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Brüning und wir. Lim unsere Stellung zur Reichsregiervng. Voq Otto Meier . In diesen entscheidenden Tagen politischer Hochspannung steht vor uns Sozialdemokraten die Frage: welche Stellung wird die sozialdemokratische Fraktion zum zweiten Kabinett Brüning einnehmen oder vielmehr welche Stellung muß sie einnehmen? Die erste Regierung Brüning wurde gegen die Sozial- demokratie gebildet mit dem ausgesprochenen Ziel, das Steuer der Innenpolitik unter dem Druck der politischen und sozialen Reaktion nach rechts herum zu werfen. Die nach dem Rück- tritt der Regierung Hermann Müller von Brüning vorgelegte Notverordnung, die fast ausschließlich zu Lasten der von der Sozialdemokratie vertretenen Wählerschichten ging, wurde mit den Stimmen der Sozialdemokraten vom Reichstag abge- lehnt. Die hierauf folgende Reichstagsauflösung war eine Fehlspekulation von Brüning, denn der Wahlausgang brachte als Auswirkung der Wirtschaftskrise die ungeheure Stärkung der extrem radikalen Parteien, aber dem Kabinett keine Mehr- heit. Erst die Sozialdemokratie ermöglichte dem Kabinett Brüning das Leben, sie tolerierte es. Sie erreicht« die Ab- wehr der Rechtsdiktatur und ersparte damit bis jetzt der deutschen Arbeiterschaft den Leidensweg, den sie unter einem offenen und verkappten faschistischen Regime gehen muß. Sie erreichte Milderungen des Sozialabbaues. Der Erfolg dieser Taktik, derneuen Phase des Klassenkampfes" lag im Nega- tiven. im Verhindern. Es ist in dieser Situation überflüssig, diese Taktik mit ihren vielen Wenn und Aber als Belastung zu schildern. Es genügt die Feststellung, daß derMut zur Unpopularität", wenn er sich auf die Dauer so konsequent zeigt, auch praktische Auswirkungen hat. Die von Hilferding auf der Berliner Funktionärkonferenz geäußerte Ansicht, daß die faschistische Be- wegung mangels positiver Ergebnisse bereits im Rücklauf sei, ist durch das Hamburger Wahlergebnis widerlegt worden. Unpopularität auf längere Sicht wird ge» fährlich, wenn sie uns die Aktionsbasis ent- zieht und damit zum nutzlosen Opfer wird. Das ist bis jetzt parteipolitisch von unserem Standpunkt als Sozialdemokraten aus gesehen. Daß die systematische Außerachtlassung der Lebensinteressen der arbeitenden und Mm großen Teil jetzt arbeitslosen Bevölkerung noch andere Konsequenzen hat, zeigt die gleichzeitige Zunahme der anti- republikanischen Stimmen. Auch der Hunger ist ein politischer Berater, wenn auch ein schlechter. Dabei mag primitive Ein- stellung gar nicht einmal soweit gehen, die Republik und die Sozialdemokratie für alles verantwortlich zu machen, was auf das Konto der Weltkrise des Kapitalismus kommt. Aber es geschieht nun einmal unter der Republik , daß ein Lohn- abbau den anderen treibt, daß die Sozialleistungen gekürzt werden und das Brot verteuert wird. Es ist schon richtig, daß man über den Hunger nicht den Verstand verlieren darf. Solche billigen Weisheiten machen niemand satt, am oller- wenigsten den, der das Elend in seiner Familie von Tag zu Tag wachsen sieht, der als politisch indifferent aus Klassen- instinkt sozialdemokratisch wählte, der aber jetzt mit der Hofs- nung auf Besserung seiner Loge auch den Glauben an die. politische Demokratie der Republik verliert- Wen die Jahre der Sorge zermürbten, dem ist es schließlich gleich, unter welcher Staatsform er hungert. Sprechen wir es nur offen aus. daß sich die Republik in steigendem Maße unpopulär macht in der arbeitenden Bevölkerung, auf deren Sympathie sie nun einmal angewiesen ist. Dieser Teil der Bevölkerung spürt eben unmittelbar den unerhörten Raubbau an seinen elementarsten Existenzbedingungen, spürt den viel zu geringen Widerstand, hat längst den Glauben an Verhandlungen per- loren. sieht sich von einem zum anderen Mal vertröstet mit dem Hinweis, daß wenigstens die Diktatur vermieden fei. Aus diesem Stimmungsumschwung zieht der Radikalismus feine Kräfte. Wer in entscheidenden Situationen diese gefährlichen Impoderabilien übersieht, macht einen nicht wieder gut zu inochenden Fehler. Wer sich seiner politischen Verantwortlichkeit bewußt ist, muß wenigstens wissen, daß sie verstanden und anerkannt wird. D' Sozialdemokratie ist in dieser Verantwortlichkeit bei- nah--�Ks zur Aufgabe wichtigster Prinzipien, die ihre Lebens- basis bilden, gegangen. Sie hat damit freilich die Diktatur verhindert, aber leider nicht das Verständnis in den Massen gefunden, das man nach diesen Opfern hätte voraussetzen dürfen. UndnochvielwenigerhatsiedafürAn- er kennung gefunden bei der Regierung Brü­ning. die bis jetzt auf Kosten-der Popularität der Sozialdemokratie leben durfte. Der Dank vom Haufe Habsburg !? Das Kabinett Brüning tritt ab, obne auch nur für�otwendig zu hasten, mit einem Sterbenswörtchen die Partei benachrichtigen, der es fein Dasein verdankt. Auf einen Wink von oben verschwindet es urplötzlich in der Versenkung und entledigt sich noch schnell der sorgfältig vorbereiteten Diktaturgesetze, deren Tragweite in dem Wirrwarr der Regierungsumbildung leider noch nicht voll oewürdigt wurde.. Die merkwürdige politisch« Aktivität des Reichsprafi- denten. von dem peinlich oft in der bürgerlichen Presse be- hauptst wird, daß er den verfassungsmäßigen Boden nicht zu verlassen gedenke, bringt ein Kabinett zustande, das äußerlich beinahe so aussieht, wie das abgetretene. Beinahe! Bis auf den schwerindustriellen IG.-Farben-Mann Prof. Warm- bold und die Betrauung des Reichswehrministers General Groencr mit dem Ressort des Innenministers. Uns Sozial- demok'-aten sollte hier weniger die Naturgeschichte derjenigen interessieren, die n i ch t in das Kabinett hineingekommen sind. Viel wichtiger erscheint die' Verkoppelung der Reichswehr mit der In nen Politik. Es riecht brenzlich in Deutschland !...... Durch die neue Notverorturung sind die wichtigsten Grundrecht- des Staatsbürgers außer Kraft gefetzt. Politische Voraussicht gebietet nicht nur zu fragen, gegen wen dieser Schlag im Ä u g e n b l i ck geführt werden soll, sondern.wen er in Zukunft treffen kann. Hier ist ein Punkt, bei dem sich Politik für den Augenblick schwer rächen kann. Heute wird Harzburg die Front der nationalen Opposition sehen. Gestern ist Hitler , der bedenken- und gedankenlose Oppositionsmann vom Reichspräsidenten empfangen worden. Es ist dabei nicht dos Entscheidende, daß er nun einmal der Führer einer großen Partei ist. Wir wollen die entscheidende Frage anders stellen: Glaubt Man wirklich der Sozialdemo­kratie zumuten zu können, für die neue Re-

