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BERLIN Montag 19. Oktober

1931

Der Abend

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B 245 48. Jahrgang

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Unglückszeche Mont Cenis

Neue Katastrophe: Bisher 9 Tote und 27 Verletzte geborgen!

Essen, 19. Oktober.

Der Zechenverband teilt mit: Auf der Zeche Mont Cenis 1/3 ereignete sich in der heutigen Frühschicht gegen Uhr im Revier 5 der westlichen Abteilung auf der fünften Sohle Flöz A eine Explosion. Der Umfang des Unglücks ist noch nicht genau zu übersehen. Bisher sind fünf Tote und neunzehn Verlekte geborgen. Die Rettungsgruppen von den Zechen Rheinelbe, Konstantin, Erin, Shamrock sowie der Leiter der Hauptstelle für das Grubenrettungswesen, Berg­assessor Dr. Forstmann, sind zur Hilfeleistung einge­troffen und eingefahren. Vom Bergrevier Herne sind Bergrat Tönis und Bergrat Kunkel eingetroffen. Die Direktoren der betroffenen Zeche sind gleichfalls einge fahren.

Von der Schlagwetterexplosion auf der Zeche Mont Genis sollen nach den bisherigen Erkundigungen zwei Reviere betroffen worden sein, während die Belegschaft aus den übrigen Revieren ausfahren konnte. Rettungsmannschaften sind zur Zeit damit be. schäftigt, in die betreffenden Reviere vorzubringen. In Bochum wurden bisher sechs Verlette eingeliefert. Die Umgebung der Zeche ist von Schukpolizeibeamten vollständig abgesperrt. Krankenwagen verlassen das Zechengelände, um die von der Explosion betroffenen Bergleute fortzuschaffen.

Zur Zeit des Grubenunglücks auf der Zeche Mont Cenis waren 70 bis 80 Bergleute beschäftigt, über deren Schicksal man noch im ungewissen ist. Die Zeche zählt zur Zeit eine Belegschaft von 1800 bis 2000 Mann, die sich über drei Schichten verteilen.

Neun Tote in Herne .

Herne , 19. Oktober.

Blutsonntag in Braunschweig

Hitler Aufmarsch fordert Tote und zahlreiche Verletzte

Braunschweig , 19. Oktober.

Der Aufmarsch der Hakenkreuzler unter Hitlers Führung hat, wie sicher vorauszusehen und in dem Telegramm an Groener auch schon angekündigt war, zu schweren Tumulten und Blutvergießen ge­führt. 3 wei Zote und mehr als sechzig Verletzte legen Zeugnis ab von der Kulturmission der Hitlergarden.

Die Nazis versuchten bereits am Sonnabend und während der Nacht zum Sonntag die Braunschweiger Arbeiterviertel zu terrorisieren. Sie dran gen in die Arbeiterviertel ein, warfen Fenstescheiben ein und bedrohten friedlich des Weges gehende Bürger. Am Sonntag widerholten sie das Spiel. Trohdem die Polizei die Straßen zu den Arbeitervierteln abgeriegelt hatte, gelang es einigen Trupps immer wieder, die Sperren zu durchbrechen. Stellenweise rissen sie das Pflaster auf, um mit den Steinen die Fensterscheiben ganzer Häuserreihen zu zertrümmern. Am Sonntagnachmittag setzte die Polizei des Herrn Klagges gegen die Rowdys Sprengwagen und Panzerautomobile ein.

Von den zahlreichen Verletzten wurden etwa 40 in die Krankenhäuser geschafft. Ein Arbeiter namens Fischer wurde von einem Nationalsozialisten Hehmann aus Plauen durch einen Herzstich getötet. Die Zahl der Rowdys dürfte sich insgesamt auf etwa 30 000 bis 35 000 beziffert haben. Unter den verletzten Nationalsozialisten befindet sich auch ein

Um 11½ Uhr bringen ausfahrende Rettungsmann- Oberst a. D. Hoffmann aus Stuttgart .

schaften die Nachricht, daß das ganze Revier befahren sei und mit weiteren Opfern nicht mehr zu rechnen sei. Die Gesamtzahl der Opfer beträgt 9 Tote und 27 Ver­lette. Irgendeine weitere Gefahr für die Rettungs­mannschaften, die zum geringen Teil noch unter Tage sind, und für die Grube besteht nicht.

