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Beilage

Mittwoch, 30. September 1931

tübid both Der Abend

Shalausgabe des Vorward

Klaffenkampf/ Volksbühne

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Erinnerungen von Paul Kampffmeyer  

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Dr. Heinz Selo hat uns in seiner Schrift: Die Kunst dem Volke"( Volfsbühnen- Verlags- und Vertriebs- G. m. b. 5).) einen recht beachtenswerten Beitrag zur Geschichte der Berliner  Bolfsbühne geschenkt. Er will uns in seinem Buch das sagt nämlich der Untertitel seiner Schrift Problematisches aus den Jugend- und Kampfjahren der Berliner  Bolfsbühne bringen, also keine bloße Geschichte dieses Kunst­instituts, sondern eine Darstellung der Fragen, die in dessen Werde­prozeß hineinspielen. H. Selo ficht flar den engen Zusammen­der Bolksbühne mit der Sozialdemokratie. In der Tat ist die Ge­schichte dieser Bühne gar nicht von der des deutschen   demokratischen Sozialismus loszulösen. Die Sozialdemokratie strebt in der Vergesellschaftung der Produktionsmittel, in der wachsenden Ertragsfähigkeit der gesellschaftlichen Arbeit die höchste Wohlfahrt und die allseitige harmonische Vervollkommnung der Menschheit an. Diese harmonische Vervollkommnung bedeutet nicht nur die Spren­gung ökonomischer und politischer Ketten der Menschheit, sondern auch ihre kulturelle Befreiung. In dem befreiten Men­schen wollen sich alle seine vielseitigen Anlagen und Fähigkeiten harmonisch entfalten. Die Sozialdemokratie ist von Anfang an eine Kulturbewegung, die eine Allianz des Arbeiters mit der Wissenschaft", eine bewußte Beteiligung des Arbeiters an den wenschaftlichen und fünstlerischen Bestrebungen der Zeit herbeizt führen sucht. So hat Lassalle  , so hat Wilhelm Liebknecht   die sozial­

demokratische Bewegung verstanden.

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wr. Heinz Selo verkennt die geistige Persönlichkeit Wilhelm Liebknechts, wenn er aus ihm zu einseitig einen politischen Agitator macht. Er beruft sich auf die Festrede Liebknechts: Bissen ist Macht macht ist Wissen." In diesem Doppeltitel liegt ihm das Programm Liebknechts. Der Titel heißt nicht, wie Selo irrtümlich angibt: Wissen und Macht. Selo legt dem alten Liebknecht die Auffassung unter, daß die Sozialdemokratic nur einen einzigen Weg einzuschlagen habe: durch) Macht zu Wissen und Bildung zu gelangen. Wenn auch Liebknecht die Haupttätigkeit des Arbeiters auf die Umgestaltung der staatlichen und gesellschaft­lichen Verhältnisse richten will, so verkennt er damit durchaus nicht den Nutzen der Arbeiterbildungsvereine. Er verurteilt nur die ..ausschließliche Verfolgung" von Bildungszwecken durch die Arbeiter. Jahrzehntelang hat Liebknecht in Arbeiterbildungs­vereinen gewirft- man denke hier nur an seine Leipziger   Tätig­keit. Es ist daher völlig abwegig, wenn Selo die sozialdemokratische Gründung von Arbeiterbildungsvereinen nach dem Sozialistengesetz verlegt, das gleichsam erst das Bedürfnis nach diesem geweckt haben soll. Nach seiner Auffassung waren die sozialdemokratischen Führer eigentlich grundsätzliche Gegner der Bildungsvereine, und erst nach dem das Bildungsbedürfnis der Arbeiter nach dem Sozialistengesetz nicht mehr eingedämmt werden konnte, sah sich die Parteileitung veranlaßt, diesem Bestreben der Arbeiter entgegenzukommen, um es in den ihr genehmen Bahnen zu halten. Das ist eine ganz irrige Auffassung.

