Morgenausgabe
Rr. 521
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48.Jahrgang
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Der Borwärts erscheint wochentäg lich zweimal, Sonntags und Montags einmal, die Abenbausgabe für Berlin und im Handel mit dem Titel Der Abend", Jllustrierte Sonntagsbeilage Bolt und Zeit".
Freitag
6. November 1931
o.Groß- Berlin 10 Pf. mar sedan Auswärts 15 Pf.
Vorwärts
Berliner Boltsblatt
1411 Die einfpalt. Nonpareillezetle 80 231. Reflamezeile 5,- RM. Kleine An seigen" das fettgebrudte Wort 25 f. ( guläffig zwei fettgedruckte Worte), jedes 198 meitere Wort 12 Pf. Rabatt It. Tarif. Stellengesuche das erste Wort 15 Pf. jedes weitere Mort 10 Pf. Worte über 15 Buchstaben zählen für zwet Worte. Arbeitsmarkt 3eile 60 f. Familien. anzeigen Zeile 40 Pf. Anzeigenannahme im Hauptgeschäft Lindenstraße 3, wochentäglich von 8 bis 17 Uhr. Ablehnung nicht genehmer Anzeigen vor! Nuo sade ijod
jodd aitolinagrDer Berlag behält sich das Recht der
Bentralorgan der Sozialdemokratischen Bartei Deutschlands
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Klagges provoziert.
Braunschweiger ,, Bolfsfreund" abermals verboten!
Braunschweig , 5. November. ( Eigenbericht.) Der braunschweigische Nazi- Minister Klagges hat den braunschweigischen ,, Volksfreund" am Donners. tag wieder auf sieben Tage, und zwar vom 6. bis 12. November einschließlich verboten. Dieses Verbot umfaßt auch sämtliche im gleichen Verlag erscheinenden Kopfblätter. Es darf also im Lande Braunschweig wieder sieben Tage lang keine sozialdemokratische Zeitung
erscheinen. ⚫
Die Begründung des Berbots fautet:„ Der Bolfs freund" hat in seiner Nummer vom 4. November einen Bericht über die Berhandlungen in der Landtags fizung vom 3. November gebracht. In diesem Bericht heißt es einmal: Minister Klagges provoziert" und später: ,, Der Minister entschuldigt den Mord an Fischer." Diese in Fettbrud und als besondere Ueberschriften hervorgehobenen Stellen des Berichts entsprechen in keiner Weise den Tatsachen. Der Minister Klagges hat vielmehr ganz ausdrücklich Stellung gegen alle Auswüchse genommen, indem er erflärte, selbstverständlich mißbillige ich gleichfalls jeden Uebergriff. Gegenüber dieser flaren und eindeutigen Aeußerung des Ministers tönnen die angefochtenen Berichtstellen nicht anders gewertet werden als der Bille und die Absicht, den Minister wider besseres Wissen in seinem Ansehen herabzufezen. Ganz zweifellos wird durch diese unrichtigen und unwahren Behauptungen der Minister Klagges als leitender Be amter des Staates beschimpft und böswillig verächtlich gemacht, so daß der Tatbestand des§ 1 Absah 1 3iffer 2 der Berordnung des Reichspräsidenten zur Bekämpfung politischer Ausschreitungen vom 28. März 1931 gegeben ist."
Gegen das Zeitungsverbat ist sofort Beschwerde er hoben worden umhug 119TAS sto nece
Der Braunschweiger„ Bolfsfreund" hat nach der Aufhebung des Berbots eine geradezu übermenschliche Zurück haltung gezeigt. Er hat alles getan, um Herrn Klagges feinen Anlaß zu einem neuen Verbot zu geben. Er hat sich feinen Anlaß zu einem neuen Berbot zu geben. Er hat der Kritik an den Braunschweiger Vorgängen enthalten, er hat ſich darauf beschränkt, den Bericht über die Landtags
verhandlungen zu veröffentlichen.
Unruhe. Minutenlang ist fein Wort zu verstehen. Drömungs ruf an Dr. Jasper.
