Einzelbild herunterladen
 

Peter Laufcher: Flucht in die Freiheit

Noch, als das Licht in der Anstalt wie auf Kommando erlischt, ficht er in einem verirrten Mondstrahl an der Wand das Weib. Er preßt den Kopf an die kühlen Steine, die er so oft verfluchte, und trommelt mit den Fäusten dagegen, daß die Knöchel bluten. Er merkt es nicht. Nur ein Gedanke beherrscht ihn...

Durch das geöffnete Fenster der Strafanstalt, das durch seine| der Lebenden für lange Jahre gestrichen ist. Erinnerungen über­Gitterstäbe den in Unendlichkeit blauenden Himmel in kleine wuchten ihn. Alles, was die Jahre hindurch zurückgedrängt war, Quadrate zerschnitt, drang laut und vernehmlich das Zwitschern stürzt mit elementarer Wucht auf ihn und droht ihn zu zermalmen. der Schwalben. Es kam wohl auch vor, daß einer der metallblauen Raus, raus hier aus dem Hause, wo der Mensch begraben ist! Ins Vögel fich für einige Sekunden den Blicken der Sträflinge zeigte, Leben, ein Weib haben, tüssen, brutal mit der ganzen Kraft der wenn er rüttelnd und leise mit den Flügeln schlagend Fliegen aus jahrelang gewaltsam zurüdgedämmten Luft an sich pressen, daß es dem Fensterwinkel zu erjagen suchte. Dann stierten die Augen und meh tut. Oder ihr sanft durchs Haar streicheln und füße Worte befamen einen übernatürlichen Glanz. Hoffnung und Ergebung in sagen: Selbst folche Worte hören, weiche Hände halten. Lieben, das Schicksal spiegelten sich in den Augen wieder. Diese Vögel lieben und leben! waren ein Zeichen der Welt und des Lebens, die draußen an den hohen Mauern und vor den Gitterstäben verbrandeten, nur leise dann und wann die Tatsache ihrer Existenz in das Haus der Seufzer und Tränen versprühten, gierig aufgegriffen von nach Freiheit fiebernden Menschen, die sich in endlosen grauen Nächten die Seelen mund schrien in stummem Erduldenmüssen. Scheu glitten die Blicke beim täglichen Rundgang an den hohen, steinernen Wänden empor und suchten den Himmel, der auch hier bedrückend in das Geviert der draht- und glasbewehrten Wände eingezwängt war. Drückend legte sich auch die milde Luft mit ihrem Ahnen auf die Eingesperrten. Aus den nicht weit entfernten Gärten trägt dann und wann ein Windzug den Duft später Blüten, läßt Flammen der Sehnsucht in denen hochschlagen, die sich nie mit ihrem Lose zufrieden geben können und verzweifelt auf den Tag der Erlösung harren, weckt in den anderen Erinnerungen an längst vergessene Tage, die ihnen als Träume vorgaufeln, etwas, das nie erreichbar ist. Dann ringt sich wohl ein Seufzer aus der Brust, die weiter ihr Sehnen unter der schwarzen Sträflingsjade be­graben muß.

Auch der Nummer 317 erging es so. Seit sieben Jahren war ihr Träger wegen eines Totschlages, begangen an seiner Geliebten, die er mit einem anderen in inniger Umarmung getroffen hatte, von der Welt getrennt und hier eingesperrt. Mit den Jahren war ihm die Besinnung und Ueberlegung wiedergekommen. Jegt ver­brannte ihm der Gedanke an die Freiheit sein Innerstes. Seine Arbeit ist es hier, alte, vom Staat an die Leitung der Anstalt zur Umarbeitung in Sträflingskleidung gelieferte Uniformen aufzu trennen. Mechanisch trennt er Stich um Stich, Rod für Rod. Immer ist es die gleiche stumpffinnige Beschäftigung.

