Nr. 481 48. Jahrgang
1. Beilage des Vorwärts
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Die Brüder Sklarek.
Erregte Zusammenstöße mit Stadtbankdirektor Hoffmann.
In einer Hinsicht war der erste Berhandlungstag im StlaretProzeß, abgesehen von allem anderen, von besonderem Interesse. Die Brüder Sklaret offenbarten mit aller Klarheit, wie sie ihre Verteidigung einzurichten beabsichtigen. Nicht sie haben betrogen, sondern sie sind die Betrogenen; und dann haben sie sich mit den geschäftlichen Angelegenheiten überhaupt nur sehr wenig befaßt; alles lag in den Händen von Mar Sklaret, der sie, die beiden anderen Brüder, an die Geschäftsführung nicht herangelassen habe. Mar Sklaret liegt aber, wi eder Gerichtsarzt Dr. v. Mahrenholz nach seinem Besuch beim Kranken dem Gericht mitteilte, im
Sterben.
Sämtliche Angeklagten erklären auf Vorhalt des Vorsitzenden, messen sie angeklagt find: ich bin unschuldig, ich bin vollkommen unschuldig, ich bin wirklich unschuldig. Das Gericht tritt dann in die Vernehmung des Angeklagten Leo Stlar ef ein. Vors: Sie haben doch die Anklageschrift gelesen? Leo Sflaret: Nein. Vors.: Weshalb nicht? Leo Sklaret: Weil ich schon nach den ersten paar Seiten gesehen habe, daß hier alles verkehrt dargestellt ist. Vors.: Bielleicht waren die letzten Seiten richtig? Leo Sklaret: Nein. Vors: Sie haben sie doch nicht gelesen. Vors.: Ihr Vater stammt aus Rußland , ist als 3wanzigjähriger nach Deutschland gekommen, Ihre Mutter war Deutsche , im Jahre 1911 heiratete Ihr Vater nach dem Tode Ihrer Mutter zum zweiten Male. Hat Ihr Vater nach seinem Tode Mittel hinterlassen? Leo Sklaret: Was man so Mittel nennt. Vors. Von Ihren Begriffen wollen Sie natürlich nicht ausgehen. Ihre Stiefmutter lebt noch. Wird sie von Ihnen unterstützt? Leo Stlaret: Ja, soweit wir dazu imstande sind. Wir werden jetzt selbst von unseren Freunden unterstützt. Vors.: Von Ihrem 14. Jahre an lernten Sie und Ihre Brüder in der Konfektionsbranche, Sie hatten Anstellungen in verschiedenen Firmen. Haben Sie auch die Buchführung gelernt? Leo Sklaref: Ich verstehe von Buchführung gar nichts, habe in die Bücher niemals hineingesehen, bin überhaupt mur eine Stunde im Geschäft gewesen und habe mich die ganze übrige Zeit dem Rennsport hingegeben. Mag Sflaret war der Organisator und der große Finanz
mann.
Auch eine andere interessante Angelegenheit tam zur Sprache. Mar Sklaret hatte nämlich die Gewohnheit, eine Wahrsagerin in Neukölln, eine Frau Seidler, wegen zukünftiger Geschäftsaussichten zu befragen. Willi behauptet, deswegen mit seinem Bruder ständig Streit gehabt zu haben. Vors.: Die Wahrsagerin hatte doch Ihrem Bruder Mag einen ganz guten Lip mit Rieburg gegeben. Uebrigens besuchte auch Leo Sklarek die Wahrsagerin. Er habe zwar nicht an sie geglaubt, es seien aber sehr viele pro| minente Persönlichkeiten des Berliner Magistrats bei der Wahrfagerin ein- und ausgegangen; sie hätte ihm auch erzählt, daß sie mit Erfolg im kaiserlichen Hauptquartier während des Krieges geweissagt habe...( Na, also!)
Es folgt die Erörterung der Geschäftsgründungen der Gebrüder Sklaref. Im Jahre 1921 wurde die Offene Handels gesellschaft gegründet. Leo Sklarek brachte 100 000 Mark ein. Vorsitzender: Und Ihr Bruder Max, was brachte der ein? Leo Sklaret: Gar nichts. Wir wollten ihn nur als Organisator. Die Räume auf dem Hausvogteiplatz wurden bald zu eng, es wurden in der Niederwallstraße Fabrikationsräume gemietet. Im Jahre 1925 wurden die Textilwerke Gebrüder Sklarek gegründet; um Deckenlieferungen ausführen zu können, sagen die Angeklagten.
