1931
Der Abend
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B 247 1 48. Jahrgang
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Der Naziminister verbietet das sozialdemokratische Parteiblatt, weil es die Wahrheit über die Hitlerei berichtete
Braunschweig , 21. Oftober.( Eigenbericht.) Der sozialdemokratische ,, Volksfreund wurde soeben vom Innenminister Klagges auf die Dauer von acht Wochen auf Grund der Notverordnungen des Reichspräsidenten zur Bekämpfung politischer Ausschreitungen berboten. Zur Begründung dieses aufreizenden Verbots wird behauptet, daß der ,, Volksfreund" über den Hitler Aufmarsch in Braunschweig eine Reihe Artikel aufheherischen und aufrührerischen Charakters gebracht habe, die nicht den Tatsachen entsprächen und die die öffentliche Sicherheit und Ordnung in erheblichem Maße gefährdeten.
Dies Berbot ist ein offener Willküraft, ein glatter Rechtsbruch durch den Nationalsozialisten lagges, unter dessen Ministerschaft in Braunschweig die national sozialistischen Horden zum offenen Bürgerkrieg übergegangen find.
Herr Klagges hat die Terrorafte seiner Parteifreunde bisher glatt abgeleugnet. Das Verbrechen des Braunschweiger Boltsfreund" besteht darin, daß er in einer Fülle von Augenzeugenberichten die Wahrheit über das Treiben der Nationalsozialisten enthüllt hat.
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Die Blutschuld der Hitler- Banden
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Der Pressedienst der Deutschen Volkspartei stellt sie fest
Der Pressedienst der Deutschen Boltspartei, Fenderen für„ Braunhemden" nicht ungefährlichen die Nationalliberale Correspondenz", veröffentlicht den folgenden Bericht über die Vorgänge in Braunschweig : ..., Die Nachlese des Tages der Hitler- Bewegung in Braunschweig ist wenig erfreulich. Zwei Tote, schwer ader erheblich Berletzte, deren Zahl mit 40 angegeben wird, dazu die Zahl der leicht oder leichter Berlegten die darum nicht festzustellen ist, meil von diesen viele privatärztliche Hilfe in Anspruch nahmen. Die Polizei gab an: Montag mittag die Zahl der Verlegten mit 60 an; die Zahl ist sicher aber häher. Eine Erklärung, die das Innenministerium der Presse zugehen ließ, wendet sich gegen die Auffassung, daß in Braunschweig Straßenfämpfe", tobten. Mit Recht, denn der Begriff der Straßenkämpfe" medt Vorstellungen, die mit dem, was wirklich geschah, nicht übereinstimmen.
So etwas wie einen Straßentampf gab es am Sonnabend in der Langen Straße, denn die Polizei selbst spricht da von einem „ Straßengefecht".
Wer wissen will, was und wie der Bolksfreund" ge= schrieben hat, der braucht nur den Vorwärts" oder ein anderes sozialdemokratisches Blatt lesen. Mit genau dem- Aber was sonst noch geschah, waren Zusammenstöße. Freilich waren felben Recht wie der Volksfreund" könnte die ganze sozial- auch diese Zusammenstöße" alles eher als harmlos die Toten demokratische Preffe im Reiche verboten werden und ein und die Zahl der Verwundeten sind dafür ein trauriger Beweis. fehr großer Teil der bürgerlichen Presse dazu!
