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Nr. 465 48. Jahrgang

4. Beilage des Vorwärts

Fabrikstadt ohne Arbeit.

Der Existenzkampf der Hennigsdorfer Gemeinde.

Als vor kurzem die unter sozialdemokratischer Leitung| lände schaffen. Man mußte die Gemarkung vergrößern, Land an­stehende Gemeinde Hennigsdorf in Kaffenschwierigkeiten ge- faufen, um den Bauluftigen Gelände zu einem angemessenen Preis rief, fonnte sich die bürgerliche Preffe nicht genug tun, von zur Verfügung stellen zu können, da natürlich die Spekulation nur roter Mißwirtschaft" zu schreiben. Darüber hinaus verbün- zu leicht geneigt war, auch in Hennigsdorf Berliner Bodenpreise zu deten sich die kommunisten mit dem Besitzbürgertum und for- fordern. derten die fristlose Entlassung des Gemeindevorstehers. Nun ist daran fein Zweifel, daß es dem Berliner Fabrikvorort Hennigsdorf denkbar schlecht geht. 21s 1907 das Gemeindehaus gebaut wurde, hatte Hennigsdorf erst 3000 Einwohner. Das Ge­bäude ist so bescheiden, daß nicht einmal ein Sigungszimmer für die Kommissionen vorhanden ist, die Kommissionen tagen im Zim­mer des Amtsvorstehers. Trotzdem bezeichnete die bürgerliche Presse das viel zu kleine Hennigsdorfer Verwaltungsgebäude als ein ,, Prunthaus". Jetzt hat die Gemeinde Hennigsdorf 10 300 Ein­wohner; in einem Jahrzehnt hat sich die Bewohnerzahl verdoppelt. Bei einem so schnellen Wachstum mußten natürlich von der Ge­meinde die mannigfaltigsten Aufgaben gelöst werden.

Das Emporschnellen der Einwohnerzahl fiel zusammen mit der Ausdehnung der Großmetallindustrie in Hennigsdorf . Rechts von der Staatsbahn liegt das Stahl- und Walzwerf, an dem die AEG. zu einem Drittel beteiligt ist und das heute dem Mitteldeutschen Stahlwerksverband eingegliedert ist. Links von der Bahn liegen die riesigen Fabritanlagen der AEG., der Dampf­lokomotivbau, das Werk für den Bau elektrischer Bahnen, der Behälter und Apparatebau und die Isolierstoffabrik. Solange die Konjunktur anhielt, hatte auch Hennigsdorf Lohn und Brot. Und das Rückgrat des Steueretats der Gemeinde bildeten die Steuer­vereinbarungen mit der Großmetallindustrie. Die verheerende Wirtschaftskrise hat jedoch die Einnahmen aus der Gewerbesteuer auf die Hälfte herabgedrückt. In seiner besten Zeit arbeiteten in den AEG.- Werken rund 10 000 Arbeiter, heute noch 3000 Mann. Im Stahl- und Walzwerk sank die Belegschaftsziffer von 2000 auf 1000 Mann. Dabei gelang es nicht, den Ausfall der Gewerbesteuer durch die Bürgersteuer wettzumachen, dazu ist die Arbeitslosigkeit ( rund 1000 Mann) in Hennigsdorf zu groß. Und schließlich ist Hennigsdorf auch noch durch die Ueberweisungen aus den Reichs steuermitteln benachteiligt, da diesen Ueberweisungen die Bolts­zählungsziffern von 1925 zugrunde gelegt werden. 1925 aber hatte Hennigsdorf 7600 Einwohner, heute jedoch 10 300 Männer und Frauen. Vielleicht ist Hennigsdorf zu schnell gewachsen. Im Jahre 1924 wohnten noch 75 Prozent der in den Hennigs­ dorfer Fabriken Arbeitenden außerhalb der Gemeinde. Heute wohnen nur noch 35 Prozent der Hennigsdorfer Arbeiter außer halb. Indem die Gemeinde selbst 100 und verschiedene andere Ge­nossenschaften dazu noch 900, insgesamt also 1000 Wohnungen schufen, hat man die mehrstündige Hin- und Rückfahrt der Arbeiter zu ihrer Arbeitsstelle überflüssig gemacht. Indem man die Arbeiter­familien bodenständig machte, verlängerte man gleichzeitig die Freizeit ihrer Ernährer. Das erscheint uns immerhin wichtig genug. Doch für diese Siedlungspolitik mußte die Gemeinde einmal Ge­

1237 000 Besucher.

