(Beilage Donnerstag, 15. Oktober 193!
SivÄbpnd Shllauloaße Jt ÜtrHOÖAl
Eü gibt keinen Instinkt! V on Pri Yatdozent Dr. J. A. koeser
Was ist Instinkt? Wenn der Bogel seine Eier ausbrütet, ob- wohl er zunächst gar nicht weih, was da herauskommt, und obwohl er on den ungeborcnen Jungen gar kein Interesse haben kann, so ist dieses unbewußt zweckmäßige Handeln Instinkt. Instinkt ist es, wenn manche Spinnen ihren Kokon wochenlang mit sich herum- schleppen und so den Jungen, die noch gar nicht geboren sind, zum Leben verhelfen. Instinkt ist es, wenn die Bienen ihre Königin dauernd mit Buttersaft versorgen, den diese in reichstem Maße der ihrem fast ununterbrochenen Eierlegen braucht, was d'-e fütternden Bienen natürlich nicht wissen können. Eine Instinkthandlung ist also eine feste, angeborene Reaktion, deren Zweck dem Individuum unbekannt ist, den es aber doch infolge eines a n- geborenen Automatismus erreicht. Instinkt ist eine u n- bewußte Zweckhandlung. Solche Fälle aus der Tierpsychologie sind es. die den Instinkt- begriff geschaffen haben. An sie denkt auch jeder, der das Wort Trieb oder Instinkt hört. Die griechische Philosophie hat den Instinkt- begriff geschaffen. In den Ansängen naturwissenschaftlichen Denkens tritt auch hier zum erstenmal das Problem auf, das ihm zugrunde liegt: Wie ist es möglich, daß die Tiere meist so zweckmäßig han- dein, während doch nur der Mensch die nötige Vernunft zu solchem Handeln besitzt? Mit dem Anbruch der inodernen Zeit wurde der Jnstinktbegrisf trotz aller tiesgehenden geistigen Wandlung im wesent- lichen unverändert übernommen. Nach Descartes ist das Tier durchaus als Automat anzusehen, und die von ihm ausgehende moderne Naturwissenschaft konnte daher den Instinktbegriff bei- behalten. Bezüglich der Anzahl und der Art der verschiedenen Instinkt- hat sich in der Wissenschaft keinerlei Einigkeit ergeben. Als Haupt- inftinkte werden gewöhnlich Selbftcrhaltung und Fortpflanzung oder Lrterhaltung aufgeführt. Aber in Wahrheit find diese beiden Begriffe gegenüber der Wirklichkeit viel zu grob. Tatsächlich decken sie nur eine Unzahl von Einzelin st inkten, wie beim Selbsterhaltungstrieb den der Flucht, des Angriffs, der Nahrungs - suche usw. In Wahrheit besteht also nur eine Unzahl von Emzel- instinkten, die man vom biologischen Gesichtspunkt aus freilich unter jene beiden großen Hauptgruppen subsumieren kann: aber daß SelbsterhoUung und Arterhaltung selbst unmittelbare Instinkte wären, davon kann gar keine Rede sein. Aber selbst diese erste Aufteilung der beiden Hauptinstinktc ergibt noch keineswegs die Summe aller in der Natur angeblich vor- tandenen. Hier findet sich vielmehr außerdem eine Unzahl von „Spezialin st inkten" bei jeder Gattung und oft bei den einzelnen Arten, Familien usw., die eine Zählung überhaupt gar nicht mehr gestattet. Die Blattlauskulturen gewisser Ameisen sind solche Spczialinstinkte, da hat serner eine Grab- w c s p e den„Instinkt", ihre Beute nur an den Fühlern, nicht etwa auch on den Beinen einzuschleppen: eine andere, jedesmal das Nest zu revidieren, bevor sie die Beut« einträgt, auch wenn sie es eben getan hat: und so ins Unendliche fort. Handelt das Tier nun anders, als es der Forscher im Interesse der biologischen Zwecke für nötig hält, so wird es gewissermaßen mit Vorwürfen, sogar moralischen, belastet. Solche Handlungen gelten dann als Abirrungen, Atavis- men, Perversionen