Geschäft mit Würmern. Im alten südöstlichen Berlin , in der W a s s e r t o r st r a ß e, gibt es einen sonderbaren Laden: eine Rcgenwürmerhandlnng! Und es gibt sogar sehr viele Käufer für diesen seltsamen Handelsartikel, von dem man meinen sollte, daß er seines gänzlichen Unwertes wegen völlig umsonst zu haben sei. Die Angler nämlich kaufen ihn, da ja noch der ärmste Wurm von Wert für ihren geruhsamen Sport da draußen aus den Teichen, Seen und Flüssen ist. Und da nun viele der Herren Angler behäbige Leute sind, die sich nur ungern tief zur Erde bücken, allwo man die schönsten Würmer durch Stochern und Graben gratis an das Tageslicht be- fördern könnte, geht das Geschäft ganz gut, so daß der mit Erde angefüllte, ausgediente Margarinekübel hinter dem Ladentisch, der den Würmern eine garantiert naturgetreue Behausung bietet, jetzt im Sommer des öfteren nachgefüllt werden muß. Es gibt in diesem Kübel zwei Sorten von Würmern: Tauwürmer und einfache Angel- wärmer. Die ersteren sind fette, dicke Dinger von der Länge eines größeren Zeigefingers. Sie sind die Lockspeise für die großen Edel- fische, für Hechte, Aale, Barben und Vartfische. Die sehr viel kleineren Angelwürmer sind für das Kleinzeug unter den Fischen bestimmt. Beide Sorten werden aber trotz ihrer unterschiedlichen Größe für den gleichen Preis oer,kauft— und zwar schockweise für öl) bis 6l> Pfennige. An Regentagen, deren der Angler ja nie genug haben kann, gehen sie weg wie die warmen Semmeln! Da muß der Inhaber fleißig Würmer zählen. Und das ist gar nicht einmal so schwer, wie man sich das denkt. Die Insasien des Margarinekübels haben nämlich in diesem Gefäß sonderbarerweise den Trieb zur„Herden- bildung", der ihnen in der Natur, wo sechzig Würmer Stück für Stück zusammenzusuchen ein ganz schönes Stückchen Arbeit wäre, sonst fremd ist: in dicken Klumpen von Faustgröße liegen sie zu- sammengeringelt— und es ist dann ein leichtes, sie eins, zwei, drei einzeln aufzuzählen. Damit die Würmer in ihrem Kübel nun auch was richtiges zu fressen haben, bekommen sie alle zwei Tage in ihr Erdreich— Kaffeegrund geschüttet, den sie leidenschaftlich gern vertilgen; er dient ihnen alb Ersatz für gewisse natürliche Nährstoffe, wie sie in einem hölzernen Margarinekübel ebenso natürlich leider nicht anzu- treffen sind. Die Lieferanten der Würmer sind junge Leute, zumeist Erwerbs- lose, die in die umliegenden Wälder, Grunewald oder Tegeler Forst, regelrecht auf Würmersuche gehen, sie verschaffen sich dadurch einige Pfennige Nebenverdienst: ein ganzer Wurm bringt ihnen einen halben Pfennig! Nicht viel, aber die Zigaretten kommen vielleicht zusammen. Die Werbearbeii der pariei. Eine überfüllte Kundgebung in Köpenick . Der große Saal des Stadttheaters in Köpenick war überfüllt. Die Polizei mußte absperren. Trefflich sang der„M ännerchor Köpenick", dann nahm der Reichstagsabgcordnetc Genosse Scheidemann das Wort. Er beleuchtete die Weltwirtschaftskrise, deren Ursachen auf Wirtschaft- lichem und technischem Gebiete liegen. Eine bestimmte Staatsform für diese Krise verantwortlich zu machen, sei oberflächlich und abwegig. Die Krise wüte in den Staaten der Besiegten und der Sieger des Weltkrieges, gleichviel, welche Regierungsform sie haben. So haben auch die„nationalen" Kreise in Deutschland kein Recht, die Schuld