1931
Der Abend
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Nr. 472
B 236 48. Jahrgang
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Reichskanzler Brüning ist heute morgen bei seinen Bemühungen um die Bildung seines Kabinetts nicht erheblich weiter gekommen. Herr Schmitz von der J.G.- Farben bleibt beharrlich bei seinem Nein. Der Plan, den früheren Reichswehrminister Gekler an die Stelle von Wirth zu sehen, schwebt immer noch.
Auch über die Besetzung des Außenministeriums ist noch keine Entscheidung gefallen. Herr von Neurath kommt als Außenminister nicht mehr in Betracht.
Es verlautet, daß Brüning vom Reichspräsidenten abermals die Vollmacht zur Auflösung des Reichstags erhalten werde, und daß nach seinem Sturz Neuwahlen zum Reichstag stattfinden würden.
Geßler für Aufrüftung.
Deffau, 8. Oktober. ( Eigenbericht.) Sm Zusammenhang mit der für das Reichsinnenministerium genannten Kandidatur Dr. Geßlers wird intereffieren, daß Dr. Geßler vom Landbund Anhalt als Redner für die dies= jährige Hauptperfammlung des Landbundes ange fündigt wird, und zwar für eine Tagung, die die Forderung nach Behrhaftmachung Deutschlands zum Ausdruc bringen soll, sowohl die wirtschaftliche wie die politische und militärische Wehrhaftmachung.
Der Klub der Verworrenen.
Ueber die neueste politische Leistung des nationalliberalen Klubs, der sich heute Deutsche Volkspartei " nennt, schreibt heute die Bossische Zeitung":
Ihre parteiamtlichen Empfehlungen sind ein beredtes Zeugnis für die Berworrenheit innerhalb einzelner bürgerlicher Gruppen. Aber gerade darum sollte der Reichskanzler sich die parlamentarischen Aussichten nicht noch trüber färben lassen, als sic in Wirklichkeit selbst jetzt, nach der Verkündung der dritten Notverordnung find. Gewiß: nicht nur die sogenannte ,, nationale" Oppofition, aus deren ,, Brei " am Sonntag wieder einmal ein Blod geschweißt werden soll, rüstet zum Sturmangriff gegen ein zweites Kabinett Brüning. Auch an einer hohen Stelle in Berlin find während der letzten Wochen Minen gegen Brüning gelegt worden. Aber Brüning möge jene, die so gern mit dem Feuer spielen, vor die verantwortliche Entscheidung stellen, und es wird sich rasch zeigen, daß es etwas anderes iſt, mit lebensgefährlichen Abenteuern zu tofettieren und etwas anderes, fie auch zu magen. Aber um diese Probe zu machen, hätte es nicht erst eines Rabinettsmechsels bedurft."
Die Germania ", das Berliner Zentrumsblatt, schreibt zur Lage: ,, Unsere Auffassung von der Situation ist die, daß der Kanzler seinen Weg nach seinen eigenen Entschlüssen gehen muß, um auch dieses Mal wieder die parlamentarische Entscheidung zu erzwingen. Es handelt sich um zweierlei: einmal darum, daß das neue Kabinett eine noch stärkere überparlamentarische Form erhält, und daß es eine geeignete An= lehnung an die gemäßigte Rechte sucht. Das Ziel Brünings muß nach unserer Auffassung dahin gehen, eine arbeitsstarfe und arbeitsfräftige Kombination zu finden, die allerdings fofort erkennen läßt, daß sich der fefte Kurs, auf den es in diesem Winter ankommt, in den Bahnen einer fachlichen, vernünftigen Politik bewegt."
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Der Parteivorstand der Deutschen Volkspartei tritt am Freitag in Berlin zur Beratung der politischen Lage zusammen. Der Reichs. ausschuß der Partei, dem außer den Mitgliedern des Parteivorstandes und des geschäftsführenden Ausschusses auch die Vorfizenden und die Hauptgeschäftsführer der Wahlkreisverbände an gehören, ist zu Sonnabend einberufen worden.
Reichsaußenminister Dr. Curtius hat sich bereits von seinem Amt verabschiedet und ist am Mittwochabend zu einem längeren Urlaub nach Badenweiler abgereift.
leber den Regierungspräfldenfen von Harnad verbreiten die Bandvott Nachrichten" die Behauptung, er habe erklärt, die letzte preußische Notverordnung sei die Quittung der Staatsregierung für bas Berhalten der Lehrerschaft beim Boltsentscheid, und die Kür zung der Rettorenzulage jei erfolgt, weil die Rektoren vielfach die Behrerfollegien zum Boltsentscheid geführt hätten. Diese angeblichen Aeußerungen find, wie uns mitgeteilt wird, glatt erfunden.
W
Leichenschändung
OVP
Der Boltsparteiler: Hier bringe ich Ihnen den Mann, der die gradlinige Fortsetzung der Stresemann- Politik garantiert!"
Herr von Stauß geht nach Harzburg .
Volkspartei, die sich an der Tagung der Reaktion in Harzburg beUnter den Mitgliedern der Reichstagsfraktion der Deutschen teiligen, befindet sich neben Seedt und hinhmann auch Herr von Stauß von der Deutschen Bank.
Herr von Stauß wünscht seinem Frühstücksfreund Hitler wieder einmal die Hand zu drücken. Er wünscht ihn zu engagieren, damit er die Banf- und Börsenfürsten vor der Banfen= tontrolle bewahre. Wir nehmen nicht an, daß die Gerüchte der letzten Tage über den Stand der Deutschen Bank Herrn von Stauß nach Harzburg treiben.