Das Kommando über die nationale Krönt. Die 7ISOAP. als weitaus stärkster uud enifcheidender Machtfakior wird auch dieser großen gemeinsamen Kundgebung in Harzbmg den S t e m v e l ihres viegeswillens aufprägen und die Marschrichtung angeben.Baltischer Beobachter."

Hier steht die nationale Front, sie ist mein Werk."

»Die entscheidende Stunde im Kampfe hat geschlagen. Ich, Hugenberg, ziehe mein Schwert..

... Lnd nun auf zum Sturm, alles hört auf mein Kommando: Vorwärts, marsch, marsch!" /"

Hitler :Sehr schön, Herr Hugenberg, aber dazu brauchen wir Sie nicht mehr!"

Reichsbanner aufgeschloffen! Ei« Aufruf des Bundesführers.

Die ti-sste Not des deutschen Volles wollen politische Reaktionäre ausbeuten zur Errichtung der faschistischen Diktatur. Eine sogenannte nationale" Opposition kündigt den Zusammenschluß derer an, die in der Geschichte als die Verderber Deutschlands dastehen, auch ohne daß ihre Pläne von heute Verwirklichung finden. Wir im Reichs- banner Schwarz-Rot-Gold vereinten Republikaner schließen uns fester zusamw-m in einer Zeit, wo ander« von Weltuntergangs- stimmung erfaßt sind. Sturmriemen runter! Die Front fest« gefichljosfe«? Nur die eine Meinung gilt: Engster Zusammenschluß, eiserne Front! Wer sich nicht uwerordnen kann, versteht nicht die Zeichen der Zeit. Das Reichsbanner ist parteipolitisch neutral. Trotzdem sprechen wir unser tiesstes Vedauern aus über den hinterhältigen Abfplitterungsversuch von der größten republikansschen Partei, der Sozialdemokratie. Wir sind um so mehr berechtigt, das Verhalten dieser Spalter zu verurteilen, da angekündigt wird, daß man auch eineAbwehrorganisation" errichten wolle. Das Verhallen dieser

Leute, die sich noch nie einfügen konnten und die sich nie einfügen werden, stärkt die Gegner der Republik . Dm» Reichsbanner allein ist und bleibt der Schutsbund der Republik ! Ohne das Reichsbanner wäre in den vergangenen Jahren in groß-n Teilen des Reiches eine Betätigung der Parteien, die zur Republik stchen, nicht mehr möglich gewesen. Jeder Versuch, die Schuß- und Abwehrorganisation der Republik zu schädigen, muß deshalb quf das schärfste zurückgewiesen werden. Die Reihe« aufgeschlossen! Die Parole für die nächste Zukunft bleibt die alle: Einigkeit in der republikanischen Front! > Tritt gefaßt und Fahnen frei! Hörsing.> Bunbeöführcr des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold.

