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Rudolf Goldscheid   tot. Ein Verlust des Denkens und unserer Bewegung. Einer der bedeutendsten Soziologen ist in Rudolf Goldscheid  - Wien  , nur 61 Jahre alt, gestorben. Die soziale Not der Menschen und die Erkenntnis ihrer Ursachen hat ihn früh zum Sozialisten gemacht. Vom Menschen ging er in seinen vielen Büchern und Broschüren aus. Ob er Fragen der Nationalökonomie, Finanzsoziologie, Philosophie, Sozialpolitik untersucht, niemals steht eine theoretische Abstrattion, ein vorgefaßter Lehrsatz, ein Gelehrtendogma im Vordergrund seiner Betrachtung, er sieht immer zu allererst die lebendige, leidende Kreatur, und der leidenschaftliche Wille, zu helfen, die Welt besser und das Leben lebenswürdiger zu machen, die zornige Empörung darüber, daß es in der Welt von heute so häßlich aussieht: sie sind der Ausgangspunkt seines Denkens. Aus seiner Menschenliebe ent- sprang auch sein leidenschaftlicher Haß gegen den Krieg. Während des Völkermordens hat er in seiner Arbeit über Staatssozia- l i s m u s und Staatskapitalismus und dann nach dem Kriege in seinen finanzsoziologischen Arbeiten mit flammenden War- ten, mit Satire und Bitternis, mit Witz und Sarkasmus gegen das
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Unrecht der Bedrückung und Ausbeutung der Masten durch die Steuersysteme der herrschenden Klassen gekämpft, er hat mit unerbittlicher Schärfe sozialistische Forderungen gestellt, ist für die Umwandlung des S t e u e r st a a t e s, der nur ein Bettler seiner Nutznieher ist in einen selbst wirtschaftenden Staat eingetreten und hat abermals gezeigt, daß die sittliche Notwendigkeit auch zugleich die Maxime der Klugheit der Selbsterhaltung des Staates ist. Goldscheid der Ethiker war immer auch zugleich der Denker. Wo immer eine Vereinigung mit humanitären Zielen ins Leben trat, wo immer Gedanke und Tat ihre Verknüpfung suchten, war Goldscheid mit dabei. Dabei blieb er immer nur Privatmann. Nie hat er äußerliche Ehren angestrebt, nie hat er sichs bekümmern lasten, daß auch er in die stolze Reihe jener Männer gehört, denen die Wiener Uni- v e r s i t ä t gleich Siegmund Freud und andern Großen die Anerkennung ihrer Leistungen vorenthalten hat. Als schönstes Wort an Goldscheids Bahre darf vielleicht gesagt werden, was er selbst bei seiner Geburtstagsfeier gesagt hat: Was ein Mensch für den Sozialismus getan hat, das hat er überhaupt in der Welt getan. Ich habe durch ein langes Leben der wissenschaftlichen Arbeit erkannt, daß echtes, wahres wissenschaftliches Denken und sozialistisches Denken notwendig übereinstimmen. Ich bin Sozialist auf Grund meiner wissenschaftlichen Forschungen ge- worden und werde Tag für Tag, je tiefer ich in die Tatsachen ein- dringe, immer mehr Sozialist. Und ich verspreche Ihnen, daß ich bis zu meinem letzten Atemzug ein Wehrmann des Sozialismus bleiben werde." Oer lehie Ausweg! Furchtbarer Selbstmord eines Lehrers. In der Nähe des Bahnhofes Neubabelsberg an der Vorortstrecke Berlin Potsdam verübte in de» gestrigen späten Abendstunden der 51 Jahre alte Lehrer Emil Schmidt aus furchtbare Weise Selbstmord. Der Lebensmüde kletterte in der Dunkelheit unbemerkt auf den Bahndamm und warf sich vor die Räder eines heranbrausen den Zuges. Dem Um- glücklichen wurde der Kopf vom Rumpf getrennt und beide Arme abgefahren Das Motiv zur Tat konnte noch nicht einwandfrei geklärt werden. Sch. ist verheiratet und wohnte in der Weißen- burger Straße 20 im Nordosten Berlins  .
