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4. AfA- Gewerkschaftskongreß.|

Der Weg des Neuproletariats.

Von S. Aufhäuser.

Der Zusammentritt des freigewerkschaftlichen Ange­stelltenparlaments in Leipzig ist ein Beweis dafür, daß die Gewerkschaftsbewegung auch in einer Zeit wachsender wirtschaftlicher Unsicherheit, der seelischen und materiellen Not breiter Massen mit der ihr eigenen Stetigkeit und be­fonnenen Kraft weiterschreitet. Gerade jezt, da das Schiff des Kapitalismus steuerlos umhertreibt, da Hilflosigkeit die stärkste Eigenschaft der sogenannten Wirtschaftsführer" zu sein scheint, sind die Gewerkschaften mehr denn je berufen, fonstruktive Arbeit am Bau der Gesellschaft zu leisten. Während zahlreiche andere Tagungen abgesagt worden sind, hat vor vier Wochen der Kongreß des Allgemeinen Deutschen Gewerschaftsbundes stattgefunden. Morgen folgt der AfA­Gewerkschaftskongreß. Ausweglosigkeit und Anarchie weisen auf die absteigende Linie des herrschenden Wirtschaftssystems; Blanmäßigkeit, Gemeinwirtschaft auf die große organisato­rische Kraft einer neuen Zeit hin.

Der Frankfurter Kongreß hat die Wirkungen einer ohne jede soziale Hemmung betriebenen Rationalisierung aufgezeigt und im Mittelpunkt seiner Forderungen das Postulat der 40 Stunden- Woche aufgestellt.

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Der Leipziger Angestelltenkongreß wird angesichts der Erschütterung des tapitalistischen Systems die Frage ,, Staat und Wirtschaft" zur eingehenden und grundsätzlichen Erörterung stellen.

Beide Gewerkschaftsbünde wollen die zum Umbau der Gesellschaft und zur Reform der Wirtschaftsverfassung not­mendige Machtentfaltung vorbereiten. Dabei erwächst der Angestelltenbewegung eine besondere und schwierige geschicht­liche Mission. Sie soll innerhalb des Neuproletariats die geistigen Voraussetzungen für den Befreiungskampf der Arbeiterklasse schaffen.

Der voraufgegangene Hamburger Kongreß des AfA­Bundes hat eingehend die Untersuchungen über die Struktur des Proletariats von heute angestellt und zahlenmäßig be­stätigt, daß die Arbeiterklasse im Hochkapitalismus in sich differenziert und daß die Angestelltenschaft stärksten angewachsen ist. Daraus erwächst aber auch der freigewerkschaftlichen Angestelltenbewegung heute eine ge­steigerte Verantwortung im Ringen zwischen Kapital und Arbeit. Der AfA- Bund wird sich, wie die Tagesordnung von Leipzig zeigt, dieser seiner geschichtlichen Mission für das ge­samte arbeitende Volt nicht entziehen. Zwei Referate stehen im Mittelpunkt des Kongresses. Es soll einmal die Prüfung der Ursachen des wirtschaftlichen Verfalles erfolgen und zum anderen der Weg des nächsten notwendigen ökonomischen Ge­schehens aufgezeigt werden. Dann aber wird die in weiten Angestelltenfreisen noch vorhandene bürgerliche Ideologie zu erforschen sein, um sie überwinden zu können. Der Kongreß wird im Zusammenhang mit der Entwicklung der großen Wirtschaftskrise beweisen, warum die fortschreitende Proletari sierung auch das Heer der Angestellten immer mehr erfassen muß, und er wird gleichzeitig die psychologische Ermittlung darüber anstellen, warum große Kreise der Angestellten es dennoch ablehnen zu fönnen glauben, Proletarier zu sein.

Klare Erkenntnis der ökonomischen Lage, Entscheidung über ein positives Attionsprogramm und Schaffung der geisti­gen Vorbereitungen für das geschlossene Zusammenwirten aller Kopf- und Handarbeiter in dem kommenden Ringen der Klassen das wird der lebendige Inhalt des diesmaligen AfA- Gewerkschaftskongresses sein. So wird in Leipzig die Antwort auf die täglich tausendmal auftauchende Frage ,, Was soll geschehen?" gegeben werden.