Schließlich bestanden in der Kommandantenstraße, in der die Brüder Sklaret ihre Geschäfte betrieben, drei Firmen. In der ersten Etage war Mar Sklaref in der KVG. tätig, in der dritten Etage hatte Leo Sklaret bei der Textilgroßhandlung sein Bureau, und in der 4. Etage befand sich der Fabrikationsbetrieb von Willi Sklaret. Leo Sklaret schildert die Dinge wieder so, daß er sich fast nur um sein Gestüt gekümmert habe und im Büro nur selten gewesen sei. Vorsitzender: Sie waren es, der hauptsächlich mit der Stadtbank
Mittwoch, 14. Oftober 1931
verhandelt hat? Leo Sklaret: Nein, ich habe nur Aufträge aus= geführt. Die geschäftlichen Dinge waren mit Direktor Hoffmann in fünf Minuten erledigt. Dann unterhielt ich mich mit ihm über Pferde, er hatte die verschiedensten Anliegen an mich, ich war für ihn die Versorgungsperson, wir waren die besten Freunde. Wir haben uns auch zusammen photographieren lassen. Vorsitzender: Direktor Hoffmann hat sich aber beschwert, daß Sie ihn stundenlan cufhalten. Leo Stlaret: Das ist nicht wahr..
Der Stadtbankdirektor sagt aus. lich aus. Natürlich mußte ich Herrn Leo Sflarek gegenüber höf= Direktor Hoffmann: Ja, die Besuche dehnten sich außerordentlich sein, da er unser Kunde war, und ich tat es im Interesse der Bank. Wir haben doch anderthalb Millionen für die Bank herausgeholt. Das ist das furchtbarste, was mir passieren konnte, daß ich jetzt hier size. Das Bankinstitut iſt ein Stück von mir selbst, und jetzt habe ich den Speer in den Rücken erhalten.( Mit erhobener Stimme): Ich habe nur meine Soldatenpflicht erfüllt und stehe hier als Lump! Leo Sklaret( rricht minder erregt): Ich glaube, wir waren die besten Freunde. Direktor Hoffmann: Freundschaft das ist so ein Begriff. Zwischen Ihnen und mir besteht eine unüberbrückbare Kluft. Leo Stlaret( in höchster Erregung): Führen Sie hier feinen Sokrates auf wie im Landtag. Am 16. Februar kamen wir aus Pistyan, am 20. haben Sie die ganze Nacht mit mir durchgezecht. Nachdem durch die Revision die ganze Angelegenheit aufgedeckt war, wäre es Ihre Pflicht gewesen, mir alles zu sagen. Hoffmann: Soo?! Rechtsanwalt Dr. Pindar: Ist es richtig, daß auch Ihre Frauen miteinander verkehrt haben? Direktor Hoffmann: In. Ich habe ja nicht gewußt, daß die Fälscher die Sklareks waren.
Die Gflarefs als Idealisten!
Leo Sklarek: Das sind sie heute noch nicht, Herr Hoffmann. Wir sind Idealisten. Willi Sklaret( in noch größerer Erregung) zum Stadtbankdirektor Hoffmann: Warum sind Sie jetzt so feige? Alle Stadtbankdirektoren und alle hohen und höchsten Magistrats
SA.- Burschen ziehen um
Direktor Hoffmann hat ihn ja auch für den alleinigen Ge- Alte Nazi- Kasernen werden geschlossen- neue erstehen
schäftsinhaber gehalten. Vor f.: Sie haben aber Mar Sflaret im Jahre 1919 in das Geschäft hineingenommen. Leo Sklaret: Ja, zu unserem Unglück. Vors.: Was heißt, zu unserem Unglüc? Leo Sklaret: Ich meine, daß wir jetzt auf der Angeklagebant fizen. Bors.: Ich möchte eins sagen, hoffentlich werden die Brüder hier einstehen für das, was sie getan haben. Es wäre nicht schön, alles auf den sterbenden Bruder abzuwälzen. Es ist ja Ihre Spezialität, sich auf Tote zu berufen.
Die begehrte Wahrsagerin.
