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BERLIN Donnerstag 5. November

1931

Der Abend

Erscheint täglich außer Sonntags. Bugleich Abendausgabe des Vorwärts". Bezugspreis beide Ausgaben 85 Pf. pro Woche, 3,60 M. pro Monat. Redaktion und Expedition: Berlin SW68, Lindenstr.3 Fernsprecher: Donhoff( A 7) 292-297

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Nr. 520

B 260 48. Jahrgang

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Ausbeutung der Kranken

Profitkampf auf dem Arzneimittelmarkt

Wir hatten schon früher Gelegenheit, etwas von den Preis gestaltungsprattiken der chemischen Großindustrie in die Deffentlich­feit zu bringen. Das Wesentliche ist, daß hier die gleichen Kreise, die über die Höhe der Soziallaften flagen und den Abbau der Sozialversicherung verlangen, durch die gleichen Einrichtungen als Nuznießer ihrer Patente ungeheure Summen verdienen.

Während überall von der Notwendigkeit des Preisabbaues ge= sprochen wird, soll hier durch eine scharfe Kartellierung und ein planmäßiges Dumping gegen Außenseiter jede Preissenfung ver­hindert werden. Ganz besonders schlimm sind augenblicklich die Verhältnisse auf dem Insolin markt. Das Infolin wird aus der Bauchspeicheldrüse des Schlachtviehs gewonnen und ist ein un­entbehrliches Behandlungsmittel bei Diabetes( 3uderfrankheit) geworden. Die Erfinder, zmei Professoren der kanadischen Universität Toronto , haben von Anfang an im Interesse der leiden­den Menschheit auf jeden Nutzen und Gewinn aus ihrer Erfindung verzichtet. Um so verwerflicher find deshalb heute die Kampf­methoden der deutschen . Insolin Hersteller. Man muß berüc­fichtigen, daß die Zuderkranten Patienten bis an ihr Lebens ende bleiben und daß in Deutschland durchschnittlich 180 bis 240 Millionen Einheiten Infolin pro Jahr verbraucht werden, daß ferner feine Schwankungen auf dem Markte vorkommen, da die Zahl der Kranken fast immer die gleiche ist und deshalb die Retlame und sonstigen Spesen sehr gering find.

Der Kampf ist nun zwischen der Firma Seag einerseits, bie Das Scarulin herstellt, das aber jetzt durch das Infoline Prüfungskomitee die Berechtigung bekam, Infolin- Seag genannt zu werden, der Degemop und den anderen Firmen entbrannt. Der Apothekenpreis für die Infoline dieser Firmen war vor einiger Zeit noch für 100 Einheiten durchschnittlich 2,80 M., während Sear in gleicher Güte die 100 Einheiten für 1,50 m. lieferte. Schering und JG. Farben, die nur geringen Anteil an der Markt­belieferung haben, setzten dann plößlich den Preis auf 2,10 M. herab. Jetzt wurde von ausländischer Seite der Vorschlag gemacht, alle Firmen einschließlich Sear zusammenzufaffen, um dieses gegen­seitige Unterbieten abzuftoppen. Diesem Borschlag schloß sich aber außer Sear auch die Firma Degewop nicht an, sondern sie jetzte von sich aus den Preis auf 1,30 M. herab und hat sich verpflichtet, diesen Preis auf Jahre hinaus zu halten. Das sind die Apotheken­Verkaufspreise; die Apotheken- Einfaufspreise betragen für 100 Ein­heiten 1,06 m. und für 200 Einheiten 2 M. Schleuderpreise da­gegen werden den Krankenhäusern gewährt. Diese bekommen jetzt die Krankenhauspadungen mit 0,44 m. pro 100 Einheiten berechnet. Wir müssen aber diesen Preis richtig verstehen", schreibt eine maßgebende Persönlichkeit, daß nämlich dieses Verschenken eine Reflame bedeutet, denn hat ein Patient im Krankenhaus Info­lin X oder erhalten, so wird er seinen Arzt, aus dem Kranken­haus entlassen, veranlassen, ihm auch in Zukunft dieses Präparat

Kulturpioniere.

Köpfe werden rollen!

" Mensch, der Weg ins Dritte Reich bekommt durch uns ein Kopfpflaster!"

Der Krawall in Halle.

Deffentliche Versammlung geplant.

फ्र

Halle, 5. November.( Eigenbericht.) Rektor und Senat an der Universität Halle beabsichtigen, die Studentenschaft über den Fall Dehn" in einer großen öffentlichen Versammlung aufzuklären, soweit die Studentenschaft selbst die Gewähr übernimmt, daß diese Versammlung in Ruhe und Ordnung verläuft. Sollten sich dann trotz dieser Aufklärung weitere tumultartige Borgänge abspielen, so dürfte das preußische Kultus­ministerium eingreifen und die Schließung der Universität ver­anlassen.

