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Jugend, Erziehung und Politik

Tagung des Bundes entschiedener Schulreformer

Im Bürgerfaal des Schöneberger Rathauses begann heute vor­mittag die Tagung des Bundes entschiedener Schulreformer mit dem Thema Jugend, Erziehung und Politik". Der Borsitzende des Bundes, Professor Paul Oestreich  , eröffnete die Tagung mit einer Rede, die immer wieder begeisterte Zustimmung hervorcief. Staatsbürgerliche Erziehung sei nicht durch Lehre zu erreichen, sondern durch Borbild und Opfer, Identifizierung von Programm und Tat. Die schulpolitische Einstellung des Bundes erfordert einen Rüdblid auf das, was in der legten Zeit, namentlich im Hinblick auf die Notverordnungen, geschehen ist. Ueber das deutsche Schul­wesen ist die 2 bbautatastrophe hereingebrochen. Zehntausend Lehrer werden allein in Preußen entlassen, die Schulklassen werden mit Kindern vollgestopft. Dadurch wird alle Schulreform vernichtet. Junglehrer und Studienassessoren sind dem nackten Elend preis gegeben. Was ist sofort zu tun? Die Not der Stunde verlangt rücksichtslose Sparpolitik, aber das Grundgebot wahrhaft volks erhaltender Politik fordert, nicht unten, sondern oben muß abgebaut werden. Wir verlangen deshalb Einschränkung der staatlichen Sub­ventionen an Hochfinanz, Großgrundbesitz und Schwerindustrie, Herabsetzung der Rüftungsausgaben, der hohen Pensionen an ehe­malige Offiziere, Minister und höhere Beamte, teine weiteren Fürstenabfindungen sowie Kürzung der Zahlungen an Kirchen, Er­hebung eines 15 bis 20prozentigen Rotopfers von allen großen Vermögen, Wegsteuerung der hohen Einkommen, Vereinfachung des Berwaltungsapparates und Abbau der teuren Schulbürokratie. Durch solche Einsparungen an richtiger Stelle muß die Abdrosselung des Schulwejens, das Hereinbrechen der Kulturreaktion vermieden, muß vor allen Dingen die notwendige Wiedereinstellung und Beschäfti­gung aller Junglehrer und Studienassessoren durchgeführt, die Rettung des pädagogischen Nachwuchses, der Schutz der Schule vor Ueberalterung gesichert werden.

Starter Beifall zeigte die Zustimmung der großen Bersammlung zu den Ausführungen Professor Destreichs, die an Stelle der ge= planten Eröffnungsrede des Kultusministers Grimme getreten war. Der Minister ist durch die Arbeit der letzten Wochen gefund heitlich und seelisch jo erschüttert, daß er auf die Rede verzichten mußte. Wir wissen, daß er das Menschenmögliche getan hat, um Schlimmeres zu verhindern, und daß er unermüdlich arbeitet, um Verbesserungen zu erreichen. Um so mehr ist es natürlich zu be­

Archenhold, der Sterngucker.

Zu seinem 70. Geburtstag.

Dr. Archenhold ist unter der bildungshungrigen Arbeiterschaft fein Unbekannter, und wenn er jetzt, an seinem 70. Geburtstag, einen Blid zurüdwirft auf sein an Arbeit und Ereignissen reiches Leben, dann wird er sich auch dankbar daran erinnern, daß die Arbeitermassen, daß die freien Gewerkschaften es waren, die damals durch Abnahme von etwa 100 000 Karten für Vorträge und Beob­achtungen im Werte von 80 000 m. zum großen Teil dazu beige­tragen haben, daß die Volkssternwarte in Treptow   erbaut werden

fonnte.

Am 2. Oftober 1861 ist Direttor Dr. F. S. Archenheld in Lichtenau   in Westfalen   geboren. Seine Studienjahre verlebte er in Berlin   und Straßburg  . Längere Zeit war er dann als Astronom am Recheninstitut in Berlin   tätig. Bei einer großen Himmels­aufnahme gelang ihm eines Tages die photographische Entdeckung eines großen fosmischen Rebels im Sternbilde des Perseus  , per auch in großen Fernrohren in Deutschland   nicht wahrgenommen merden fonnte. Er schrieb deshalb an den Direktor der Lid- Stern­marte in Amerika  , die damals über das größte Fernrohr der Welt verfügte, und erhielt eine glänzende Bestätigung seiner Entdeckung. So entstand bei Dr. Archenhold der Gedante, für den Bau eines besonders großen Fernrohrs in Deutschland   einzutreten. Um die Herstellungskosten eines solchen Instrumentes bedeutend herab zudrüden, erdachte er sich eine eigenartige Konstruktion.

