Regierungspräsidentgegen Krankenkasse Der Vorstand der Allgemeinen Ortstrantentaffe Breslau fuspendiert.
Die Rechtspresse bringt in sensationeller Aufmachung die Nachricht, daß der Vorstand der Allgemeinen Orts frankenkasse der Stadt Breslau seines Amtes enthoben worden ist. Dabei wiederholt sie die früheren Behauptungen über sozialdemokratische Mißwirtschaft" in einer Form, als ob es sich um neuere Vorkommnisse handelt. Sie sucht nach einer Gelegenheit, die Aufmerksam feit von den Standalen um Raiffeisen und Nordwolle durch einen Angriff auf die Krankenkasse abzulenten.
Ueber die Vorkommnisse in Breslau erhalten mir folgende sa chliche Darstellung:
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Durch eine Revision des Versorgungsamts Breslau wurde ermittelt, daß der Leiter der Abteilung Versorgungswesen" bei der Kasse die Abrechnungen nicht ordnungsmäßig aufgestellt hat. Er begründete das damit, daß der Kasse viele Aufwendungen für Kriegsbeschädigte erwachsen, ohne daß dies aus den Belegen ersichtlich ist. Es wird auch behauptet, daß der Abteilungsvorsteher einem Arzt zu Unrecht Zahlungen angewiesen hat. Der Abteilungsvorsteher und die sonst an der Angelegenheit Beteiligten wurden verhaftet. Es schwebt das Untersuchungsverfahren.
Ein Angestellter der Kasse behauptet, er habe dem Berwaltungsdirektor mündlich über die Manipulationen des Abteilungsvorstehers berichtet. Die von dem Verwaltungsdirektor ver langte schriftliche Darlegung soll niemals an die Verwaltung gelangt sein. Infolgedessen sah sich der Direktor außerstande einzugreifen. Außerdem wird dem Verwaltungsdirektor der Ankauf von Schreibtischen vorgeworfen, die aber in Wirklichkeit durch die Baukommission in seiner Abwesenheit bestellt wurden. Wegen dieser Dinge ist der Verwaltungsdirektor zur Disposition gestellt worden.
Die Aufmerksamkeit der Deffentlichkeit ist im wesentlichen dadurch erregt worden, daß die Rasse in 3ahlungsschwierigteiten geraten ist. Der Kaffenvorstand hatte im Jahre 1929 einen Erweiterungsbau des Verwaltungsgebäudes beschlossen und hierfür die Genehmigung des Versicherungsamts erhalten. Im Verlaufe des Baues stellte sich heraus, daß der Baugrund fumpfig war; infolgedessen wurden sehr toſtspielige Gründungsarbeiten, erforderlich. Die Besizer der anliegenden Grundstücke strengten Schadenersaßprozesse an. Die Kasse war gezwungen, große Entschädigungen an die Anlieger zu zahlen und einige der angrenzenden Grundstücke zu erwerben. Die Kasse wäre sicher in der Lage gewesen, die notwendigen Gelder aufzubringen, wenn nicht inzwischen die Wirtschaftstrise ihre Finanz grundlagen erschüttert hätte.
Eine Folge der Wirtschaftskrise ist auch, wie bei allen Rassen, ein starter Mitgliederrückgang. Die an sich erforderliche Entlassung von Angestellten wurde dadurch vermieden, daß die Arbeitszeit herabgefeßt und die Gehälter erheblich gefürzt wurden. Der Kassenvorstand hatte den ersten Berwaltungsdirektor zur Disposition gestellt und den zweiten megen Ueberalterung penfioniert.
Zwei Borstandsmitglieder, je ein Vertreter der freien und der christlichen Gewerkschaften, wurden mit Zustimmung der Arbeitgeber mit der vorläufigen Wahrnehmung der Leitung beauftragt. Hiergegen protestierten die Angestellten der Kaffe. Sie forderten das Eingreifen der Regierung
Das Bersicherungsamt hat dem Vorstand aufgegeben, die Finanzen der Raffe in Ordnung zu bringen. Das war nur durch eine Beitragserhöhung möglich. Der Ausschuß ber Staffe hat die vorgeschlagene Beitragserhöhung jedoch abgelehnt. Das Bersicherungsamt mar genötigt, die Beitragserhöhung anzu ordnen. Der Borstand hatte auch sonst alle Borkehrungen getroffen, um eine allmähliche Gesundung der Kaffenfinanzen herbeizuführen. Wenn er seines Amtes enthoben worden ist, so ist das zweifellos auf das Eingreifen des Regierungspräsidenten zurückzuführen. Und es ist bezeichnend, daß sowohl die Breslauer wie die Berliner Rechtspresse bereits am Dienstag mit teilungen über die Amtsenthebung des Kassenporstandes bringen fonnten, obwohl der Beschluß des Versicherungsamtes über die Amtsentsetzung erst am Mittwoch von dem Oberbürgermeister unterschrieben und den Vorstandsmitgliedern persönlich über geben wurde!