Zwischen Futter und Stoff eines Roces findet er just an diesem Nachmittage eine Ansichtskarte. Sie zeigt ein Weib mit übernatürlich üppigen Formen auf einem Diwan, wie diese Karten zu hunderten in den Buchläden der Städte zu haben sind. Mit einem scheuen Seitenblid vergewissert er sich, daß niemand von seinem kostbarer Funde etwas bemerkt hat, und läßt die Karte schnell unter der Jacke verschwinden. Die Berührung des Stückchens Papier mit der bloßen Haut schafft in ihm ein eigenartiges Ge= fühl. Mit Ungeduld erwartet er die Zeit, mo die Gefangenen in ihre Zellen geführt werden, um endlich seinen Fund in Ruhe be­trachten zu können.

Der die Runde machende Beamte mundert sich an diesem Abend, daß in der Zelle, in der Nr. 317 untergebracht wurde, ein solches Lärmen ist. Noch nie hat der doch Schwierigkeiten ge= macht. Kopfschüttelnd geht der Beamte hin, um nachzusehen. Kaum hat er die Tür geöffnet, da trifft ihn ein mit großer Wucht geführter Faustschlag gegen den Magen, daß er lautlos zusammen bricht und klirrend das Schlüsselbund zu Boden fällt. In Eile er­greift Nr. 317 die Schlüssel und rennt nach dem hinteren Ausgang, um die Freiheit zu gewinnen. Hastig sucht er den passenden Schlüssel. Endlich springt die Tür auf. Nun den Korridor, die zweite Tür, dann ist er aus dem Hause. Im silbernen Mondlicht gebadet liegt der Hof. Im Schatten des Gebäudes eilt der Flücht ling nach einer ihm passenden Stelle, findet eine Mauerleiter, die unbedachterweise nicht gesichert ist, und lehnt sie an. Als er sich anschickt, hinaufzusteigen, scheint es ihm, als tönten Stimmen im Hause. Doch das ist wohl die Erregung. Glasscherben splittern unter seinen eisenbeschlagenen Schuhen. Er turnt am Stacheldraht nach einer Absperrungsstelle. Halt! Mit Messerschärfe klingt es hinter ihm. Halt! Unten an der Leiter springt mit geiferndem Bellen ein Hund, Schritte klingen näher. Ein scharfes Knacken, dann ein drittes Halt! Im Augenblid, da er abspringen will, peitscht es hinter ihm her. Er spürt einen heftigen Schlag zwischen den Schultern und springt halb, stürzt halb von der Mauer auf die freie Erde hinunter. Erreicht den Boden gut und rennt, so schnell er kann, nach den Obstgärten, die ihm Deckung geben sollen. Doch schon nach einigen Schritten bricht ihm der Schweiß aus allen Boren. Das kommt wohl daher, daß er das schnelle Laufen nicht gewöhnt ist. Ueber den Rücken rinnt es ihm warm. Süßlich und schaumig steigt es ihm in die Kehle empor, füllt seinen Mund. Er bricht zusammen, reißt sich wieder hoch und rennt taumelnd weiter. Wie im Traume hört er hinter sich Hundegebell und Stimmen. Zwitschernd fegt eine Kugel an seinem Kopf vorbei. Weiter rennt er durch das Gras, bis er in einer Bodensenkung zusammenbricht, um sich nie wieder zu erheben. Hell und schaumig dringt das Blut aus seinem Munde, färbt den Rasen um sich her, während alles um ihn in Nacht versinkt.

Als die Wärter herbeigeeilt waren, fanden sie ihn tot. Der Hund stand über der Leiche, bei der man nichts weiter als eine blutige Ansichtskarte fand, und heulte.

Auf der Pritsche sitzt er und starrt mit brennenden Augen auf das üppige Weib. Sein Blick saugt sich fest; er tann sich nicht losreißen und vergißt alles um sich her. Nur ein Gedanke bewegt ihn: ein Weib zu haben. Endlich einmal wieder Mann sein und nicht nur immer die Nr. 317, die bedeutet, daß er aus dem Register| strichen.

Richard Huelsenbeck :

moderne Türkei in ihrer ganzen Pracht. Gerümpel schwamm hier im fauligen Hafenbecken; Schiffe und zerbröckelte Boote, die viel­leicht noch der Krieg zurüdgelassen hatte. Die eiserne Bulgaren­firche an der Station Feuer, ein Bild der Dürftigkeit, zog schnell porbei. Wir hielten in Ejub, der letzten Station des Goldenen

Horns.

