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Beilage

Mittwoch, 14. Oktober 1931

nullatensvlogexatio Der Abend

Staat/ Schule/ Lehrer

Adsla testagog Auseinandersetzung mit dem Problem der Staatsbürgerkunde

Profeffor Dr. Ludwig Bergfträffer:

Studienrat und Staat

,, Hochschulreform und wissenschaftliche Ausbildung der Philo­logen" ist der Titel einer Denkschrift, in der der Verband der deutschen Hochschulen gemeinsam mit dem Deutschen Philologenverbande zu einer Frage Stellung nimmt, die derzeit nicht nur öffentlich diskutiert, sondern im preußischen Mi­nisterium für Wissenschaft, Kunst und Bolksbildung ernstlich im Sinne einer Neuordnung bearbeitet wird. Zeitungen berichten, daß dabei eben diese Denkschrift den Beratungen zugrunde gelegt werde. Anlaß genug, fich mit ihr zu beschäftigen.

Dabei soll hier nicht auf die Denkschrift im allgemeinen ein­gegangen, es soll nur die eine Frage herausgehoben werden: mie stellt sich die Denkschrift zur staatsbürgerlichen Bildung der zukünftigen Studienräte? Die Antwort ist leicht, fie stellt sich gar nicht. Denn diese Denkschrift geht von einem ganz anderen Grundprinzip aus, dem der Wissenschaft"; ihr habe nicht nur die Hochschule, sondern auch die höhere Schule hauptsächlich zu dienen, der Studienrat nicht nur in seiner Lehrtätigkeit. ,, Er ist verpflichtet und berufen, auch außerhalb der Schule die Ber­bindung der Bevölkerung mit seiner Fachwissenschaft aufrecht zu erhalten." So die Denkschrift. Nimmt man einen so einseitigen,

fchaften, auch im Geschichtsunterricht, sehr viel tut. Aber es fehlt die System atit, es fehlt an vielen Schulen auch nur ein ge­eigneter Lehrer, und es geschieht im Unterricht der meisten Fächer überaus wenig, obwohl doch neuere Sprachen z. B. Anlässe genug gäben, die aber zum Teil auch bei gutem Willen nicht wahr­genommen werden können, da die Vorkenntnisse fehlen.

Dem eben sollte durch die vorgeschlagene Erweiterung der all­gemeinen Prüfung geholfen werden. Die Belastung ist natürlich nicht zu bestreiten. Sie könnte dadurch kompensiert werden, daß logischen, einzelne Kenntnisse nicht mehr verlangt würden, die für in einzelnen Fächern wenigstens, ich denke besonders an die philo­den Unterricht völlig unnötig sind und auch vom Standpunkte der

Shalausgabe des Vorwärts

das Material erst mühsam unter Opfern an Geld und Zeit zu fammensuchen.

Wesentlich ist vor allem, daß der Lehrer an der Uni­versität nicht die genügende Vorbildung für die jüngste Geschichte erhält.

Preller erwähnt, daß von 624 wöchentlichen Vor­schichte im Sommersemester 1929 angesetzt waren, nur 12(!) der natürlichefungsstunden, die an 23 deutschen Universitäten für Ge­neuesten Geschichte galten. Lehrstühle für dieses in den Universitätsseminaren sind weiter zurückliegende Jahrhun Gebiet gibt es überhaupt nicht. Das Hauptarbeitsgebiet derte. Durch diese Verhältnisse auf der Universität leidet die Bor­bereitung der Geschichtslehrer für einen lebensnahen Unterricht in Geschichte und Staatsbürgerfunde. Preller stellt fest: Im ganzen Universitäten hinsichtlich des behandelten Stoffes proportional der darf man sagen, daß die Pflege der Geschichtswissenschaft an den Bunahme seiner Bedeutung für die Gegenwart abnimmt".

Wissenschaft entbehrt werden können, da diese ja, was man vielfach zu wenig beachtet, nicht von der Quantität abhängig ist. alle Lebensverhältnisse aufs tiefste eingreift. Die Schule darf daran Wir leben in einer Zeit stärksten politischen Geschehens, das in nicht vorbeigehen, wenn sie nicht welt fremd sein und bleiben will. Bolksvertretung sein, die bedauerlichen und bedenklichen Lücken zu Es wird Sache der ministeriellen Instanzen, Sache auch der füllen, die diese allzu eng in der Wissenschaft" steden bleibende Denkschrift betrüblicher- und bezeichnenderweise gelassen hat. Dr. S. Weinberg:

Es

wird nötig sein, bei einer Reform des Hochschul­Aufgaben der Gegenwart weit stärker berück­studiums dafür zu sorgen, daß die Probleme und

fichtigt werden.

wenn auch flaren Ausgangspunkt, ſo iſt es selbstverständlich, daß Schafft Lebensnähe im Geschichts  - für

alles andere hiergegen zurücktreten muß; wozu denn auch der Staat gehört.