Die Nazi- Kaferne.

Der Hauswirt: Sehr erfreut, endlich einmal ruhige Mieter und zugleich Schuh vor Kommunisten zu haben."

Alarm!!!

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lichen Zusammenhängen aufgerollt werden. Damit behandelt der AfA- Kongreß auch Ursache und Wirkung des Faschismus. Das Eindringen des Kongresses in die ganze geistige Vor stellungswelt der Mittelschichten in der heutigen Gesellschaft berechtigt den AfA- Bund auch, an die Träger der deutschen ( Arbeiterbewegung um Verständnis für die Schwere seiner Aufgabe zu appellieren, ihre tatkräftige Unter­stützung zu verlangen. Das wirkliche Klassenbewußtsein der gesamten Arbeiterklasse tommt nach Karl Marg erst mit dem Auftreten des Proletariats als Klasse. Bis dahin wird der Widerstreit zwischen Klassenideologie und Klasseninteresse immer wieder hemmend wirken.

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S

Durch die ruhigen Mieter" entwidelt sich alsbald ein belebtes Straßenbild.

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- find Kommunisten

,, Um Gottes willen, meine Herren, ,, Nee, Wanzen."

da?"

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| alle Kraft einzusehen, eine Atmosphäre des gegen seitigen Vertrauens herzustellen. Kein Neid der einen gegen die andere Gruppe darf aufkommen; die Soli­darität, wie sie zwischen den Gewerkschaftsbünden ADGB . und AfA- Bund in Organisationsverträgen proklamiert ist, muß in den Massen verantert werden.

So wird der 4. AfA- Gewerkschaftstongreß in Leipzig ein Wegweiser aus der Krise des Kapitalismus zur planmäßig organisierten Gemeinwirtschaft sein. Er wird auch gleichzeitig das soziale Erziehungsproblem der freien Gewerkschaft aus dem Stadium theoretischer Erörterung in die Wirklicheit von heute einzugliedern haben. Die Gewerkschaftskongresse von Darum ist die Frage entscheidend: Wie befähigen Frankfurt und Leipzig bedeuten Mobilisierung zum sozialen wir alle Schichten des schaffenden Boltes zum gemeinsamen Ringen um eine neue Zeit. Die besondere Mission von wir alle des um eine neue Beit. Die besondere on Handeln, zum Auftreten als Klaſſe. Wenn Angestellte und Leipzig aber ist: Der neuen Zeit die neuen Arbeiter sich teilweise bis heute noch mißverstehen, so gilt es, Menschen.

25 Jahre sozialistische Bildung.

Festversammlung des Reichsausschusses für sozialistische Bildungsarbeit.

chor des Berliner Volkschors gefungen.

Als Motto der Veranstaltung rezitierte Willi Buschhoff Worte von Lassalle und Leopold Jacoby:

Fürchterlicher als das Elend der Menschheit ist das Nicht wissen vom eigenen Elend."

Im festlich mit Blumen und roten Fahnen geschmüdten Saal| Mary ziehen ließ. Seine Aufrufe zur Organisierung der Klasse, Der Afa- Bund wird bei seiner Erörterung über Ge- des Preußischen Staatsrates fand am Sonnabend die Festver zur Solidarität, zur gegenseitigen Hilfe im Kampf, ertönte zu einer sellschaftsmacht oder Privatmacht über die fammlung anläßlich der 25- Jahr- Feier der Sozia Beit, wo es eine Arbeiterbewegung im heutigen Sinne noch nicht Wirtschaft" weder den Termin für das Ende des Ka- listischen Bildungsarbeit statt. Mit Gesang und Klavier - gab. Als Arbeiterbildner find wir heute nur Erben von Lassalle. pitalismus, noch denjenigen des Beginnes des Sozialismus muft wurde die Feier eingeleitet. Kampflieder wurden vom Kinder­festzusetzen haben. Das mögen politische Kalendermacher be­sorgen, deren es zur Zeit genügend gibt. Wohl aber soll ausgesprochen werden, was wir im gegenwärtigen Stadium des Kapitalismus mollen und welchen Weg die Ange= stellten und Arbeiter in dem geschichtlichen Prozeß zwischen Rapitalismus und Sozialismus zu durchwan dern haben. Dabei gilt es, Fragen der internationalen Böllerverständigung und innerdeutsche Forderungen zu einer Linie gewerkschaftlichen Wollens zu vereinigen. Es wird aber nicht genügen, das kapitalistische System als abbau­reif zu analysieren, wenn nicht gleichzeitig alle Schichten des Proletariats die ideologischen Voraussetzungen zu ihrer ge­schlossenen Machtentfaltung zu schaffen bereit sind.