Den Berliner zuständigen Stellen sind inzwischen Nachrichten darüber zugegangen, daß auch an anderen Universitäten rechts­radikale Studenten die Störung von Vorlesungen ihnen mißliebiger Professoren beabsichtigen. Gegenmaßnahmen der Behörden sind bereits in Vorbereitung.

zu verſchreiben." So erfreulich auf den erſten Blick diefes gegen Berlin forgt für Desterreicher.

Wohlfahrtsempfänger werden nach wie vor unterstützt. Falschmeldungen eines Gensationsblattes.

jeitige Unterbieten dem Kranken erscheinen fönnte, so groß ist die Gefahr, daß der leistungsfähigere Konkurrent, nachdem er durch sein Dumping den schwächeren zur Strecke gebracht hat, nachher als Sieger nach berühmten Vorbildern den Preis diftieren wird. Die In einem Staatsvertrag zwischen Desterreich und dem Regierung müßte im Interesse der Kranken preissenkend eingreifen. Deutschen Reich ist die Frage der Betreuung Arbeitsloser geregelt. Was haben nun die Krankenkassen, auf deren Kosten Arbeitslose österreichische Staatsangehörige werden auf Grund diese Kämpfe auf dem Arzneimittelmarkt geführt werden, für ihre dieses Vertrages wie Reichsangehörige behandelt. Die Mitglieder getan? Der Zuderkrante ist ein chronisch Kranker und Stadt Berlin hat es darüber hinaus als ihre Ehrenpflicht deshalb besteht bei ihm die große Gefahr der Aussteuerung, die angesehen, auch die ausgesteuerten Erwerbslosen genau wie gleichbedeutend wäre mit dauernder Arbeitsunfähigkeit und früh reichsdeutsche Wohlfahrtsunterstüßungsempfänger zu behandeln. zeitigem Tode, da wohl die wenigsten Patienten durchschnittlich Ein Berliner Sensationsblatt brachte nun heute vormittag die 25 M. Infolin pro Monat aus der eigenen Tasche bezahlen Nachricht, daß die Stadt Berlin durch die katastrophale Finanzlage fönnten. Die Berliner Krankenkassen steuern deshalb ihre Bucker- gezwungen sei, die Zahlungen der österreichischen Wohlfahrtsunter­franken nicht aus, sondern lassen sie nach Ablauf der Behandlungsstüßungsempfänger einzustellen. Diese Nachricht hat in der öfter­verpflichtung bei den frei praktizierenden Aerzten in den Kassen reichischen Kolonie stärkste Beunruhigung ausgelöst, da ambulatorien weiter behandeln. Diese Behandlung ist besonders mehrere tausend ihrer Landsleute durch eine folche Maßnahme dem wichtig, da die meisten Zuderkranten durch die ständige Infolin- schlimmsten Elend preisgegeben sein würden. Wie wir aus dem zuführung arbeitsfähig bleiben. Die Kosten für das Infolin Rathaus erfahren, trifft die Nachricht in dieser Form in feiner trägt die Landesversicherungsanstalt; den Kranken, die nicht zur Weise zu. Landesversicherungsanstalt gehören, wie Angestellte usw., ersetzt die Reichsversicherungsanstalt die Infolinkoften bis zu 25 m. pro Monat. Ferner haben sich die Berliner Krankenkassen die von der Firma Degewop garantierte Preisherabseßung, die bis Ende 1934 festgelegt ist, gesichert. Das sind die Möglichkeiten, die die Krankenfaffen im Interesse ihrer Mitglieder auszunutzen Ge Tegenheit hatten. Eine Herabsetzung der Preise in der Zeit des fo­genannten Preisabbques der Einwand, das deutsche Schlachtvieh sei nicht so ergiebig, ist ziemlich fadenscheinig wäre eine der Aufgaben, die die Reichsregierung im Interesse der Volksgesundheit au erfüllen hätte.

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Nach wie vor ist die Stadt Berlin bereit, nach Möglichkeit jeden öfferreichischen Hilfsbedürftigen nach besten Kräften zu unter­ftützen.

Auch von der österreichischen Gesandtschaft wird uns mit geteilt, daß von einem Brief von dem in dem betreffenden Artikel des Sensationsblattes gesprochen wurde, und in dem die geplante Maßnahme der Stadt Berlin mitgeteilt worden sein soll, nichts bekannt ist.