Bom Staat ist darum folgerichtig in dem allgemeinen Teil

unterricht!

Den praktischen Hauptwert der Behandlung der neuesten Ge­schichte im Unterricht sieht Preller in seiner Bedeutung die staatsbürgerliche Erziehung. Staats: bürgerliche Erziehung darf sich nicht auf theoretische Be­handlung der Reichsverfassung beschränken. Durch Einführen in das Geschehen der Nachkriegszeit kommen die politischen und wirt­örterungen abstrakter Art. Besonderen Wert legt Preller auf die ausführliche und sachgemäße Behandlung des Völkerbundes. Hierbei entwickelt, er einen wichtigen Saz:

der Denkschrift gar nicht die Rede. Nur in den besonderen Sie will nicht unter ängstlicher Vermeidung jeder Berührung mit Ichaftlichen Probleme viel deutlicher zur Vorstellung als durch Er­

Ausführungen, die den einzelnen Lehrfächern gelten. Und wir wollen gern anerkennen, daß da sogar ein Fortschritt zu verzeichnen ist, indem auch bei den ausgesprochenen philologischen Fächern den alten Sprachen vertieftes Interesse und Verständnis für die Bedingungen und Aeußerungen des staatlichen Lebens" verlangt wird, bei den neueren Sprachen wenigstens besondere Kennt­nisse in der Geschichte und der Wirtschaft des betreffenden Voltes. Auffällig immerhin diefe Differenzierung, auffällig, daß für die alten Sprachen offenbar mehr Kenntnis der politischen Vorgänge ver­langt wird als für die neueren. Denn man weiß ja, wie leicht es bei dem Erfordernis geschichtlicher Kenntnisse in der Praxis dazu tommt, daß für das Englische etwa die Zeit Shakespeares, für das Französische das Zeitalter Ludwigs XIV. als das Wichtigste an­gesehen wird, weil es die Zeiten der klassischen Literatur sind. Mit anderen Worten, wir sind noch weit entfernt, nach dieser Dent­schrift, von der Forderung, daß der zukünftige Studienrat die Politit des betreffenden Landes genau fenne, sich in seinen Gegenwartsproblemen völlig zurechtfinde, wie das in Frankreich  etwa von den Philologen verlangt wird, wie es auch nötig ist, wenn man den Unterricht in einer Fremdsprache nicht als Gram­matik und Philologie betreibt, sondern als Kunde des Landes, ähnlich wie man für den deutschen Unterricht das Wort Deutsch  funde sehr zu Recht geprägt hat. Die Art der Formulierung ist nicht so sehr aus der Denkschrift selbst als aus ihrem Geiste zu er­flären. Man hängt immer noch an der Vorstellung, daß die Kennt nis der politischen Geschichte des Altertums die beste Einführung in die politischen Probleme auch der Gegenwart sei, und man kommt über den Historismus   nicht hinweg, nur der könne die Gegen mart eines Boltes und seines Staates verstehen, der seine Ver­gangenheit genau fenne. Einer der größten deutschen Historiker, Jacob Burdhardt, meint zwar umgekehrt, die Geschichte sei eine Wissenschaft, die man von hinten, d. h. von der Gegenwart anfangen müsse. Das entspräche auch dem Saß der Pädagogikt, daß man an Bekanntes anknüpfen solle aber durch die bisherige Praxis ist ja dem Schulmann die Gegenwart zumeist im Zusammen­hang nicht bekannt, da er in seiner ganzen Berufsausbildung nichts von ihr gehört hat. Und darin, daß es auch nach dieser Denkschrift so bleiben soll, liegt vom Standpunkte des Staates aus ihre größte Schwäche. Hier gilt es einzusehen und zu ändern.