Hier aber fällt dem AfA- Bund als der größten und um­fassendsten Organisation des Neuproletariats die entscheidende Aufgabe zu. Die hierarchische Gliederung der Belegschaften im Kapitalismus ist nicht ohne Wirkung auf das Denken und Fühlen weiter Angestelltenfreise geblieben. Sie werden auf

der Personalpyramide, die vom ungelernten Arbeiter bis zum Generaldirektor ansteigt, mit allen Mitteln im Banne bürger­licher Ideologie gehalten. Die bürgerlichen Angestelltenver bände, deren Sozialpsychologie der des Faschismus wie ein Ei dem anderen gleicht, verwenden ihre ganze Kraft darauf, das proletarische Sein des Angestellten mit einem bürgerlichen Bewußtsein zu überbauen. Die öko­nomische Tatsache der furchtbarsten Proletarisierung des An­gestelltenheeres soll durch äußerliche gesellschaftliche Beziehun­gestelltenheeres soll durch äußerliche gesellschaftliche Beziehun gen dieser Arbeitnehmerschicht mit der Bourgeoisie verwischt werden. Hier führt der AfA- Bund im Zeitpunkt einer schweren Krise der fapitalistischen Ideologie den großen Kampf um die Seelen derjenigen arbeitenden Schichten, die ,, aus Angst vor der Proletarisierung" ihr ureigenstes tägliches Lebens- und Arbeitsschicksal verleugnen möchten.

Der Leipziger Kongreß würde im Augenblick, da der Um­bau des herrschenden Wirtschaftssystems fällig geworden ist, die wichtigste gesellschaftspolitische Aufgabe versäumen, wollte er nicht dieses Problem in den Mittelpunkt der Berhand­lungen stellen. Es wird unter dem Tagesordnungspunkt: Ideologie und Tattit der Angestelltenbe wegung" in allen politischen, ökonomischen und gesellschaft­

Das schrieb der radikale Borkämpfer der Demokratie und spätere Sozialdemokrat Jacoby am Beginn der deutschen Arbeiter bewegung!

Ferdinand Lassalle zeichnete in seinem Arbeiterpro­gramm bereits das fühne Bild des unaufhaltsamen, fieghaften Auf tiges der organisierten Arbeiterschaft aus der Macht der frühkapi­talistischen Ausbeutung. Er verglich das Wachstum der Arbeiter bewegung, das er nur ahnte und nicht mehr erlebte, der Unauf­haltsamkeit eines Naturvorganges: des Sonnenaufgangs.

Den Festvortrag hielt Genoffe Heinrich Schulz. Er ging davon aus, daß Feste und Jubiläen für die Arbeiterbewegung niemals Ruhestätten, an denen man sich an dem erworbenen Lor­beer erfreut, gewesen sind. Rückschau über das Erkämpfte zu halten und Gelöbnisse abzulegen für den neuen Kampf war stets der Sinn sozialistischer Feiern. Nur in diesem Sinne fönnen wir auch die geleistete Arbeit von 25 Jahren in der heutigen Zeit schwerster Not feiern.

Arbeiterbildung und Barteibildung gabe se schon lange vor dem Jahre 1906, wo der Parteitag von Mannheim den Zentralausschuß für sozialistische Bildungsarbeit, den heutigen Reichsausschuß und die Parkeischule gründete.