Ich ging langsam die staubige Landstraße entlang, bis ich an den Beginn des Friedhofs fam. Er liegt, wie alle mohammeda­nischen Friedhöfe, auf einem Bergesabhang; er ist ziemlich ver­wahrlost. Auf jedem vorrevolutionären Grab steht eine Säule, und auf der Säule ist

ein Fez oder ein Turban nachgebildet.

Der Fez, habe ich mir sagen lassen, war das Zeichen der männ­lichen Würde. Was für eine Verehrung muß der Gazi genießen, daß er es wagen durfte, den Fez abzuschaffen. Es ist doch so, als hätte er allen männlichen Türfen ihre durch viele Jahrhunderte garantierte Würde mit einem furchtbaren Schlag genommen. Da­für haben die Frauen allerlei gewonnen. Na, ich werde die Frau Mahmut Yahya fragen, wie ihr in der neuen Freiheit zumute iſt. Sie war Köchin bei dem letzten Sultan ; fie muß allerlei gesehen haben. Während ich zwischen verfallenen Gräbern schritt, dachte ich nach, wie es möglich sei, daß eine Frau in der Küche des Sultans gearbeitet hatte. Konnten sich Frauen denn überhaupt frei bewegen zur damaligen Zeit? Ich bekam etwas Mißtrauen.

Wenn man den Friedhof verlassen hat, kommt ein Weg, an dem noch vereinzelte Gräber liegen. Dann zeigen sich die ersten Häuser des Dorses, in dem Frau Yahya wohnen sollte. Die Hitze war jetzt drückend geworden; hier oben herrschte vollkommene Stille. Auf der schmutzigen Dorfstraße spielte, ganz sich selbst überlassen, ein Kind. Zwei Hühner flohen gackernd, als ich näherkam. Ueber­all sah man hier noch die alten hölzernen Haremsgitter, die jetzt offenbar als Sonnenschutz benutzt werden. Da sich kein Erwachsener zeigte, flopfte ich entschlossen an eine Haustür; es tam ein alter weißbärtiger Mann, dem ich klar zu machen versuchte, was ich wollte. Aber er verstand fein Wort; er rief einen anderen Mann, der aber auch nichts begriff. Es famen noch mehr Dorfbewohner, die alle nicht ein Wort verstehen fonnten. In meiner Not schrieb ich schließlich den Namen Yahya" auf ein Stück Papier . Einer war da, der lesen fonnte; er machte mir Zeichen, aus denen ich entnahm, daß sich Frau Yahya nicht im Dorf befand. Ob sie über­haupt je dort gewesen war, fonnte ich nicht feststellen. Eine un­beschreibliche Wut auf meinen Hoteldirektor erfüllte mich. Er hatte mich also diesen Berg bei der infernalischen Hitze erklettern lassen, ohne zu wiffen, ob Frau Yahya wirklich dort wohnte. Wahrschein­lich lebte sie gar nicht. Das ist mir wirklich sehr unangenehm", sagte der Hotelmann, als ich vor ihm stand und meinen Spazier­gang nicht gerade sehr freundlich erzählte, ich hatte ganz ver­gessen, daß diese Person vor einiger Zeit von einem amerikanischen Filmunternehmer gemietet worden ist. Sie machen Aufnahmen auf der asiatischen Seite in Tschengelköi glaube ich, es gibt einen Film aus dem türkischen Mittelalter; es wird schwer sein, die Frau Yahya jetzt zu ermischen. Entschuldigen Sie bitte." Der Hotel­direktor überbot sich in Entschuldigungen. Es blieb mir nichts anderes übrig, als sie anzunehmen,

-

Ich hatte eine Verabredung mit einem Freund. Er ist ein langjähriger Kenner der Türkei . Auf meine Frage sagte er: Nr. 317 wurde endgültig aus dem Register der Lebenden ge- Sicherlich waren außer den Odalisken auch Frauen im Serail des

Konstantinopel ist modern geworden

Ich hatte das Glück, mit einem Türken zu fahren, der Kon­ stantinopel ausgezeichnet kannte. ,, Das Einfachste ist", sagte er, ,, Sie nehmen am Bahnhof eine Tage und lassen sich ins Hotel fahren. Dann bleiben Ihnen alle Scherereien erspart." Der Bahn­hof war leer, das Wetter ausgesprochen ungnädig und kalt. In Jedi- Kule war ein Junge eingestiegen, bemaffnet mit einer Art liniform, einer Schildmüze und einem weißen Blechkasten. In den Blechkasten bedeutete er uns müsse Geld geworfen werden. Mein Türfe sagte mir, es handelt sich um eine Sammlung; denn heute sei in Konstantinopel Kindertag.