Bor zehn Jahren 83 Todesopfer. Die Zeche Mont Cenis war bereits einmal im Jahre 1921 der Schauplaß einer furchtbaren Bergwerkstatastrophe. Am 21. Juni traf aus Herne in Westfalen die Hiobsbotschaft ein, daß in einem schlagwetterreichen Kohlenflöz eine Explosion erfolgt sei, die 83 Bergleuten einen entfeßlichen Tod brachte. Die Opfer waren zum Teil bis zur Unkenntlichkeit verbrannt, andere wurden durch die Gewalt der Explosion zerschmettert und furchtbar ver:. stümmelt. Die Auswirkungen des Luftdrucks waren so ungeheuer­lich, daß ein Bergmann, der etwa eine Viertelstunde von dem Un­glücksherd entfernt eine Maschine bediente, gegen einen Stempel ge­schleudert und lebensgefährlich verlegt wurde.

Wolffs Büro meldet über die Straßenfämpje:

Bei den Zusammenstößen anläßlich des SA - Treffens haben insgesamt 50 bis 60 Beteiligte Verlegungen erlitten, von denen einige schwerer Natur sind. Zahlreiche Personen wurden vorüber­gehend festgenommen, fünf oder sechs von ihnen werden dem Amtsgericht vorgeführt werden. Bei Zusammenstößen am Nickelnkult und in der Langen Straße wurden viele Fensterscheiben zertrümmert. Ein Arbeiler, der einen Bauchschuß erhalten hatte, ist in der vergangenen Nacht im Krankenhaus gestorben. Damit haben die Zusammenstöße bisher insgesamt zwei Todes opfer gefordert.

Klagges ohmmächtig.

Braunschweig , 19. Ottober.( Eigenbericht.)

Der Ortsverenin Braunschweig der Sozialdemokratischen Partei hat an den Reichsminister des Innern wegen der neuesten Heldentaten der SA. in Braunschweig folgendes weitere Telegramm gerichtet:

In Braunschweig foben Straßentämpfe. Viele Ver­Das Unglück war das größte, von dem der Ruhrbergbau seit letzte liegen in den Krankenhäusern. Straßenpflaster von kämpfenden der Katastrophe auf der Grube ,, Radbod" im Jahre 1911 betroffen nationalsozialisten aufgerissen. Fensterscheiben ganzer Straßenzüge wurde. Fast schien es, daß außer den 83 Toten auch die übrigen in dem Unglücksflög eingeschlossenen 80 Bergarbeiter dem Tode zertrümmert. Braunschweigische Regierung fann froh geweiht seien. Unter größter Aufopferung drangen die Rettungsübergroßer Anstrengungen der Polizei nicht Sicherheit und Ordnung aufrechterhalten." mannschaften aus den Nachbargruben in den zum Teil völlig ver­gasten Unglücksschacht vor. In stundenlanger Arbeit konnten die eingeschlossenen Bergleute ans Tageslicht ge= bracht werden. Leider mußten noch einige von ihnen nach mehrtägigem schwerem Krantenlager ihr Leben laffen. Lediglich dem Opfermut der Retter war es in erster Linie zu danken, daß die Ueberlebenden aus dem Todesschacht geborgen werden konnten.

Das zweite Opfer.

ausschließlich in Arbeitervierteln ist groß. Die Arbeiterstraßen zeigen noch heute die Spuren der Verwüstung und heftiger Kämpfe. Vielfach standen Arbeiter, einerlei ob Reichs­banner- oder Rotfrontleute, zusammen mit der Polizei in Abwehr gegen die Hitlerbuben, die nicht davor zurückschreckten, in die Fenster der niedrigen Häuser zu schießen, hinter denen in Betten und Wiegen Pleine Kinder lagen. Mehrere Kinder und Frauen wurden durch eingeschlagene Fensterscheiben verletzt. Ganze Straßenzüge waren terrorisiert. Die SA. Leute schossen in die Häuser und zerstörten auf den Straßen die Lichtleitungen.

Das Reichsbanner hat einen Aufruf erlassen, worin dem Nazi­innenminister die Schuld für die blutigen Zwischenfälle zugemessen wird. Klagges habe in öffentlicher Versammlung das Wort ge­sprachen: Der margistische Mob müsse in die Schlupfwinkel zurüd gedrängt werden." Diese Aufforderung hätten die Nazis als Freibrief aufgefaßt. Der Polizeiminister und sein Polizeipräsident waren taub gegenüber den Hilfe­gesuchen am Leben bedrohter Einwohner. Niemand in Braun-­schweig versteht, warum der von den Hitlerbanden terrorisierten Bevölkerung vom Reich teine Hilfe murde.