Durchreisende durch die Sowjetuniou brauchen fortan nicht mehr den Zoll von 7,50 Rubeln pro A u f e n t h a l ts t a g(!!) zu zahlen und es ist in ihr Belieben gestellt, überhaupt Sowjetgeld einzuwechseln oder nicht. Wetter für Verlin  : Trocken und ziemlich heiter, am Tage sehr mild. Allmählich ausfrischende südliche Winde. Zur Deutschland  : Im Nordwesten wolkig mit zunehmender Regenneigung. Im übrigen Reiche beständiges Wetter, auch im Nordosten Beruhigung. Volk und Zeil", unsere illustrierte Wochenschrift, liegt der heutigen Postauflage bei.
Die Geschichte des Franz Biberkopf  , dieses Mannes, der fein Mädchen erschlug und sich nach Absoloierung der Zuchthausstrafe bemühte, einen einwandfreien Lebenswandel zu führen, erschöpft nicht den RomanAlexanderplatz  " von Alfred Döblin  . Um diesen Komplex gruppieren sich Menschen und Ereignisse, die das Bild vergrößern, es ins Weite projizieren. Döblin   schrieb den Mythos, die Legende vom Alexanderplatz   und seinen Menschen, und er zeigte in eingeschalteten Skizzen und Szenen, in statistischen Betrachtungen, daß es noch andere Dinge gibt als die Welt um den Alex und den Rofenthaler Platz. Während Franz Biberkopf   ein Mädchen umarmt oder gestohlene Uhren an den Mann bringt, entgleisen Züge, werde» Tiere geschlachtet, sprechen Parlamentarier, sterben Menschen. Was geschieht nicht alles gleichzeitig? Und das Bewußtsein der Gleichzeitigkeit nimmt den Ereignissen die Schwere, offenbart ihre Begrenztheit, entkleidet sie der Würde und Wichtig- kcit. Döblins Roman ist eine moderne Legende mit romantischer Ironie. Schon der Umkreis des äußeren Geschehens ist für den Film unfaßbar. Die tausenderlei Verknüpfungen müssen gelöst und ver- f einsacht werden. Die Geschichte erhält in der Verfilmung einen klaren Nenner. Ueberhaupt nicht darstellbar bleibt dagegen die Gedankenwelt der Döblinschcn Menschen, die rein assoziative Art, in der Döblin   ihr Denken verbindet. Dadurch geht ein Hauptreiz des Romans verloren, muß verloren gehen, denn der Film hat kein Mittel, das unausgesprochene Fühlen und Denken eines Menschen visuell oder akustisch zu gestalten. Alfred Döblin   hat mit Hans Wilhelm das Manuskript verfaßt. Es lag also wohl in seiner Absicht, die Gleichzeitigkeit, die sich im Film in ein Nacheinander verwandeln muh, auszu- schalten. Der Versuch wäre interessant gewesen, da er noch nie gemacht worden ist. Wie sieht nun das Manuskript aus? Biberkopf kommt aus der Strafanstalt und schickt sich an. Berlin  zu erobern. Es geht auf anständige Weise nicht, und er wird Ga- nove. Schließlich findet er genau wie im Roman den Weg zurück zu einer engen, umfriedeten bürgerlichen Existenz. Bürger Abenteurer Bürger. Der Kreis schließt sich. Das ist die Grund- Handlung, die andere periphere Ereignisse umrahmen, Ereignisse,
die nicht nur der Handlung dienen, sondern auch die Seele, den Rhythmus der Weltstadt aufdecken sollen. Und hier beginnt d'c Problematik des Films Der Regisseur Phil I u tz i inszenierte vor etwa zwei Jahren den stummen FilmMutter Krausens Fahrt ins Glück", einen Film von den Hoffnungslosen, den Enterbten, einen Film von einer faszinierenden Echtheit. Der stumme Film wurde unter Iutzis Händen zu einem geschlossenen Kunstwerk, hier beim tönenden A l e x a n d e r p l a tz" entsteht ein Bruch zwischen Ton und Bild. Wieder gelingt es Iutzi, das Profil der Höfe, der Kneipen, der billigen Wohnungen scharf herauszuarbeiten. Man riecht fast den Staub, den