Die Berliner und ihr 300.

Der Berliner Zoologische Garten, der sich mit seinem pracht­vollen Tierbestand einer starten Beliebtheit bei groß und flein erfreut, hat auch in diesem Jahre trotz der wirtschaftlichen Depression seine Anziehungskraft bewiesen. Insgesamt passierten im Laufe dieses Sommers, vom 1. April bis 30. September ins­gesamt 1 237 400 Besucher, und zwar zahlende, die Sperren des 300, so daß tatsächlich das Ergebnis des Vorjahres, das für die gleiche Zeit 1,3 Millionen Gäste aufweist, nahezu erreicht wurde. Dieses Ergebnis ist um so höher zu werten, als eine Reihe von Sonnabenden und Sonntagen noch dazu die sogenannten volts­tümlichen Tage, die stets einen Massenbesuch erbringen voll­ständig verregneten.

Mehr als 12,3 Prozent aller Besucher waren Schüler( 153 000), denen auf diese Weise durch den Besuch des Tierpartes wertvoller praktischer zoologischer Anschauungsunterricht geboten

wurde.

Die höchste Frequenz im Laufe dieses Sommers brachte der Monat Mai, in dem überdies die Pfingstfeiertage fielen, mit rund 300 000 Besuchern( einschließlich der Kinder), an den beiden Feier tagen allein wurden 62 000 Gäste( 57 000 Erwachsene und 5000 Kinder) gezählt.

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Bieles mußte neu geschaffen werden. Andere Dinge tamen hinzu: Lange hatte Hennigsdorf fein Ortsstromnet, dies mußte erst geschaffen werden, da die In­dustrie ihr eigenes Stromnetz hat. Dann mußte, dies geschah alles nach 1924, das überalterte Retortensystem der Gasanstalt er­neuert werden. Für die Feuerwehr wurde ein Depot und ein moderner Löschzug angeschafft, um von der Fabrikenfeuerwehr der Industrie unabhängig zu werden. Und daß man für die 10 000 Einwohner eine Warmbadeanstalt schuf, gereicht der Ge­meinde auch nicht zum Vorwurf. Mehrere 100 000 m. fosteten die Notstandsarbeiten, mit denen die Erwerbslosen beschäftigt wurden. In der Hauptsache wurden Straßen gebaut, die bei dem schnellen Wachstum der Gemeinde notwendig waren und die an­dererseits auch erforderlich wurden durch die Hochlegung des Bahn­dammes und die Elektrifizierung der Vorortstrecke nach Velten . Da­zu fam ein Sportplag, ein Gebäude für die Reichspost, in welchem die Poſt ihr Amt untergebracht hat, dafür allerdings Miete bezahlt. Schließlich wurde ein Reform- Realgymna­fium gebaut, wozu eine Anleihe von 450 000 M. erforderlich war. lieber die Notwendigkeit dieser Schule fann man geteilter Meinung sein, sie wurde errichtet auf das fortgesetzte Drängen der Industrie hin, die erflärte, fie befäme feine Oberbeamten nach Hennigsdorf , da diesen die Schulverhältnisse nicht zusagten.

Im Sommer wurde die Kassentage der Gemeinde Hennigs­ dorf sehr schwierig. Die nach der Inflation aufgenommenen Schul­den betrugen 2 700 000 M., davon sind inzwischen 315 000 m. ge­tilgt. Der Schuldendienst belastet den Steueretat jährlich mit 156 000 m., andere Summen werden aus den sich rentierenden Anlagen aufgebracht. Die Krise wurde atut, als die Gemeinde aus dem vorigen Rechnungsjahr einen Betrag von 70 000 m. nicht mehr einbefam und gegenüber dem Voranschlag für das neue Rechnungs­jahr ein Mehrbetrag von 65 000 m. notwendig war. Die Gemeinde mußte deshalb nach Wegen suchen, durch Kassenkredite fidy über Wasser zu halten. Trotzdem wurden aber laufend alle Unter­ftüßungen, Löhne und Gehälter ausbezahlt. Andererseits ging es nicht ohne rigorose Sparmaßnahmen ab, vom Gehaltsabbau der Gemeindeangestellten bis zur Einstellung der Notstandsarbeiten ist jeder Etatstitel von den Sparmaßnahmen betroffen. Im ganzen besteht jedoch begründete Aussicht, ohne einen größeren Fehlbetrag trotz der hohen Wohlfahrtslasten das laufende, schwierige Rech nungsjahr überwinden zu können. Man wird versuchen, allmählich die schwebenden Schulden abzudecken und erwartet darüber hinaus vom Reich, daß es in irgendeiner Weise besonders den kurzfristig verschuldeten Gemeinden zu Hilfe kommt.