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Der sozialdemokratische Verein hat von Anfang an die Funktion eines Bildungsvereins erfüllt. Mit dem Erstarken der sozialdemokratischen Bewegung verselbständigte die So­zialdemokratie ihre Bildungsbestrebungen und betraute besondere Arbeiterbildungsschulen, Bildungskommissionen, Kunstkommissionen mit der Pflege dieser Bestrebungen. Das ist der tatsächliche historische Verlauf der Bildungsbewegung der Sozialdemokratie. Die Führer dieser Partei sind fast ausnahmslos unermüdliche Förderer allge meiner Bildungsbestrebungen gewesen. Kulturgeschichtliche, reli­gionswissenschaftliche Kenntnisse haben Bebel und Liebknecht geradezu mit Feuereifer in die Massen getragen. Wissen ist Macht" diesen Satz unterschreibt auch Liebknecht mit voller Ueberzeugung, und er räumt den Arbeiterbi - dungsbestrebungen eine besondere Stellung im Be­freiungskampfe des Prcletariats ein. Das Wissen des Arbeiters über seine ökonomisch- soziale Position steht natürlich im Bildungspro­gramm Liebknechts obenan. Er schreibt in der Vorrede zu seiner Festrede: Wissen ist Macht Macht ist Wissen den Satz nieder: ,, Am Tage, da das Wissen die Macht des arbeitenden Volkes er­leuchtet, beherrscht, haben wir auch die Macht und fällt krachend das 3winguri der Gemalthaber."

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Gerade die Ideologen, die an der Spiße der jungen Volks­bühnenbewegung standen, stimmten in diesem Punkte mit Wilhelm Liebknecht   überein. Sie waren mit wenigen Ausnahmen in die Schule des Sozialismus gegangen. Heinrich Hart   hatte an der Berliner Freien Presse" unter Mosts Leitung mitgearbeitet. Julius Hart   war Redakteur eines Bremer Arbeiterblattes gewesen. Wil­ helm Bölsche   sprach in Berliner   Fachvereinen und in der fast ganz sozialdemokratischen Freien Gemeinde" und lieferte íange Jahre Beiträge für den Vorwärts" und die Sozialistischen Monatshefte". Bruno Wille   hatte schon in seinen jungen Studentenjahren in Bonn   stärkste Anregungen vom Arbeiterphilo­sophen und Mary- Kenner Joseph Dietzgen   erhalten und schrieb für die Berliner   Bolfstribüne und die Sächsische Arbeiterzeitung", Otto Erich Hartleben   wirkte Seite an Seite mit dem oppositionellen Sozialdemokraten Karl Wildberger und war Mitbegründer des Sozialist". Leopold Schönhof bekannte sich zur Sozial­demokratie und war längere Zeit Theaterreferent des Vorwärts". Alle vertreten die sozialdemokratische Bewegung als eine große Kulturbewegung zur Befreiung der Menschheit ein Ziel, das ja ein Ziel, das ja auch hell in dem marristischen Erfurter Programm aufleuchtet. Wenn man von diesem hier nur furz angedeuteten fulturellen Charakter der Sozialdemokratie ausgeht, so gelangt man zu einer Auffassung der Berliner   Volfsbühne, die in einem sehr wesentlichen Punkte von der Dr. Heinz Selos abweicht:

Heinz Selo färbt die Berliner   Freie Volksbühne zu start parteipolitisch. In ihr herrscht nach Selo der Massenmille, diefe Bühne zu einem, Instrument des Klaffenkampfes" zu gestalten. Ms Dr. Bruno Wille   als radikaler Sozialdemokrat seinen Aufruf zur Gründung der Freien Bolfsbühne erließ und dann ihre Organisation vollenden half, stand er in den vordersten Reihen der radikalen Berliner   Sozialdemokratie, aber niemals tauchte in ihm in diesen Tagen der Gedanke auf, die Freie Volksbühne   in den Dienst der sozialdemokratischen Parteipolitit zu stellen. Und daran dachten auch nicht die vielen Förderer der Volks­bühnenbewegung in der Berliner   Arbeiterschaft. Wildberger, Wilhelm Werner, Mag und Rich. Baginski und der größte Teil der Ordner der freien Bollsbühne standen in der inneren radifalen,

