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Morgenausgabe

Tr. 507 A 255

48.Jahrgang

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Vorwärts

Berliner   Boltsblatt

Donnerstag

29. Oftober 1931

Groß- Berlin 10 Pf. Auswärts 15 Pf.

Die einspalt. Nonpareillezeile 80 Bt. Rellamezeile 5,- R. Kleine An zeigen" das fettgedruckte Wort 25 Bi. ( zuläffig zwei fettgedrudte Borte), jedes weitere Wort 12 Pf. Rabatt It. Tarij. Stellengesuche das erste Wort 15 Pi. jedes weitere Bort 10 Pf. Worte über 15 Buchstaben zählen für zwet Worte. Arbeitsmarkt Beile 60 Pf. Familien anzeigen Zeile 40 Pf. Anzeigenannahme im Hauptgeschäft Lindenstraße 3, wochen. täglich von 8 bis 17 Uhr. Der Berlag behält sich das Recht der Ablehnung nicht genehmer Anzeigen vor!

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands  

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6,6 Millionen Labour- Stimmen

Und nur 50 Mandate gegen 555!- Stimmen 1: 2, Mandate 1:11.

London  , 28. Oktober( Eigenbericht). Die Nationale Regierung" erhielt bei den Wahlen nach dem Stand von 9 Uhr abends rund 14 Millionen Stimmen, die Opposition rund 7 Millionen Stimmen. Von diesen 7 Millionen Stimmen der Opposition brachte die Arbeiterpartei 6,6 Millionen auf, den Rest erhielt die Lloyd George­Gruppe. Auf die Macdonald- Gruppe vereinigten sich 364 000 Stimmen, auf die Partei des englischen Hitler, Sir Oswald Mosley  , nicht mehr als 36 000 Stimmen und auf die Kommunisten nur 62 000 Stimmen.

Regierungsmehrheit 11: 1.

London  , 28. Oktober. Der Stand der Parteien war um 9.45 Uhr deutscher  Zeit wie folgt::

Konservative 472,

Nationale Arbeiterpartei 13,

Liberale 70( darunter 25 Simon- Liberale), Arbeiteropposition 50,

Kommunisten keine, neue Partei keine, Unabhängige 3.

Insgesamt gewählt: 603( Gesamtzahl der Mandate 615), hiervon für die Regierung 555, gegen die Regie rung 50, Unabhängige 3.

Macdonalds Wiederwahl.

London  , 28. Oftober, 9 Uhr abends.( Eigenbericht.) Der Berlust der Labour- Party beziffert sich zur Zeit auf 227 Size. Bo die Labour- Party fich gehalten hat, find ihre Mehr­heiten start reduziert worden. Sie zählt bisher rund 6,4 Millionen Stimmen gegen rund 8,5 Millionen bei den legten Wahlen. Auch die Mehrheit Lloyd Georges, der ebenso wie seine Tochter und sein Schwiegersohn wiedergewählt wurde, hat sich stark ver­mindert. Marton Kirkwood und Buchahan, die der JLp. angehören, wurden wiedergewählt. Macdonald hat seinen Parlamentsfit in Seaham   gehalten, und zwar mit der Mehrheit von 5900 Stimmen gegenüber einer folchen von 28 800 im letzten Wahlkampf. Sir John Simon erhielt eine Mehrheit von 13 000

Stimmen.

Macdonald, Snowden und Baldwin haben Bot schaften veröffentlicht, in denen sie betonen, daß der Wahlfieg nicht als Parteifieg" betrachtet werden soll.

Bisher find zwölf weibliche Abgeordnete gewählt, von denen acht Neuankömmlinge im Unterhaus sein werden. Mit Ausnahme der Tochter Lloyd Georges, die zu ihrem Vater hält, sind die weib­der Tochter Lloyd Georges, die zu ihrem Vater hält, find die weib­lichen Abgeordneten sämtlich konservativ.

53 Kandidaten haben somit den hinterlegten Betrag in Höhe von 150 Pfund verloren, da sie nicht genügend Stimmen cuf­brachten. Unter ihnen befinden sich 14 Kommunisten, 16 Stan didaten der ,, neuen Partei" Sir Oswald Mosleys und 9 Sozialisten.

Von der alten Labour- Regierung sind, abgesehen von Mac­donald und seinen Anhängern, mur Landsbury, der ehemalige Generalrechtsanwalt Sir Stafford Cripps   und der frühere Ka­binettsminister Major Attlee   ins Parlament zurückgekehrt. Alle anderen sind geschlagen. Am Nachmittag stürzten noch der frühere Bergwerksminister Shinwell, Susanne Lawrence und eine Reihe von bekannteren Abgeordneten der Arbeiterpartei. Der Sohn Lloyd Georges war erfolgreich. Die führenden Minister der National­regierung haben sich in allen Fällen eine Mehrheit gesichert.