Gartens liegen wesentlich über dem Ergebnis von 1237 000 Be­suchern, da in dieser Aufstellung nur die zahlenden Gäste ,. nicht aber die Abonnements- und Aktionärbesucher enthalten sind.

Dank für Rettung aus Geenot.

Die englische Regierung hat durch den englischen Bot­schafter dem Auswärtigen Amt ihren Dant übermitteln lassen für die Hilfe, die der Stationstender der Nordseestation Frauenlo b" auf einer Fischereischutzfahrt am 4. August d. J. dem englischen Dampfer Tastonia" geleistet hat, der auf der Rückkehr von Island in der Höhe von Aberdeen manöverierunfähig wurde. Die Hilfeleistung des Frauenlob", für die kein Bergungs­lchn gefordert wurde, ist von dem englischen Schiffahrtsamt dankbar anerkannt worden.

Erweiterung der Kassenstunden bei den Finanzämtern. Wie der Präsident des Landesfinanzamtes Berlin mitteilt, find im Interesse mäßig wiederkehrenden Fälligkeitstagen der Reichssteuern vom der Steuerzahler die Finanztassen bis auf weiteres an den regel­31. Oftober bis zum 31. März bis 16 Uhr( Sonnabends bis 13% Uhr) für Einzahlungen geöffnet. Fällt der Fälligkeitstermin auf den letzten Tag eines Monats, so wird an diesem Tage von der sonst üblichen Schließung abgesehen.

Eine öffentliche Aufforderung zur Abgabe einer Bermögens­erklärung für das Jahr 1931 durch die Finanzämter im Bezirk des Die tatsächlich erreichten Besucherziffern des Zoologischen Landesfinanzamts Berlin steht im heutigen Inseratenteil.

6 Stück nur 20

S

TETA

Sonntag, 4. Oftober 1931

Warnung der Mieterschaft.

Ein Zelegramm an den Reichskanzler.

Die Vorstandschaft der Reichsorganisation der Mieter, Bund Deutscher Mietervereine e. V., Sitz Dresden , hat vor dem Erscheinen der zu erwartenden neuen Notverordnung nochmals an den Reichskanzler und an die zuständigen Reichsministerien eine ausführlich begründete dringende Eingabe eingereicht, in der mit aller Entschiedenheit gefordert wird: Senkung der Altbaumieten durch Herabsetzung der gesetzlichen Miete, besondere gesey= liche Maßnahmen zur Herabsehung vereinbarter Mieten für Räume, die nicht mehr dem Reichsmietengesetz unter­stehen, besondere gesetzliche Maßnahmen zur Senfung der Neubaumieten.

Weiter wurde an den Reichskanzler Dr. Brüning folgendes Telegramm gerichtet: Nach neuesten Meldungen erwägt die Reichsregierung weitgehende Aufhebung von Mieterschutzgesetzen und Wohnungsmangelgesetz. Wir weisen demgegenüber nochmals auf die berechtigten Forderungen der deutschen Mieterschaft hin, fordern nach unserer Eingabe besonders sofortige Maßnahmen zum Schutz überteuerter Gewerberaummieter und warnen dringlichst vor Kraftproben gegenüber Wirtschaft und Bevölkerung. Eingriffe der gemeldeten Art in Mieterschutz sind nach Art. 48 weder zulässig noch notwendig, sondern gefährden ihrerseits nur öffentliche Sicherheit und Ordnung."