das heißt in der geheimen Bewegung der Partei. Und in diesen| Erschließung einer gehobenen Theatertulfur für brannte wirklich sehr heftig der revolutionäre Klassenkampfgedanke! die unbemittelten breiten Voltsmassen. Als das Ich stand in engster Fühlung mit diesen eifrigen Agitatoren der Theater unter der Herrschaft des Naturalismus stand, führte die Rolfsbühnenidee, aber nicht einmal hörte ich aus ihrem Munde ein Freie Volksbühne   naturalistische Stücke auf. Als sich diese Kunst­Wort über die Pflege des Klassenkampfgedankens in der Freien richtung nicht mehr als fruchtbar erwies, verschwand das Volksbühne. Diese Förderer waren meist überzeugte Leser der von naturalistische Drama von der Volksbühne. Die künstlerische Leitung Mar Schippel redigierten radikalen Berliner   Boltstribüne", die der Berliner Freien Volksbühne bestrebte sich aber immer eine Aus­den Sozialismus als eine Weltanschauung darzustellen lese unter den Schöpfungen der dramatischen Kunst zu treffen. Und suchte und frühzeitigen Anschluß an die modernen Bewegungen in damit erfüllte sie eine wirkliche Kulturmission, fie bemühte sich stets, Kunst und Wissenschaft fand. Die Berliner Volfstribüne" hat das das Theater zu einer Quelle hohen Kunstgenusses" zu Verdienst, ein lebendiges Interesse für die moderne Literatur- machen. bewegung in der Arbeiterschaft erzeugt zu haben. Unter ihren ständigen Mitarbeitern treffen mir Arno Holz  , Johannes Schlaf  , Bruno Wille  , Paul Ernst  , Richard Dehmel  usm. an. Im modern- realistischen Sinne wurde auch das Feuilleton des Berliner Volksblattes", des späteren Vorwärts", von Kurt Baake   redigiert. Beide Blätter vermittelten den Berliner   Ar­beitern gründliche Kenntnisse über die neuen Richtungen in Kunst, Wissenschaft und Literatur. Mit einem Wort: sie fühlten sich als Organe einer dem Sozialismus zustrebenden Kulturbewegung. Der Sozialismus war von vornherein mehr als eine bloße politische Parteibewegung, und aus dem Kultursozialismus heraus wurde die Berliner Freie Volfsbühne geboren. Volksbühne eigentlich nie auf seine Rechnung. Klassenkampfgeist Der nurpolitische Parteimann kam in der Berliner   Freien wirkte sich in den aufgeführten Stüden der Freien Volfsbühne faum aus. Die Bedeutung der Freien Volksbühne   bestand immer in der

Jeder Versuch, die Berliner Freie Bolksbühne zu einem Partei­institut zu stempeln, mußte scheitern, so heftig fich auch seinerzeit Julius Türk mit seinem Anhang anstrengte, die Freie Volfs­bühne von den sozialistischen   Elementen zu säubern, die nach dem Erfurter   Kongreß nicht mehr die taktische Grundlinie der Sozial­demokratischen Partei innehielten. Die Freie Volksbühne   erfüllte eben ihre große Kulturaufgabe, die Massen geistig an den hoch­stehenden Schöpfungen der dramatischen Kunst teilnehmen zu lassen, von denen sie vorher vom Kapitalismus   ausgeschlossen waren. Die Freie Volfsbühne und die Neue Freie Bolksbühne, die von Wille nach seinen Auseinandersetzungen mit Türk ins Leben gerufen war, strebten dem gleichen Ziele zu, und deshalb gelang auch ohne äußere Volksbühne" war eben ihrem ganzen Wesen nach ein Kunst. und innere Reibung die Vereinigung beider Bühnen. Die Freie institut und keine Parteianstalt zur Verbreitung und Vertiefung des Klaffenkampfgedankens.

Studie aus der hohen Rhön  

Von Karl Möller

Die meist gut asphaltierte, breit angelegte Straße Frankfurt  | am Main- Hanau- Fulda gehört wohl zu den belebtesten Strecken von ganz Deutschland  . Lastzüge, die die alten Bauernhäuser erzittern lassen, sind hier auf der ersten Etappe ihres langen Weges bis Leipzig  , Berlin   und Hamburg  . Sie sind eine für die Reichsbahn spürbare Konkurrenz im Güterverkehr. Blinkende Luguswagen jagen in höllischem Tempo einem fernen Ziele zu. Dazwischen men­gen sich minzige Lieferautos aus der Umgegend und flapprige, stinkende Gestelle kleiner Handwerksmeister. Hengstlich an die Seite gedrückt, schieben sich auch noch viele Radfahrer vorwärts: Bauern, die zur Arbeit auf ihren Ader eilen, Reisende mit Musterkoffern und junge Burschen, die mit schweren Tornistern und Rudfäden beladen auf Wanderfahrt find.

Straße und Bahnlinie folgen den Flußfälern zunächst dem Main  , dann von Hanau   aus seinem Nebenfluß, der Kinzig  , und hinter der Wasserscheide bei Schlüchtern   der nordwärts fließenden Fulda  . Die Ebene ist dicht bevölkert, eng reihen sich die Ortschaften aneinander. Zahlreiche Nebenbahnen gehen nach Bayern   von der Hauptlinie ab.