usw. Statt die Bedingungen zu erforschen, unter denen sich das Verhalten des Tieres erklärt, setzt man einen komplizierten und weit hergeholten Zweckbegriff voraus und glaubt mit diesem als oberstes Gesetz den Tieren Zensuren erteilen zu dürfen. Betrachten wir eins der genannten Beispiele. Warum also brütet der Vogel? Weil er einen„P f l e g e i n st l n k t" oder „B r u t i n st i n k t hat. der ihn zwingt, so zu handeln? Genau- Betrachtung zeigt etwas ganz anderes. Zu einer bestimmten Zeit, die in die Brutperiode sällt, zeigen sich bei den meisten Vögeln, sei es Weibchen oder Männchen, die sogenannten B r u t f l e ck e. Diese an der Bauchseite gewöhnlich durch Ausfallen der Federn gekennzeichneten Flecke stellen eine Art Entzündung dar, die wahr- scheinlich durch hormonale Vorgänge gekennzeichnet ist, wie ja auch der ganze Vogel sich zu dieser Zeit in einem Zustand erhöhter Wärme befindet. Der Vogel hat nun offenbar durch das Sitzen auf den Eiern eine angenehme Empfindung an diesen Brutflecken, die allgemein durch die Berührung mit runden Gegenständen, vielleicht in Verbindung mit einer von ihnen ausgehenden Kühlung ausgelöst wird. Es brauchen also gar nicht die eigenen Eier zu sein, auf denen das Muttertier sitzt, es können auch fremde, ja überhaupt irgendwelche runden Gegenstände sein, wie Steine oder Eiscnkugeln! Das beweist deullich, daß von einem„Brut- instinkt" keine Rede sein kann, sondern nur von einem durch den Brutsleck ausgelösten Drang noch dem Sitzen auf irgendwelchen passenden Gegenständen. Das Tier „brütet" auch nur so lange, w:e dieser Reiz andauert, ohne Rücksicht darauf, wie weit die unter ihm liegenden Eier ausgebrütet sind oder noch Wärme bedürfen. Es . kommt auch nicht selten vor. daß bei starker äußerer Wärme dem Vogel das Brüten bei seinem ohnehin heißen Zustand unangenehm ist: so hat man beobachtet, daß in Treibbeeten oder Treibhäusern meist gar nicht gebrütet wird, ebenso vielfach nicht in den heißen Zonen, wo manche Vögel nur während der kalten Nacht auf den Eiern sitzen. Dies- psychologisch verständlich- Handlungsweise ist ober auch biologisch zweckmäßig, da ja in diesen Fällen die Eier von der Umgebung so viel Wärme erhallen, daß ein Be- brüten nicht notwendig ist oder doch nur nachts. Was folgt aus diesem Beispiel? Das äußere Handeln der Tiere ist niemals durch angeblich angeborene Mechanismen blind geleitet, sondern folgt in ganz natürlicher W-ise aus- schließlich dem Prinzip von Lust und Unlust. Grund- sätzlich ist dies Prinzip durchaus autonom. Es kümmert sich in keiner Weise um irgendwelche anders geartete Ziel« als die seiner Eigenbefriedigung, also auch nicht um biologische. Es ist der große Irrtum der Instinkllheorie, paß sie rein biologischen Wesens ist und die Psyche als unter dem biologischen Zweckprinzip stehend ansteht. In einer großen Reche von Fällen besteht nun aber eine Art von „präformierter Harmonie" zwischen dem psychologischen Lustprinzip und dem biologischen Zweckprinzip. Sehr häusig sind die subjektiven Ziele, die Luststrebungen des Indwidaums, gleichzeitig auch biolo- gisch zweckmäßig. Dieser P ä r a l l e l i s m u s der beiden Prin- zipien spielt ja in der Natur die größte Rolle. So führen im all- : gemeinen Lüstsuchcn und Unlustvermeiden zu Nahrungsaufnahme, Fortpflanzung, Wohnungssuche usw. andererseits zur Vermeidung von Gefahr und Tod, Aber diese pröformierte Harmonie besteht