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Die Denkschrift verlangt eine allgemeine Brüfung in Philosophie und Pädagogit. Die Pädagogik ist ein Zugeständnis an Reform­forderungen, die Philosophie der flägliche Reſt einer Fiktion der allgemeinen Bildung. Die Denkschrift felbft gibt zu, daß die Ergeb­nisse dieser Prüfung in Philosophie gering seien. Trotzdem hält man daran fest.

Wenn die beteiligten Kreise darauf Wert legen, wird man ihnen feine Streichung zumuten; man wird aber energisch darauf dringen müssen, daß diese allgemeine Prüfung ergänzt werde durch Staats­bürgerfunde, und zwar nicht nur für die zukünftigen Histo­rifer und Geographen, nein für alle zukünftigen Studienräte. Sie sollen sich darüber ausweisen müssen, daß sie das Wichtigste von ihrem Staat und seinen Problemen wissen. Dazu würde gehören: Verfassung des Reiches und des Landes, Programme, Struttur, Ent­widlung seiner politischen Parteien, vor allem auch eine ausreichende Kenntnis der Gundlagen des wirtschaftlichen Geschehens, min­

destens so viel, daß der Handelsteil einer Zeitung mit Verständnis verfolgt werden kann. Aeußere Politik und ihre Formen, letztlich eine genauere Kenntnis der jüngsten Vergangenheit mindestens von 1914 bis zur Gegenwart. Aneignen fönnte sich der Student diesen ganzen Stoff in 4 oder 5 zweistündigen Vorlesungen, die nun allerdings auf die Bedürfnisse des Philologen zugeschnitten sein, d. h. besonders für ihn gehalten werden müßten. Es wäre völlig sinnlos, ihn in eine rein juristische Vorlesung über die Reichs­verfassung zu stecken oder in eine spezialisierte über Nationalöko­nomie. Wer Interesse hat oder gewinnt, dem bleiben solche schon bestehenden Borlesungen immer offen Für die große Masse müßten besondere Vorlesungen gehalten werden, für die der Stoff geschickt ausgewählt und besonders die Fragen berücksichtigt würden, von denen anzunehmen ist, daß der Hörer sie später im Unterricht verwenden kann oder daß er sie in Gesprächen mit seinen Schülern

braucht.

Die Schule der Gegenwart bemüht sich lebensnah zu sein. der Wirklichkeit ein abgeschlossenes Sonderdasein führen, fie will mitten im Leben stehen und durch ihre Arbeit dem Leben dienen. Daher kommt es nicht darauf an, dem Schüler ein möglichst großes Maß toten Fachwissens zu vermitteln, die neue Schule will die Kräfte und Anlagen des Schülers zur freien Entfaltung bringen, um ihn dadurch für die Aufgaben und Kämpfe seines fünftigen Lebens tüchtig zu machen. Der moderne ,, Arbeitsunterricht" will bewußt die Selbständigkeit des Kindes weden und entwickeln. Die Lebensnähe der Schule verlangt aber nicht nur diese Aende­rung der Unterrichtsmethode, auch der Lehrstoff muß den neuen Anforderungen angepaßt werden. Sehr viel überflüssiger Ballast ist schon abgeworfen worden, aber noch immer wird auf den hö­heren Schulen vieles gelehrt, was nicht lebensnah und mesentlich ist, während auf der anderen Seite sehr wichtige Stoffgebiete noch nicht genügend berücksichtigt werden. Dies gilt vor allem für den Geschichtsunterricht:

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es ist nötig, daß die Geschichte der jüngsten Ver­gangenheit, also die Zeit nach dem Kriege, einen weit größeren Plak im Unterricht erhält.

Wenn die

Der Schüler soll ja später am politischen Leben der Gegenwart teil­nehmen, er soll an der Wahlurne Entscheidungen fällen, er wird in die großen wirtschaftlichen Auseinandersetzungen durch sein Be­rufsleben mit Notwendigkeit hineingezogen werden. Schule wirklich lebensnah sein will, dann darf sie an diesen Gegen­wartsfragen nicht vorbeigehen. Hugo Preller   behandelt diese Probleme in seinem soeben erschienenen Buche Die Geschichte der Nachkriegszeit und ihre Behandlung im Geschichtsunterricht an höheren Schulen".( Ber­lag: B. G. Teubner, Leipzig   und Berlin  , 1931, 165 Seiten, ge­bunden 6 Mark.).

