(Beilage Mittwoch, 28. Oktober 1931
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Schon einmal ein„Retter
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Was die Geschichte von Glück und Ende des Generals Boulanger lehrt
Wir berichteten int„Abend" über einen Klubabend der „Deutschen Liga für Menschenrechte", in dessen Verlauf Dr. Bruno W e i l l über den General Boulanger sprach. Im folgenden de- schäftigt sich Hermann Wendel noch einmal mit der Persönlich- keit des„tapferen Generals" auf Grund eines Buches von Weilt, , das soeben erschienen ist. Acnn die Menschheit einmal, mit Friedrich Engels zu reden, den Sprung aus dem Reich der Notwendigkeit in das Reich der Freiheit«tan hat und. mit Anatole France zu reden, den Bratspieß' höher stellt als den Degen, wird sie noch den Namen George'- Boulanger kennen und nennen, aber nicht als den eines Genes als und Politikers unseres Barbarenzeitalters, sondern ols den eines großen Liebenden, der mit Leander und A b ä l a r d in einem Atemzug beschworen zu werden verdient. � Denn als nach manchen flüchtigen Abenteuern der Sinne der bald Fünfzigjährige die Vicomtesse Marguerite de B o n n e m a i n s in ihrer reifen und üppigen Schönheit gewahrte, war es um ihn ge- schehe Dieser späten Leidenschaft gab er sich so rückhaltlos hin, daß«- schon in den Tagen seines politischen Sturmes und Dranges alles darüber vergaß, und den politisch Abgewirtschafteten, im Exil Lebenden, erfüllte die verzehrende Neigung zu der um achtzehn Jahre jüngeren Frau erst recht. Als sie der Lungenschwindsucht erlag, währte es nur kurze Weile, bis er sich an ihrem Grabe erschoß. Ein Stein deckt auf dem Brüsseler Friedhof Ixelles beider lieber- rcste, der auf seine Anordnung die Inschrift trägt: dlarxusrita 11. Doromsiar 1853 16. Juli 1891 Auf bald! Georges 29. April 183T 30. September 1891 Wie habe ich zweieinhalb Monate ohne Dich leben können! Wahrhaftig, wenn das Wort der Bibel zutrifst, wird ihm viel vergeben werden! Daß er diese Vergebung braucht, erhellt aufs Neue aus dem Buch, das Bruno W e i l l soeben unter dem Titel„Glück und . Elend des Generals Boulanger" im Verlag Dr. Walther Rothschild in Berlin-Grunewald hat erscheinen lassen. W e i l l, der im vergangenen Jahre eine aufschlußreiche und viel beachtet« Studie über den„Prozeß des Hauptmanns D r e y f u s" berausgegeben— hat und neuerdings als wackerer Borkämpfer der dcutsch-iranzöfrschen Verständigung durch Versammlungen und' Bor- ti-äg« in Paris viel von sich reden macht, unterschlägt die tragische Liebesgeschicht« des„Helden" keineswegs, aber mit Recht ist sie ihm ebensowenig das Wesentliche wie die sozusagen private Persönlichkeit des Generals und Diktatur-Anwärters. Vielmehr kommt es ihm , auf die Bewegung an, die mit dem Nomen Boulanger ver- knüpft war, die B o u l a n g e, der B o u l a n g i s m u s, und auch sie nimmt er nicht als Historiker, sondern alz Politiker aufs Korn, damst vergleichswöglichkeiken mit Deutschland im Zahre ISZl ans dem Dunkel treten. Auf„Schritt und Tritt", sogt W e i l l im Vorwort,„wird der aufmerksame deutsche Beobachter an Männer, Bewegungen, Parteien des eigenen Vaterlandes erinnert werden". In der Tat liegt die Parallele auf ganzen Strecken so nah, daß man sie gar nicht zu unterstreichen, gar nicht Georges durch Adolf zu ersehen braucht. s Wäre der General Boulanger vor dem 7. Januar 1886, der ihn zum ftriegsminister im Kabinett Freycinet berief, ge- starben oder in den Richestand getreten, hätte die Weltgeschichte seinen Namen nicht einmal in einer Fußnote aufbewahrt, denn trotz mancher Verdienste