Arbeiterbildung gab es, solange es überhaupt flaffenbewußte Arbeiter gibt. Die Erkenntnis der eigenen Klaffenlage ist der wich­tigste und schwierigste Prozeß in der Geschichte der Arbeiterbildung. Das Klaffenbewußtsein, das allerdings nicht lern und lehrbar ist, das zunächst rein instinkts- und gefühlsmäßig in den Anfängen der Arbeiterbewegung auftaucht, muß geschult und vertieft werden das zu flarer Erkenntnis der historischen Aufgaben der Arbeiterklasse. Das war und das ist noch immer die Aufgabe der Arbeiterbildung. Die geniale Borahnung von den Aufgaben der Arbeiterklasse fprach in Deutschland der Schneidergeselle Wilhelm Weit­ ling aus. Karl Marg und Friedrich Engels waren die ersten planmäßigen und zielbewußten Arbeiterbildner. Sie gaben dem Klassenbewußtsein zum erstenmal wissenschaftlichen Aus drud, feste Ziele und flare Formulierungen im tommunistischen manifest, das in die Parole ausklingt, die seither Gemeingut aller Arbeiterbewegung und Arbeiterbildung geworden ist: Prole tarier aller Länder, nereinigt euch!

Der geniale Agitator und Organisator Lassalle war es, der die deutschen Arbeiter die praktischen Konsequenzen aus der Lehre von

Aber die zunächst urwüchsige und anspruchslose Form, in der diese Bildung betrieben wurde, mußte in eine organisierte Form gebracht werden, als im Beginn des 20. Jahrhunderts Tausende und Rehntausende von neuen Anhängern der Massenbewegung der So­zialdemokratie zuströmten. Die Tat der planmäßigen Ausgestaltung und Organisierung vollbrachte der Mannheimer Parteitag durch die Gründung des Bildungsausschusses und der Partei­schule. Borbereitende und anregende Arbeit und intensive wissen­schaftliche Schulung ergänzten sich durch die beiden Institutionen. Der Krieg unterbrach diese fruchtbare Arbeit. Aber wenn alle Schreden der Kriegs- und Nachkriegszeit von der Sozialdemokratie unerschüttert überwunden werden konnten, so ist das zu einem großen Teil auch der Arbeiterbildung zu danken. Sie wird uns helfen, auch alle weiteren Gefahren siegreich zu überstehen.

Mer durch die Schule der Arbeiterbildung erkannt hat, was der Sozialismus ist und will, der ist gefeit gegen Wortraditalismus, er handelt ohne viel Worte wahrhaft revolutionär. Er ist aber auch fein Fatalist, fein Schicksalsgläubiger, der sich der Entwicklung taten­

los überläßt. Noch weniger fann er ein Sonderling werden, der

von außen der Partei neue Wege aufdrängen will. Denn er hat gelernt, daß die wichtigste Losung aller sozialistischen Schulung die Forderung der Vereinigung aller Arbeiter ist!

Die heutige schwere Zeit zwingt uns wahrscheinlich in den nächsten Monaten und Jahren gewaltige Entscheidungen auf. Dann müssen wir wahrhaft revolutionäre Taten im Sinne der Umwand­lung der Gesellschaft vollbringen. Auf solche Taten tönnen wir uns nicht mechanisch mit Zauberrezepten vorbereiten. Es gibt für uns nur eins:

Bereit sein ist alles!"

Bereit sein, für den Sozialismus alles zu tun und die Sozialdemo­fratische Partei mit allen Kräften zu stärken. Das sei unser Ge­löbnis am heutigen Tage!

Nach dem Beifall, der dem Genossen Schulz dankte, sprach die

Genoffin Marie Juchacz

im Namen des Parteivorstandes, der Sozialdemokratischen Frauen zentrale und der Arbeiterwohlfahrt. Sie erklärte, daß trog der schweren Zeiten die Partei die finanziellen Opfer für die Bil­dungsarbeit gern bringe, weil sie die Notwendigkeit einer solchen Kulturarbeit feit jeher betont habe. Die sozialistischen Frauen sind der sozialistischen Bildungsarbeit besonders dankbar dafür, daß die Sozialdemokratische Partei ihr nicht nur das Staatsbürgerrecht gegeben hat, sondern auch dafür, daß sie zur, rechten Zeit und am rechten Ort den Männern gegenüber die Erkenntnis der