Bierdunst und den abgestandenen Rauch, aber die Menschen sprechen einen frisierten Jargon. Die Wortregie Karl Heinz Martins sorgt für exaktes Sprechen, für klare Glie- derung, doch die Worte selbst klingen nicht echt. Trifft die Schuld das Manuskript? Die Handlung dehnt sich, es entstehen tote Stellen, und trotz virtuoser Ueberschneidrmgen gelingt es nicht, das Tempo Berlins   einzufangen. Abgesehen von diesen Mängeln hat der Film glanzvoll gespielte und inszenierte Szenen, Szenen von einer künst- lerischen Konzentration und Eindringlichkeit, die sonst selten erreicht werden. Heinrich George   spielt den Biberkopf. Ein eruptiver Mensch, bei dem die Gedanken langsam arbeiten. Ein Kind, das brutal sein kann. Ein Kerl mit sentimentalen Anwandlungen. M i n e t t i ist mit zergrübeltem Gesicht der Führer der Bande. Ein Intellektueller, der sich in die Kaschemmen verirrt hat. Eher ein kluger Hochstapler von internationalem Ruf als ein Ganove, dem die Polizei im Nacken sitzt. Ausgezeichnet in Maske und Spiel Albert Florath  , den der Mief der Keller umwittert, und B i e n e r t als skrupelloses Bandenmitglied. Gut die Frauen Maria Bord und Margarethe Schlegel. Mag der Film auch nicht an die Geschlossenheit großer franzö- sischer und amerikanischer Filme heranreichen, so bedeutet er trotz- dem einen Höhepunkt der deutschen   Produktion, die sich schein- bar in den Niederungen des Amüsierstücks wohl fühlt. Er zeigt. daß es auch anders geht.?. Set.
Altes und neues Worpswede  . Die Deutsche K u n st g e m e i n s ch a f t(im Schloß) bringt die Erinnerung aus jenen Malerkeis von Worpswede  , einem Dorf bei Bremen  , der mit seiner lyrisch gestimmten Landschaftskunst um die Jahrhundertwende in so hoher Geltung stand und neben dem Dachauer Kreise und ähnlichen Malersiedlungen eine betont Heimat- nahe Richtung still empsundener Naturwiedergabe entscheidend ver- trat. Ihm sind mehrere heute in Worpswede   lebend« Maler mit ihrem Schaffen gegenübergestellt, so daß sich zwei Generationen einer lokalen Gruppe vergleichen lassen. Nun, so harmlos uns heute die Meister der älteren auch an- muten, die Moder söhn, Mackensen, Vogeler, Hans am Ende  , Vinnen u n d O v e r b e ck, die seinerzeit ihr erstes Auf- treten als.Lachkabinett" firmiert haben, weil es ihnen selbst äußerst gewagt erschien so entlegen uns jetzt diese etwas gespreizten An- dachten vor Hügelland und dänrmernder Dorfstraße vorkommen wollen: der Vergleich sällt zu ihren Gunsten aus. Denn das neue Worpswede  , soweit es in dieser Ausstellung sichtbar wird, kenn- zeichnet sich recht satal durch eine gemeinsame Note sarbenlärmender Patzigkeit und breit fuhrwerkender Verwahrlosung, der die unendlich bescheidenere Art der alten vorzuziehen bleibt. Diese genialisch rumpelnde Großspurigkeit der S ch i e st l- A r d i n g, D a m m a s ch, B ö t j e r und Sprieß greift auch auf die formlos überladenen, bunttriefenden Majoliken von Ohler über. Wohltuend frei davon I ö r r e s in einer anspruchslosen Wasserlandschaft, auch die netten, buntsprühenden Darstellungen einer beflitterten Artistiu, karussell- fahrender Kinder von Walter Müller. Zum alten Worpswede  aber gehört auch, und das gibt den Ausschlag, die früh verstorbene Paula Becker-Modersohn  , deren schlichte, befangene, wahr- Haft erdverbundene Ausdrucksweise allein hinüberführt zu dem tiefen Ungestüm der Bildsprache, das die neuen Worpswsder mit ganz äußerlichen Gebärden zu erraffen trachten. W. W.