Der Minister entschuldigt den Mord an Fischer. büßen müssen. Ein Kriminalbeamter hat dazu berichtet, daß Rlagges: Fischer hat für einen Schuldigen zuerst Zivilpersonen Steine geworfen hätten und im weiteren Ber lauf der Angelegenheit dann Fischer zu Tode fam. Der Kriminal beamte hat den Täter nicht feststellen können, weil er den Borfall nicht bis zuletzt beobachtet hat. Heymann war nicht Mitglied Spizel zu sein.( Burufe links: Unerhört!") der NSDAP . Für mich steht fest, daß Heymann verdächtig ist, ein
Es kann nicht behaupte werden, daß Heymann National sozialist war. Abg. Bertram: Sie von der Sozialdemokratie haben unsern Sieg von 1918 verraten.( Lachen links.) Klagges: Weil das Bolt gesehen hat, wohin es unter den Margiften fommt, darum wendet es sich von ihnen ab. Buruf: Objektiver Minister. Unruhe im Hause. Glode des Präsidenten.
und erklärt dabei, in seinem Vaterhause sei wahrscheinlich mehr ge. Der Minister fommt dann auf seine eigene Person zu sprechen arbeitet worden als in dem des Abg. v. Frantenberg.
Abg. v. Frantenberg: Das brauche ich mir nicht sagen laffen. Größte Unruhe im Saal. Die Abg. v. Frankenberg ( Soz.). Rohloff( S03.) und Riefe( S03.) werden von der Sigung ausgeschlossen. Tumult. Ständig Glocke des Präsidenten
Burufe links und rechts.
Abg. v. Frankenberg war über die Provokation des Herrn Klag 825, der feinen toten Bater beleidigte, so erregt, daß werden mußte. er in den Saal stürzte und von seinen Parteifreunden zurückgehalten Unter größter Unruhe des Hauses beendet dann der Minister feine Rede und die Sigung wird über Mittag vertagt.
Herr Klagges hat abermals die Arbeiterschaft als Mob bezeichnet, diesmal in offener Landtagssigung! Er hat einen hochperdienten. toten. Braunschweiger Politiker, den Vater eines fozialdemokratischen Landtagsabgeordneten, in offener Landtagsfigung gröblich beleidigt. Wenn das teine Bropptation ist, gibt es überhaupt teine daß ich er, der so viehisch dahingemordete Arbeiter, für Herr Klagges hat ferner mit faltem Blute ausgesprochen, einen Schuldigen habe büßen müffen". Sein Wort des Mitleids, der Berurteilung! Seine Worte schloffen die Auffassung ein, daß für einen Streit mit der SA, für Wort des Mitleids, der Verurteilung! Seine Borte schloffen Steinwürfe gegen die S2. ein so vichischer Mord eine Buße sei. Wenn der Volksfreund" für diesen Tatbestand die Worte gebraucht hat, der Minister entschuldigt den Mord an Fischer", so ist dies eine Milde des AusNachdem gestern die Abgeordneten der SPD . zu meinem Bedruds, die von der übermenschlichen Zurückhaltung der Redauern das Haus perlaffen haben, haben sie heute neue Beschuldaktion des Braunschweiger Bolksfreund" zeugt. digungen erhoben, um den Nationalsozialisten die Schuld zu geben. Ich stehe hier nicht als Parteimann.( Heiterfeit[ ints.)
Herr Klagges hat dennoch abermals verboten. Das neue Berbot und seine Begründung ist eine neue ungeheuer liche Provokation. Hier find die Stellen des Landtagsberichts, so wie sie der Boltsfreund" veröffentlicht hat:
Minister Klagges provoziert.
Sie haben versucht, mich selbst anzugreifen und haben meinen Ausspruch über den marristischen Mob" zitiert. Ich habe gesagt, daß das sichere Auftreten der SA. den margistischen Mob veranlagt habe, fich in seinen Schlupfwin teln zurüdzuhalten. Bei diesem Wortlaut
bleibe ich.
( 3uruf des Abg. Thielemann: Es liegt daran, daß Sie die Arbeiter Mob nennen!") Präsident 3örner unterbricht den Minister und fragt den Abg. Dr. Jasper, men er mit feinem Zwischenruf" Bursche
gemeint habe.
zu haben.
Abg. Dr. Jasper( Soz.) bestreitet, diesen Zwischenruf gemacht Abg. Rohloff, Gandersheim ( Soz.): Ich habe vor 10 minuten den Abg. Schneider auf einen seiner Zwischenrufe„ Bursche"
genannt.