an der Krise dem demokratisch-parlamentarischen System zuzuschieben. Das tapilatiftische Wirtschaftssystem wankt und scheint reif, durch ein Höheres, den Sozialismus, ersetzt zu werden. Die Radikalen, Nationalsozialisten, Kommunisten und Deutsch - nationalen treiben Katastrophenpolitik. Weil eine Kata- strophe den Untergang der Arbeiterklasse bedeuten würde, ver- leidigen wir Sozialdemokraten die Demokratie im Dienste des So- zialismus. Nach Scheidemanns Rede, die mit stürmischem Beifall auf- genommen wurde, sah man den Film vom Leipziger Parteitag. Mit einem begeisterten Hoch auf die Sozialdemokratie schloß die Kund- gcbung. Jugend/ Erziehung und Politik. Vom 2. bis ö. Oktober veranstaltet der„Bund Entschiede- ii e r S ch u l r e s o r m e r" in Berlin-Schöneberg einen öffentlichen Kongreß mit dem Thema:„Jugend, Erziehung und Politik". Redner: Minister für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung Adolf Grimme , Hostat Dr. L. E. T c s a r-Wien, Lehrer Richard M e s ch k a t. MdR. Toni Pfülf , Studienrat Martin Weise, Dr. Fritz Helling, Lehrer Josef Rudolf, Dr. Heinrich Müller, Marlise Sonneborn, Dr. Reinemann, Professor Paul O e st r e i ch, Prof. Dr. Paul H 0 n i g s h« i m. Im Anschluß an die Tagung Berechtigungen. Gesamtteilnehmerkarte 6 Mark. Anfragen und Vorverkauf: Albert Lenz, Berlin O. 17, Hohenlohestraße 9. Auf vielfache Anfragen teilt der Bund mit, daß dieser von ihm in Aus- ficht genommene Herbstkongreß trotz der wirtschaftlichen Notlage vom Z. bis 3. Oktober im Berlin -Schöneberger Rathaus bestimmt statt- findet.
Folgende Todesanzeige findet sich w der„Auerbacher Zeitung" vom 10. September ISZl: Räch des Schöpfers heiligem Rat... entriß uns der Tod.., unseren lieben Sohn... den Schlosserlehrling Georg Engelbert Seih im Aller von 17K Jahren nach dreieinhalbjähriger schwerer leidvollster Lehrzeit. Er konnte die Zeit des Leidens und der Qual durch harte RIenschen nicht mehr ertragen. Im namenlosen Schmerz Familie Joses Seih nebst Angehörigen. Die Gründung der Sozialistischen Arbeiterjugend erfolgte einstmals auf Grund einer Mißhandlung eines Lehrlings in Berlin . Nach einem Menschenalter seit jenem Geschehnis sollte man eigentlich annehmen, daß Mißhandlungen mit tödlichem Ausgang für Lehrlinge in einem Kulturstaat, der Deutschland ja sein will, unmöglich seien. Dein ist nicht so. Der Zufall wollte es, daß obige Todesanzeige in die Hände jemandes kam, der der Sache eingehend auf den Grund ging. Das Resultat der Recherche ist trostlos. Georg Engelhardt S e i tz ist buch - stäblich zu Tode geprügelt worden. Als der junge Mann nicht mehr ein oder aus wußte, hat er selbst Hand an sich gelegt, um weiteren seelischen und körperlichen Mißhandlungen aus dem Wege zu gehen. Die Kleiirstadtatmofphäre deckt den Vorfall mit dem Mantel der Nächstenliebe zu. Der Meister ist ein an- gesehener Mann und was spielt da nun schon der Tod eines Lehr- lings für eine Rolle. Georg Engelbert©eitz ist nach Anschauung unseres Gewährsmannes zu Tode gemartert worden. Der Fall ist ein trauriges Schulbeispiel für eine Lehrlingstragödie. Der junge Seitz lernte bei einem Herrn Frank« Motoren- f ch l 0 s s e r. Der Geschäftsinhaber hat nur durch seinen Sohn, der angeblich Meister sein soll, die Möglichkeit, Lehrlinge auszubilden. Ein Geselle und vier Lehrlinge komplettieren seit Jahr und Tag das Personal. Die Arbeitszeit ist tagtäglich von 8 Uhr morgens bis spät in die Nacht. Frau Seitz versichert glaubwürdig, daß ihr Sohn sehr selten vor 12 Uhr nachts zu Haufe war, mit-