Hinter dem alten Städtchen Gelnhauser beginnen die weiten Wiesengelände. Bei starkem Regenwetter oder Schneeschmelze im Gebirge treten die Bäche leicht übers Ufer, deshalb ist hier nur auf den Höhen noch Ackerbau möglich. Jetzt wird im Tal gerade der zweite Heuschnitt, das Krummet, eingebracht. In langen, geraden Reihen bewegen sich die Schnitter langsam vorwärts und wenden in gleichmäßig- rhythmischem Taft das gemähte Gras mit dem Rechen um. Viele Kilometer weit immer das gleiche Bild: weite, grüne Flächen, auf denen es von eifrigen Menschen wimmelt, hoch be­ladene Erntewagen mit schweren Ochsen bespannt schwanken gefahr­voll über den Wassergraben und ab und zu liegt eine große Familie friedlich hinter einem Busch und vespert.

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Wohnung und Stall in sich birgt, war die Familie gerade beim Essen. Vor der Türe standen die schmutzigen Holzschuhe, zu Lederstiefeln reicht es immer noch nicht. Die Familie sigt um einen fleinen, alten Küchentisch in der einzigen Wohnstube: fünf Kinder im Alter von drei bis zehn Jahren und die Eltern. In einem Beidenkorb liegen

getochte, ungeschälte Kartoffeln. Jeder nimmt sich daraus mit den Händen, schält fie ab und taucht sie in den großen Käfenapf. Teller und Eßzeug sind unbekannt oder werden nur Sonntags benut. wenn es einen Happen Fleisch gibt. Eine Gerstensaftbrühe beendigt die Mahlzeit. Das älteste Mädel bekomint den Auftrag abzuräumen und auf die Kleinsten aufzupassen. Eltern und Buben gehen sofort wieder hinaus zur Arbeit. Sie sind spät dran in diesem Jahr

Am Abend, bei der Viehversorgung, unterhalte ich mich mit dem Hausherrn:

Er besitzt 15 Hektar Land, davon sind nur fünf bebaut, das übrige ist Weide, Wald und Brachland. Im Stall stehen sechs Kühe, vier Kälber, etliche Schweine und Ziegen.

Das einzige, was sie verkaufen können, ist Butter und Käse, pro Woche etwa 10 Pfund. Davon und von dem Erlös des Schlacht­viehs müssen die Steuern bezahlt werden( etwa 120 Mark im Jahr) und die Zinsen an die alte Mutter, die im Nebenhause wohnt. Sie hatte elf Kinder, davon leben noch drei auf dem Weiler, die anderen sind in der Fremde. So kommt es, daß Bargeld nie im Haus ist, und nur selten langt es mal für ein Paar neue Hosen, alles andere wird ja im Hause selbst hergestellt: Hemden, Strümpfe, Holzschuhe und Bettzeug. Das ist Arbeit für den langen Winter, wenn der Schnee oft meterhoch liegt.

Nach dem färglichen Nachtessen wieder Kartoffeln, Schwarzbrot und Schmalz, size ich mit den Eltern noch eine kurze Weile unter der rußenden Petroleumlampe, die mir zu Ehren angesteckt worden ist. Sonst geht es bei der Dunkelheit ins Bett. Die Kinder haben sich schon auf die bunt überzogenen Strohsäcke geworfen.

Kurz vor dem Bischofssiz Fulda   muß ich aus dieser heiteren Herbstlandschaft ostwärts einbiegen, um in das Rhöngebirge zu ,, Na, in der Stadt sieht es jetzt auch nicht gut aus", meint der tommen. Es geht nur eine schmale, schlecht geschoiterte Straße durch Alte. Ich habe gehört, Mitte Oktober sollen die Unterstützungen das Nebental aufwärts. So stark der Berkehr im Fulda  - und Werra   eingestellt werden, da gibt es doch sicher Krach. Neulich war einer tal ist, so verlassen ist die Rhön   selber. Bis heute geht noch feine hier, der hat behauptet, die Welt sollte im November untergehen." Bahn über ihren hundert Kilometer langen, in nord- südlicher Rich- Ich suche ihn zu beruhigen, aber er meint: ,, Uns fann es ja tung ausgestreckten Rücken. Deshalb ist hier ein wirtschaftlich abziemlich egal sein. Wenn es in der Stadt drunter und drüber geht, geschlossener Raum geblieben, wie es nur noch wenige in Deutsch  - wir haben immer noch zu leben." land gibt. Es bestand allerdings auch wenig Anreiz, große Kosten für die Erschließung der Rhön   auszugeben. Das vulkanische Basalt­gebirge mit seinen weiten, fumpfigen Mooren und Wiesen hatte nur wenig Werte zu bieten. Dazu kommt ein außerordentlich rauhes, nebel- und schneereiches Klima. Deshalb famen auch nur wenig Fremde herauf, sie blieben lieber in den Kurorten am Rande der Rhön   fizen. Durch die Entwicklung des Wintersportes und der Segelfliegerei hat sich allerdings der Fremdenverkehr stärker ent­widelt.