Straßen zumeiden? Die Polizei hat ja verschiedentlich verfucht, die wichtigsten Zugangsstraßen abzuriegeln und Zusammenstößen vorzubeugen. In diesem Bemühen hätte man sie unterstützen follen, und das ist nicht oder kaum geschehen. Die Polizei konnte nicht überall sein, und sie fonnte unmöglich alle Straßen: abriegeln. So aber gelang es immer wieder dem schrillen Ruf der Trillerpfeifen, Gruppen und ganze Züge zu sammeln, die dann durch die Straßen ffürmten. Der Ruf: Fenster zu! Straße frei!" in einer friedlichen Stadt hafte gewiß nichts mit dem Zwed der Tagung zu fun, und es ist zu verstehen, daß er überall in den Zugangsstraßen Aufregung und Schreden verbreitete. Dem Eindruck des Tages wurde damit bestimmt nicht gedient. Damit nicht und mit manchem anderen auch nicht, daß zum Beispiel SA.- Leute vereinzelt Baffanten anhielten und fie nach Waffen durchsuchten. Mit welchem Recht? fragten die, die das sahen. Die Hitlerleute haben keine polizeilichen Befugnisse, und es muß erregend wirken, wenn Gäste einer Stadt sich als Herren gebärden und tun, was ihnen beliebt und was sie als erlaubt halten.
Und hier wird die Regierungsfundgebung den wirklichen VorNach alledem kann man es verstehen, daß die Reichsregierung Die öffentliche Sicherheit und Ordnung in Braunschweig gängen nicht gerecht. Es geht nicht an, die Schuld an den Zusammenleberlegungen anstellt, wie in Zukunft solchen Ereignissen vorwird also nicht dadurch gestört, daß nationalsozialistische Mord- stößen lediglich auf die Kommunisten abzuwälzen. gebeugt wird." banden Arbeiterwohnungen stürmen und Arbeiter ermorden, sondern dadurch, daß das nationalsozialistische Verbrechen öffentlich angeprangert wird!
Dies Zeitungsverbot ist ein Eingeständnis der Schuld. Dieser Minister, der durch ein Zeitungsverbot die Wahrheit unterdrücken will, trägt schwere Schuld an den blutigen Vorfällen von Braunschweig ! Er hat die Notver ordnung parteiisch gehandhabt. Er hat den Aufmarsch der Hitlerbanden zugelassen. Er hat selbst in Hitler uniform den Terrorakten seiner Parteifreunde zugesehen und er wagt es trotzdem, sie zu leugnen!
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Dieser Minister ist ein Minister gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung, er ist ein Minister für den Bürgerkrieg.
Die gesamte sozialdemokratische Presse im ganzen Reiche wird dafür Sorge tragen, daß die Rolle dieses Ministers und seiner Terrorbanden öffentlich in weitesten Kreisen bekannt wird.
Das Reichsinnenministerium aber steht vor der ernsthaften Frage: wie lange will es diesen von Braunschweig ausgehenden Provokationen noch zusehen?
Der Arbeitermörder Heymann.
Ueber den von der Staatsanwaltschaft stedbrieflich verfolgten
Bei der im übrigen ausgezeichneten Organisation ist das eine nergessen oder doch nicht ausreichend gewürdigt worden: daß Braun schweig zwar seit einem Jahre der Vorposten Hitlers ", im übrigen aber doch ein recht heißer Boden ist. Die aufreizenden Kampflieder, die unaufhörlich durch die Straßen schallten, gehören wohl Nazi Rudolf Heymann , der in Braunschweig den Reichszum nationalsozialistischen Bekenntnis. Daß sie aber gerade in Braunschweig start aufreizend wirken und 3 wischenfälle provozieren fönnten, hätte man vor= aussehen und um des ruhigen Ablaufs und des stärkeren Eindrucks willen vermeiden sollen. Desgleichen die Sprechchöre.
Wenn die tote Front", die es in Braunschweig nun doch einmal in ansehnlicher Stärke gibt, immer wieder hören muß, daß sie zerschmettert" werden soll, dann darf man sich am Ende nicht wundern, wenn diese rote Front sich regt und auf ihre Art dem Gegner zu beweisen sucht, daß sie da ist und gar nicht daran denkt, fich fampflos zerschmettern zu lassen.
Die Kämpfe in den Altstadtstraßen hätten sich wenigstens zum Teil vermeiden lassen. In der Langestraße haben sie eigentlich nie aufgehört. Warum? Es find stadtunkundige SA.- Leute in diese Straße geraten und haben ungewollt Anlaß zu dem„ Straßengefecht" gegeben. Aber warum hat man von der LeiBon Braunschweig aus erfolgt eine unaufhörliche Stötung aus nicht den Befehl gegeben, diese und die rung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit. Es gibt in Braunschweig einen Mann, der sie ständig gefährdet: das ist der Innenminister Klagges!