Leo Stlaret: Wir wollen hier nur die volle Wahrheit sagen. Ich habe mich mit meinem Bruder Mag nie verstanden, er chat ein herrisches Wesen, er war nach oben strebend. Er wollte seinen großen Namen haben. Ich dagegen lebte meinem Renn sport. Der Vorsitzende stellt fest, daß der Angeklagte Leo Sklaret schon vor dem Kriege einen Offenbarungseid geleistet hat, und daß er dem Finanzamt falsche Angaben über die Herkunft des Geldes gemacht, für das er sein erstes Pferd gekauft hatte. In der Kriegszeit haben die beiden Brüder Leo und Willi das Gardekorps und die Kommunalbehörden mit Textilien beliefert. Leo Sklaret wurde als feindlicher Ausländer in Militärgewahrsam genommen; er tam um seine Einbürgerung nach. Dem Gesuch sollte stattgegeben werden unter der Bedingung, daß er seiner Militärpflicht genüge. Er wurde t. v. geschrieben, aber von seinem Bruder wenige Monate vor Kriegsende unter dem Vorwande reklamiert, weil Kriegsliefe rungen zu erledigen wären.
WENN DERK
55)
DERKURS FALT
ROMAN
VON
Fly Scherret
Arme Kleine!" bestätigt Frau Caspari. Heute ist die Lotte Mitte zwanzig. Wie lange noch, und es kommen jüngere, die frischer sind und besser aussehen. Man müßte das alles ganz anders organisieren. Dazu verbittert sie sich selbst ihr Leben durch Intrigen gegen die Kollegen. Warum haßt die Hinzelmann die Rosolf? Warum hält sie nicht zu ihr, die doch auch eine Angestellte ist? Neid und private Bankereien geben den Ausschlag und lassen keine Solidarität auffommen. Frau Caspari beschließt, zum Abschied Fräulein Hinzelmanns Kopf etwas zurechtzurücken. Sie hat die Kollegin trotz des Plappermaules im Laufe der Jahre als anständigen Menschen schäzen gelernt..
Sein Sie mal einen Moment still, Lotte, ich muß Ihnen was sagen." Sie drückt Fräulein Hinzelmann auf ihr Stühl chen nieder und setzt sich auf die Kante des Schreibtisches. Also passen Sie mal auf: wäre es nicht besser, Sie würden sich mit Fräulein Rosolf gut stehen? Ruhe, jetzt rede ich!" unterdrückt sie jeden vorzeitigen Einwand. Ihr braucht ja nicht miteinander Brüderschaft zu trinken, aber im Büro kann doch Harmonie herrschen. Zusammenarbeiten! Es ist alles fo verkehrt! Der ,, Meckerer" faselt dauernd: wir ziehen alle an einem Strang, aber es ist nichts dahinter! In diesem Kontor fann von einem Zusammenhalten der Angestellten gar feine Rede sein und so ist es doch wohl in den meisten fleinen Betrieben."
Na, flar, Mensch!" Fräulein Hinzelmanns Ton flingt mürrisch. Ich kenne den faulen Zauber von Grund aus."
Das muß sich ändern!" ruft Frau Caspari. Barum seid ihr nicht alle im Verband?! Wenn es darauf ankommt, fich beim Chef lieb Kind zu machen, vergeßt ihr die Kollegialität und geht über Leichen...!"
,, Jeder will vorwärts kommen. Wenn man eine Kollegin ausstechen fann, soll mans tun, sonst tut sie es", verfündet Fräulein Hinzelmann ihr Evangelium des Erfolges.
Das ist falsch und dumm! Was haben Sie davon, gegen die Rosolf zu stänfern?"
Das energische Durchgreifen der Berliner Schuhpolizei gegen die militärischen Stüßpunkte der SA.- kolonnen hat den Uebermut dieser Terrorgruppen etwas gedämpft. Dabei fuchen sich jetzt die Berliner Nationalsozialisten, die immer unverhüllter ihre Rüftungen zum Bürgerkrieg betreiben, als die verfolgte Unschuld hinzustellen.„ 1000 SA.- Leute obdachlos", 6000 Nationalsozialisten ohne Effen",..Obdachlose SA. von der Polizei verhaftet", lauten die Schlagzeilen der faschistischen Preffe Berlins .