Eine Behördenstelle muß also unter Bruch des Amtsgeheimnisses Nachrichten an die Rechtspresse gegeben haben. Gegen die Anordnung des Versicherungsamts wird der Kassenvorstand den im Gesez vorgesehenen Beschwerdeweg beschreiten, da die Verfügung offensichtlich jeder Rechtsgrundlage entbehrt. Richtig ist aller dings, daß der Kassenvorstand, auf einen ihm vom Regierungspräsidenten vorgelegten Fragebogen mit 150 Fragen nicht in allen Fällen die Antwort gegeben hat, die der Regierungspräsident viel
leicht erwartete.
Die Rechtspresse spricht von sozialdemokratischer Miß wirtschaft". Die Mehrheit des Kassenvorstandes besteht aber nicht aus Sozialdemokraten. Die christlichen Gewerkschafter und die Arbeitgeber haben zusammen die Hälfte der Stimmen im Kaffenvorstande. Alle
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Das war ein Bombengeschäft! Da muß die Gesellschaft den Gewinn mit uns Direktoren teilen. Das hier ist für uns!"
" Halt, meine Herren- und was bleibt für die Gesellschaft?"
Richtig, die Gesellschaft!- Herr Müller, hier find 20 Mart auf Gewinnkonto zu verbuchen!"
Landtag und Grubenkatastrophe.
Beratung sozialdemokratischer Anträge.
ministeriellen Verfügung gefordert. Redner der bürgerlichen Parteien setzten sich auch jetzt im Landtag lebhaft für den kolonialen Die Kommunisten aber verteidigten nicht etwa Geist ein. Grimmes Erlaß als mit ihren Auffassungen übereinstimmend und griffen auch nicht etwa die bürgerlichen Parteien wegen ihrer Kolonialbegeisterung an, sondern ihr Ausländer beschimpfte- die SoSchulen unternähme. Gegen solche Verranntheit und Berbohrtheit ist man leider völlig machtlos.
Der Preußische Landtag arbeitet gegenwärtig mit großer In- I tensität den vielartigen Beratungsftoff auf, der sich während der Sommerpause angehäuft hat. Am Mittwoch hatte er sich zunächt mit der Notverordnung zu beschäftigen, die durch eine Reichs und Staatsgarantie in Höhe von je 120 Mil lienen die gefährdete Landesbank der Rheinproving stützt. Die agrarischen und großfapitalistischen Kreise, die fein Wortzialdemokratie, weil sie nichts gegen die Kolonialpropaganda an den dagegen gesagt haben, daß das Reich den Zusammenbruch der Danat bant und der Dresdner Bant verhütet hat, fanden diese Einsegung erheblicher Staatsmittel für ein öffentlich- rechtliches Bantunterneh men unerhört und
die ofthilfegesegneten Oftelbier protestierten laut lärmend dagegen, daß man gerade der Rheinprovinz eine solche Garantie zuteil werden ließe.
Ebenso erging es der neuen Rotoerordnung. Die die direkte Wahl der Magistratsmitglieder in Schleswig- Holstein zeitweilig aufhebt.
Zum Schluß begann das Haus eine Aussprache über Anträge der Sozialdemokratie zur Verbesserung der Grubensicherheit,
die Genosse Otter begründete. Die vorgestrige. Ratastrophe auf Mont Cenis mit ihren 17 Toten hat diesen Anträgen, die seinerzeit nach Alsdorf und Eschweiler gestellt waren und seitdem im Ausschuß durchberaten worden sind, eine traurige Attualität gegeben.
