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Nr. 485 48. Jahrgang

2. Beilage des Vorwärts

Max Barthel : Für die Katz

Wir fprachen von einem bekannten Schriftsteller. Nolde blieb plötzlich stehen und sagte:

Ach, hören Sie, bitte, auf mit dem, den kenne ich ganz genau. Wir sind zusammen auf die Schule gegangen. Alles, was der Herr jetzt schreibt, ist für die Katz. Und da muß ich Ihnen schnell eine Geschichte erzählen, die Sie sicherlich nicht in den gesammelten Werken dieses großen Tierfreundes finden werden."

Der dicke Herr Nolde schnaufte. Er richtete die kindlichen Träumeraugen in eine nur ihm sichtbare Ferne und streichelte mit großer Zärtlichkeit seinen Bart.

,, Alles, was er schreibt, ist für die Katz", murrte Nolde . Der Herr ist berühmt geworden, aber er hat sich ja noch gar nicht verdaut. Für die Katz ist seine Arbeit und sie scheint mir nur die traurige Fortsetzung eben der Geschichte zu sein, die ich Ihnen erzählen muß.

Bor fünfundzwanzig Jahren waren wir noch Laujejungens, fleine, begabte Lümmels, wissen Sie, und in der vierten Klasse war unser Baufer ein Schulmeisterlein, mit blauen, erschrodenen Augen, einer spizen Nase und einer übergroßen, blassen Stirn. Er hatte auch eine leise, weinerliche Stimme und konnte uns wenig impo­nieren. Und ausgerechnet uns sollte er Ehrfurcht vor dem Gesez, vor dem Staat beibringen! Na, Sie wissen ja Bescheid, wie auf einen solchen Mann die Kinder reagieren.

Wir wußten auch Bescheid, und mein alter Freund, der Schrift steller hören Sie gut zu, vielleicht schreiben Sie mal eine Bio­graphie über den Mann-, der nun berühmte Schriftsteller war fein Lieblingsschüler. Er troch dem Lehrer sonst wohin, wie er dem Leser von heute sonst wohin friecht und sich einbildet, das sei Psycho­logie.

Nolde geruhte mun, weiter zu wandeln. Geruhsam setzte er Fuß vor Fuß, äugte nach schönen Frauen aus und reihte dabei ge­lassen Wort an Wort und erzählte weiter.

Der Herr Pauker brachte fast jeden Tag ein Päckchen mit in die Schule. Er legte es neben die Wandtafel auf das Fensterbrett. Uns interessierte das Päckchen natürlich sehr, wir witterten viele Geheim­nisse darin und lösten in Gedanken viele Male die himmelblaue Schnur, die es zusammenhielt. Ja, wir strengten schon unsere zarten Köpp: an, auch unser Freund, der Schriftsteller, strengte sein zartes Köpp­chen mächtig an. Und einmal sagte er:

Berzeihen bitte, Herr Lehrer, darf ich Ihnen das fleine Päck­chen nach Hause tragen?"

Der Lehrer wurde noch hilfloser. Seine Augen wurden noch er­schrockener. Und dann erklärte er leise:

Das ist sehr nett von dir, mein lieber Junge, aber es lohnt sich nicht. Ich habe nämlich diesmal einen Hering darin für meine Kazz. Ihr wisset doch," wandte er sich an uns, ihr wisset doch, daß die Kazen gern Fisch fressen im Gegensatz zu den Hunden, welche dem Fischgenuß abhold find."

Ja, er sagte abhold" und rückte dabei die schwarze, geblümte Krawatte zurecht, die sich unter dem großen Adamsapfel üppig blähte. Dann führte er den Unterricht weiter und sprach von den erhabenen Beispielen der ollen Römer und Griechen. Na ja, Sie fennen ja selbst den Rummel, den ewigen Verschleiß bestaubter Ladenhüter aus Geschichte.

Der

Für die Kaz, Herr, ja, zum Teufel, für die Kaz brachte das Schulmeisterlein ab und zu einen Hering mit, eingewickelt in braunes Papier, verschnürt mit einem himmelblauen Faden. Die Erklärun­gen des Herrn Lehrers stellten uns zufrieden, nicht zufrieden aber mar der später so berühmt gewordene Schriftsteller. Er versuchte sich mit Psychologie, da wollte er mit dem Kazenbefizer experimen­tieren, denn er selbst liebte feine Katzen seit der Zeit, da sich ein wilder Kater empörte, weil ihm der Lümmel eine Büchse an den

Schwanz gebunden hatte. Er liebte keine Katzen, nein, weil ihn der Herr des Katers lebhaft und lehrreich verdroschen hatte.