und Verwundungen und trotz rascher Beför- derung erschien er nur als Militär von durchschnittlicher Tüchtigkeit. Aber ungewöhnlich entwickelt war sein Ehrgeiz, zur Geltung zu kommen, und seine Fähigkeit, sich in Geltung zu setzen. Spätestens am Tag nach jenem 14. Juli 1886, an dem er auf das Paradefeld des Nationalfeiertags gesprengt war. eine stattliche,„schneidige" Erscheinung mit blondem Vollbart, auf seinem kohlrabenschwarzen Pferde Tunis , gefolgt von einer Eskorte Spahis mit flatternden weißen Mänteln, genoß er die billige Volkstümlichkeit, die immer bei schmetternder Marschmusik Hurra zu rufen bereit ist. Bald hatte er, der als wirklich republikanischer General von Elemanceau an seinen Posten bugsiert worden war, seine Anhänger, die ihn für ihre dunklen reaktionären Pläne zu benutzen gedachten: bald hieß er der„General Revanche ", der„General 5zofsnung", von dem die Chauvinisten raunten, daß er Elsaß und Lothringen auf der Spitze V seines Degens zurückholen werde. / Daß Bonlanger sich als zukünftigen Sprenger der Ketten des Frankfurter Vertrags umjubeln lassen konnte, war nicht zuletzt Bismarcks Schuld. Do We ill wie für. seinen„Dreysus" so auch für seinen„Boulanger" das große Aktenwerk des Auswärtigen Amtes fleißig und aus- giebig zu Rate zieht, vermag er an Hand der Urkunden darzutun, wie der deutsche Reichskanzler de» französischen Kriegsminister als Schreckgespenst verwandte, um seine innerpolitischen Zwecke zu er- reichen. Als ruhiger und sachlicher Beobachter der Dinge berichtete der deutsche Botschafter in Paris , Graf Münster , die Angst vor dem Krieg« in Frankreich sei sehr groß, und es finde sich kein Mi- nister. der die Kriegssackel entzünden möchte,„am allerwenigsten Boulanger, der jetzt vor allem nur sucht, Kriegsminister zu bleiben", ja. er fügte hinzu:„Ein Krieg mit Frankreich könnte nur von uns ausgehen, und es würde einer sehr starten Provokation bedürfen, um die Franzosen dazu zu bringen"— tat nichts, Bismarck brauchte für die SeptennatswaHle» des Jahres 1887 feine Kriegsgefahr, um den Spießbürger zum Votum für die Heeres- Vermehrung zu bringen, und so wurde in Berlin in einer forschen Weise mit dem Säbel gerasselt, die Boulanger das Säbelrasseln erst möglich machte. Dabei war dos französische Kabinett derart lriedfertig, daß es. um jeden Anstoß zu vermeiden, sich im Mai 1857 Boulangers entledigte und ihn in, Marz 1583 völlig abhalfterte, 'da der General auch als Korpskomma, cheur in Clermont-gerrand de» Mund nicht hielt llud der Diizixlm widerstrebt«.
Für Boulanger im Röckchen des Zivilisten stand die poli- tische Arena offen, und über Nacht war der General a. D., dessen Porträt auf bunten Bilderbogen und tönernen Pfeisenköpfen viel- fältig ins Volk geworsen wurde, der Führer einer ganz neuen Bewegung. Allerdings nestelten sich gerade alle Anhänger des alten Regimes, alle Feinde der Republik an ihn: die militärisch gegliederten und gedrillten Organisationen der„Patrioienliga" bildeten seine Sturmabteilungen: die Monarchisten ließen Hundert- tausende, ließen Millionen für seine Wahlagitation springen, und es Hub ein Trommeln auf der ganzen Linie an. Nieder mit der korrumpierten Republik ! Nieder mit der Re- gierung, die die Geschäfte des Feindes besorgt! Nieder mit der arbeitsunfähigen Kammer! Nieder mit dem verfaulten Parlamen- tarismus überhaupt, der Frankreichs unwürdig ist! Und: Sieg- reich woll'n wir Deutschland schlagen! und: Frankreich , erwache! In hellen Haufen strömen bei den Nachwahlen die Wähler der Fahne Boulangers zu. Am 15. April 1888 schickt ihn das Norddeportement mit großer