-

-

Mein erstauntes Gesicht beantwortete er gleich: Sie haben sicher auf Ihren Reisen schon einmal etwas von His Majesty the Baby" gehört. Hier gilt der Feiertag nicht nur den Säuglingen, sondern der ganzen Jugend, die in früheren Zeiten so vernachlässigt worden ist. Die Fahnen, die Sie dort an den Pfosten vor der Bahnhofs= halle bemerken, sind zu Ehren des türkischen Kinderfestes angebracht, das wiederum selbst nur ein Zeichen unseres ernsten Willens zur Erneuerung ist." Ich fühlte mich ein wenig bedrückt; die moderni­sierte Türkei begann allzu zeitig auf mich einzustürmen; ich hatte gehofft, wenigstens noch Refte alter Buntheit zu sehen. Ich weiß natürlich, daß das egoistische Wünsche des europäischen Reisenden find; ich bin der letzte, der die Notwendigkeiten dieser Staaten ver­fennt- aber immerhin: ich hatte gehofft. Nun bot sich gleich das allermodernste: ein Kinderfest. ,, His Majesty the Baby." Zu meiner Rechten dehnte sich der Spiegel des Marmarameeres; an den Fenstern der Häuser, die unser Zug umfuhr, hingen noch hier und da die Holzgitter der Harems. Sie waren sogar sehr zahl reich; das freute mich ein wenig.

-

der nationale Wille der Türken hatte hier sehr gründlich gearbeitet. Wo immer ein kleiner Plaz übrigbleibt, sieht man das Bild des Gazi. Ich begriff jetzt schon, daß Pera die lauteste Stadt der Welt ist. Das Autogehupe vermischte sich mit dem gellenden Geflingel der Straßenbahn zu unglaublichem Getöse; die Händler schrien da­zwischen; Grammophone fragten aus den Fenstern der Wohnungen. Die Musik des Kinderfestes war hier und da hörbar. Wir kamen schließlich an einen großen Plaz, der auf einer Seite durch einen hohen Erdwall abgeschlossen wurde. Auf diesem Erdwall saß in unverfälscht orientalischer Haltung, in Hockstellung, eine Reihe alter Frauen konnte man deutlich die Verwunderung über die veränderte Frauen, die den Kinderfestzug erwarteten. Den Gesichtern dieser Welt ansehen. Zehn Jahre sind ja wirklich keine Zeit für die Ge­schichte eines Volkes. ,, Wer weiß", schienen die Augen dieser Frauen zu sagen ,,, mas in weiteren zehn Jahren sein wird."

Horns.

oder einen Menschen oder sonst etwas, wo ich noch einen Hauch des Meinen Hotelbefizer bat ich:" Sagen Sie mir bitte einen Ort alten Drients zu fühlen bekomme. Immerhin ist es erst zehn Jahre her, daß sich bei Ihnen die Kinderfeste eingebürgert haben. liegt das Serail des Sultans; vor zehn Jahren wimmelte es noch Dort ewige Jammer der Fremden; sie wollen noch ein Stück Mittelalter; von Odalisken und Eunuchen." Der Mann lächelte: Das ist der Konstantinopel ist aber eine moderne Stadt." Als er meine Nieder­geschlagenheit sah, sagte er:., Seien Sie nicht verdattert..., ich fann Ihnen helfen. Зи Fahren Sie nach Ejub, am Ende des Goldenen müssen einen Berg ersteigen Dort, jenseits des mohammedanischen Friedhofs Sie Yahya. Oder er lebt vielmehr nicht; dafür aber seine Frau. Be­lebt ein Mann namens Mahmut legten Sultans . suchen Sie Frau Yahya; sie war vor Jahren Köchin im Serail des gezeichnet französisch, sogar auch ein wenig deutsch . Frau Yahya Ich schicke öfiers Gäste zu ihr; sie spricht aus­fann Ihnen in ihren Erzählungen den alten Orient aufleben lassen." Ich ging zur Galatabrücke zurüd, wo auf der rechten Seite die Dampfer anlegen, die das Goldene Horn befahren. Hier drängte fich viel Volk; graubraun gekleidete Soldaten, ein schäbig aussehen­der Priester Turban tragen dürfen. Junge, das sind die einzigen Menschen, die hier noch einen

