1931
Der Abend
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C. G. Braunschweig , 22. Oktober. ( Eigenbericht.) Heute morgen wurden hier auf den Straßen mehrere tausend Exemplare des Borwärts" verteilt, die sich mit den Borgängen in Braunschweig und mit dem Berbot des„ Bolfsfreund" durch den nationalsozialistischen Minister, den früheren, aus preußischem Schuldienst entfernten onrettor Klagges beschäftigten. Die 1 Berteilung erregte ungeheures Aufsehen. Auf allen Straßen liefen die Menschen zusammen, um ein Exemplar des Vorwärts" zu erhalten.
Besonders in den Arbeiterwohnstraßen, in denen die nationalsozialistischen Terrorbanden gehauft haben, und die überall noch die Spuren dieser Brutalität zeigen, wurde die Verteilung mit lautem Beifall aufgenommen. Manche Arbeiter erfuhren erst durch den„ Borwärts" die Tatsache des Verbots des„ Bolksfreund".
Aus vielen Arbeiterwohnungen hängen zum Zeichen der Trauer für die Ermordeten rote und schwarzrotgoldene Fahnen heraus. Das ist richtig.". ,, So hat es einmal kommen müffen, mit diesen und ähnlichen Zurufen wurden die Zeitungen in Empfang genommen. Die Nachricht von der Zeitungsverteilung ging wie ein Lauffeuer durch die Stadt. Bei der Berteilung wurden auch alle Straßenpolizisten bedacht, die die Zeilungen mit großem Jnfereffe entgegennahmen.
Vor dem Arbeitsnachweis riffen sich die Arbeiter um die 3eifungen. Alle empfanden, daß damit Herrn Klagges gezeigt wurde, daß Braunschweig nicht allein auf der Welt ist und daß die Wahrheit sich ebensowenig unterdrüden läßt wie die gerechte Kritik an feinen Handlungen.
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Res 162
Mob!
Als Beispiel des Geschmades,
der hohen Stellen ziemt,
hat der Minister Klagges COC uns einen Mob" beniemt.
Er sprach auch noch vom Winkel,
in den der Mob geschlüpft.
Da hat der Standesdünkel
die Maske schön gelüpft.
Herr Klagges gleicht dem Geiste,
den er begreift, uns nicht.
Doch treib er's nicht zu dreiste, der Krug geht, bis er bricht.
manić ustima Es ist noch unvergessen,
daß ein November war, in Winkeln hat gesessen
podrigo ni" die ganze Heldenschar.
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Es kommt für Sie, Herr Klagges, auch noch einmal die Zeit,
wo des Ministerfraces
शे
Sie jener Mob entkleid't!
Wen wird man dann erblicken
im Winkel? Nicht den Mob!
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Doch Ihnen, Ihren Cliquen, gebietet er dann: Stopp!
Jonathan.
Die Blutschuld von Braunschweig .
Auch das Zentrum zeugt gegen Klagges. Die„, Sächsische Zeitung", das Organ der Zentrums partei in Mitteldeutschland , berichtet über die Vorgänge beim Nazitag in Braunschweig folgendes:
,, Die Tage des Hitler- Tages in Braunschweig find Gott sei Dant Dorüber. Der Parademarsch der Hunderttausend ist mit seinen traurigen Begleiterscheinungen zu Ende.
Die braunschweigische Bevölkerung aber hat einen Anfchauungsunterricht erhalten, wie er deutlicher nicht sein konnte. Sicherheit und Ordnung waren in der Stadt an diefen beiden Tagen nicht vorhanden. Die Polizei fonnte ihrer Aufgabe einfach nicht gewachsen sein,
fie mußte versagen, weil sie entsprechend ihrer Stärke im ges gegebenen Augenblid gar nicht zu handeln imstande war. 3wei
Zwei Lieferautos zusammengestoßen- Eine Frau getötet
Auf der Straßenkreuzung Prenzlauer Allee und Schwester, die auf dem Sozius saß, Beinverlegungen. Beide Wicherfstraße, die erst vor zwei Tagen der Schauplatz eines wurden in das Westendkrankenhaus übergeführt. folgenschweren Zusammenstoßes zwischen Straßenbahn und aft auto war, ereignete sich heute früh abermals ein schweres Verkehrsunglück, das ein Todesopfer forderte.
Fünf Schwerverletzte in Wannsee .
Auf der Berlin Potsdamer Chaussee, unweit des Sanatoriums ,, Waldfrieden" in Wannsee , ereignete sich heute mittag ein furchtbares Autounglück, bei dem 5 Personen zum Teil schwere Verlegungen erlitten haben. Der Führer eines mit fünf Personen besetzten Privatautos versuchte in der Nähe des Sanatoriums einen vor ihm jahrenden Autobus zu überholen. Dabei geriet er mit feinem Wagen zu weit auf die andere Straßenseite, verlor die Gewalt des Anpralles wurden sämtliche Infassen auf den Fahrdamm geüber die Steuerung und raste gegen einen Baum. Durch die Wucht schleudert, wo sie mit schweren Berlegungen bewußtlos liegen blieben. Die Berunglückten, der Kapellmeister Thilo Runge aus der Mainzer Straße 16, Friedrich Stein aus der Dunderstraße 51, Hans Bürkner aus der Frankenstraße 7. somie der Führer des Autos, Erich Ronis aus der Berleberger Straße 4 wurden durch die Feuerwehr in das Potsdamer Krantenhaus transportiert. Bei zwei der Verletzten besteht Lebensgefahr.