unter wurde er aber auch bis 2 Uhr nachts beschäftigt. Sonntags brauchten bei diesem Meister die Lehrlinge„nur" von 8 bis 3 Uhr zu arbeiten. Nicht genug, daß die Jugendlichen unter Verletzung sämtlicher gewerblicher Bestimmungen so lange beschäftigt wurden, erhielten sie als Zukost bei Herrn Franke Schläge nach Noten. Cr selbst schlägt nicht. Das überläßt dieser Lehrherr seinem 28 Jahre alten Sohne. Die Lehrjungens sollen mit allen möglichen erreich- baren Gegenständen, ja sogar mit Maschinenteilen ge- schlagen worden sein. Was sich am Todestage des Seitz im Privatkontor des Herrn Franke abgespielt hat, weiß kein Mensch. Der junge Mensch soll ein Rad eines Autos falsch anmontiert haben. Darauf mußte er in das Kontor kommen und ohne Zeugen erhielt er hier feine Prügel. Herr Franke gab, zur Rede gestellt, über die Vorgänge die für ihn bezeichnende Antwort an die schwer- geprüften Eltern:„Was soll los gewesen sein, mein Sohn hat ihm nur zwei Schellen gegeben, dafür bin ich Zeuge." Alle Instanzen geben Über den jungen Seitz die besten Aus- künfte. Der Vater schildert in bewegten Worten die inneren Zu- sammenhänge vor der Katastrophe. Immer wieder sei er zum Lehrherrn, zum Obermeister, zur Innung, ja sogar zur Gewerbe« aufsicht wegen der Arbeitszeit und der Mißhandlungen gelaufen. Geholfen hätte ihm niemand. Der einzige Erfolg seiner Be- schwerden war, daß sein Sohn die doppelte und dreifache Prügel bezog. Der Junge selbst hat schließlich den Dater be» schworen, nur nicht weitere Schritt« zu unternehmen, weil er Angst vor neuen Mißhandlungen hatte. Seit Monaten schon hat der Sohn dem Vater alles aus Angst verschwiegen, bis es eben zur Katastrophe kam. Der junge Mensch wußte keinen anderen Ausweg mehr. Selbst nur noch das halbe Jahr Lehrzeit glaubte er nicht ertragen zu können. Der junge Seitz ist tot! Was nun? Werden endlich die dazu vorhandenen Instanzen einschreiten? Der Vater Hot Strafantrag gegen den Lchrherrn gestellt.
Öffentliche Kundgebungen Heute! Dienstag! 29. September! pünktlich 19Vz Uhr: 3. Kreis Weddlng; Großer Saal der Hochschulbrauerei, SeestraEe. Ecke Amrumer Straße Redner: Ernst Heilmann . M. d. L. und Clara Bolrm- Schuch. M. d, R— Atlantik- Festsäle. Behmstraße, am Bahnhof Gesundbrunnen . Redner: Carl Litke, M. d. R., und Erich Kuttner , M. d. L. 14., IS. nnd 16. Abt. im Swinemünder Gesellschaftshaus, Swinemflnder Straße 42 Redner: Kurt Heinig , M.d. R. Lleberfall auf Chinesenzug. Banditen töten 30 Passagiere und plündern. Landau . 28. September. wie Reuter aus Peking meldet, wurde gestern nachmittag der Mukden — Peking - Zug 55 Meilen westlich von Mukden durch eine Räuberbande zum Entgle isen gebracht. Z0 Personen wurden getötet, darunter der Lokomotiv- sührxr, der Heizer und zwei andere Zugbeamte. Außerdem wurden viele Personen schwer verletzt. Der Zug wurde dadurch zum Ent- gleisen gebracht, das man die Schienen aufgerissen hatte. Die Banditen plünderten den Zug vollkommen aus. bevor sie das weite suchten. Hilfszüge sind vou Tientsin entsandt worden und chinesische Truppen versuchen, die Banditen zu umzingeln.