Wie wir noch bei dem Bezirksamt Wedding , bei dem die meisten österreichischen Wohlfahrtsempfänger versorgt werden,

erfahren, ist erst vor acht Tagen von der Zentrale eine Verfügung herausgegeben worden, in der noch einmal betont wird, daß in allen Unterstügungsfällen Desterreicher und Danziger wie Reichsa deutsche zu behandeln find. Natürlich läßt es sich nicht vermeiden, daß in den einzelnen Fällen auch der österreichische Unterstützungs­empfänger genau wie der reichsdeutsche die allgemein im Fürsorge= wesen angeordneten Sparmaßnahmen und Einschränkungen zu spüren bekommt. An dem Prinzip, daß der österreichische Erwerbslose genau wie ein Reichsangehöriger behandelt wird, soll in feiner Weise etwas geändert werden.

Es kann nicht genug verurteilt werden, daß sich immer wieder Sensationsblätter finden, die falsche, weite Boltsfreise schwer be= unruhigende Meldungen veröffentlichen, ohne sich verpflichtet zu fühlen, vorher genaue Erfundigungen bei den städtischen Stellen über die tatsächlichen Verhältnisse einzuziehen.

Kaas gegen die Koalitionsgerüchte.

Zagung des Reichsausschusses der Zentrumspartei . Der Reichsausschuß der Zentrumspartei trat hente vormittag 10 Uhr im Blenarsizungsjaal des Reichstages zusammen. Der Borsigende der Partei, Abgeordneter Kaas, eröffnete die Sizung und wandte sich mit großer Schärfe gegen die Koalitions= gerüchte, die, wie er sich ausdrückte, in jüngster Zeit von Kreisen außerhalb der Partei in der Deffentlichkeit erörtert worden seien. Es feien keine Tatsachen eingetreten, die geeignet wären, an dem Beschluß der Zentrumsfraktion des Reichstages, in der jede Tolerierung einer Rechtsregierung abgelehnt murde, irgend etwas abzuändern. Es sei jetzt nicht die Zeit für derartige Koalitionsredereien, die schließlich nur geeignet wären, die Attionsfähigkeit und Handlungsfreiheit der Reichsregierung zur schwächen und zu hemmen. Es komme jetzt nicht auf Worte an, sondern auf Taten.

sammlung heraus außerordentlich starten Beifall. Sodant Die Ausführungen des Vorsitzenden Kaas fanden aus der Ver­erhielt das Wort der Generalsekretär der Rheinischen Zentrums partei, Ruffini- Köln, zu einem Vortrag: Wie sieht die Partei die Tätigkeit des Reichskanzlers Brüning ?" Die Ausführungen des Redners zeigten, daß die Wählerschaft des Zentrums nach wie vor gesonnen sei, sich vorbehaltlos und entschlossen hinter den Reichs tanzler Brüning zu stellen.

Nach diesem Vortrag wird Reichskanzler Brüning sprechen. Darauf wird eine allgemeine Aussprache stattfinden, die spätestens um 15% Uhr abgeschlossen sein soll.

Brüning und die Wirtschaftspartei.

Keine Unterstützung für eine Abstimmung.

Die Reichsregierung dementiert fategorisch die immer wieder aufgestellten Behauptungen von einer Sanierung mittelständlerischer Kreditinstitute durch Reichs­mittel im Zusammenhang mit der Abstimmung der Wirtschaftspartei im Reichstag gegen die Mißtrauensanträge.

Richtig sei nur, daß die Wirtschaftspartei in den Verhandlungen mit dem Reichskanzler auf die besonders schweren Folgen der Wirtschaftskrise für diese Kreditinstitute aufmerksam gemacht und Hilfe verlangt hat.

Der Reichstanzler habe unter Hinweis auf seine früheren Erklärungen Berücksichtigung im Rahmen des Mög lichen zugesagt; aber irgendwelche materiellen Leistungen im 3ufammenhang mit der Abstimmung der Wirtschafts­partei seien nicht erfolgt.

Groener, der Doppelminister. Warum der Republikaner Spieder gehen muß.

Gegenüber Behauptungen eines demokratischen Blattes läßt Reichsinnen und Wehrminister Groener erklären: Es ist un= richtig, daß alle vom Minister zu erledigenden Akten von General Schleicher oder nach seinen Vorschlägen erledigt werden. Nur als er trant war, sagt die Erklärung weiter, hat der Minister die Arten für den Reichsinnenminister sich in das Wehr­minifterium bringen laffen. Seither aber versieht er die Geschäfte des Reichsinnenministeriums im Reichsinnenministerium.

Auch das bekannte Interview des WIB. mit Groener habe nicht Schleicher, sondern Groener vollkommen selbständig angefertigt, bei der endgültigen Faffung aber einige Aenderungsvorschläge des Staatssekretärs des Reichsinnenministeriums berücksichtigt.

Was den Fall Spieder anbelangt, so wird erflärt: Mis