An den Hitlerparaden nahmen übrigens mit Hakenkreuz­transparenten versehene Flugzeuge der Bayerischen Berfehrsflugzeug Gesellschaft teil.

Hitler vor dem Siege".

Am Sonntagvormittag hat Adolf Hitler neue Fahnen seiner Terrorgruppen geweiht". Dabei erklärte er, es würden, wie er hofft, die letzten Fahnen sein, die er ,, vor dem Siege" der SA.

übergebe.

Er hat aus den Tatsachen noch immer nichts gelernt, wenn er glaubt, daß er schon unmittelbar vor dem Siege ſtehe!

Berhaftungen in Hannover . Hannover , 19. Oktober.

( Eigenbericht.)

Im Zusammenhang mit dem Braunschweiger Nazitreffen ver

haftete die hannoversche Polizei am Sonnabend und Sonntag 165 Nationalsozialisten wegen Veranstaltung verbotener Demonstrationen und Tragens verbotener Uniformen. 119 Nazis werden heute dem Schnellrichter vorgeführt. Für die übrigen 46 ist noch der Jugendrichter zuständig, so daß sie dem Schnellrichter nicht vorgeführt werden konnten.

Ein Sklavenhalter zittert. Minifter Klagges und der wuchtige Schritt der GA. Dem SA .- Treffen in Braunschweig widmete der dortige nationalsozialistische Staatsminister Dietrich Klagges im ,, Böl­tischen Beobachter" eine Begrüßung, in der es hieß:

Wenn der wuchtige Schritt eurer. Stürme durch, Braunschweigs Straßen hallt, werden die Sklavenhalter Deutsch­ lands erzittern."

Was sich dann tags darauf in Braunschweig ereignete, schildert. die B. 3. am Mittag" so:

,, Am Ackerhof konnte sich der nationalsozialistische Innen­minister Klagges persönlich von der Brutalität seiner SA.- Leute überzeugen. Klagges , der gerade einen Polizeioffizier über die Situation befragte, erlebte einen Sturmangriff seiner eute, so daß er selbst in ein nahe gelegenes Haus flüchten mußte."

Braunschweig , 19. Oktober .( Eigenbericht.) Der Arbeiter Engelte, der am Sonntagabend von Nationalsozialisten durch zwei Schüsse schwer verlegt wurde, ist in der Nacht zum Montag im Krankenhaus Marienstift Die Ursache nie einwandfrei geflärt. abgestorben. Engelte erhielt u. a. einen Bauchschuß. Er ist das Als Ursache wurde damals eine Schlagmettererplosion zweite Todesopfer des SA - Treffens in Braunschweig , und Neue Rebellion in der Wirtschaftspartei.

mit nachfolgender Kohlenstauberplosion vermutet. Nach einer anderen Bersion follte die furchtbare Explosion durch unvor­fichtiges Handhaben mit einer Spreng patrone entstanden sein. Die Untersuchungskommission hot darüber nie volle Klorheit schaffen fönnen. Die Katastrophe gab der sozialdemokratischen Landtagsfraktion Veranlassung zu einer Großen Anfrage, in der die Klärung des Unglüds mit allem Nachdrud gefordert

wurde.

Vater von fünf unverforgten Kindern.

In den Krankenhäusern sind rund 70 mehr oder weniger Schwer. verlegte eingeliefert worden. Die Mehrzahl gehört republikanischen und Arbeiterorganisationen an, ein Zeichen, daß die bewaffneten Hitlerhorden fyftematisch die andersdenkende Bevölkerung überfallen haben.

Die Empörung über die Terroratte der Hafentreuzler

Weil die Reichstagsfraktion nicht für Hitler stimmte. Dresden , 19. Oftober.( Eigenbericht.)

Wie wir erfahren, ist nach der Abstimmung der Wirtschafts­partei im Reichstag sofort eine Wahlkreisfonferenz der Wirtschafts­partei für Ostfachsen zum Dienstag, für den Wahlkreis Chemnitz­3midau zum Donnerstag einberufen worden. Auch die Vertretung des Leipziger Kreises tritt demnächst zusammen. Aller Voraussicht