Fridolin im Märchenland. Bejubelt von vielen hundert Kinderstimmen hat derHeiter? Fridolin"(Märchenausstattungsrevue von George Burchardt) seinen Einzug im Zentral-Theatcr gehalten. Er ist so recht der fröhliche Kamerad, der die Herzen der kleinen Besucher im Sturm gewinnt. Treu hält er sein Versprechen, seinen Freunden das Schönste zu zeigen, was die Kinderphantasie beflügelt: eine Reise ins Märchenland. In einer mit guter Musik untermalten Märchenausstattungsreoue, in der vor allem Kinder die tragenden
Rollen spielen, zieht der Märchentraum vorüber: Rübezahl  , der Berggeist, die Puppensee, Schneewittchen unter den sieben Zwergen, der gestiefelte Kater und zuletzt Hans und Gretel. Jedes der Märchenbilder gibt Anlaß zu Ballettänzen, die von Kindern graziös ausgeführt werden. k-n. Nobel'preis für einen Toten' Die schwedische Akademie hat den literarischen Nobel-Preis dem verstorbenen schwedischen Dichter und Schriftführer der Akademie. Erik Axel Karlfeldt  , zuerkannt. Es ist zum erstenmal in der Geschichte des Nobel-Preifes, daß mit ihm ein Dichter aus- gezeichnet wurde, der nicht mehr am Leben ist. Satzungsmäßig ist diese Zuerkennung durchaus möglich. Karlfeldt, der in diesem Früh- jähr für den Nobel-Preis vorgeschlagen wurde, inzwischen aber ge- starben ist, galt neben Werner von H e i d e n st a m als der größte schwedische Lyriker feiner Zeit.
Auch Frankreich   ha» seine Filmzensurt Regisseur Papst, der auch die französische   Fassung derD r e i g r o s ch e n o p e r" be- sorgte, hat sich genötigt gesehen, den Film in dieser Fassung zurück- zuziehen, da die jranzösische Zensur Entfernung aller Szenen verlangte, die von der Polizeikorruption und von den sozialen Kontrasten handeln. Urheberschutz für bildende Künstler? Vom Reichsverband bil- dender Künstler Deutschlands   ist beim Reichsjustizministerium eine Eingabe gemacht worden, die die Einführung eines Foigerechts für bildende Künstler fordert. Es handelt sich dabei um das Urheber- recht an einem Kunstwerk, das dem Künstler eine Beteiligung am Gewinn sichern soll. Nach dem Muster des Urheberschutzes soll das Folgerecht eine Dauer von 30 Iahren vorsehen. Bon dem Folge- recht sind in diesem Vorschlag Kunstwerke der Baukunst und des Kunstgewerbes ausgenommen. Di« Tanzmatinee der Volksbühne am kommenden Tonnta« um 11.30 Uhr im Theater am Bülowplatz   versucht erstmalig ein Gesamtbild vom tanze- rischcn Schaffen im Rahmen einer modernen Oper zu bieten. Bei den Vor- führungen der Tanzgruppe der Städtischen Oper unter Leitung von Lizzie Maudrik wirke» solistisch mit: Ruth Abramowitsch  , Erna S y d w, Alice U h l e n, Edgar Frank, Georg G r o k e. Außer- dem wird das ganze Tanzensemble der Städtischen Oper ein- gesetzt. Einlaßkarten(auch für Nichtmitgliederl 3. 2 und 1 Matt bei Tictz, Wertheim  , Bote u. Bock sowie an der Theaterkasse. Di« Kam«ra, Unter den Linden  , hat ein kulturhistorisches Filmpro- gramm zusammengestellt, das ab 11. Oktober jeden Sonntag um 11.30 Uhr die Filme mit den Prominenten von einst vereinigt. Diesen Sonntag wird ein Waldemar-Psylander-Film:Der Aviatikcr" undNordlicht mit Ludwig Trautmann   gezeigt.