Um 7 Uhr früh stießen dort die Lieferautos zweier Markthändler mit großer Wucht zusammen. Beide Fahrzeuge wurden zertrümmert und mußten später abgeschleppt werden. Die Besizerin des einen Lastautos, die sechzigjährige Auguste Bartel aus der Brunhildstraße 33 in Bernau , wurde durch die Feuerwehr in das Strantenhaus am Friedrichshain gebracht, wo sie bald nach ihrer Einlieferung star b. 3wei weitere Berunglüdte kamen wie durch ein Wunder mit geringfügigen Verlegungen davon. Die Schuldfrage ist noch ungeklärt. Ein weiterer schwerer 3uGueridestraße 20, und die Musiker Peter Kamisti aus der fammenstoß trug sich an der Ecke Tegeler Weg und Osnabrüder Straße zu. Ein mit zwei Personen besetztes Motorrad fuhr mit hoher Geschwindigkeit gegen eine Autodroschke. Dabei erlitt der Führer des Rades, der 23jährige Wilhelm Przioda aus der Pestalozzistraße 52a und seine 17 Jahre alte
GW.
Erzieher Klagges
Klagges
Marxistischer Mobi
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„ Die gegnerische Presse wird verboten, bis sie von mir den guten Zon gelernt hat."
Tote und 65 Verlegte, die ein Krankenhaus aufsuchen mußten, sind das Ergebnis des Hitler- Tages. Beide Tote und die Mehrzahl der Verletzten sind keine Nationalsozialisten! Wir haben beobachtet, daß die braunen Prätorianer Hitlers bei den Schlägereien sehr oft die Angreifenden waren. Nicht das militärische Theater, nicht die Reden des verhinderten deutschen ,, Duce" sind das Wesentliche dieser herausfordernden Reichsparade der brauen Massen, sondern die Art und Weise ihres Auftretens in den Straßen Braun schweigs . Aus Gründen der Objektivität soll zugegeben werden, daß Teile der braunen Demonstranten eine gewisse Disziplin besaßen, was fidh aber außerhalb der offiziellen" Veranstaltungen dem nüchternen Beobachter zu sehen ergab, spottet jeder Beschreibung, gibt jedenfalls zu ernsten Besorgnissen um die Zukunft Anlaß. Die Straferpeditionen" in die Lange Straße, in den Klint, in die Ritterstraße usw. waren vorbereitet. Man wollte ein schüchtern und züchtigen! Unter dem Schuß der zahlenmäßigen Uebermacht, unter einem gewissen Protettorat des Staatsorgans, das dem Reichsinnenminister versprochen hatte, für Ruhe und Ordnung sorgen zu können", find in Braunfchweig Dinge gefchehen, die einfach nicht vorkommen dürfen. Vorproben fürs Dritte Reich"?-
signtogni sid: 999
Der Terror geht weiter.
Die Polizei fucht- jekt nach Waffen!
Braunschweig , 22. Offober.( Eigenbericht.) Die Nationalsozialisten drangen am Mittwochnachmittag in die Geschäftsstelle unferes Parteiblattes„ Die Tagespoft" in Helm stedt ein, bedrohten den Geschäftsführer und versprachen, den Redakteur zu verprügeln, falls sie ihn abends faffen würden.
Das Verbot des Volksfreund" und seiner sämtlichen Kopfblätter in Braunschweig hat eine begreifliche Erregung innerhalb der Arbeiterschaft ausgelöst.
Am Donnerstag früh wurde ein Riesenaufgebot von Schußpolizeibeamten in die Arbeiterstraßen Wollmarkt, Bedenwerferstraße, Radeklingt und Weberstraße entsandt. Beamte des Landeskriminalpolizeiamts haben sämtliche Woh nungen der Weberstraße nach Waffen durchsucht. Der Polizeibericht gibt an, daß nach gewissen Personen, über die feine Auskunft gegeben werden könne, gesucht worden sei. Es wurde nicht eine Waffe gefunden, während seit dem letzten Sonntag über 1½ 3entner Waffen, Totschläger, Stahlruten, Knüppel usw. auf der Polizeiwache lagern.
Beg gibt
Kohlen- Tonnen- Politif.
Genosse Dr. Breitscheid schreibt uns:
daß die Bergindustrie von jeder geforderten Tonne Kohle Ich habe in der Reichstagssigung vom 14. Oftober erwähnt, 50 Pfennig für politische Zwecke zur Verfügung stellt.
Ich stützte mich bei dieser Angabe auf eine Information, die ich für um jo zuverlässiger halten mußte, als sie von einer Persönlichteit in hoher amtlicher Stellung stammte. Dabei sei ausdrücklich bemerkt, daß diese Persönlichkeit der Sozialdemokratischen Partei nicht angehört.
Ich habe mich inzwischen überzeugt, daß die Information, foweit die Höhe der Abgabe in Betracht kommt, unzutreffend gewesen ist. Es steht jedoch fest, daß eine bestimmte Abgabe nach Maßgabe der Anzahl geförderter Tonnen für politische Zwecke era hoben wird. Sie beträgt jedoch nicht 50 Pfennig pro Tonne, sondern ist niedriger. Es wäre wohl nicht unbillig, zu verlangen, daß diejenigen, die sich durch meine im Reichstag gemachte Darlegung ge troffen fühlen, sich nicht darauf beschränken würden, den von mir angegebenen Prozentsatz zu dementieren, sondern darüber hinaus erklären würden, welche Beträge zu Lasten der Verbraucher für einseitige politische 3wtde verwendet
werden.
nanemaju Jehoben