Zu viel gesiegt!

Die Bedeutung des englischen Wahlausgangs. Das Ergebnis der britischen Neuwahlen hat in der ganzen Welt ungeheure Ueberraschung hervorgerufen. Dieses Erstaunen wird um so größer werden, wenn man erfährt, daß die Arbeiterpartei rund 6,6 Millionen Stimmen erhalten hat, während die vereinigte Regie­rungstoalition etwa 14 Millionen Stimmen bekam. Eine weitere halbe Million ist auf die oppositionelle Lloyd- George­Gruppe entfallen. Nach dem Grundsatz der Verhältnismahl müßte demnach die Arbeiterpartei etwa ein Drittel der Unterhausmandate befizen, also ungefähr 200. Statt dessen wird sie sich mit 52 Sigen begnügen müssen. Im Jahre 1929 erzielte sie 8,36 Millionen Stimmen und 287 Size. Es ist also ein Rüdgang von etwa 20 Pro3. an Stimmen, aber ein Verlust von fast 80 Pro 3. Der Mandate eingetreten!

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systems, auf die hier schon vor der Wahl hingewiesen wurde, gar nicht gekennzeichnet werden als durch diese nüchternen Zahlen. England gilt als das Mutterland des Parlamenta rismus, aber das Ergebnis der Neuwahlen vom Dienstag ist eines parlamentarisch regierten Staates geradezu un

würdig.

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| einigermaßen so stark sein, wie sie im Lande tatsächlich ist. Sonst flaut das Interesse des Volkes für die Vorgänge im Parlament sehr bald ab, weil es dann nicht nur an leber­raschungen fehlt, sondern sogar an eigentlichem Kampf. Der Engländer, der seine sportlichen Begriffe instinktiv auf die Politik anwendet, braucht den parlamentarischen Kampf. Wenn die Opposition von vornherein zu schwach ist, um ihn zu führen, wird es über kurz oder lang von selbst dazu kommen, daß sich innerhalb der Regierungsmehrheit über die wichtigsten Probleme Gegensäge herausbilden und sogar Spaltungen vollziehen.

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Solche Verschiebungen der Kräfte bei Neuwahlen fommen zwar häufig vor aber nur auf dem Balkan  . Und da weiß sofort die ganze zivilisierte Welt Bescheid: Ber­waltungsterror, Korruption, Wahlschwindel, gestohlene Urnen und dergleichen sorgen stets für erdrückende Regierungsmehr­heiten und für fast restlose Aufreibung der Opposition. Das Schon jetzt macht sich im Lager der Regierungsfoalition demokratische Ausland regt sich nicht sonderlich darüber auf eine grundlegende Meinungsverschiedenheit bemerkbar um und sagt nur achselzuckend: Natürlich der Balkan  !" In die Frage: Wer hat gesiegt die Koalitionsregierung England aber sind, wie immer, die Wahlen völlig ,, regulär" oder die Konservatve Partei?" Die meisten Konservativen vor sich gegangen. Aber das Wahlsystem hat sich diesmal antworten schon jetzt, indem sie auf ihre etlichen 470 Man­in seiner ganzen Sinnlosigkeit enthüllt. Die Bürger- date und auf ihre Vierfünftel- Mehrheit im Parlament hin­blockbildung zwischen Konservativen und Liberalen, weisen: ,, Selbstverständlich wir." Macdonald aber, der unter Führung der leitenden Minister der ehemaligen Ar- den bezeichnenden Ausspruch machte, er sei nicht nur über­beiterregierung, hat vorzüglich funktioniert. Die Warnungen rascht, sondern bestürzt, versichert: ,, Das ist ein Sieg nicht Lloyd Georges find völlig ungehört verhallt. Die reiner bestimmten Partei, sondern der Regierungstoalition als beiterpartei ist infolgedessen an die Wand gefolcher." Auf dem gleichen Standpunkt dürfte sich natürlich drückt worden, allerdings so rücksichtslos, daß das englische sein liberaler Kabinettskollege Sir Herbert Samuel stellen Wahlsystem nunmehr ganz ad absurdum geführt worden und sogar der offizielle Führer der Konservativen, Stanley ist. Man kann freilich der Arbeiterpartei den Vorwurf nicht Baldwin, dessen Loyalität und Ehrlichkeit sprichwörtlich ersparen, daß sie für Beibehaltung dieses Wahlmodus mit sind, hat sich in ähnlichem Sinne geäußert. verantwortlich ist. Sie war seine Nutznießerin im Mai 1929 auf Kosten der Liberalen und dachte damals nicht daran, von ihm abzugehen. Jetzt freilich werden sich auch im Lager der Arbeiterpartei die Stimmen mehren, die für die Einführung der Verhältniswahl eintreten werden. Auf absehbare Zeit jedoch vergeblich: denn nunmehr sind die Ronservativen am Ruder. Das neue Parlament ist grund­fäßlich auf fünf Jahre gewählt. Die Konservativen werden einstweilen nicht daran denken, einen Wahlmodus ab­zuändern, dem sie die unwahrscheinliche Mehrheit von fast vier Fünfteln der Mandate verdanke.