"
Die Nummer des Bolksfreund", die diesen Landtags bericht enthält, begann mit der folgenden Feststellung der Redaktion:
"
Wir leben im Zeitalter der Nordverordnung. Darum ift eine Würdigung der Parlamentsverhandlung, wie wir sie in früheren Beiten ständig gegeben haben, nur schwer möglich. Unsere Leser mögen sich an Hand des umfangreichen und ausführlichen Gizungsberichts selbst ein Bild über die gegenwärtige politische Situation im Lande Braunschweig machen. Redaktion des Volksfreund.
Poftscheckkonto: Berlin 37 536.- Bankkonto: Bank der Arbeiter, Angestellten und Beamten, Lindenstr. 3. Dt. V. n. Dist.- Gel., Depofitent., Jerusalemer Str. 65/66.
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Jus and no 1001
Die neueste Osthilfe.
Um das Programm Schlange- Schöningens.
Die Entscheidung über die Gestaltung der Osthilfe ist nunmehr gefallen. Einzelheiten über die Neugestaltung der Ofthilfe werden im Laufe des Freitag bekannt gegeben werden.
Das vom Reichstag im Frühjahr dieses Jahres verabschiedete Osthilfegesetz sollte dem deutschen Osten, vor allem dem Großgrundbesitz die Rettung bringen. Aber ein halbes Die Fortsetzung der großzügig angelegten UmschuldungsJahr ist vergangen, und schon ist der Traum ausgeträumt. aftion 17 Millionen sind schon verpulvert, die durch Aufnahme von Anleihen finanziert werden sollte, ist nicht möglich, da fein Mensch Geld in die bankrotten Großgrundbetriebe hineinstecken will. Hinzu kommt, daß die Regierungsstellen sich nicht miteinander verständigen fonnten. Preußen hielt an dem einzig richtigen Grundsatz fest, daß individuell verfahren werden muß, daß nur wirklich sanierungswürdige Betriebe umgeschuldet werden dürfen, während die Reichsgrundbesizer sichern wollte. regierung möglichst großzügig den Besitz sämtlicher GroßDurch die verschiedenen Auffaffungen wurden die Verhandlungen in die Länge gezogen, bis die Lage der umzuschuldenden Betriebe noch mißlicher wurde und der alte Sanierungsplan nicht mehr ausreichte.
Verhandlungen zwischen dem Reich und Preußen haben jetzt zu dem Ergebnis geführt, daß die Osthilfe in ihrer alten Form nicht mehr fortgesetzt werden foIL Breußen scheidet aus der Osthilfe aus und der Rittergutsbesitzer Schlange- Schöningen , einer der wenigen ernst zu nehmenden führenden Köpfe der Landwirtschaft, soll Ostkommissar werden und in das Reichskabinett als Minister ohne Portefeuille eintreten. Also: die Osthilfe ist tot, es lebe die Osthilfe! Die Umschuldung will man zwar nicht ganz aufgeben, aber sehr einschränken. In der Hauptsache denkt man daran, die Zinsen für die Hypotheken herabzusetzen, entweder auf Kosten der Hypothekengläubiger oder durch Zuschüsse aus den Mitteln der Bank für Industrieobligationen. Auch die allgemeine Konvertierung für Hypothekenpfandbriefe, also die Zusammenlegung der Schulden, wird erwogen". Eine höchst gefährliche Sache. Bird man auf Kosten der Gläubiger die Landwirte entschulden, so ist gerade hierdurch das Vertrauen der Sparer oder der ausdas zwar ein sehr bequemer Weg, aber man wird nicht ländischen Geldgeber auf den Hypothekenmarkt stärken. Eine denn man fann von dem geschädigten Geldgeber nicht verneue Auflage von Pfandbriefen dürfte ausgeschlossen sein, langen, daß er nochmals sein gutes Geld der Landwirtschaft zur Verfügung stellt.
Will man solche Folgen vermeiden, dann müßte eine Senkung der Hypothekenzinsen durch Zuschüsse aus den zur Verfügung stehenden Osthilfegeldern erfolgen. Gegen eine folche Zinsverbilligung ist aber ganz allgemein einzuwenden, daß jeder Landwirt, gleichgültig, ob es eine wirtschaftliche Lage erfordert oder nicht, in den Genuß der Zinsverbilligung gelangen müßte. Das Prinzip der individuellen Behandlung wäre dann aber aufgegeben.