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Gegen das rechtlich unhaltbare Verbot ist sofort zu nächst in Braunschweig selbst Beschwerde erhoben worden. Es ist jedoch zu verlangen, daß das Reichsinnenministerium schleunigst eingreift, um die durch den gegenwärtigen Regierungsstand in Braunschweig schmer gestörte Ordnung und Ruhe wiederherzustellen.
Was tut Groener?
Der Bericht des Garnisonältesten nicht objektiv. Braunschweig , 21. Ottober.( Eigenbericht.) Der hier befannt gewordene Bericht des braunschweigifchen Garnisonältesten Oberst Geyer dedt sich nicht einmal mit den polizeilichen Jeffstellungen und wird als
bannerkameraden Fischer niederstach, wird unserem Plauener Parteiblatt folgendes mitgeteilt:
Der Bursche ist etwa 23 Jahre alt. Er war im vergangenen Monat in Blauen und erzählte viel von seinem unftäten Wanderleben im In- und Ausland. In den vergangenen fünf Monaten will er fünf Staaten von Norwegen bis zur Schweiz durchwandert haben. Er besitzt einen Auslands= paß. Im September ist er nach Jena abgewandert. Möglicherweise ist er dort zum Dienst in den Nazikolonnen gekommen, woraus seine Anwesenheit beim Hitlertag in Braunschweig erklärlich wird. Heymann gilt hier als verkrachtes Genie; er.. musizierte gelegentlich auch auf den Straßen der Stadt und hat fich auf den Wanderfahrten, die er mittellos zurücklegte, den Unterhalt in der üblichen Weise beschafft.
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Das ist das Material, aus denen die Nazis ihre Helden für das Dritte Reich refrutieren. Der Auslandspaß wird dem Mörder die Flucht erleichtern. Hoffentlich wird er doch noch vor dem Entweichen gefaßt.
nicht objektiv angesehen. Es liegt die Vermutung nahe, daß die| Miniffer, der nichts eiligeres zu tun hatte, als seinen ungesetzlich Informationsquellen des Herrn Oberst nicht allzuweit vom klagges- handelnden Parteifreunden zu Hilfe zu kommen. Klagges erklärte minifterium entfernt lagen. Wenn der Minister Groener fich nur dem Polizeihauptmann:„ Wenn die Führer der SS. und SA. die auf die nazifreundlichen Bekundungen Geyers und auf die selbst- Absperrung so angeordnet haben, müssen die Leute so stehen verständlich tendenziösen Berichte des in erster Linie verbleiben, da sie ja den Befehl vom Führer haben." Der antwortlichen Staatsministeriums ftüßen sollte, fo Polizeihauptmann mußte sich diesen Anordnungen seines Chefs, würde das von der republikanischen Bevölkerung Braunschweigs der feinerseits dem„ Führer" gehorchte, unter dem Hohngelächter einfach nicht verstanden werden. id l der Nazis fügen!
Eine neue Dienstbehinderung der Polizei durch den nationalsozialistischen Innenminifle klagges am letzten Sonntag gibt heute der„ Volksfreund" bekannt. Danach wollte sich der Polizeihauptmann Jagemann mit seinem Kommando gegenüber SS. - Mannschaften, die sich Polizeibefugniffe anmaßfen, durchfehen. Die Nazis beschwerten sich bei ihrem
Zwei Mitglieder der Vereinigung der Arbeiterphotographen Deutschlands aus Leipzig , die im Auftrage der Parteipreffe den Hitlerrummel in Braunschweig photographiert und diese Aufnahmen auf etwa vierzig Filmen zur Kopierung und Entwidlung bei einer hiesigen Firma untergebracht hatten, erlebten, daß ihnen das gefamfe Aufnahmematerial von der Kriminal116 inf