keineswegs immer. Nicht selten vertragen sich beide Prin- zipien nur schlecht miteinander oder gehen direkt auseinander. Die Schmeißfliege, die ihre Eier, durch den Geruch der Aospflanze„vir- führt", in diese hineinlegt,„statt" in den Körper eines toten Tieres, handelt ihrerseits vollkommen normal. Von einer„Instinkt- abirrung" ist gor keine Rede. Wohl aber ist die Natur so angelegt, daß die Fliege in gewissen Fällen getäuscht wird, was für ihre Brut verderblich, für die Pflanze ober nützlich ist. Dies aber sind die Prinzipien, noch denen sich sämtliche tierischen Instinkte ohne Rest auflösen lassen. Immer ergibt sich das biologisch Zweckmäßige durch ein natürliches Produkt aus ollen wirkenden Faktoren. Diese sind zunächst das Bewußtsein des Organismus, das auf Grund von Reizempfindungen, von Lust und Unlust also. so sinnvoll handelt, wie es ihm nach Maßgabe seiner psychischen Fähigkeiten möglich ist. Als höchst wichtige Folgerung� ergibt sich also hier das Vorhandensein von Bewußtsein bei sämt- lichen Organismen, denn es läßt sich zeigen, daß schon die Protozoen genau noch dem gleichen Prinzip der Sinnreaktion handeln. Das zweite bestimmende Hauptmoment der Handlung ist die phy- fische Konstitution, endlich das dritte die äußeren Verhält- nisfe, die Umwelt, in deren Rahmen allein die Fähigkeiten des Tieres sich auswirken können. Das sind die natürlichen Haupt- foktoren, aus denen sich in ebenso natürlicher Weise jede tierische Handlung ergibt. Nirgends aber gibt es einen angeborenen, starren Reaktionsmechonismus. Dieser müßte bei den ewig wechselnden Situationen des Lebens direkt zum Untergang des Organismus führen, statt daß er seine Erhaltung sicherte. In Wahrheit ist alles tierische und menschliche Handeln grundsätzlich variabel und in diesem Sinne frei, es beruht eben auf dem jeder neuen einmaligen Situation sich sinnvoll anpassenden Wägen und Wagen der Psyche. Di*. II. Bebmann: Das Tier and die Porseiiaiig Ueberall in unser Dasein hinein ragt das Tier, hinein- gestellt in unseren Kosmos, untrennbar verknüpft mit unserer Existenz, in der Gesetzeskette der Natur ein Glied, gleich uns. In das Leben des primitiven Menschen tritt das Tier als Feind oder als Nachbar, für unser Zeitalter der Wissenschaft ist es außerdem noch neutrales Objekt der Forschung. Die Wissenschaft braucht das Tier zur Entwirrung der Gesetze, die auch den Menschen betreffen, sie studiert an ihm die Natur, ober sie studiert auch die Natur um das Tier und hilft wieder dem Tier, sich in der Atmosphäre der Zivilisation zurechtzufinden, die der Mensch, oft ohne Rücksicht auf das„Natürliche", geschaffen hat. So sind unter den Instituten, die der freien wissenschaftlichen Forschung gewidmet sind, eine groß« Anzahl dem Tier gewidmet, dem Tier als Objekt der Noturgefetzlichkeit und dem Tier als Subjekt, als Glied der irdischen Gemeinschaft allqr Lebewesen. Wenn imKaiser-Wilhelm-Institut für Biologie die L«bensgesetzmätzigk«iten des Tieres«rforfcht werden, so sind es die Gesetzmäßigkeiten alles Lebendigen, nach denen die Wissen- schaft sucht: in den Instituten für Vererb ungs- f o r f ch u n g interessiert die tierische Erbgesetzlichkeit nur so weit, als das Tier zum Nutzen des Menschen wieder Zuchtobjekt werden soll, oder als aus der tierischen auf die menschliche Erborganisätion geschlossen werden kann. Die eigentliche Tierwissenschast, die Zoologie, ist heute längst zur Teildisziplin