Es tam darüber zwischen den Rheinländern der Zentrums- und Staatspartei und den Ostelbiern der Deutschnationalen und der Bolkspartei zum Ausbruch faftiger Liebenswürdigkeiten. Die Abstinumung murde auf Donnerstag verschoben, wo audy die entscheis Abg. Otter( Soz.) führte aus: Die Anträge, die wir seinerzeit denden Abstimmungen über die Mißtrauensvofen und die gesamte nach den Grubentatastrophen in Alsdorf und auf Eschweiler Reserve zur Verschärfung der Grubensicherheitsbestimmungen eingebracht Regierungspolitik stattfinden. haben, find im wesentlichen vom Ausschuß gutgeheißen morden. Es handelt sich um eine einheitliche Bergbau. ordnung für alle Arten des Bergbaus, um die Einführung allen Steinkohlendes Gesteinstaubverfahrens repieren, die Einführung von Fahrbüchern der Grubenficherheitskontrolleure, um den Oberbergämtern die Nachtontrolle zu erleichtern, um den erhöhten Kündigungsschuß der Sicherheitstontrolleure, um strengere Borschriften zum Ausbau der toten Orte usm. Die norgestrige Katastrophe auf Mont Cenis mit ihren 17 Toten beweist aufs neue die Notwendigkeit rajcher und durchgreifender Maßnahmen auf dem Gebiete der Grubensicherheit. Entscheidend ist dabei der Kampf gegen das furchtbare Antreiberinste m, das bisher eine genaue Befolgung der Bergbauvorschriften praktisch unmöglich macht.
Die von den Kommunisten geforderte Einsegung eines unter suchungsausschusses über die Hintergründe des Freispruchs von Hugo Stinnes jr. wurde gegen die Stime men der Antragsteller abgelehnt. Für die Sozialdemokratie brachte dabei Genosse Kuttner zum Ausdrud, daß dieser sehr merkwürdige Freispruch gegenwärtig in zahlreichen Strafuntersuchungen und Disziplinarberfahren nachgeprüft wird; sollten diese nicht die erforderliche restlose Klärung bringen, werde die Sozial demokratie im Parlament nachhelfen. Aber gegenwärtig fei ein solches Vorgehen verfrüht.
Kultusminister Genosse Grimme hat im vorigen Jahre den Mißbrauch der Schule zur tolonialen Propaganda untersagt. Gegen diesen Erlaß waren die Rechtsparteien Sturm gelaufen und der Unterrichtsausschuß hatte eine Nachprüfung der
24 Size neu gewonnen worden, so daß die Partei schon nach dem ersten Wahlgang über 126 Size verfügt. Da bei der Stichwahl sicherlich noch zahlreiche Kandidaten durchkommen werden, dürften die Wahlen zu den Generalräten für die Sozialisten mit einem Gewinn abschließen.
entſcheidenden Beſchlüſſe, namentlich der Baukommiffion, Arthur Schnitzler gestorben.
find stets mit den Stimmen der Arbeitgeber gefaßt worden.
Der Kaffenvorstand mag die wirtschaftlichen Möglichfeiten, vor allen Dingen die Entwicklung der Wirtschaftsfrise nicht richtig eingeschäßt haben. Das aber als fozial demokratische Mißwirtschaft" zu bezeichnen, ist eine bös= willige Berdrehung, wie sie in der Rechtspresse nicht gerade selten ist.
woorden.
Bei den Generalratswahlen.
Paris , 21. Ottober.( Eigenbericht.)
