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BERLIN Dienstag 3. November

1931

Der Abend

Erscheint täglich außer Sonntag 8. Sugleich Abendausgabe des Vorwärts". Bezugspreis beide Ausgaben 85 Pf. pro Woche, 3,60 M. pro Monat. Redaktion und Expedition: Berlin SW68, Lindenstr. 3 Fernsprecher: Dönhoff( A 7) 292-297

Spätausgabe des Vorwärts

10 Pf.

Rr. 516

B 258

48. Jahrgang

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Schiele will nichts lernen!

Hochhaltung der Lebensmittelpreise- trotz Lohnfenfung?

Wir haben heute morgen auf die Notwendigkeits einer starten Getreideeinfuhr hingewiesen. Das Reichsernährungsministerium führt demgegenüber u. a. aus:

Bei der außerordentlich guten Qualität des deutschen Roggens in diesem Jahr ist er nicht in dem angegebenen Maße verfüttert worden. Die Notwendigkeit einer Einfuhr 500 000 Tonnen Weizen habe auch das Reichsernährungs­ministerium stets anerkannt. Da wir bereits 200 000 Tonnen von Amerika gekauft haben, bleiben nur 300 000 Tonnen zu be= schaffen, was angesichts der großen vorjährigen Vorräte in Kanada und Argentinien gar feine Schwierigkeiten bereiten werde.

Für Roggen bestehe teine Einfuhrnotwendigkeit.

Es sei auch nicht richtig, daß Futtergetreide so knapp ge= worden märe, die Preisentwidlung bemeise das Gegenteil. Im Vergleich zu 1913 stand Ende Oktober der Haferpreis auf 90 Pro­gent. Außerdem hätten wir noch ausreichende Mengen von 3uder und zuderhaltigen Futtermitteln zur Verfügung, die an Nährwert 500 000 Tonnen Getreide entsprechen. Es sei auch falsch, den Futtermittelbestand nach der Schweinehaltung zu berechnen. Im Gegenteil richte sich die Viehhaltung in Deutschland nach den verfügbaren Futtermitteln.,

Unter diesem Gesichtspunkt aber seien jetzt fünf Millionen Schweine zuviel da

und ihre Abschlachtung sei auch im Interesse einer Erhöhung der überaus niedrigen Schweine und Rindvichpreise durchaus richtig.

Aus diesen Auslassungen ergibt sich mit aller Deutlich­teit: Minister Schiele will die Lebensmittelpreise unter allen Umständen hochhalten. Lohnsenkung auf der einen Seite- steigende Lebensmittelpreise auf der anderen Seite? Wir mahnen die Reichsregierung ernsthaft, den Plänen des Reichs­ernährungsministers entgegenzutreten!

Die Osthilfe.

Neue Pläne. Beratung im Wirtschaftsbeirat.

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In den letzten zwei Monaten sind aus den Mitteln der Osthilfe 13 Millionen Mark an Landwirtschaftsbetriebe gezahlt und 26 Millionen bewilligt worden. Mit dieser Summe sollen rund 3000 Betriebe saniert werden. Aus dem Hilfsfonds für gewerbliche Betriebe, der 50 Millionen Mart beträgt, wurden mehr als 3,5 Millionen ausgezahlt. Die Absicht geht nun dahin, die Barzahlungen in Zukunft möglichst einzuschränken. Die landwirtschaftlichen Betriebe, und zwar nur sie, sollen fünftig etwa 75 Prozent der Hilfssumme in Scheinen der Bank für Industrieobligationen und nur 25 Prozent in bar er­halten. Wie diese Scheine unterzubringen sind, steht zur Zeit noch nicht genau fest.

Im Zusammenhang mit diesen Fragen steht zur Zeit der Wunsch der Landwirtschaft nach einem Moratorium und einer all­gemeinen 3insstundung zur Debatte. Es ist beabsichtigt, mit diesen Fragen auch den Wirtschaftsbeirat zu befassen.

Erdbebenkatastrophe?

Tausend Tote auf japanischen Inseln?

Tokio , 3. November. ( Eigenbericht.)

Von dem Erdbeben, das am Montag die japanischen Inseln Kinschiu und Shifoko heimgesucht hat, sollen nach den bisher vorliegenden Meldungen 1000 Personen tödlich betroffen worden fein. Sämtliche Telegraphen- und Telephonleitungen in dem Erd­bebengebiet sind zerstört, so daß genaue Meldungen über das Aus= maß der Katastrophe nur schwer zu erhalten sind. Aus Osaka wird im Gegensatz zu den in Tokio vorliegenden Meldungen berichtet, daß das Erdbeben nur geringeren Umfang gehabt hat und nur mehrere Häuser zerstört bzw. einige Personen leicht verlegt worden sind.

Wirtschaftsführer

BLATT

Wenn ich nun fleißig fludiere, ein paar Jahre praf­tisch arbeite, danach zwecks weiterer Ausbildung das Ausland bereife, fann ich es dann vielleicht auch bis zum General oder Großbankdirektor bringen, Bater?" ,, Nein, mein Junge, dann wirst du bestimmt zu etwas Nützlicherem gebraucht."

Gebrüder Saß festgenommen.

Falschmünzerwerkstatt in ihrer Wohnung entdeckt.