Eines Tages, zines wunderschönen, selten flaren Tages," würde der Herr heute in einem seiner vielen Romane bemerken, brachte der Lümmel Strychnin mit. Er blieb während der Bause im Zimmer, öffnete das Paket, vergiftete den Hering, verschnürte den himmelblauen Faden und kam mit ehrbarem Gesicht und sauberen Händen zu uns auf den Hof.

Und am nächsten Tage fehlte der Lehrer. Hören Sie bitte gut zu: die Mutter des Lehrers war am ver­gangenen Tage plötzlich verstorben. An Strychninvergiftung, jawohl, wenn Sie es ganz genau wissen wollen!"

Herr Nolde holte ganz tief Atem und sagte entschlossen: Der arme Teufel von Schulmeister hatte nämlich gar feine Kaze! Er brachte nämlich seiner alten, armen Mutter jeden Tag was mit, mal einen Hering, mal eine Tafel Schokolade, mal eine Wurst, mal einen Handkäje, mal eine Weintraube, mal ein Pfund Kaffee. Und all das verpadte er säuberlich in das braune Bapier und verschnürte es mit dem himmelblauen Faden.

Und dieser verdammte Lümmel, der sich an dem Mann, der ihn wegen der Kaze verprügelt hatte, rächen wollte... nein, was fage ich nur, das ist doch ganz falsch: der sich an dem Katzengeschlecht rächen wollte, dieser ganz verfluchte Lümmel hat dabei, natürlich ohne eigene Schuld, eine arme, alte Dame vergiftet!"

Nolde blieb noch einmal stehen und sagte höhnisch: ,, Kein Wunder, daß er Schriftsteller geworden ist! Bei der Begabung! Und was find denn seine verfluchten Romane anderes als heimtückische Vergiftungsversuche an der armen Menschheit? Es sollte mich wahrhaftig nicht wundern, nein, wenn er als der größte Giftmischer in die Literaturgeschichte eingehen sollte!"

Plötzlich warf der Berichterstatter Nolde die Hände in die Höhe, schleuderte sie drohend einem Auto entgegen, das auf der breiten Straße angebraust kam, und schrie:

,, Da kommt er ja, da fährt er ja, da verlustiert sich der saubere Herr am hellen Tag mit seinem Auto, dieser kazenfreundliche Gauner, diejer Erzbetrüger, dieser Hunderttausendauflagemann, dieser... dieser... Giftmischer!"

Molde erregte auf der belebten Straße mit seinem hysterischen

Geschrei Aufsehen.

Ein Schuhmann näherte sich neugierig.

Nolde streifte mich plötzlich mit einem sehr fühlen Blick, riß den riesigen Hut vom Löwenhaupt und entfernte sich eilig. Jetzt konnte er sehr schnell laufen! Jetzt flogen seine Füße nur so über die Steine! Und dann winkte er ein Auto heran und fuhr davon.

Da stand ich nun mit meinen Zweifeln und unausgesprochenen Fragen! Was war an der Geschichte Wahrheit und was war in ihr Erfindung? Bei Herrn Nolde wußte man nie, wo die Wahrheit endete und wo die Erfindung begann. Er war nämlich auch ein erfolgreicher Schriftsteller, wenn auch noch kein Hunderttausendauf­lagemann.

Fünf Tage später hörte ich dieselbe Geschichte vom Hering, vom Strychnin, dem Lehrer und der vergifteten alten Frau noch einmal. Der berühmte Schriftsteller erzählte sie mir. Aber diesmal waren die Rollen vertauscht: der Herr Nolde war nun der Kazenquäler und Altedamenmörder.

Ich lächelte, denn mir war plöglich ganz klar geworden, warum der eine den anderen als Schuft und Schurke hinstellte. Das mar, wirtschaftlich gesprochen, der Kampf um die Absatzgebiete! Ich war für sie einfach Publikum und Bücherkäufer! Und dabei hatten die werten Freunde ganz übersehen, daß ich ja auch Schriftsteller bin und mich freue, menn meine Werke und nicht die von Herrn Nolde oder dem berühmten Schriftsteller gekauft werden.