Dem restlosen Bemühen Dr. Archenholds gelang es dann, einige großzügig denkende Männer zu finden, die die Herstellung des Fernrohrs unterstüßten. Durch die Konstruktionsidee Dr. Archen­holds wurden die Kosten des Fernrohrs, die sonst mehrere Millionen Mart betragen hätten, auf 250 000 Mart herabgedrückt. Aber auch diese Summe aufzubringen war noch außerordentlich schwierig. Ein an das Kultusministerium gerichteter Unterstützungsantrag wurde nach einem Jahre in ablehnendem Sinne beantwortet. Die günstige Konstellation der Berliner   Gewerbeausstellung im Jahre 1896 wurde dann zur Aufstellung des Fernrohres ausgenupt. Im Laufe der Jahre hat Dr. Archenhold durch zahlreiche Ber­öffentlichungen und Vorträge viel Anregungen und Wissen in die Waffen gestreut. Im Jahre 1900 nahm er an der Sonnenfinfternis expedition nach Nordafrika   und im Jahre 1905 an der nach Spanien  teil. Im Jahre 1908 tonnte endlich der provisorische Holzbau der Treptow  - Sternwarte, der das große Fernrohr ummgab, abgeriffen und durch einen schnucken, steinernen Neubau mit großem Bortrags­

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Wahnsinn. Einzig der Schluß trägt hellere Farben: Empörung gegen den Tyrannen. 1847 eine zeitgemäße politische Idee, die bei der Aufführung der Oper in Benedig knapp vor der Revolution die größte Erregung im Bublifum auslöfte. Im einzelnen freilich ist es um Shakespeare   geschehen; die Bilder des Dramas aber, die

Gegen falsche Sparpolitik haratteristischen Situationen und das tragische Grundgefühl find die

dauern, daß er heute seinen Standpunkt nicht selbst darlegen konnte. In aller Eindeutigkeit muß auch hier erflärt werden, daß die Ber= antwortung für die Sparmaßnahmen des Schulabbaus die reaftionären Kräfte treffen, die, gestüßt auf ihre Macht im Reiche, diese katastrophalen Schritte erzwingen.

Abwendung von Rausch und setze.

Im Anschluß an diese Eröffnungsrede folgte der erste Vortrag der Tagung: Die Menschheitslage und ihre Konsequenzen." Der Redner war ebenfalls Professor Paul De streich. Ausgangspunkt seiner Betrachtungen ist die Technik, die alle ,, Kulturen" durch­einanderjagt, die alle Kulturgüter beliebig vermehren und verteilen fann. So werden alle Rang- und Machtordnungen unhaltbar. Wir haben nicht, wie Spengler, den Ehrgeiz, in Würde zu sterben, wir wollen versuchen, aus dieser Krise des Kapitalismus  , die die Völker in Agonie zu versehen scheint, herauszukommen. Wir wissen, daß auf jedem Gebiet mehr produziert werden kann als wir brauchen, und daß dadurch das Berhältnis von Angebot und Nach frage, die Grundlage des fapitalistischen Systems, zerstört ist. Wir verlassen also die Zeit, in der man Kulturgüter schaffte durch Unter­brückung niederer Schichten, wie ja unsere ganze europäische   Kultur auf Raub aufgebaut ist. Die menschheitliche Lage ist also völlig verschoben: mit der Durchsetzung der Technik droht nicht mehr Not aus Mangel, sondern aus Borenthaltung. Es wird im erst beginnen­den technischen Zeitalter feinerlei stabile Ordnung eintreten, folange das alte Eigentums, Klassen- und Gewaltsystem bestehen bleibt. Boden, Rohstoffe, Naturkräfte gehören der Gesamtheit. Das völker­verwüstende Raubtierglüd der Habfucht und Herrschgier ist zu ver drängen zugunsten des echten Glückes der Leistung für das Ganze. Mit dem Willen zur Macht" ist menschheitliche Stabilität nicht zu erreichen. Politische Erziehung der Jugend ist also ihre Reifmachung für diesen gewaltigen fategorischen Menschheitsprozeß,

Abwendung der Jugend von Rausch und Hetze, von der Gewinn­lüchtigkeit und Machteitelkeit, ihre Hinführung zur Solidarität, zu Leistungsgefühlen und Verantwortung für die Gesamtheit. Unser Aufstiegs und Berechtigungswesen macht dazu unfähig. Nur aus totaler Erziehung fann aljo der politisch verantwortungsfähige Mensch hervorgehen.