Nach einer vom Innenministerium veröffentlichten Statistik über die Wahlen zu den Generalräten sind von 89 Senatoren, die Kandidaten waren, 82 am Sonntag gewählt, einer ist geschlagen Ueber die übrigen sechs entscheidet die Stichwahl am nächsten Sonntag. Bon den 181 Kandidaten aus der Abgeord netenkammer find 137 wiedergemählt worden, 25 sind unter legen. Die restlichen 19 tommen in die Stichwahl. Bon den so zialistischen Kandidaten sind alle Senatoren gewählt, neun Abgeordnete dagegen geschlagen worden; fieben Abgeordnete tommen in die Stichwahl
Wenn der Prozentsatz der nichtgewählten sozialistischen Abgeordneten auch ziemlich hoch ist, so hat die sozialistische Partei nach dem jetzt vorliegenden genauen Wahlergebnis im allgemeinen doch nicht schlecht abgeschnitten. Bisher besaß die sozialistische Partei in allen Generalräten Frankreichs 127 Bertreter. Bei den Wahlen am Sonntag find 102 Randidaten wiedergewählt und
19 Schnißler machte nachmittags einen Spaziergang. Als er in feine Wohnung zurüdfehrte, stürzte er, vom Schlag gerührt, zu sammen und starb, ohne das Bewußtsein miedererlangt zu haben. Mit Arthur Schnißler ist einer der gefeiertsten Dramatiker und Novellisten unserer Zeit dahingegangen. Im Blütezeitalter des Realismus, in den neunziger Jahren, gehörte er zu den meist gespielten deutschen Theaterdichtern. Wer damals eine Schnitzler Aufführung im Brahmschen Deutschen Theater erlebt hat, wird die Bon den norddeutschen Naturalisten unterschied ihn eine ausgesprochene Wiener Note.. Eine weiche und dabei oft spielerische Behandlung der Pro. bleme ließ ihn als spezifisch österreichischen Dichter erscheinen und es ist bezeichnend, daß seine Werte, die dem Wiener Milieu entstammen, und auch solche, die erst in den allerletzten Jahren erschienen sind, zumeist Bilder der Zeit aus des Dichters jüngeren Bahren geben. Einer viel forgloseren und unbekümmerteren Welt, als es die heutige ist, eines falten und dabei schöngeistigen Bürgertums, an das soziale Probleme selten herantraten. Nur ausnahms. weise hallen seine Werte in einen schrillen Ton aus. Meist ver klingen und verdämmern sie.
Schnipler war am 15. Mai 1862 in Wien geboren als Sohn eines befannten Halsarztes und Professors der Wiener Universität . Er hatte gleichfalls Medizin in seiner Baterstadt studiert und war bis 1893 Assistent seines Vaters gewesen. Eeine militärische Charge als Regimentsarzt wurde dem Dichter wegen seiner Novelle, Leut. nant Gusti" strafmeise aberkannt. Als Mitglied des jungen Wien " sympathisierte er lebhaft mit der sozialistischen Bewegung; gar nicht felten fas er jugendlichen Arbeitern und sozialdemokratischen Organi
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Die Debatte soll am Donnerstag nach der großen Abstimmungs.. schlacht jortgesetzt werden. Außerdem werden an diesem Tage die vorliegenden Anträge auf Aufhebung der Immunität entschieden.
fationen in Wien aus seinen Werten vor. Schnigler wäre im Mai nächsten Jahres 70 Jahre alt geworden. Aus diesem Anlaß waren in mehreren Wiener Theatern Festaufführungen Schnitzlerscher Stüde geplant.
Spaltung mit Hinterlist.
Keine Erfolge der Gendewiße in Hessen .
Frankfurt a. M., 21. Oktober. ( Eigenbericht.) Als Spizenkandidaten zu den hessischen Landtagswahlen stellte die Landeskonferenz" der Spalter den Redakteur Ohlhof auf. Als Ohlhof nominiert wurde, war er noch Mitglied der SozialDemokratischen Partei und Mitglied der Rehattion der fozialbemotratischen Mainzer Boltszeitung". Am Montag wurde Ohlhoff fristlos entlassen, da er gegen seine Redaktionstollegen rätlich go. worden. war. Jekt fordert Ohlhof in Flugblättern zum Eintritt in die Spalterpartei auf. Die geringe 3ahl von 16 Austritten aus dem Sozialdemokratischen Verein in Mainz beweist, daß die Arbeiterschaft ein derartiges Doppelspiel ablehnt.
Außer Ohlhof ist inzwischen noch einem anderen Doppel. mitglied das Handwerk gelegt worden. Der sozialdemokratische Provinziallandtagsabgeordnete Schmeig qus Oberursel bei Frankfurt , der als Vorsitzender des sozialdemo fratischen Unterbezirks noch vor wenigen Tagen flammende Aufrufe gegen die Spalter mit seinem Namen unterschrieben hatte, wurde durch einen glücklichen Zufall beim Bertrieb des Organs der Spalter erwischt. Als er sein Spiel, in der Sozialdemokratie gegen die Sozialdemokratie zu arbeiten, durchschaut sah,' ertlärte er feinen Austritt.
Schober wird bleiben. Die Großdeutschen haben am Mittwoch beschlossen, sich mit dem Bizelanzler und Außenminister Schober solidarisch zu erklären. Von dem Seipel- Flügel der Christlich- Sozialen waren gegen Schober megen seiner Außenpolitik verstärkte Angriffe erhoben worden. Das Ziel, ihn zu stürzen, dürfte nach der Solidaritätserklärung der Großdeutschen für Schober faum noch gelingen.