Alfred Hein : Herbstliches Erlebnis

In Naumburg übersprang ich, von Süden kommend, einen| er mitgenommen. Auch sie ist gestorben. Dort unten, auf der Zug, um mir den hochtürmigen Dom anzusehen, dessen Inneres Straße nach Schulpforta , ist es geschehen. Und nun size ich hier

Deutschlands schönste steinerne Antlige birgt und in dessen Quadern die jahrzehntelang auf ein Ziel gerichtete 3ähigkeit und der gemach, aber aus den Tiefen der Seele quellende Kunstsinn unserer Borväter sich offenbaren. Der hastenden Zeit völlig entrückt, verließ ich die mächtige Kathedrale und schritt durch weltabseitige Gassen, die trotz vorüberrasender Autos mit stillen Blumenfenstern auf mich hernieder schauten, zur Stadt hinaus, wo zwischen modernen Villen und Miethäusern das Land sich zu den sanften Buchen­hängen hebt, die über der majestätischen Pappelstraße nach dem flostereinsamen Schulpforta den Wandernden gütig empfangen. Jenseits der Saale aber leuchten südhelle Weinberge und wie eine Arche schwebt der gewaltige Dom, hoch über den bunten Dächern der Stadt.

Hier, mit dem Blick auf eine Mühle inmitten abgemähter Wiesen, ließ ich mich, aus den goldenen Buchenhallen durch ein natürliches Tor tretend, zur Rast am Hange nieder und schaute ins Tal, das so friedvoll fröhlich im weiten Umkreise mit spielerischer Phantasie und Bielfalt Bäume, Häuser, Burgen und Weinreben, Hänge und Ufer um die leuchtende Stadt an der Mündung der Unstrut in die Saale zu cinem kaum in der Welt zum zweitenmal wiederkehrenden anmutigen Bild zusammenfügte.

Blöglich merlte ich, daß noch jemand in meiner Nähe weilte. Etwa zehn Schritte weiter, von einem Brombeerstrauch halb ver­borgen, unter einer, dem großen Wald entsprungenen, einzelnen Buche, saß ein junges Mädchen. In die Landschaft sinnend. Aber schmermütig, wie es schien.

Ich wollte schon den Plak verlassen, da mir die Unbefangen heit, mit der Seele und Landschaft sich in solchem Augenblick ich­verwehender Betrachtung ganz vermählen, durch die zerstörte Ein­samkeit verloren schien, doch da blickten mich zwei große graue Augen an. Boll Angst, wie es schien, und Abwehr zugleich. Ich versuchte zu lächeln.

Ein Zuden der Lippen antwortete.

Als ich auf fie zuschritt, sprang fie auf, und ich sah, daß sie ein Kind trug. Doch nach ein paar flüchtenden Schritten fehrte sie um und jah mich trotzig an.

"

Was wollen Sie? Mir fann doch feiner helfen", sagte sie. Auch nicht der, der Sie liebt?"

"

Mich liebt feiner."

Sie sah mein Erstaunen.

,, Er ist gestern tödlich verunglückt. Mit seinem Motorrad.

Ich fonnte bei meinem Zustand nicht mit. Aber eine andere hatte

und werde mit dem Leben nicht fertig."

Freitag, 16. Oftober 1931

Mit dem Mädel zusammen dort unten, in des Mädels Hause. Seine Eltern wollten, daß er die heiratete, die er mitnahm."

,, Da werden Sie womöglich gar nicht an seinem Grabe stehen?" Ich wäre nicht hingegangen, auch ohne das Mädel. Er soll leben für mich, verstehen Sie! Troß allem: leben. So wie ich ihn zuletzt jah. Und darum sehe ich immerzu auf die Straße hin­ab. Die liegt ja ganz friedlich. Dort wäre es geschehen? DIT müßte doch etwas zu sehen sein, nicht wahr? So einfach aus­gelöscht? Nein. Hier werde ich immer auf ihn warten. lind wenn das Kind geboren ist, dann spielen wir hier zusammen. Sie werden lachen. Das habe ich mir so ausgedacht. Und nur das wird helfen."

-

Eine Turmuhr schlug in der Ferne. Ich mußte zum Zug. Immer wieder wendete ich mich, schon auf die Stadt zuschreitend, Unter der herbstlichen Buche saß unbeweglich die fanatisch um.

Liebende.