faal, Museum und Bibliothek ersetzt werden. Die Mittel dazu wurden durch öffentliche Spenden und die Arbeiterorganisationen auf­gebradt.

erweckt. Auch viele Prominente waren auf der Sternwarte, bekannte In allen Kreisen hat diese Gründung Dr. Archenholds Interesse Staatsmänner, Größen der Wissenschaft. Aber auch die Arbeiter­führer wußten, vielleicht mehr als alle anderen, die Bedeutung eines Bolksbildungsinstituts zu schäßen. Viele, viele Tausende habert im Laufe der Zeit die Sternwarte besucht, und viele haben sicherlich neue Eindrücke und Anregungen mit nach Hause genommen. So mancher mag in der Beschäftigung mit den fernen Sternen einen Halt und einen Trost gefunden haben, der ihn befähigte, über die grauen Mauern des Alltags hinwegzuschauen und von einem höheren Standpunkte aus die Entwicklung der Menschheit zu betrachten.

Berdis ,, Macbeth  ". Städtische Oper.

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Immer noch ist Berdi im Wachsen. Mit jedem Bert, das der Bergessenheit entrissen wird ein sehr verdienstliches Unternehmen steigt unsere Berehrung und Bewunderung, lernen wir ihn von neuen interessanten Seiten fennen. Knapp vor den Räubern ent standen, gehört Macbeth   zu den Werfen jener Schaffensperiode vor Rigoletto  , in der Verdi von Bellini und Donizetti   abhängig gewesen sein soll; eine landläufige Ansicht, die sich als falsch heraus stellt, tritiflose Ueberlieferung, die mir forrigieren müssen: Wieviel Neues, Eigenes, Eigentümliches ist nicht in diesem Wert! Emig auf der Jagd nach fühnen und abwechslungsreichen Stoffen entscheidet er sich hier zum erstenmal für Shakespeare  , dem er sich über ein Menschenalter später in seinen legten reifsten Schöpfungen, in Othello   und Falstaff nochmals verpflichten sollte; es ist zu verstehen, daß ihm Macbeth   besonders wert war, wie er einmal schreibt. Francesco Maria Piane, der das Textbuch zimmerte( er ver­faßte auch Rigoletto  , Traviata  , Simone Boccanegra  ) war sicherlich teine Leuchte. Soweit sie nicht von Maffei stammen, sind die Verse schlecht, daran ist gar kein Zweifel. Für die Wahl des Stoffes aber, für die Art der Behandlung, Anlage des Szenarismus ist Berdi verantwortlich, der all dies selbst bestimmte; der gute Piave hatte lediglich seine Anordnungen auszuführen. Da in der Oper alle Epi­foden fortfallen, die bei Shakespeare  , sei es auch nur für Augenblide, entlasten und entspannen, erleben wir eine ununterbrochene, fast eintönige Folge tragischer Szenen: Orgien des Schreckens, eine Symphonie des Grauens mit Hegen und Gespenstern, Mord und

gleichen: nur dem Organismus der Oper angepaßt.

Musikalisch herrscht ein seltsamer Uebergangsstil; es liegt Bardi gar nichts daran, eine Oper im herkömmlichen Sinn zu schreiben, er ist auf der leidenschaftlichen Suche nach einem neuen dramatischen Stil, er experimentiert und übertreibt Uebertreibt die dramatischen Akzente, überdehnt die Rezitative, verzichtet auf das Gleichgewicht, auf die bisherige Ausgewogenheit der Berhältnisse von Rezitativ, Arie, Ensemble; er drängt das Solistische in den Hintergrund, sind in Heren- und Mörderchöre verwandelt) und vernachlässigt das Derwendet sehr viel Chöre( die Heren und Mörder Shakespeares Eyrische zugunsten gesteigerten Ausdrucks. Welches Feuer, welche erstaunliche Charakterisierungskraft!

nicht wenig zum Erfolg der Aufführung bei. Das dämmrige Zwie­Die phantastischen Bühnenbilder Cafpar Rehers trugen licht, das balladenhafte der Sput- und Gespensterszenen war aus gezeichnet getroffen. Sigrid Onegin   sang und spielte die Baby, nach der Cavatine, wurde sie mit Beifall überschüttet; als Nacht­wie es schöner taum zu denken ist. Schon in ihrer Auftrittsszene, wandlerin hatte sie Töne von solcher technischer Vollkommenheit, Reinheit und Kraft, wie sie nicht leicht wieder zu finden sein werden. Hans Reinmar   war schauspielerisch und gefanglich allen An­forderungen der schmierigen und nicht in gleichem Maß dankbaren Rolle des Macbeth   gewachsen. Banquo( Ivar Andrefen) wurde viel zu früh ermordet; wir hätten uns mehr solch herrlicher, pech, schwarzer Baßarien gewünscht.