Mehrheit ins Parlament, und da er im Juli durch Mandatsniederlegung„Auszug der nationalen Oppo- sition" spielt, wird er am 19. August zugleich in drei Departements zum Abgeordneten erkoren: im Norden mit 130 000 gegen 97 000 Stimmen, in der Unteren Charente mit 57 000 gegen 42 000, in der Somme mit 77 000 gegen 41 000. Insgesamt 264 000 gegen 180 000— der Tag der Machtergreifung ist nah! Als Boulan- g e r, der mit Vorschußlorbeeren überschüttete„Retter Frankreichs ", gar am 27. Januar 1889 in Paris , der Hochburg des republika- n-schen Radikalismus, mit 224 000 gegen 162 000 Stimmen den Kandidaten der Republik dröhnend aufs Haupt schlägt, glaubt alle Welt, daß der Staatsstreich, die Diktatur, vielleicht die Restauration der Monarchie vor der Türe stehe. Aster Paris hat keinen Bürger- bräukeller, von dem Boulanger den Absprung wagen könnt«: er zaudert, er zögert, er verpaßt die Gelegenheit, und als sich die Republik endlich ermannt und die große Kanone eines Hochverratsverfahrens gegen ihn auf- fährt, entgleitet er, statt loszuschlagen, lautlos wie ein Schatten ins Ausland. Diese Flucht des Führers bricht seiner Bewegung das Rückgrat; bei den allgemeinen Wahlen am 22. September gelangen
trotz barnumhafter Reklame und trotz reichlich zum Fenster hinaus geworfenen Geldes gerade 45 Boulangisten ins Palais Bourbon , und die Pariser Gemeinderatswahlen des folgenden Jahres bringen, wie Weil es ausdrückt,„die völlige Auflösung in nichts, die Zer- trümmerung in seine Atome, die Wegwischung des bou- langt st ischen Irrtums aus der Geschichte Frankreichs ". Nach dem Ende der Bewegung das Ende des Mannes: siehe oben! Warum der Boulangismus zuerst wie eine Sturmflut bedroh- lich anrollte und dann wie ein Rinnsal kläglich versickerte? Weil Boulanger ein Willensschwächling war? Well er fester an einem Unterrock als an einer Fahne hing? Zum Teil auch! Aber entscheidender war die objektive, die historische Ursache: daß das Programm der Boulange nur aus Geschimpf und Getrommel be- stand, daß sich keine politische Idee dahinter verbarg, daß die Ge- folgschaft sich aus Spießbürgern zusammensetzte, die, in dumpfer Unzufriedenheit mit dem Bestehenden, mit der Faust auf den Stammtisch dröhnten: Es muß alles anders werden! Beziehungs- voll zieht Weil den Geschichtsschreiber der Epoche, R e i n a ch, an, der auf die Frage noch dem Inhalt der Bewegung antwortet: „Sie ist der Geist der Unzufriedenheit mit allen P a r- t e i e n sie zeigt sich in der Stimmung aller müde Gewordenen. aller Entmutigten, aller Enttäuschte», aller Dummköpfe, die die Republik verantwortlich machen für jede schlechte Ernte, der Hohl- köpfe, die die Liebe zum Federbusch in sich großgezogen haben. der Kranken, die ohne rechten Grund, weil sie auf der linken Seite unbequem liegen, sich auf die rechte Seite herumdrehen... Sie ist der Geist der simplen Köpfe, die glauben, daß ein Unteroffizier in fünf Minuten die Versprechungen realisieren kann, die achthundert Deputierte und Senatoren in so vielen Jahren nicht durchführen konnten." Ein Programm für diesen heillosen Mischmasch? Frank- reich, erwache! Frankreich ? Wieso Frankreich ? Das ist doch alles-- Jawohl, es ist alles genau so wie bei uns— nur gilt es, die Unterschiede nicht zu übersehen. Zugunsten Frankreichs : daß trog mancher wirtschaftlichen Schwierigkeiten dem Volk ganz und gar nicht der Cxistenzöoden unter den Füßen schwankt«! Zugunsten Deutschlands : daß es eine Partei aufweist, die größte des Landes, die Sozialdemokratie, die entschlossen und fähig ist, es mit allen Boulanger-Nachahmern aufzunehmen! Hermann Wendel .