Dr. Else Möbus:

Die Elisabethstadt an der Lahn

Wallfahrten aus der ganzen Welt, hessischer Katholikentag, Er­öffnung einer besonderen Elisabeth- Ausstellung, Tagungen fleinerer Organisationen und Bereinigungen: alles das vereinigte das kleine Marburg an der Lahn in diesem Jahr, dem Jubiläumsjahr der heiligen Elisabeth, in seinen Mauern. 700 Jahre sind vergangen, seitdem die 24jährige Landgräfin ihr Leben in Marburg beschloß. mehr als ein halbes Jahrtausend trennt uns von einer Gestalt, die von Sage und Legende so umrahmt, so fief umsponnen ist, daß sie zu der Märchenfigur wurde, als die fie Morig von Schwind auf der Wartburg gemalt hat. Die Kräfte, die ihr Leben formten, Verzicht auf sich selbst, Liebe zu dem Nächsten, die das Christentum vergeblich der Menschheit zu bringen versuchte, sind im Zeitalter eines erbarmungslosen, bis auf die Spike getriebenen Kapitalismus, der Millionen dem Hunger preisgibt, immer noch für die Gläubigen mit dem geheimnisvollen Heiligenschein des Ueberirdischen umhüllt. Sie erhoffen und ersehnen Erlösung von seelischer und materieller Not, indem sie zu der Heiligen wallfahrten eine rührend find.

-

liche Gebärde, über die man lächeln fönnte, wenn sie nicht von soviel Tragit begleitet wäre. Denn keine Heilige des Himmels wird jemals herabsteigen, um den Ungezählten zu helfen, die heute in Berzweiflung und bitterster Not ihr Leben fristen.

den Märchenton der wundertätigen Frau abgestimmt, die Brot und

In der schönen Universitätsstadt an der Lahn aber ist alles auf

Wein in duftende Rosen verwandelte. Ueber ihrer Gruft wölbt sich der mundervolle Dom, die Elisabethkirche, die ihr Schwager Konrad von Thüringen wenige Jahre nach ihrem Tode errichten ließ. In eine unerreichbare Welt der Idee streben die Pfeiler dieses ältesten gotischen Domes. Er ist mehr als ein interessantes deutsches Baudenkmal, das Wahrzeichen Marburgs , er ist ein Denkmal europäischen Geistes, der Ausdruck eines fünstlerischen Ergriffenſeins, das weit über die Grenen eines einzigen Landes hinausging, als es um erstenmal nach Ausdruck und Form suchte. Diese Kunst, die ihre erste Verwirklichung in franzöfifchen Kathe­dralen fand, diente der Kirche, der unentrinnbaren Macht des Mittelalters, aber ihre Schönheit schwang sich weit hinaus über Intrigen und Priestergezänt. Die Materie wurde ihrer Schwer­traft entfleidet. Der Stein fällt nicht zur Erde zurück nach oben Ins Licht getaucht, von Licht umflossen, ragen Bogen, Pfeiler, spißbogige, in allen Farben leuchtende Glasfenster, Lore und Türme in den Himmel. Was die Kirche der Menschenseele niemals geben fonnte, weil sie zu tief verflochten war mit der dämonischen Welt des Hasses und der Vernichtung, das versuchie die Kunst andeutend auszusprechen. Nur so war es möglich, daß in einer Welt, in der die tiefsten Denker, die fortschrittlichsten Geister der Menschheit als Kezer verbrannt wurden, die Gotik alle engen Schranken des Erdgebundenen durchbrach.

er strebt

Durch das kunstvoll geformte, von Blätterwerk umrankte Portal verläßt man die Ruhestätte der Elisabeth und vertraut sich alten, mintligen Gassen und Straßen an, die über Treppen und Torwege führen und ins Innere des alten Marburg geleiten. Schmale, niedere Fachwerkbauten umgeben das interessante Rathaus, das mit seinen Patrizierhäusern dem Marktplatz sein charakteristisches Gepräge gibt. In mächtigen weißen Sandsteinquadern erhebt sich wenige Schritte weiter der Prachtbau der Universität. Aufwärts steigt der Weg und gibt den Blick frei auf ein Landschaftsbild von entzückender Anmut Wälder und Höhen, Obstgärten, frucht. bare Täler, durch die sich die Lahn windet, in der Ferne die dunklen Höhenzüge des Taunus . Wir sind in einem der ältesten, romantischsten Winkel Alt- Marburgs. Eine alte, wurmstichige Holz­tür im Dachgeschoß eines schieferbedeckten Häuschens öffnet sich, man tappt mit unsicheren Schritten durch einen engen, dunklen Raum und findet sich schließlich beim Heraustreten in der tiefer gelegenen Gasse wieder. Hier wurde das Mittelalter in einem Rest städtischer Bauweise bewahrt, der deutlicher als alle Handschriften und Manuskripte einen lebendigen Einblick in Wohnverhältnisse Ja, das ist wirklich schlimm", sagte ich.. Nun stehen Sie früherer Jahrhunderte, einen flaren Begriff von den unbeschreiblich ganz allein und es ist niemand da, der für Sie sorgt?" engen Raumverhältnissen innerhalb der Stadtmauern gibt.