Preller zeigt in eindringlicher Weise, daß es notwendig ist, die Nachkriegszeit im Geschichtsunterricht zu behandeln. Die Jugend hat ein natürliches und starkes Interesse an diesen Fragen. Wenn der Unterricht aber im wesentlichen nur längst vergangene Zeiten behandelt, wenn die jüngsten Ereignisse gar nicht oder nur flüchtig in der Schule zu Borte fommen, dann ist es klar, daß die Schule ihre volle Wirkung nicht entfalten kann; denn sie umfaßt nicht wichtigste Interessen des Schülers. Mit Recht stellt daher Preller feft: ,, Besonders die Behandlung der Nachkriegszeit, die ja infolge des Weltkrieges ihren eigenen Charakter, nämlich den der Weltkultur, ausgeprägt hat, darf nicht etwa Anhängsel sein, sondern muß gedanklicher Mittelpunkt aller ge­schichtlichen Bildungs- und Erziehungsarbeit werden". Die Gesellschaft und der Staat haben das größte Inter­esse daran, daß die künftigen Staatsbürger zu fachlicher Stellung nahme in den großen Gegenwartsfragen erzogen werden; das Be wußtsein der Berantwortung für die Gemeinschaft fann durch einen lebensnahen Geschichtsunterricht, der im tiefsten Sinne Gegenwartskunde ist, entwickelt werden. Die politische Ber he hung der Jugend, die so viel Schaden anrichtet, wird durch Einsicht in die geschichtliche Entwicklung der jüngsten Zeit außer­ordentlich erschwert.

Die unbedingt notwendige Behandlung der Nachkriegszeit im Unterricht begegnet mancherlei Bedenken, mit denen man sich aus­einandersetzen muß. Wird der Lehrer die nötige Ob­Lehrer selbst noch Bartei ist? Denn es muß selbstverständlich ver­jeftivität bei Fragen aufbringen, in denen der mieden werden, daß die Schüler, je nach der Einstellung des Leh­Objektivität auch bei Behandlung älterer Epochen vom Lehrer ver­rers, parteipolitisch beeinflußt werden. Preller zeigt, daß diese langt wird. Die Objektivität ist Sache des Willens und der Selbst­zucht. Wiederum muß man Preller zustimmen: Wer sich freilich so weit gehen läßt, daß er im Angehörigen einer anderen Bartei den Schweinehund, im Bürger eines anderen Staates den Feind, im Anhänger einer anderen Konfession oder Religion entweder den Esel oder den Sadisten sieht, der mag ja ein sehr ehrenhafter Bar­teimann, ein glühender Patriot, ein glaubenerfüllter Bertreter seiner Kirche sein- nur taugt er nicht zum Geschichts­lehrer, gleichviel, welches Kapitel der Geschichte er nun auch immer zu behandeln haben möchte". Der Geschichtslehrer soll na türlich nicht persönlich urteilslos, farblos fein; nur darf er seine private Einstellung den jungen Leuten nicht aufzwingen wollen. Die Achtung vor abweichenden Auffassungen muß bei den Schülern

entwickelt werden.

Denn heute ist es doch so, daß durchschnittlich die Schüler und Schülerinnen den drängenden politischen Fragen der Gegenwart gegenüber sehr aufgeschlossen sind, und daß sehr oft ein Der Unterricht in der Geschichte der jüngsten Nachkriegszeit Bedürfnis nach Unterweisung vorliegt, dem die Lehr- ftellt auch, abgesehen von der Forderung der Objektivität, den fräfte ihrer bisherigen Borbildung nach einfach nicht gewachsen Lehrer vor besonders schwierige Aufgaben. Für die ältere Zeit find. Ausnahmen bestätigen die Regel. Es ist nicht zu verkennen, liegt der Stoff in den Werken der Wissenschaft und in den Lehr­daß eine ganze Anzahl einzelner Studienräte in Arbeitsgemein- büchern vor. Wer die Nachkriegszeit behandeln will, der muß sich

,, Die Behandlung des Völkerbundes im Unterricht ist sinnwidrig, wenn sie durch Geschichtslehrer erfolgt, die überzeugungsgemäß Gegner desselben sind." Diese Feststellung ist völlig richtig, aber sie muß dahin ausge dehnt werden, daß kein Lehrer Geschichtsunterricht erteilen sollte, und vor allem nicht über die jüngste Vergangenheit, der über= zeugungsgemäß Gegner des heutigen Staates ist. Denn abgesehen von der Frage, ob sich die Gegnerschaft gegen den Staat mit der Beamteneigenschaft des Lehrers verträgt, ist die Einsicht wesentlich, daß niemand einen fruchtbaren Unterricht in Geschichte und Staatsbürgerkunde erteilen kann, der den heutigen Staat ablehnt. Es ist schade, daß Preller die Forderung, die er für die Behandlung der Völkerbundsprobleme aufstellt, nicht auch ausdrücklich auf die Stellung des Lehrers zum Staat aus gedehnt hat.