Vor dem Bahnhof stand ein Dutzend Autos; ich stieg auf gut Glück in eins hinein, und der auskunftsreiche Türke, der sich hier von mir verabschiedet hatte, rief dem Lenker den Namen eines Hotels zu. Auf der Galatabrücke hatten wir eine Panne. Mein Führer kletterte von seinem Bock; hinter uns stauten sich Wagen und Menschen. Man fluchte; turzrödige Türkinnen fahen mich interessiert von der Seite an. Welcher Abstand, dachte ich, von den Zeiten, als jeder Europäer hier als Franke angesehen und behan delt wurde. Ein Bierwagen überholte uns. Schließlich ging mein Führer weg und machte mir Zeichen mit der Hand, die ich nicht verstand. Ich stand mit meinem Auto allein auf der Galatabrüde und hatte eine wunderbare Aussicht auf das Goldene Horn. Musik schreckte mich auf; ein langer 3ug feiernder Kinder fam an mir vor­bei; die Kinder auch viele Mädchen maren festlich hell ge= fleidet und in ausgelassenster Stimmung. Die Eltern, die früher alles, was weiblich war, in dunkele Haremshöhlen paden mußten, standen am Eisengitter der Galatabrücke und freuten sich über ihre frischen Mädels. Endlich kam mein Lenker mit einer großen Del­flasche zurück. Ein Mann der Straße, der ganz und gar nichts zu tun zu haben schien, half uns, den Wagen wieder in Schuß zu bringen; wir gaben einige Knallbonbons ab und jagten los. In den Straßenschluchten des Peraviertels überholten wir eine lange Reihe deutscher Ausflüglerautos. Die Gesichter meiner Landsleute strahlten, überall richteten sich die photographischen Apparate auf den unverfälschten Orient. Ich las einige Namensinschriften in der neuen lateinischen Schrift.

-

-

-

-

na­

Sultans beschäftigt; ob in der Küche, weiß ich nicht. Wenn die Frau Yahya von diesen Dingen etwas weiß, fannst du beruhigt nach Hause gehen." Warum?" fragte ich erstaunt. Weil sie ihre Memoiren schreiben wird, da kannst du sicher sein. Und menn fie achtzig Jahre alt fein sollte.

Das allspanische Drama

1

es

Die ältesten spanischen dramatischen Dichtungen entstanden im Ausgange des 14. und 15. Jahrhunderts. Zunächst waren meistens ungeschriebene Stücke, die auf den Jahrmärkten als furze Hane wurstiaden improvisiert wurden Außerder: fanden mie auch in anderen Ländern in den Kirchen fromme Spiele statt. Erst aus dem letzten Drittel des 15. Jahrhunderts sind einige Schrift­steller von etwas größerem Werte zu nennen: Villena und San­tillana, die zuerst ihre dramatischen Werke niederzuschreiben versucht haben. Der erste spanische Dramatiker, von dem uns eine fleine Sammlung dramatischer Dichtungen hinterlassen ist, mar dann Juan de Encina. Alle diese frühesten Versuche hatten jedoch nur dann die spanische Dichtung einen größeren Aufschwung. Zahlreiche eine geringe Eignung zur Aufführung. Im 16. Jahrhundert nahm Autoren schufen dramatische Werke, von denen die Celestina eine gewisse Berühmtheit erlangt hat, bis dann etwa um 1600 durch oder Tragikomödie von Caliptus und Melibea" fich als erster von den Formen der Tradition und den bis dahin dramatischer Kunst in Spanien erreicht wurde. Lope de Vega hat Lope de Vega und besonders Calderon der höchste Gipfe! geltenden Kunstregeln freigemacht und seine Gestalten mit ihren Zeit und seines Volkes entnommen. Im 17. und 18. Jahrhundert Leidenschaften, Gedankengängen und Anschauungen dem Leben seiner Bergeblich versuchten im 18. Jahrhundert noch einmal zwei Brüder setzte dann ein allgemeiner Berfall der spanischen Dichtung ein. Moratine eine gewisse Reformierung des spanischen Theaters herbeizuführen. Vielleicht hat erst die gegenwärtige völlige gesell­schaftliche und geistige Umwälzung des spanischen Volkslebens auch die Voraussetzung für eine Neubelebung der spanischen Dichtung, speziell des Dramas. bis zu dauernder internationaler Geltung ge= schaffen. Die Gabel