geworden, dafür findet man ganz neue Formen der Tierforschung, die ganz aus das Tier als lebendiges Wesen gerichtet sind. So ist in Hamburg im Anschluß an das dortige Aquarium mit Unter- stützung der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft und' der Notgeineinschaft Deutscher Wissenschaft ein Institut für U m w e l t f o r s ch u n g gegründet worden, über das in dem ausgezeichneten Sammelwerk ..Forschungsinstitut«, ihre Geschichte, Organisation und Ziele", Paul Härtung, Verlag, Hamburg , Dr. Fr. Brock berichtet. Umweltforschung als Wissenschaft vom Verhalten des Tieres, geht in Deutschland auf die Forschungen von Prof. Jacob v. U e x k ü l l zurück. Wenn wir das Tier in seinen Lebensäußerungen beobachten, so sehen wir zunächst nicht viel mehr, als daß es scheinbar plan- volle und scheinbar sinnlose Handlungen nebeneinander ausführt. Wir versuchen System in die Lebensäußerung-n des Tieres zu bringen, aber wir bringen zunächst nur unsere eigxne menschliche Logik kritisch an das Dasein des Tieres. Der I n st i n k t- begriff— der heute schon kritisch erschüttert zu sein scheint— ist eine Frucht der Ueb-rdeckung der tierischen Existenz mit mensch- licher Vernunft. Wir machen das Tier zum Automaten, in dem ein übertierisches Uhrwerk unbarmherzig und wesenlos wirkt: der I n st i n k t! Beim Menschen suchen wir diesen höheren Trieb vergeblich, er ist scheinbar schlechter ausgerüstet als das Tier, das mechanisch richtig handelt, wo der Mensch sich trotz oder wegen seiner Ver- nunst irrt. Die moderne Tierpsychologie— die vor- läusig noch als Zweig der allgemeinen, d. h. der menschlichen Psychologie betrieben wird— versucht ohne einen solchen Auto- matenmechanismus auszukommen und das Tier als handelnde Individualität zu erkennen. Die Umweltforschung geht hier voran, indem sie das Tiersüljekt mit den Vo:gSngen und Erscheinungen seiner Umgebung zu einem einheitlichen Plan zu verknüpfen sucht, der wieder die. dem oberflächlichen Beobachter nur teilweise zweck- mäßig erscheinenden Bewegungen und Handlungen in einem sinn- vollen Zusammenhang bringt. Die Umgebung des Tieres verhält sich zu feiner Umwelt— sagt Uexküll — wie das Wasser, das unseren Durst stillt zu dem H'O(chemische Formel für Wasser) des Chemikers. Die„Umwelt" liegt nicht so offen da. wie die Faktoren der„Umgebuna", es bedarf eingehender Forschung und sorgfältigen Studiums des lebenden Tieres, um das Tier aus ihr zu begreifkn. Beispiele für angewandte Umweltforschung bieten die moder- nen zoologischen Gärten. Früher machten die Tiere in ihnen den Eindruck lebenslänglich verurteilter Verbrecher. Sie saßen in Käsigen, herausgerissen aus ihrem Lebensraum und in eine völlig wesensfremde Umgebung versetzt. Hagenbecks Tierpark in Stellingen war. der erste Versuch, die Umwelt vom Tier aus aufzubauen und ihm möglichst viel von dem zu geben, was seine Existenz in der Freiheit ausmacht. Mit den Kulissen allein ist es aber noch nicht gatan, vor allem dann nicht, wenn dies« Kulissen vornehmlich dazu dienen, dem Beschauer die
natürliche Umgebung des Tieres vorzutäuschen. Die Umwelt muß dos thtige Tier zeigen. Wenn auch dL> Tierforschung noch in ihren Anfängen steht, so läßt sich doch schon klar der Weg erkennen, der zu einer Eni» r ä t s e l u n g des Tieres führen kann. Er weist über das Tier hinaus mitten hinein in die Frag«, aus welchen Gründen überhaupt Lebendiges lebt und handelt.