Trotzdem kann man noch heute bei Bauern in unmittelbarer Nähe der Wasserkuppe   für wenig Geld in allerdings anspruchslose Pension gehen. Für 2,50 Mart im Tag wird man nach Landart verpflegt und in alten, riesigen Betten verpadt.

In diesem abgeschlossenen Berggebiet, das mit seinen meiten, fahlen Höhen, seinen Wald- und Felsresten zwischen fumpfigen Weiden an die Voralpen erinnert, hat sich ein terniges Bauerntum erhalten, das trotz seiner schweren Nöte nur wenig Aufsehen erregt, im Gegensatz zu den wilden Schreien der ostelbischen Junker.

Diese Menschen leben nach uralter Weise, ohne Protest, ohne Subventionen und ohne Wehflagen, solange sie noch Kartoffeln und Magermilch zu essen haben. Schon die Ortsbezeichnungen geben einen Begriff von der Dede des Landes. Nirgends moanders have ich folche Namen gefunden wie: Wüstensachsen  , Schmalnau   und Sorgenzell.

Die Bauern in der hohen Rhön   leben nicht mehr in geschlossenen Dörfern, sondern in fleinen Weilern, die aus wenigen Häusern bestehen, die oft einer Familie gehören.. Mehr Menschen fann der magere Boden nicht ernähren und die meisten der vielen Kinder müssen abwandern: in die Stadt, nach der fruchtbaren, hessischen Wetterau oder gar nach Amerika  .

In einen solchen, altüberkommenen Weiler habe ich hinein­geschaut und versucht, von den scheuen Menschen etwas über ihr Schicksal zu hören und zu beobachten.

Als ich in das niedrige, langgestreckte Haus eintrat, das zugleich

Dann erzählt er mir, daß in den größeren Dörfern, wo die Bauern stärker verschuldet find, allerdings schon mancher nicht mehr standhalten konnte. Auch die Heimindustrie: Löffelschnißen, Körbe­flechten und Holzschuhemachen bringt nichts mehr ein. Biele klopfen jetzt Steine an den großen, neuen Landstraßen..

Am nächsten Morgen um fünf Uhr geht es schon wieder hinaus. Auch die Kinder plärren bereits im Hause herum. Das Vieh muß noch vor der Feldarbeit versorgt werden, da gibt es auch für die Kleinen genug Arbeit, bevor sie für ein paar Stunden in die Schule gehen.

Unten in den Tälern liegen noch die dicken Nebel, während hier oben warmer Sonnenschein ist. Als ich abfahre, wirft der Bauer das schmuzige Stroh auf den Riesenmisthausen, der vor dem Hause liegt. Er fragt mich nochmals, ob das Weltgericht wohl bald komme. Religion und Aberglaube sind hier dicht beieinander. So zähe mie die Rhönbewohner früher an ihren heidnischen Gebräuchen fest gehalten haben, so fest sitzt jetzt hier die katholische Kirche   im Sattel. In jeder guten Stube steht in einer Ecke das Jesuskreuz mit Papier­blumen, Kerzenstummeln und alten Heiligenbildern. Jede Brüde hat ihren Schuhheiligen, und noch tief in den Wäldern stehen über lebensgroße Marienstatuen. Nun fahre ich wieder abwärts. Ueberall sind schon die Leute bei der Arbeit. Vor die Erntemagen sind vier und sechs Ochsen gespannt, um fie über das bergige Gelände zu bringen. In einem Hof aber dreht sich einer allein im Kreise herum, angepeitscht von einem offenbar irrfinnigen Mädchen, das nur lallende Laute auf meine Frage nach dem Wege als Antwort gibt. Der Dchse dreht einen langen Balfen, der in der Scheune irgendeine Maschine weiterbewegt. Elektrizität und Motor ist noch nicht bis hier vorgedrungen.

Das heißt doch, aber die rasende Kraft fliegt an den Rhönbauern vorbei hinauf zur Wasserkuppe, wo Fremde aus allen Ländern den starken Wind benutzen, um sich auf Flügeln in die Luft tragen zu laffen. Denselben Wind, den die Bauern verfluchen, weil er immer neuen Regen und Kälte bringt,