Vor einigen Tagen sind von Beamten der Falschgeldzentrale des Berliner Polizeipräsidiums zwei Männer festgenommen worden, die bei einer Firma unter Vorlage eines Gipsklischees einen Metallstempel in Auftrag gaben. Die beiden Kunden gaben als ihre Adresse die Budapester Straße an. Der Firma kam die Der Firma kam die Ungelegenheit verdächtig vor und man benachrichtigte die Polizei. Die Adresse erwies fich als fingiert, und als die Männer den bestellten Stempel abholen wollten, wurden sie festgenommen. zu ihrer Ueberraschung sahen die Beamten zwei alte Bekannte vor fich. Es waren die Gebrüder Erich und Hans Saß, die seinerzeit unter dem Verdacht des Bankraubes am Wittenbergplatz standen. Eine Haussuchung in der Wohnung der Saß forderte schwerbelastendes Material zutage. Es wurden Geräte und Apparate vorgefunden, die zur Herstellung von faljchen Zehn­rentenmarticheinen dienten.

Ob die Falschmünzer bereits Falsifikate in den Verkehr gebracht haben, können erst die weileren Nachforschungen ergeben. Vom Untersuchungsrichter ist gegen beide Haftbefehl erlassen.

an

37 Staaten, darunter alle Großstaaten, haben bis jetzt dem Generalsekretär des Völkerbundes ihre Zustimmung zu dem Rüstungsfeierjahr mitgeteilt. Die Aufforderung dazu war 55 Mitgliedsstaaten des Völkerbundes ergangen und an neun andere Staaten, die zmar nicht Mitglieder des Völkerbundes find, aber an der Abrüstungstonferenz teilnehmen.

Ein Richter fürs Dritte Reich.

Er schießt auf die Wohnung eines Gewerkschaftssekretärs. Trier , 3. November. ( Eigenbericht.)

In der Nacht vom 26. zum 27. Oktober wurde hier auf die Wohnung des sozialdemokratischen Gewerkschafts­jefretärs 3atobs ein Schuß abgegeben, durch den eine Fenster­scheibe zertrümmert wurde. Jetzt ist unter dem Berdacht der Täterschaft der Richter am Trierer Amtsgericht Sidon festgestellt worden. Sidon ist zwar nicht Mitglied der Nationalsozialistischen Partei, aber verkehrt an einem Naziflamm­tisch. An dem Abend, als er den Schuß abgab, fehrte er von dem Stammtisch nach Hause zurück.

Die Oberstaatsanwaltschaft Trier äußert sich zu dem Borfall ins­besondere zu der Täterschaft Sidons nod) zurückhaltend. Die Polizei ist jedoch überzeugt, daß nur Sidon als Täter in Frage tommt.

Nach Fricks Rezept!

Prozeß gegen nationalsozialistische Mörder in Hamburg . Die Todesschüsse im Autobus.

Hamburg , 3. Nopember.

Der blutige Ueberfall, der in der Nacht zum 15. März in dem Nachtautobus zwischen Ochsenwärder und Hamburg verübt wurde, wobei das fommunistische Bürgerschaftsmitglied Otto Henning von drei Nationalsozialisten erschossen wurde, steht heute vor dem Schwurgericht zur Verhandlung.

Am Tage nach dem Attentat auf den Regierungsrat Lassally ereignete sich der Vorfall, der in Hamburg größte Erregung hervor­rief. Henning fuhr in der fritischen Nacht in Begleitung feines Parteigenossen Cahnbley von einer politischen Versammlung nach Hamburg zurüd. Unterwegs sprangen drei Männer, die rückwärts im Autobus gesessen hatten, plöblich auf und schrien dem Führer zu: Halt, oder wir schießen!" Der erschrockene Chauffeur folgte ihrem Ruf und nun spielte sich die Tat ab, deren Verlauf von den einzelnen Zeugen verschieden geschildert wird.

Nach der Aussage von Zeugen, die in nächster Nähe des Er­mordeten faßen, trafen die drei Männer auf Henning zu und fragten ihn, ob er das kommunistische Bürgerschaftsmitglied Andre sei, Henning verneinte und nannte seinen richtigen Namen.

In diesem Augenblic rief einer der Männer aus: ,, Dich suchen wir ja gerade!" Gleich darauf knallten auch schon die Schüffe. Henning fant tödlich getroffen einer neben ihm sitzenden Dame in den Schoß.

Die Angreifer feuerten nun wie wild weiter in der Richtung, in der Henning gesessen hatte. Hennings Begleiter erlitt einen Streifschuß am Kopf. Die neben dem Getöteten sigende Lehrerin Marcinowsti erhielt fünf Schüsse in den Ober­schenkel..

Die Schießerei, bei der insgesamt etwa fünfzehnmal gefeuert wurde, forderte auch mehrere Leichtverletzte unter den Fahrgästen.

Zwei der Angeklagten stellten sich am nächsten Tag selbst der Polizei, nachdem die Nationalsozialistische Partei sofort nach dem Attentat eine Erklärung aufgegeben hatte, in der sie mit­teilte, daß die drei wohl Mitglieder ihrer Partei gewesen seien, daß mungen Adolf Hitlers gehandelt hätten. Der dritte Attentäter wurde sie aber jeßt ausgeschlossen seien, nachdem sie entgegen den Anord­bald darauf verhaftet.

Adolf Hitler haf den Mördern Rechtshilfe gestellt. Nun haben sich die dreider 22jährige Albert Jansen, der 26jährige Otto Bammel und der 28jährige Alois Höck mayr megen Mordes zu verantworten. Jansen war früher Polizeia machtmeister, wurde aber wegen nationalsozialistischer Agitation entlaffen.

Heute 15 Massenversammlungen gegen den Faschismus!