Eberts Regie war voll Leben, Schwung, Erattheit und reich Führereigenschaften voll zur Geltung. Die Chöre( Lübdecke) an guten Einfällen. Frig Stredry brachte seine hervorragenden flangen ausgezeichnet. Im ganzen eine Aufführung, zu der man den neuen Intendanten Carl Ebert   nur beglückwünschen kann. Arnold Walter.

" So'n Windhund." Primus- Palaft.

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Dieser bühnenwirksame Schwank ist als gut bürgerliche An gelegenheit für Menschen, die gerne lachen zum Füm umge arbeitet worden. Der Bauunternehmer Dittmar steht auf der Wahuliste zum Bürgermeister. Seine Aussichten sind die allerbesten, bis sein Schmiegerjohn Dr. Ferber als Gegentandidat auftritt. Birtlich toll wird die Sache, als ein Studienfreund des Gegenfandidaten einen echt amerikanischen Wahlrummel aufzieht. Der Schwiegersohn wird Bürgermeister, der Bauunternehmer Ehrenbürger und der Studienfreund Badedirektor. Und da nachher noch alles sich mit­einander verschwägert, kann wieder Gras zwischen dem Kopfstein­pflaster des geruhsamen Städtchens wachsen.

Der Bauunternehmer ist Mag Adalbert. Frisch wie dieser unangenehmen, durchaus nicht bösartigen Despoten, die wir immer und unübertrefflich in seiner Art. Er verkörpert wieder einen alle irgendwoher tennen. Roberts, als der Mann, der talentvoll seinen lieben Mitmenschen Ferner gefallen Ralph Artur Rechtsanwalt, Mar Schipper als ein von Hemmungen geplagter manchen Schabernac spielt, Johannes Riemann   als der fesche Studienassessor und Maria Elsner  Tänzerin.

als gut aussehende

Regiffeur Carl Heinz Wolff   ist ganz famos und echt fülinisch lebendig, wenn er Wahlumzüge in Szene jetzt. Als er einmal fogar einen Zirtus in den Dienst der Propaganda stellt, zwingt er felbft den ärgften Griesgram zum Lachen.

Auch im Beiprogramm gibt es reichlich zu lachen, weil man dort sehr geschickt in die Kindertage der Kinematographie eingeführt wird. e. b.

Hochstift( Frankfurter   Goethe- Museum) veranstaltet eine Sammlung Sammlung zugunsten des Goethe- Haujes. Das Freie Deutsche  zugunsten der Erhaltung des Goethe- Hauses, der Fortführung seiner Sammlungen und wissenschaftlichen Aufgaben. Wilhelm Schäfer hat eine Schrift Goethes Geburtshaus  " verfaßt, die zum Besten der Sammlung verfauft wird.

ersten dies pinterlichen Abend der Werkgemeinschaft Am Breitenbachplat" Hans Friedrich Blund spricht Dienstag, den 6. Oktober, 20.15 1br, am über Dichtung und Politit".

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Der Scheinpflugiche Chor"( jeßiger Leiter Arnold Ebel) stellt seine Stonzerttätigteit mit Rüdficht auf die wirtschaftlichen Schwierigkeiten ein. Der Verein Kopierender Künstler eröffnet seine Ausstellung von Kopien nach alten Meistern im Schöneberger Rathaus Sonnabendmittag 12 Uhr. Die Emella- Theater-.- G. hat sich entschlossen, für die Winterbilje eine Reihe von Sondervorstellungen in Capitol und im Phoebus Palast am Anhalter Bahnhof   für Erwerbslose stattfinden zu lassen. Die Ver teilung der Karten geschieht ausschließlich durch die Winterhilfe.

Wetter, ohne nennenswerte Niederschläge. Für Deutschland  : Im Wetter für Berlin  : Milde, aber zeitweise nebliges oder trübes Riftengebiet bei auffrischenden südwestlichen Winden meist start bewölkt und namentlich an der Nordsee auch etwas Regen, im übrigen Norddeutschland zeitweilig neblig- trübe, aber meist trocken, im Süden, abgesehen von Morgennebein, heiter, allgemein mild.

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