England vom Bus gesehen Erste Eindrücke** Von Richard Junge
In H ull gab man uns den Rat:„Fahren Sie mit dem Bus, Sie sehen mehr von England." Man kann mit der Bahn fahren, es geht schneller und kostet ein paar Schillinge mehr. Mit dem Bus fährt man doppelt so lange und etwas billiger. Acht und eine halbe Stunde— aber man sieht mehr, und das entscheidet. Zuerst ist es nicht sehr schön. Man sitzt eng nebeneinander, innner zwei zu zwei, und das Auto ist voll besetzt. Es rattert vom Bahnhof durch die Stadt, unendlich lange. Denn es dauert eine Weile, ehe eine englische Stadt aufhart, Stadt zu sein. Da man überoll nur in den Neinen E i n s a m i l i e n h ä u s e r n wohnt, sind die Städte weit ausgedehnt. Da stehen i nun er noch Häuser, und wenn man glaubt, die Stadtgrenze erreicht zu haben, fährt man noch durch eine Siedlung. Aber dann ist man, unversehens, außerhalb der Stadt, wir fahren durch Wiesen und Felder, der Bus hat ein schönes Tempo, man sitzt jetzt auch bequemer, da di« Hälfte der Mitreisenden nach und nach ausgestiegen ist, es ist angenehm zu fahren, man macht es sich gemütlich und wir haben wohl olle ein bißchen das Gefühl, im eigenen'Auto zu sitzen.— Und wir sehen: England ist schön. Ein großer Garten, ein weiter Park. Der Kontrast zur Stadt, die hinter uns liegt, ist groß. Eine nüchterne, langweilige Hoseisstadt, deren düsteres, schwärzliches, oft schmutziges Aeußere in keiner Weife die herzliche Freundschaft vermuten ließ, die man uns, den Fremden, entgegenbrachte. Wie ein ungeheurer Park dehnt sich die Landschaft, grüne Hecken teilen das Land in Parzellen, alles ist weit und großzügig, gepflegt möchte man sagen, obwohl hier eigentlich nichts nach'Arbeit aussieht. Weite Strecken ohne Menschen, aber überall Viehherden. Kühe und Schafe: Schafe, deren Wolle wertvoller war als die an- deren ländlichen Produkte, deren Wolle in L a n e a s h i r e zu den guten englsschen Tuchen verarbeitet wird. Diesen Schafherden mußten die Menschen weichen, aus Bäuern wurden Pro- le tarier, Schafwolle brachte einen größeren Profit als die menschliche Arbeit aus dem Felde, die Bauern strömten in die Städte, arbeiteten in den Textilfabriken und hatten alle Leiden des Früh- kapitalismus auszukosten. Manchmal fahren wir an den einsamen allen Sitzen der Landlords vorüber. Hier konzentriert sich oft ungeheurer Reichtum. Lange Zeit war der Landadel die führende Schicht Englands, in einer privilegierten Fichrerstellung, durch Gewohnheit und Tradilion bis in die neueste Zeit. Nicht selten Herren- menschen, dem preußischen Junker verzweifelt ähnlich. Von dem Herzog von N o r t h u m b e r l a n d, einein der reichsten Grund- besitzer, berichtet man, er habe auf die Frage, es sei doch wohl ein llebelstand, daß ein einzelner Mann soviel besitze wie er, die Ant- wort gegeben:„Durckiaus nicht, ich finde das ganz glänzend in jeder Beziehung." Aber die Machtstellung dieser Schicht ist längst untergraben. die ökonomische Basis schwindet mehr und mehr. Noch gibt es ungeheure Ländereien in einer Hand, aber allmählich ver- schwindet die g r u n d b e s i tz e n d e Klasse. Man spricht van einer Revolution im stillen, die sich innerhalb der Grenzen Eng- lands vollzieht. Immer häufiger wurde es nach dem Kriege, daß alle Familieichesitze umgewandelt wurden in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Die Güter werden von einer Kapital- g r u p p e übernommen und der kapitalistischen Spekulation dienst- bar gemacht wie irgendeine andere Ware. Terroinspekulakionen in enter Linie, Parzellierungen werden vorgenommen, Siedlungen entstehen überoll auf dem früher gutsherrlichen Gelände Und die Aescheten und Romantiker jammern über den Abbruch der herrlichen Parkanlagen. Ein« Revolution im still«».