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Eine notwendige Betrachtung. Schnellschöffengericht- Bereitschaftsgericht- Spätgericht. Bon Rechts wegen heißt das Gericht Schnellschöffengericht": die Richter bezeichnen es als Bereitschaftsgericht" es soll sich stets zum Aburteilen bereit halten; in Wirklichkeit ist es ein ,, Spät­gericht". Spätgericht weil die Sachen den Richtern gewisser­maßen in den späten Nachmittagstunden serviert" werden. Zu einer Zeit, da die Richter bereits ausgeschöpft und abgekämpft sind, da der Staatsanwalt schon viele Stunden auf den Beginn des Termins wartet, die Justiz machtmeister vor Müdigkeit umfallen, die Gerichtsschreiber beinahe einen Schreibkrampf erleiden und die Zeugen vor Ungeduld auf dem Korridor un­ruhig zu werden beginnen. Von den Berichterstattern schon gar nicht zu reden: Sie haben längst alle Hoffnung aufgegeben, der Verhandlung beiwohnen zu können und haben das Gerichts­gebäude verlassen. Ebenso das Publikum. Die Verhandlung geht sozusagen unter Ausschluß der Deffentlichkeit vor sich.

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Etwa eine Uebertreibung? Als Illustration die letzte Schnell schöffengerichtsverhandlung. Für 1 Uhr war sie angesetzt, um 2 Uhr war der Berichterstatter zur Stelle. Die Uhr wurde halb drei, halb vier. Um 4 Uhr plädierten noch die Verteidiger in einer fomplizierten Unlauterer- Wettbewerb- Angelegenheit". Vor halb sechs war mit dem Beginn der drei Schnellschöffengerichtssachen nicht zu rechnen. Um 49 Uhr konnten die letzten Zeugen hungrig und ärgerlich, nachdem sie seit 1 Uhr im Gerichtsgebäude ihre Zeit totgeschlagen haben, heimfehren; auch der Kassenbeamte, der die Zeugengebühren auszuzahlen hatte, seinen eisernen Tresor schließen. Und das alles, um einen rüdfälligen Heiratsschwindler, eine nicht minder rückfällige Betrügerin und noch einen Uebeltäter durch das Schnellgericht aburteilen zu fönnen. So ungeheuerlió) war die Gefahr dieser Angeklagten für die Gesellschaft.

Nun zum Grundsäßlichen! Gegen das Schnellschöffengericht als solches soll fein Wort gesagt werden. Im Interesse der Rechtspflege ist aber zu verlangen, daß die Richter geistig frisch an die Schnell­gerichtssachen herangehen. Weil feine Voruntersuchung stattgefunden hat, weil auch die Ermittlungen nicht selten ungenügend sind, weil unter diesen Umständen das Interesse der Allgemeinheit wie das Interesse der Angeklagten besonders intensive geistige Tätigkeit ber der Wahrheits- und Urteilsfindung erforderlich erscheinen lassen, ist es völlig verfehlt, wenn die Schnellschöfengerichtsverhandlung zu einer Zeit beginnt, da dann sämtliche Beteiligten im Gerichtssaal nichts sehnlicher erwünschen, als so schnell wie möglich nach Hauſe zu kommen. Das Schnellschöffengericht hat sich bereits eingebürgert; es liegt kein Grund vor, weshalb es nicht unter gewissen Voraus­fegungen auf sämtliche Berliner Bezirke ausgedehnt werden sollte. Geschieht das aber, so wäre es möglich, zwei besondere Abteilungen zu schaffen, die zu der in Moabit üblichen Zeit von 9 Uhr an mit den Schnellschöffengerichtsverhandlungen beginnen.

Diese Betrachtung war notwendig und dürfte bestimmt Don sämtlichen Verhandlungsbeteiligten, Richtern, Staatsanwälten, Gerichtsschreibern und Justizmachtmeistern, den An­geklagten und Zeugen und der Deffentlichkeit gutgeheißen werden.

Der neue Winterfahrplan erschienen. Der Winterfahrplan der Deutschen Reichsbahn- Gesellschaft, der für die Zeit vom 4. Oktober 1931 bis 21. Mai 1932 gilt, ist soeben erschienen.

Die gute

und milde

TETA

ZIGARETTE

VERTRIEB: MELABAT ZIGARETTENHANDELSGESELLSCHAFT

M.B.H

AZET ZIGARETTEN- FABRIK G.M.B.H ZWEIGNIEDERLASSUNG BERLIN C2 NEUE PROMENADE& TEL: D2 WEIDENDAMM 2409