Den Landwirten, die schon gänzlich abgewirtschaftet haben, hilft eine solche Zinsverbilligung nichts mehr; dagegen ist diese Erleichterung der Zinszahlung für die gut fundierten Landwirte ein überflüssiges Geschenk. Aus dem gleichen Grunde ist auch der abenteuerliche Gedanke eines landwirtschaftlichen Moratoriums zu verwerfen. Hierzu wie zu den Konvertierungsplänen soll noch der Wirtschaftsbeirat gehört werden. Es ist zu hoffen, daß die noch vorhandene Vernunft der Wirtschaftsführer" diesen Unfug verhindern wird.
Herr Klagges will die republikanische Presse im Lande Braunschweig unterdrücken. Der„ Boltsfreund" mit seinen Kopfblättern ist das einzige Organ im Lande Braunschweig , das für die Republit und ihre Verfassung eintritt. Herr Klagges wird die Beschwerde fünf Tage liegen lassen. Am sechsten Tage wird er sie dem Reichsinnenministerium vorlegen. Wenn dort die Erledigung wieder so lange Zeit in Anspruch nimmt, wie beim letzten Male, wird die Verbots- Die Aufteilung von landwirtschaftlichem Großgrundbesitz dauer abgelaufen sein, wenn eine Entscheidung fällt. Dann in Siedlungen soll so ziemlich ganz eingestellt werden, da Präsident 3 örner erteilt ihm dafür einen Ordnungsruf. tann Herr Klagges wieder auf sieben Tage verbieten.. fein Geld hierfür vorhanden ist. Als Ersatz soil die AnliegerMinister Klagges fährt fort: Ich habe bereits gestern einDer Reichskanzler hat heute als Ziel seiner Politik besiedlung in weiterem Umfang angewendet werden. Es fragt wandfrei diese Vorwürfe widerlegt, die Nationalsozialisten seien die zeichnet, Explosionen in diesem Winter unter allen Umständen sich aber, wie diese Anliegersiedlung durchgeführt werden soll. Angreifer gewesen und die Erteilung von Versammlungserlaub= nissen werde parteiisch gehandhabt. Ich habe teine Diret. 3u vermeiden. Herr Reichstanzler, bliden fie Jn ausgesprochenen Großgrundbesißgegenden sind Anliegernach Braunschweig ! Der Minifter Klagges macht aus fiedlungspläne gar nicht durchführbar, da hier viel zu wenig diesem Lande einen Gefahrenherd erster Ordnung! Bauern sitzen, die das Land des Pleite gegangenen Großgrundbesizers übernehmen fönnen. Die neue Osthilfe soll sich also von der alten darin unterscheiden, daß grundsätzlich der Gedante der individuellen Hilfe aufgegeben wird. on Der Landwirtschaft als Ganzes foll geholfen werden! Entweder auf Kosten der Gläubiger oder mit Hilfe der vorbandenen Mittel. Beides ist falsch, aber der letzte Weg wäre immerhin vorzuziehen, da eine allgemeine Schädigung der Sparer zugunsten der verschuldeten Landwirtschaft ein der Inflation gleichendes Unrecht darstellen würde. Geholfen
tipen gegeben, infspersammlungen zu bieten.( Widerspruch, Zuruf: Beweise!)
Der.
Das ganze hier vorgebrachte Anflagematerial seitens der Linken halte ich für unwahr.( Aha- Rufe links, daher der Stimmaufwand.) Ich mußbillige es auf das entschiedenste, wenn SA. Autos ange
halten haben.
Von der Tribüne her ruft ein Besucher, der der bekannte Na tionalsozialist Wittenberg gewesen sein soll, Strolch in den Saal und wird von der Tribüne verwiesen.
Der Abg. Alpers ruft den Sozialdemokraten zu setzer". Auf Verlangen des Abg. Dr. Jasper wird Alpers zur Ordnung gerufen.
Jm Warschauer Brest - Prozeß sollen die inhaltslosen Aussagen der Belastungszeugen der Staatsanwaltschaft nahegelegt haben, die Hochverratsantlage fallen zu lassen und sie nur wegen geringerer Bergehen aufrechtzuerhalten. Als legter ist der frühere utrainische Abg. Redakteur Demeter Baliim aus Brest - Litomst gegen eine Raution von 15 000 3loty entlassen worden.
Andrang zur Reichswehr . Für die rund 10 000 freien Steffen Andrang zur Reichswehr . Für die rund 10 000 freien Stellen im Reichsheer und in der Reichsmarine haben sich im letzten Jahr rund 120 000 Mann gemeldet: als Offizieranwärter über 200 freie Stellen boten sich über 3000 Anwärter an.