Diese Ablenkungsmanöver. merden die wachsame Arbeiterschaft nicht irreführen. So gingen uns am Tage nach der Schließung der berüchtigsten Nazikasernen fortgesetzt Mitteilungen zu, daß am Tegeler Weg Nr. 7 der SA.- Sturm 31 ungeniert sein Treiben fortsete. Man kümmerte sich dort nicht weiter um das Verbot, sondern hauste ruhig in der Kaserne weiter, als wäre nichts geschehen. Das ging so lange, bis am Dienstag ein Polizeikommando vorfuhr und acht SA.- Leute, die verbotswidrig in ihrer ehemaligen Kaserne weiter genächtigt hatten, festnahmen und zum Polizeipräsidium brachte. Auch die Ausräucherung der Nazikaserne in der Lüßowstraße 93 verlief nicht ohne Reibereien. Hier stellte sich die ausquartierte Befagung vor der Haustür auf und jammerte, wie uns Augenzeugen berichten, den Passanten vor: ,, Warum schmeißt uns denn die Polizei auf die Straße? Jezt haben wir keine Wohnung mehr, wo sollen wir bloß schlafen?" Dabei haben die Burschen, die die Polizei in den meisten Fällen feststellte, Unterkunftsmöglichkeiten bei ihren Eltern. Wenn nun die Deutsche Zeitung" in ihrer Abendausgabe
,,' n Vergnügen!" Fräulein Hinzelmann winkt ab. ,, Lassen Sie man. Ich weiß, daß Sie es gut meinen, aber Sie sind ja jetzt sozusagen der feine Mann, Sie betrachten uns Büroangestellte von außen, auch wenn sie noch ein paar Tage hier arbeiten. Ich hab früher als Pims die besten Absichten gehabt. Mit siebzehn Jahren trat ich bei Carl Berner Nachfolger ein. Das ist die Druckerei in der Grabenstraße. Ne feine Wirtschaft war da! Lauter Weiber. Ich hatte Angst vor der Kontoristin, die drei Jahre älter war, und die hatte Angst vor der Stenotypistin, und die hatte wieder Angst vor der Buchhalterin, einem Satan von 30 Jahren, und das Ganze zitterte vor dem Prokuristen. Der Chef war ein netter alter Jude. Damals wollte ich noch mit allen Leuten in Eintracht leben aber inzwischen bin ich müde geworden. Glauben Sie mir: man wird so stumpf und interesselos, wenn man jahraus, jahrein im Büro hockt, gleichgültig, ob es sich um Carl Berner Nachfolger oder um Ed. Silvester u. Söhne handelt. Man denkt gar nicht mehr darüber nach, was man tut, wenn man anfängt nachzudenken... Na, lieber nicht! Und was die Vilma Rosolf betrifft, so ist das alles nicht so schlimm. Natürlich hab ich ne Wut, weil sie es besser versteht, und wenn sie wieder mal' n neues, piffeines Kleid an hat, möcht ich ihr die Wasserwellen zerraufen, aber das ist nur eine Augenblickssache. Im Grunde meine ich es nicht bös. Ich verstehe nicht, daß Sie überhaupt zuhören. Was geht denn sie das noch an?" Es klingt feindselig.
Fräulein Hinzelmann, geben Se mal diese Depesche durch. Aber sofort." Bürochef Ziege ist eingetreten. Es ist feine Art, plößlich da zu sein, ohne daß ihn jemand kommen hört. Können Sie alles lefen?" Er fährt mit dem Zeigefinger die Reihen des Telegrammformulars entlang. Roggen cohn, Riga !" Diese Telegrammadresse ist Herrn Ziege befonders wichtig, denn er wiederholt noch einmal; indem er Fräulein Hinzelmann hypnotisierend in die Augen sieht: Roggencohn, Riga . Einfach."
,, Bitte die Telegrammaufnahme!" hört Frau Caspari Fräulein Hinzelmann telephonieren. Sie fommt sich plötzlich überflüssig vor. Hier geht alles weiter wie immer, ohne fie und ihre guten Ratschläge. Ich werde nichts ändern, sieht sie ein. Ich werde eine hübsche Wohnung haben, schöne Kleider tragen und dieses eine Jahr der langweiligen Arbeit bald vergessen. Aber Lotte Hinzelmann muß bleiben, muß weiter Stenogramme aufnehmen, Telegramme durchgeben, jeden Werktag von acht bis vier in den Räumen der Firma Ed. Silvester u. Söhne das tun, was man von einer guten
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vom Dienstag schreibt, das Mobiliar wäre schließlich wieder in das Haus Lüzomstraße 93 geschafft worden, dann ist das nur die halbe Wahrheit. Wir freuen uns, daß durch unsere Veröffentlichungen die Wachsamkeit der republikanischen Bevölkerung geschärft worden ist. So wird uns mitgeteilt,
daß die S.- Ceute von der Lützowstraße 93 in eine leerstehende Großwohnung in der Körnerstraße 1 gezogen sind; andere haben sich in der Fottwellstraße verborgen. Die Berliner Arbeiter werden den nationalsozialistischen Mordbuben weiter gehörig auf der Spur bleiben.