Die Schwerindustriellen wollen an die Macht, um ihrer Bleite zu entrinnen, die Banfofratie, um ungestört vom Staate weiter das Bolksvermögen verschleudern zu fönnen. Sie alle fuchen die Bundesgenossen der Nationalsozialisten gegen den Sozialismus.
Der Wetterumschlag.
Temperaturrückgang durch Einbruch fühler Luftmaffen.
Das sommerliche Wetter der letzten Tage, das gestern als Magimum eine Tagestemperatur von 24 Grad Wärme brachte, hat durch den Einbruch fühler ozeanischer Cuffmajien aus nördlichen
Breiten ein schnelles Ende erfahren.
Die starte Ermärmung war auf füdliche Winde und die ziemlich erhebliche Sonnenscheinstrahlung zurüdzuführen. Unser Gebiet ist nun auf die Rüdseite einer Randstörung geraten, die von der Nord see bis nach Mittelfrankreich reicht. Die fühlen Luftmassen haben verhältnismäßig schnell ganz Mittel- und Norddeutschland überflutet. Es hat sich eine West wind lage herausgebildet, die für Freitag Bemöltungszunahme und Reigung zu Niederschlägen bringen dürfte. Allerdings ist wieder mit einem leichten Ansteigen der Tem | peraturen zu rechnen. In Berlin wurden heute mittag nur 12 Grad Wärme gegen 23 Grab am Bortage gemessen.
Bootsunglück auf der Havel.
3m Sturm gefentert.- Zwei Personen ertrunken.
Auf der Havel unweit der Insel Schwanenwerder fenterte heute mittag eine mit jungen Leuten besetzte Segeljolle. Das Boot wurde bei dem heftigen Wellengang von einer Böe erfaßt und umgeworfen. Die beiden Insassen kämpften eine Zeitlang verzweifelt mit den Wellen, gingen aber plötzlich unter, noch bevor Hilfe zur Stelle war. Ein Sportboot eilte an die Unfallstelle, von den Verunglückten war aber keine Spur mehr zu entdecken. Das Feuerlöschboot hat Versuche zur Bergung der Ertunkenen aufgenommen. Einer der Verunglückten ist ein 19jähriger Gerhard Sürth aus Nikolassee , der Name seines Begleiters ist noch unbekannt.
Die Preffe für Pressefreiheit.
Gegen die Kautschutbestimmungen der Notverordnung.
In einer Mitgliederversammlung des Bezirksverbandes Berlin im Reichsverband der Deutschen Bresse fand am Mittwochabend eine Aussprache über die Pressenotverordnung statt, zu der auch Breffereferenten der Reichsregierung und der preußischen Staatsregierung erschienen waren.
An ein Referat des Schriftleiters Dr. Feder, der die volle Beseitigung der Zeitungsverbote im Wege der behördlichen Ver: fügungen forderte, schloß sich eine lebhafte Aussprache an. Die am Mittwoch veröffentlichte neueste Notverordnung wurde scharf angegriffen.
Zum Schluß wurde folgende Entschließung angenommen: ,, Die Mitgliederversammlung des Bezirksverbandes Berlin im Reichsverband der Deutschen Presse verlangt die Aufhebung des Verbotsrechtes gegen 3eitungen, besonders die Streichung des Kautschutbegriffs der Gefähr dung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. In den die Presse betreffenden Bestimmungen der neuen Notverordnung vom 6. Ottober 1931 sieht sie eine weitere unerträgliche Belastung der Bresse. Sie ruft die Preise ohne Unterschied der Parteien und Richtungen zum unablässigen Kampf für die Wiederherstellung und Erhaltung der Presse:
freiheit auf."
Hoovers Auftauungspläne.
UGA. verzichtet auf Goldwährung.
Paris , 8. Oftober.( Eigenbericht.) Wie Léon Blum im„ Populaire" mitteilt, weisen gewisse Informationen aus Amerika daraufhin, daß man auch dort einen teilweisen Berzicht auf die Goldwährung ins Auge faßt in dem Sinne, daß man dem Dollar auf den Geldmärkten freien Lauf laffen wolle, ohne ihn durch Interventionen zu stützen. Diese Mitteilung ftimmt mit Informationen überein, die gewisse Industriekreise in Paris aus Amerika erhalten und diese veranlaßf haben, ihr Dollarguthaben abzustoßen.
Washington , 8. Oftober.( Eigenbericht.) Die Vereinigung amerikanischer Banfiers hat eine Entschließung angenommen, in der die Regierung aufgefordert wird, sofort Berhandlungen über eine Berlängerung des Schuldenmoratoriums einzuleiten. Die Bereinigung billigte zugleich den Finanzhilfsplan Hoovers für die amerikanischen Finanzinstitute.
Der neue Sanierungsplan.
Der amerikanische Präsident Hoover hat im Einvernehmen mit den amerikanischen Parteien und den führenden Banfiers einen großzügigen Sanierungsplan für die amerikanische Wirtschaft aufgestellt. Das Ziel dieses Planes ist, die amerikanische Wirtschaft, in der infolge der Krife riesige Kredite festgefroren sind, wieder aufzutauen. Man geht in der Schäzung nicht zu meit, menn man die festgefrorenen Anlagen in den Bereinigten Staaten auf 14 bis 15 milliarden Mart beziffert. Das ganze Kreditwefen des Bandes litt in dem gleichen Maße, wie dies bei den europäischen Ländern der Fall war, unter diesem Zustand und die