vr. 1«. Ulbert: Barbaren nnd KnltnrTÖlker unter den Tieren Daß Ameisen sich Blattläuse und andere Insekten als„Milch- kühe" halten, ist wohlbekannt. Wie organisiert ober die Vieh- Haltung der Ameisen ist, daß sich sogar Stallwirtschast und Weidewirtschaft urtterscheiden lassen, das konnte die Zoologie erst in neuester Zeit durch mühevolle Versuche feststellen. Wie bei den menschlichen Hochgebirgsbewohnern beginnt im Frühjahr der Austrieb auf die„Weide", d. h. auf die grünenden Sttäucher und Bäume. Eine Ameise begleitet die Blattlaus und bewacht sie bis zum Eintritt der Dunkelheit, dann treibt sie sie wieder in den Bau hinunter. Von Zeit zu Zeit melkt die Ameise auch ihre„Kuh", die bekannllich ein bei den Ameisen außerordenttich beliebtes Drüscnsekret absondert. Werden die Nächte wärmer, so bleiben die Blattläuse nachts im Freien, wie die Kühe auf der Alm. Die Ameisen� kriechen jedoch in den Bau hinunter: sie brauchen anscheinend zum Schlafen ein Dach über dem Kops wie die Menschen. Noch verblüffender sind die„kulturellen" Leistungen mancher tropischer Ameisenorten. So haben sett Jahrtausenden die M c s s o r- a m e i s e n einen besonderen Ruf, von denen schon König Salomo berichtete, daß sie Korn eintragen und daraus ihre„Speise" beretten. Im Orient können diese Ameisen, die ernten, was die Menschen gesät haben, recht erheblichen Schaden anrichten, so daß schon im Talmud Vorschriften und Anweisungen über die Aufsuchung und Zerstörung von Ameisennestern zu finden sind. Aus langen Straßen eilen dicht gedrängt die Tierchen vor ihren Nestern hin und her, wie ein Perlenband glitzern solche Ameisen» straßen in der Sonne. Stets sind die zum Nesteingang marschieren- den(leinen Lastträger mtt einem Samenkorn beladen, das sie mit ihren Mundwerkzeugen hallen. Gräbt man on den Eingängen zu einer solchen Ameisenstadt, so findet man verhältnismäßig dicht unter der Oberfläche zunächst Vorratskammern, in denen die eingetragenen Materialien vorläufig aufgestapelt sind, unter denen sich auch Unbrauchbares, wie Schneckcnschalen usw., findell Dann erst erfolgt die eigentliche Sortierung, wobei die Ameisen ihr Getreide„dreschen", d. h. die harten Spelzen abstreifen. Die so vorbereiteten Körner kommen dann in die ttefer gelegenen eigent- lichen ,L o r n s i l o s". Die weitere Verarbeitung bedeutet aber wohl ein Höchstmaß an tierischer Zivilisation. Die Anreisen zerkauen nämlich in stundenlanger Gemeinschaftsarbeit die Körner und beretten sich auf diese Weise das sogenannte„A m e i s e n b r o t", das teils sofort verzehrt, teils für späteren Gebrauch aufbewahrt wird. Dieser Kau» Prozeß ist mit einer Art Gärung verbunden, bei der mit Hilfe des Speichelzusatzes Zucker aus der Stärk« der Getreidekörner gebttdet- wird. Die Ameisen benutzen also— wenn auch ohne sich deffek� bewußt zu sein— eine chemische Reaktion zur Verbesserung ihrer Nahrung. Die Ameisen stehen also noch ihren organisatorischen Leistungen im Tierreich auf einer besonders hohen Stufe, vielleicht auf der höchsten, wenn man von den Bienen absieht, die in bezug auf Arbeitsteilung und Gesellschaftsordnung wohl unerreicht sind und als das führende„Kulturvolk" unter den Tieren angesehen werden dürfen. Die Bienen haben eine streng