Vor mehr als 900 Jahren hielt die Gabel, unser unentbehr­liches Gerät zum Essen, ihren Einzug in Europa . Im Herbst des Jahres 995 vermählte sich ein Sohn des Dogen Pietro Orfeolo mit der byzantinischen Prinzessin Argila, einer Schwester des ost­römischen Kaisers. Während man bis dahin in Venedig die Speisen mit den Fingern zum Munde geführt hatte, bediente sich die Prin­zessin Argila zu diesem Zweck einer zweizinkigen Gabel und eines goldenen Löffels. Der Löffel war den Venetianern nichts Neues, wohl aber die Gabel. Die venetianischen Damen beeilten sich natür­lich, es der Byzantinerin gleichzutun, und wenn ihnen auch die Hand­habung der Gabel recht schwer fiel, so bürgerte sich der neue Brauch doch nach und nach in den vornehmen venetianischen Familien ein. Freilich fehlte es nicht an Spöttern und Tadlern, de den Gebrauch der Gabel als einen schädlichen und lächerlichen Auswuchs der italie­nischen lleberfeinerung tadelten. Es dauerte viele Jahrhunderte, ehe die Gabel von Venedig aus ihren Weg in das übrige Italien fand. Erst im Zeitalter der Renaissance, etwa vom Jahre 1360 ab, wurde das Essen mit der Gabel in Florenz und in den anderen italienischen Städten Brauch. Wann sich die Gabel in Deutschland eingebürgert hat, vermögen wir nicht genau festzustellen. In Frankreich wird fie zum ersten Male im Jahre 1379 in einem Verzeichnis des tönig­lichen Silberzeuges erwähnt. Mode wurde aber das Essen mit der Gabel in Frankreich erst um das Jahr 1550. Nach England brachte sie der Reisende Corgate direkt aus Venedig im Jahre 1608. In allge­meineren Gebrauch tam sie hier aber erst gegen das Ende des

völlig modern gefleidete Mädchen ficherten und tnabberten türkischen Honig. Ein dicker Mann, dem der Fez sehr gut zu Gesicht gestanden hätte, las aus einer türlich in modernen Lettern geschriebenen Zeitung. Er legte da bei seine kurzen Beine übereinander; ich hatte Gelegenheit, blaue, im Konstantinopeler Warenhaus gekaufte tunstseidene Soden zu be­mundern. Der Mann saß nämlich auf einer Banf; er rätelte sich, als habe er allein die Veränderung des ganzen Orients bewirkt. Ich wandte mich dann dem anfahrenden Dampfer zu und beobachtete ein junges Arbeiterpaar, das sich in nichts von den Arbeitern der großen westeuropäischen Städte unterschied. Als wir abgefahren waren, erschien auf der Höhe der Stadt links die Suleimanieh, die berühmte Moschee, die der Agia Sophia an Schönheit nicht nachsteht. Vom Früchtebasar drang aufgeregtes Kreischen und der füßliche Geruch verwesender Nahrungsmittel. Der durchbrochene Aequadukt des Kaisers Valenz wurde sichtbar; er sah wie die Borte einer großen Spize aus. Auf der rechten Seite des Waffers wurde die Front des Admiralitätsgebäudes Nirgendwo war auch nur noch ein arabischer Buchstabe zu sehen; gerade von einer dünnen Sonnenschicht überzogen; das war die 1 17. Jahrhunderts.

1