Ich fand keine Worte des Trostes, fonnte auch nicht weiter fragen. Ich setzte mich neben sie und wir starrten beide auf die Pappelallee hinab.

" Nicht wahr", sagte sie nach einer Weile, da kann doch keiner helfen? Wenn Sie wüßten, wie falsch- freundlich er mich zum Ab­schied füßte. Und da, in dem Dorf vor der Stadt, wartete die andere. Auf der Rückfahrt sie waren bis Saalfeld gefahren ist es dann geschehen."

-

-

Das Mädchen lachte auf. O nein. Ich habe für ihn gesorgt.

Ich bin Stenotypistin und er war arbeitslos. Wir wollten heira. der Höhe des Berges, die das Marburger Schloß bilden. Hier mar

ten, ich verdiente genug. Sehen Sie, man hat mir nicht einmal gekündigt, als man sah, was mit mir los ist."

War er denn Ihre Liebe wert?"

Ja. Er war ein hübscher, fräftiger Kerl. Ich liebte ihn. der Altstadt winzige Puppenstuben enthalten, während die Gassen Ganz tief. Da ist man rettungslos verloren und tut alles." ,, Lieben Sie ihn noch?"

Ja."

Der große Dom, das weite Tal, der hohe Himmel, alles schien mir zu klein für das mächtig sich hingebende Gefühl, das in diesem liebenden Ja eines so sehr gemarterten Mädchenherzens lag. Da faß sie auf dem Hügel und schaute den freisenden Mühlenflügeln zu. Es war so still zwischen uns und in dem weiten Land, daß mir die Blätter fallen hörten.

Ihre bleichen Hände ruhten im Schoß, ihr schwarzes Haar glänzte neben mir über der flugen, weißen Stirn; aber ich wagte nicht mit vollem Blick in ihr Gesicht zu schauen, das nicht schön war im landläufigen Sinn, aber in dem sich mit seinem Glanze die ganze opferfreudige Hingabe spiegelte.

Er war doch Ihrer Liebe unwürdig?"

,, Das habe ich auch zuerst gedacht. Aber dann spürte ich: Ich merde nie einen anderen lieben. Vielleicht zum Mann nehmen. Damit das Kind einen Vater hat. Aber lieben? Das fommt und bleibt und ist nicht auszureißen."

..heutzutage vergißt doch die Jugend so leicht", jagte ich. Das ist nur: man hütet sich. Man plänfelt, um teine große Schlacht zu schlagen. Ben es aber padt...

Gie hatte es gepadt und ließ sie nicht mehr Ins. n ist er jegt?" fragte ich

Um so gewaltiger und ausgedehnter wirken die Gebäude auf das Reich der Nachkommen Elisabeths, der Landgrafen von Hessen . Steil und massiv ragen Mauern und Türme hinaus ins Land, breit und behäbig dehnen sich die Räume. Während die Häuser nicht eng und schmal und unhygienisch genug angelegt werden fonnten, wurden hier wahre Brachträume gebaut. Nicht weniger als 36 Meter Länge zeigt der berühmte Rittersaal des Schlosses, von dessen Fenstern der Blick weit hinausschweift über Stadt und Fluß. In weiter Ferne liegt Wittenberg , die Stadt des Refor: mators, der dem Katholizismus eine tiefe Wunde schlug, und hier in diesen Räumen kämpfte Luther selbst scharf und hartnäckig gegen Zwingli , ohne einen versöhnlichen Abschluß zu finden.

Religionsstreitigkeiten und politische Kämpfe rangen Jahr­hunderte lang um die fleine Universitätsstadt und haben überall ihre Spuren hinterlassen. Im Reich des Märchens und der Legende aber weiß man nichts von harter Wirklichkeit, und so träumt auch heute noch die heilige Quelle Marburgs , der Elisabethbrunnen, weltenfern und unberührt, in dichtem, geheimnisvollem Hochwald von dem Wunder, auf das die Menschheit seit Jahrtausenden martet....

Wie lange hält sich das Schlangengift? Es ist ein Irrtum, menn man annimmt, daß das Gift einer Schlange mit deren Tode feine Wirkung verloren habe. Der Schlangenzahn ist vielmehr auch nach dem Tode noch genau so gefährlich. Das Gift hält sich noch

jahrelang in den Zähnen. Man hat jogar die Feststellung gemacht, daß das Gift, selbst nachdem es mit lauem Wasser erweicht und verdünnt worden war, noch tödlich wirkte. Getrodnet hat man es zehn Monate aufbewahrt, und dennoch hatte es nichts von seiner Araft verloren.