Wir werden noch nachträglich von Friedenauer Jugendgenossen darauf aufmerksam gemacht, daß fast kein Tag verging, an dem nicht Ueberfälle auf Mitglieder der SAJ. von der Friedenauer Nazifaserne in der Fregestr. 6 aus organisiert wurden. So gut wie jeder Heimabend unserer Friedenauer Jugend wurde von SA.- Leuten belagert und die Genossen auf dem Heimwege hinterrücks überfallen. Am 28. Juli wurde dabei dem Genossen Herbert T. das Nasenbein eingeschlagen. Am Tage darauf mußten sich die Jugendgenossen von Schußpolizisten nach Hause begleiten lassen, da die SA. gedroht hatte, ihnen alle Knochen zu brechen und schließlich am 16. September wurde der Jugendgenosse Walter T. furchtbar von den SA.- Horden zugerichtet. Es wird für Friedenau noch festzustellen sein, ob die bisherige Polizeiaktion ausreicht, um den Terror der Friedenauer Sturmfolonnen der Hakenkreuzler wirklich zu brechen.
Stenotypistin mit französischen und englischen Sprachkenntnissen verlangt. Zur Erholung darf sie sich mit den Kollegen herumzanken. Frau Caspari fühlt eine große Erleichterung. Ich bin frei! Ich kann leben wie es mir gefällt! Gleichzeitig denkt sie beschämt: ich werde der kleinen Hinzelmann etwas Schönes schenken. Zum Andenken!
,, Der Chef wollte mich sprechen." Johannes Frey, der Betriebsobmann der fünfzehn Lagerarbeiter in den beiden Silvesterschen Speichern, tippt Fräulein Hinzelmann auf die Schulter. Er ist um die dreißig herum und groß und breit ge= wachsen. Sein Gesicht zeigt den vierkantigen, ostpreußischen Typ.
,, Hab ich mich erschreckt", juchzt Fräulein Hinzelmann. Sie müssen immer ihre Wippchen machen." Eine Anrede vermeidet sie. Nur einfach den Namen zu nennen, erscheint ihr unpassend und noch unpassender, vor diesen Namen die
Bezeichnung Herr zu setzen. Der Begriff Genosse ist ihr un
bekannt oder zum mindesten nicht geläufig.
Frey" grüßt furz Frau Caspari, die in den Briefordnern ,, Sonst merken Sie am Ende nicht, daß ich da bin." framt, um nicht unbeschäftigt zu sein, wenn ein Außenstehender in die geheiligten Büroräume eindringt.
Fräulein Hinzelmann schwankt in ihren Sympathien für Fren. Sie bemundert seine trainierte, muskelbewehrte Männlichkeit und wird abgestoßen, weil ein Arbeiter unter dem Bürger rangiert. Ich melde Sie!" Sie furbelt zum Ches. Sie sollen reinkommen!"
James wühlt in gleichgültigen Papieren. Er sitzt hinter dem Schreibtisch, weil man dort immer sicher und geborgen fißt. Der Schreibtisch sondert scharf und akzentuiert den Machtbereich der Gnadensonne von der Sphäre der Besucher oder Bittsteller. Vor ein paar Tagen stand James als Schnorrender vor einem Schreibtisch, jetzt darf er hinter diesem Schutzwall das beruhigende Gefühl des Chefs genießen. ,, Morgen, Herr Silvester!"
,, Morgen, Frey! Sehen Sie sich bitte." Im Verkehr mit feinen Arbeitern gelingen James joviale Herzenstöne.„ King sei artig!" Er gibt der Dogge, die verdächtig zu knurren beginnt, einen Klaps auf den Schädel.
,, Die übliche, freundliche Begrüßung. Kennen mir schon." Frey hat sich auf einen Stuhl vor dem Schreibtisch gesetzt. Immer ruhig Blut, mein Schwälbchen.... Ja....!" ( Fortsetzung folgt.)