Man kann es Macdonald wohl nachfühlen, daß ihm bei dem Anblick dieses Schlachtfeldes, auf dem seine eigenen lang­jährigen Freunde in Massen liegen geblieben sind, während die Männer, die er jahrzehntelang bekämpft hat, mit höhni­schem Lächeln im Baradeschritt vor ihm defilieren, nicht sonderlich wohl zumute ist. Aber abgesehen von diesen senti­mentalen Erwägungen, um nicht zu sagen, von diesen Ge­wissensbissen, sind es politische Probleme, die sich ihm und seinen Ministerkollegen gebieterisch aufdrängen: Kraft ihrer erdrückenden Mandatsziffern werden die Kon­servativen sicherlich weitgehende 3ollmaßnahmen ver­langen. Dafür werden schon die journalistischen Scharf­macher des Bürgerblocks sorgen, die Bresselords Beaverbrook und Rothermere.

Indessen ist die siegreiche Partei um ihren Triumph schon deshalb nicht zu beneiden, weil das Mißverhältnis zwischen ihrer wahren Stärke im Lande und ihrer er­brückenden Uebermacht im Parlament gar zu fraß in Er- An diesem Punkt wird sehr bald der Kampf unter den scheinung tritt. Ein faschistisches Regime fann solche Siegern von gestern entbrennen. Macdonald und Snowden Mehrheiten ertragen, es benötigt sie sogar, um den Anschein sowie die Liberalen werden zweifellos darauf hinweisen, daß zu erweden, als stünde die überwältigende Majorität des der Wahlsieg doch eigentlich gemeinsam erjochten wor­Boltes hinter ihm. In einem demokratisch regierten den sei und daß man in feinem einzigen Wahlkreis feststellen Staate ist eine derartige Mehrheit für die regierende Partei kann, wieviel von den Stimmen des erfolgreichen Regie­nicht ungefährlich. Die Opposition muß im Parlament| rungskandidaten von extrem- schußzöllnerischen,

Don

Heute Wirtschaftsbeirat.

Seine Vorgänger.- Die Haltung der Gewerkschaften.

Heute triff der Wirtschaftsbeirat der Reichsregierung zusammen.

Es hat schon einen Enqueteausschuß des Borläufigen Reichs­wirtschaftsrates gegeben, der sehr eingehende Untersuchungen vor­genommen hat und zu bemerkenswerten Ergebnissen gekommen ist. Was ist daraus geworden?- Makulatur.

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beirat zur Berhandlung kommen dürften. Sie sind übereingekommen,

in allen Fragen gemeinsam vorzugehen.

Merkwürdige Eile.

Heute Schlichtungsverhandlungen für Reichsarbeiter. Dann gab es eine Sachverständigenkommission, die besonders über das Problem der Beseitigung der Arbeitslosigkeit Vor- Das Reichsarbeitsministerium, das vom Reichs­fchläge machen sollte. Was ist von ihren ziemlich hilflosen- Bor- finanzminifterium um Schlichtung des Lohnstreites zwischen Reich fchlägen übrig geblieben? Der freiwillige Arbeitsdienst. Anders und Reichsarbeiter angerufen worden ist, hat die Parteien ausgedrüdt: 0,00. zu Verhandlungen geladen, die Donnerstag, vor­mittags 11 Uhr, beginnen werden. Als Sonderschlichter vom Ministerium wurde Regierungsdirektor Dr. Friedländer­Stettin ernannt.

Nun beruft der Reichskanzler wieder einen Wirtschaftsbeirat ein, der unter dem Vorfit des Reichspräsidenten   fagen foll. Ob die jeder Gleichberechtigung der Arbeitnehmer Hohn sprechende Zusammen­fehung durch diesen Vorsitz forrigiert iverden foll, entzieht sich unserer Kenntnis. Unsere Stepsis wird jedenfalls dadurch nicht herab­gemindert.

Die gewerkschaftlichen Spihenverbände, von denen man auch einige Vertreter zu eruennen für notwendig ge­Deutlicher fann die Ungerechtigkeit des englischen Wahl- halfen hat, haben sich über die Fragen verständigt, die im Wirtschafts­

Warum diese Eile? Die Vertagung der Entscheidung in der Cohnkrise der Reichsbahn ist in der Oeffentlichkeit fast allgemein dahin gedeutet worden, daß anscheinend die Regierung zunäch sf den Wirtschaftsbeirat sprechen laffen wolle. Will die Regierung nun doch im beschleunigten Tempo den Lohnabbau für die gesamten Arbeitnehmer der öffentlichen Betriebe durchführen?