Der Bus fährt weiter. Wir kommen durch kleine Städte und Dörfer und halten überall ein paar Minutem Zleußerlich ist kein Uillerschied zwischen Stadt und Dorf. Immer die kleinen Häuser, wenn es irgend möglich ist, mit kleinen Grasflächen an der Vorder- front und einem kleinen Garten an der Rückseite. Es ist Samstag-. nachmittag, die Männer arbeiten in ihren Gärtchen. Vor«mein Dorfe beschert uns der Herrgott eine Panne und wir haben eine halbe Stunde Zeit, dem Nationalsport der Engländer zuzusehen. E r i ck e t— ich möchte den Nichlengländer sehen, dem es nicht un- glaublich langweilig erscheint. Zwei Mannschaften zu je elf spielen gegeneinander, das heißt— eigentlich spielt immer nur einer. Der steht vor drei in die Erde gesteckten Holzstäben und hat den Ball abzuwehren, der von einem aus der anderen Mannschaft geworfen wird. Jeder von den eisen kommt einmal zum Spiel, und von seiner Geschicklichkeit hängt es ob, wie lange er seinen Platz behauptet. Die anderen liegen derweilen im Grase, erzählen, folgen den: Spiel und können im übrigen den Eigenschaften huldigen, die wir gerne als Nationaleigenschaften des Engländers ansehen. S e l b st b e- herrschung und Geduld, wer darüber nicht verfügt, kann nicht Cricket spielen— es sei denn, er lernt sie dabei. Am Rande der Wiese sitzen die Allen au- eingerammten Bänken und sind meist sachverständige Zuschauer. Gelegentlich wird einem besonders tüchtigen Spieler ein Wort der Slnerkennung zugerufen, aber nie gibt es die leidenschaftlichen Ausbrüche der Begeisterung wie beim Fußball. Cricket ist ein ruhiges, fast aristokratisches Spiel— auch dann, wenn es auf der Dorfwiese von den Melkern, dem Kutscher und den jungen Bauernsöhnen gespielt wird. Auf jeden Fall ist es ein ländliches Spiel, ruhig' und besinnlich, phlegmatisch. Es fetzt eine besondere Lebensweise voraus: der städtische'Arbeiter spielt nicht Cricket. Inzwischen müssen wir schon mitten im I n d u st r i e g e b i e t sein, obwohl die Landstraße immer noch durch saftige grüne Wiesen führt.'Aber ans Fahrrädern kommen uns immer größere Trupps Arbeiter entgegen, mit schwarzen, verrußten Gesichtern. Schicht- Wechsel, sie fahren nach Hause, wohl kaum zum Cricket. Last- mttos, Straßenbahngedlmgel. Die Straßen sind eng und die kleinen Häuser sind hier noch schwärzer als sonst, schon die Vorstadt zeigt das Gesicht der Arbeit. Das Ist Sheffield . Llnalm uird Ruß lagert über der Stadt, Fabriken überall, Menschen mit zerfurchten Gesichtern strömen heraus. Heute noch arbeiten sie und morgen vielleicht stehen sie mit den anderen vor der Labour-Exchanze, der staatlichen'Arbeitervermittlung. Hier ist das andere England, Ruh und Arbeit, Arbeitslosigkeit und Sorgen. Di« grünen Wiesen mit Cricket, die stillen Häuser in den weiten Parks— man kennt sie hier mcht. Der heilige englische Sonntag— hier gilt er nicht. Die Menschen strömen zum F u ß b a l l- M a t ch. Tausende stehen und umsäume» den Platz. Und dann in die Publikhonses, diese üblen Kneipen. In denen das Bier schlecht und teuer ist. Man trinkt sein Bier im Stehen oder man geht in den Smotroom, in dem es einen Penny mehr kostet. Oder man geht zu den Meetings, d!« Sonntags im Freien stattfinden. Labour -Leute sprechen, die sozialistische Partei ist rührig. Wahlen stich vor der Tür, die Englands Schicksal für lang« Jahre entscheide, können. Und die Arbeiter stehen nicht mehr abseits, sie befinden sich in jhrer Masse längst nicht mehr im Schlepptau einer der beiden bürgerlichen Parteien. Der Arbeiter will mitbestimmen� dos andere Englaich, das wir noch wenig kennen, steht bereit, im demokratischen Kampf de« Platz zu erobern, der ihm zukommt.