gierung zu votieren, nachdem ohne Fühlung- nähme init ihr das erste Kabinett Brüning zurücktrat und zwar auf Druck des Reichs- Präsidenten, der einen Hitler ohne Rück- ficht darauf entpfing, daß die national- sozialistische Fraktion der von ihm be- stätigten Regierung das Mißtrauen aus- sprechen will? Ist es wirklich schon so weit, daß man sich der Sozial- demokratie unter allen Umständen so sicher glaubt? So sehe ich die Dinge, wie übrigens viele andere auch. Die Sozialdemokratie kann nicht über ihren Schatten springen und es ist oft genug und deullich genug betont worden, daß an einem gewissen Punkte die an uns gestellten Anforderun- gen ihre Grenze finden müssen. Schließlich kann man sich auch ein Berantwortungs- bewußtfein für die deutsche Arbeiterschaft ohne Regierungs- bstsiligung oder Tolerierung vorstellen. Ein Mißgriff. photographierverbot bei der Hitler-Avdienz. Bei dein gestrigen Empfang Hitlers durch den Rleichspräsi- denten ist den P r« s s c p h o t o gra p h« n. die sich vor dem ltzalais in der Wilhelmstroße aufgestellt hallen, untersagt wor­den, Aufnahmen zu machen. Zuwiderhandelnde Photographen wurden von der Polizei festgestellt. Ueber diese Maßnahme, die von dem preußischen Innenminsste- rium getrosjen wurde, erfahren wir, daß sie auf ausdrücklichen 'Wunsch der«Reichsbehorden erfolgte. Offenbar befürchtete man schädliche Rückwirkungen im Auslande, falls draußen in der Welt der Augenblick durch das Bild festgehalten wird, in dem der Theater in der Giresemann-Giraße. Ich weiß etwas, was Do nicht weißt." Ein amerikanisches Lustspiel, von Paul Osborne hübsch aus fern Leben gegrissen. mit gut gesehenen Typen und viel lustigem Drum und Dran. Die amüsanteste Figur Rosa B a l e t t i als quicklebendige allere Frau mit Vergangenheit. Großer Beifall.- Dxr.

Putschistenhäuptling vom Staatsoberhaupt in Audienz empfangen wird. Wenn dem so ist, dann hätten die zpstandigen Stellen den Mut haben sollen, ihre Bedenken gegen diesen Empfang vorher anzumelden. Allein hie gedruckten Berichte über die Tatsache der Audienz mußten schon die befürchtete Schädigung der deutschen Interessen in der Well erzeugen. Durch Photographierverbot war diese peinliche Angelegenheit nicht aus der Welt zu schassen, sandern sie ist dadurch nur unterstrichen worden. Der Leid- tragende ist dabei nur die preußische Polizei, die eine Sache aus- baden muß, für die die R e i ch s st e l l e n allein verantwortlich sind. Henderson bei Lloyd George . Wahlbündnis der Arbeiterpartei mit den aufrechten Liberalen? Gestern hat Arthur Henderson als Führer der Arbeiter- parlei dem von einem großen Teil feiner Gruppen verlassenen Führer der Liberalen Lloyd George auf dessen Landsitz in Ehurt einen Besuch abgestattet, der in England große Sensation hervorgerusen hat. Man spricht davan, daß bestimmte Verein- barungen zwischen der Labaur Party und den freihändlerischen Liberalen getroffen werden fallen. Diese Vermutung wird durch ein« Aeußerung des liberalen BlattesManchester Guardian" oer- stärkt, wonach wirtliche Liberalen lieber ihre Stimmen einem Arbeiierkandidaten als sogar etnem liberalen Kandidaten geben wollten, der als Anhänger der gegenwärtigen Regierung von Kon- fervativen unterstützt wird- Im übrigen weigert sich Lloyd George hartnäckig, auch nur einen Pfennig aus dem liberalen W a h l f o n d s jenen Kandidaten zur Verfügung zu stellen, die einer der beiden anderen liberalen Gruppen Sir Herbert Samuel oder Sir John Simon an­gehören. Dadurch sind die Regierungsliberalen dieser beiden letzten Gruppen in arger Verlegenheit geraten und erlassen verzweifelte Aufrufe zur Sammlung von Wahlgeldern. Die Unabhängige Arbeiterpartei will eigene Kandi- baten auch gegen die Labour Party aufstellen, nachdem sie sich geweigert hat, die Disziplin der Arbeiterpartei anzuerkennen. Auch die K o m m u n i st e n und die faschistenfreundliche M o s l e v Gruppe stellten in einigen wenigen Wahlkreisen eigene Kad'> nns.-*-