Um dem Lehrer die Orientierung in der neuesten Geschichte zu erleichtern, gibt Preller eine Darstellung des Geschichtsverlaufs von 1917 bis zur Gegenwart. Er will den Stoff zusammenstellen, der für die Schule wesentlich ist. Durch reiche Literaturangaben soll dem Lehrer der Weg zu eigenem Quellenstudium gewiesen werden. feines Buches aufgestellt hat, sucht er auch im praktischen Teil gerecht Dem Grundsatz der Objektivität, den Preller im theoretischen Teil fiellung der Nachkriegszeit von vorbildlicher Sachlichkeit. zu werden. In vielen und wesentlichen Punkten ist seine Dar­

Wie schmer aber auf diesem Gebiete die Objektivität zu erreichen ist, zeigt sich daran, daß auch die Dar­stellung Prellers in einigen Fragen zu Bedenken Anlaß gibt.

So hebt Preller bei der Schilderung der Waffenstillstands= verhandlungen zwar richtig den dringenden Wunsch der Obersten Heeresleitung" nach Beendigung des Krieges hervor, aber seine Darstellung erweckt den Anschein, als hätten die Waffen­stillstandsbedingungen nur wegen der innerpolitischen Vorgänge in Deutschland   angenommen werden müssen. Preller schildert die Vorgänge bis zur Abdankung des Kaisers und fährt dann fort: Keine Frage, daß dadurch den Formen des weiteren Verlaufs der Revolution viel Schärfe erspart worden ist. Freilich mußte nun bei der völligen Auflösung aller Gehorsamsverhältnisse in Etappe und Heimat am 11. November ein Waffenstillstand unterzeichnet werden, dessen Härte alle bisherigen Befürchtungen weit über­traf." Hier wird der Anschein erweckt, als hätten nur die innerpolitischen Entwicklungen zur Annahme der Waffen­stillstandsbedingungen gezwungen. Während doch diese Bea bingungen ultimativen Charakter trugen und bekanntlich Hindenburg   erneut für eine bedingungslose Unterzeichnung eintrat. Durch die Prellersche Ausdrucksweise wird allein die Re­volution für die Vorgänge verantwortlich gemacht.

Während sich Preller besonders bei Darstellung der inner­deutschen Kämpfen im allgemeinen größter Objektivität befleißigt, ist es

auffällig, daß er den Kapp- Putsch und besonders den Hitler- Putsch von 1923 nicht genügend charakterisiert. Ueber die linksgerichtete Bewegung in Thüringen   1923 fällt

Preller ein negatives Werturteil, wenn er schreibt: in Thüringen  verstieg man sich zu der Vorstellung, Bollwert des Reiches sein zu müssen gegen einen bayerischen Marsch auf Berlin  "; Hitlers Novemberputsch dagegen erhält fein Wort des Tabels. Merkwürdig ist auch die Behauptung, die sozial demokratische Partei habe das Kabinett Hermann Müller  am 27. März 1930 im Interesse der Erhaltung ihrer Wähler­schaft(!) fallenlassen". Preller hebt hervor, daß die Leistungen auf dem Gebiet der Technik( 3eppelin, Flugzeugbau) und die sport­lichen Erfolge dazu beigetragen haben, das deutsche Ansehen in der Welt zu stärken. Hier vermißt man jeden Hinweis auf fulturelle Leistungen. Die Forschungen Einsteins   und die Welterfolge deutscher Schriftsteller( Remarque  ) sind doch mindestens ebenso bedeutungsvoll wie die Bogsiege Schme­lings, die Preller erwähnt.

Wenn man auch in dem Buche von Preller noch viele solcher Einzelheiten finden tann, so muß doch betont werden, daß es in der Grundeinstellung durchaus fachlich ist. Eine stärkere Berüc fichtigung wirtschaftlicher Fragen wäre erwünscht. Das Problem eines lebensnahen Unterrichts in der Geschichte und Staatsbürger tunde ist so überaus wichtig, daß die Ausführungen von Preller ernsthafte Beachtung verdienen.