Gegen Gchulabbau und Kuliurreakiion Energische Proteste in Neufölln. � Die weltliche Schule Neukölln, Hertzbcrgplatz, protestierte aus einem sehr gut besuchten Elternabend in der Aula der Karl-Marx - Schule gegen die drohende Zerstörung der Schule durch Spar- maßnahmen. Einmütig und mit allem Nachdruck verwahrt sich die Ellernschast gegen jede Sparmaßnahme, die den Lebensraum und die Schule des Arbeiterkindes beschränken soll. Es gebe viele andere Sparmöglichkeiten, die ohne Schädigung der Volksschule durch- gesührt werden könnten. Besonderen Schutz forderte die Ver- sammlung für die weltliche Schule und für die Aufbauschule. Die Gedankengänge der Diskussion wurden in einer Resolution zu- sammengefaßt, die gegen vier Stimmen angenommen wurde. Eine zweite Entschließung, die van kommunistischer Seite eingebrocht wurde und die Gründung eines wilden Kampfausschusies forderte, kam nicht zur Abstimmung, weil die erste angenommen war. Aber aus echt demokratischer Gesinnung fragte der Schulleiter, Genosse Linke, die Versammlung, ob eine Abstimmung über die zweit« Entschließung gewünscht würde. Das wurde mit großer Mehrheit abgelehnt, weil der Kampf um unsere Schulen ein Komps der Ge
werkschaften und der Sozialdemokratischen Partei ist und die Eltern im Bund der freien Schulgesellschaften schon ihre besondere Kampf- organisation hohen. Auch die Freie Schulgesellschaft Neukölln ver- anstaltete eine Kundgebung, in der besonders gegen die Abbau- maßnahmen an der Volksschufe und der Jung- lehrerschaft protestiert wurde. Nach klingendem Spiel des Tambourkorps der Sozialistischen Arbeiterjugend kamen Vertreter der Freien Schulgesellschast, der Freidenker und der Lehrergewerk- schast zu Wort. Wie sieht die weltliche Schule nach Inkrafttreten der beabsichtigten Verordnungen aus? Die Klassenfrequenz soll er- höht werden, die Junglehrer werden gekündigt und sollen durch alte, meist reaktionär« Lehrkräfte ersetzt werden. Die weltliche Schule wird durch diese Maßnahmen besonders bedroht. Es ist der Sozial- demokratie gelungen, vorlöujig wenigstens die härtesten Maßnahmen in ihrer Wirkung abzuschwächen, und es ist die Ausgabe aller Or- ganisatwnen der Arbeiterschaft, jeden Angriff auf die Bildungsstätten der kommenden Generation auf da-» energischste abzuwehren. Mit stürmischem Beifall wurde der Ausruf des Vertreters der Ar�- beiterjugend entgegengenommen� der die entlasseneu Junglehrer auffordert, nunmehr ihre Kräfte der sozialistischea Jugend. bewegung zur Verfügung zu stellen. Das ist die beste Antwort auf die Angriffe der Reaktion gegen die Schule des arbeitenden Volkes.
Im Easino-Theater ist man redlich bemüht, sein Publikum ein paar Stunden lang die Unbill der Tage vergessen zu machen: nachdem der humorige Ernst Walter mit einer Tannhäuser-Parodie die Stimmung geschaffen hatte, kam„Dada , das öffentliche A e r g e r n i s" an die Reihe. Das alte, aber immer wirksame Theaterrezept vom Kuckucksei des Tugendknaben übte auch hier seine Wirkung aus. Dada , die schwarze Heldin der Begebenheit, ein kesies Tanzgirl aus dem fernen Afrika , treibt Schindluder mit weißen Männerherzen, bringt Verlobungen auseinander und was eben so zum Metier einer routinierten Herzensbrecherin sonst noch dazu gehört. Ihr Herzcnsjunge, der sich nach einer soliden Ehegesponsin umsieht, findet diese denn auch in der Nichte derer von Pritzelwitz; um ebenbürtig zu erscheinen, kauft ihm Onkelchen einen„Grafen ", sich selbst einen„Konsul". Immer aber platzt im unrichtigen Moment die schwarze Gefahr ins Haus, die sich zum Schluß auch noch als das lebende Liebespfand des sittlichkeitsschnüffelnden Schwiegeralten entpuppt. Hsppv end muß sein, so kriegen sich die beiden Liebenden doch und das schwarze Mamsellchen treibt weiter sein Unwesen.
werden: Viktor Litzek ein gerissener Titelhändler und Ewald Fister der oielgeplagte Onkel.— Im bunten Teil zeigten sich Metz u. Metz als launige Jongleure mit guter Technik, assistiert von einer fangbegabten Krähe.
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