geregelte Lausbahn, welche von jeder Arbeitsbiene absolviert werden muß. Mit Wachs- zellcnreinigen fängt es an, Reinemachefrau ist der Bienenberuf der ersten Tage. Noch drei Tagen schon, wenn sie körperlich genügend entwickelt ist, wird die Biene H i l s s- a m m e und muß die älteren Larven mit Blütenstaub und Honig füttern. Für die jungen Larven ist sie erst im dritten Stadium reif, wenn ihre Kopsspeicheldrüsen groß genug sind: sie ist nun Brut- a m m e und füttert die werdenden Bienen mit Futtersast, den sie selbst erzeugt. In diesem Lebensabschnitt darf die junge Biene auch die ersten Ausslüge machen und ihren Orientierungssinn üben. Bauarbeiter»» ist das nächste Stadium der Bienenkarriere. Mit Hilfe ihrer inzwischen entwickelten Wachsdrüse hat sie die Zellen zu erneuern und den Bau zu vergrößern. Damit hat die Biene nun die höchste Stufe des Innendienstes erreicht. Sie wtrd mit dem Abschluß dieses vierten Lebensabschnittes in den Außendienst versetzt und hat— etwa vom 20. Tage ihres Daseins ab— Blütenstaub zu sammeln und in Honig umzuwandeln. 15 Tage dauert durchschnittlich diese höchste Stufe der Bienenkarriere, mit 35 Tagen hat die Sommerbiene im allgemeinen ihr Leben vollendet. Interessante Experimente, die besonders der Berliner Zoologe Professor Rösch angestellt hat, beweisen übrigens, daß sich die Biene dem Zwang irgendeiner gegebenen Situation sofort anpaßt und auch von einer höheren sozialen Stufe wieder in eine frühere zurückkehrt, wenn es die Erhaltung des Bienenstaates erfordert. Wenn es sein muß, überspringen auch junge Bienen einige Stufen der normalen Laufbahn, um etwa sofort zum Honigholen über- zugehen, wenn die Honigsammlerinnen weggefangen werden und nicht zurückkehren. Eine erstaunliche Leistung der Bienen ist die Temperaturrcgulierung ihres Baues im Winter. Sie fitzen bekannt- lich im Winter nicht einzeln, sondern zu vielen Tausenden eng zu- sammengedrückt und hallen sich so gegenseitig warm In der Mitte dieses Haufens herrscht dann eine relativ hohe Temperatur, die nach außen hin allmählich abnimmt. Sinkt nun die Lufttemveratur er- heblich, so werden die„Randbienen" allmählich kalt, die Bienen ge- hören ja zu den wechselwarmen Tieren. Nun machen sich die äußeren Bienen genau so warm, wie wir Menschen es tun würden: sie nehmen Futter zu sich, lausen hin und her und schwirren mit den Flügeln, bis sie wieder die genügende Temperatur haben. Gegenüber diesen Leistungen der„Kulturvölker" unter den Tieren sind die Fähigkeiten der E i n z e l t i e r e der Herdennomaden, wie z. B. der wilden Pferde, Büffel usw., fast„barbarisch" anzusehen. Sie ziehen umher, haben weder eine feste Wohnung, noch eine Andeutung von Arbeiteiellung. Sie sind die Primitiven unter den Tieren. Den Uebergang bilden vielleicht die paarweise in Nestern und Höhlen wohnenden Tiere, die Vögel und gewisse Nage- ttere, von denen einzelne durch eine besonders kunstvolle Bauweis« berühint sind. Was aber diese Fähigkeiten der Tiere bedeuten, sich z» organisieren und gewisse Fertigkeiten zu pflegen und zu vererben. die selbst uns Menschen als Kunstfertigkeiten erscheinen, woher sie stammen, ob aus jahrtausendjähriger Erfahrung oder aus e'— Instinkt, wird erst ein« künftige Tiersorschung klären.