 6000 M. zu Ihrer Verfügung zu habe»? Angekl.; Gewiß.