Morgenausgabe
Nr. 523 A 263
48.Jahrgang
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Der Borwärts" erscheint wochentag lich zweimal, Sonntags und Montags einmal, die Abenbausgabe für Berlin und im Sandel mit dem Titel„ Der Abend", Juſtrierte Gonntagsbeilage Bolt und Zeit".
Sonnabend 7. November 1931
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Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands
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Der Romflieger abgeschossen?
Aus Angst vor einem zweiten Fall Matteotti verheimlicht.
Berbirgt das Geheimnis um das Ende Lauros de Bosis! ein Berbrechen? Dieses jungen italienischen Dichters, der am 3. Oftober über Rom flog und Hunderttausende von Flugblättern abwarf?
Diese Frage mird nicht nur im Ausland gestellt, sondern nach unseren Informationen auch selbst in Italien . Man flüstert dort, Lauro de Bofis sei über dem Meere vielleicht schon über fran zösischen Hoheitsgewässern
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von einem oder zwei Jagdfliegern gefaßt worden, die zu seiner Verfolgung vom Flugplatz Ciampino bei Rom gestartet waren. Diese Jagdflugzeuge waren mit Maschinengewehren bewajjnet. Seit Monaten bereits hatten sie Befehl, fidh Tag und Nacht bereitzuhalten, um ohne Gnade jeden Flieger niederzufämpfen, der den Himmel Roms mit politischer Propaganda zit verletzen wage. Seit dem 3. Oktober, 9 Uhr abends, ist das Flugzeug de Bosis verschwunden. Falsche, oder in allen Teilen von den Beamten der faschistischen Propaganda hergerichtete Meldungen wollten an eine Landung de Bofis nahe der Küste Korfitas oder in Südflawien glauben machen.
Man versichert uns jetzt, daß diese Nachrichten sämtlich einen einzigen Zmed haben: Die Wirklichkeit zu verbergen vor der ganzen Welt, die sich so tief erschüttert zeigte durch die kühne Tot des jungen Dichters und durch den bewunderungswürdigen menschlichen Charakter, den das von ihm hinterlassene Testament
enthüllte. Die Wirklichkeit der
Seit fast vier Wochen ist de Bofis still. Hätte er sich auf die eine oder andere Art retten tönnen, dann hätten seine Freunde in Italien oder im Ausland irgend etwas erfahren. Sie maren so überzeugt von seinem Tode, daß sie mit der Beröffentlichung des Testamentes nicht zögerten, daß er ihnen übergeben hatte ,, zur Beröffentlichung nach seinem Tode".
Es ist sonderbar, daß auch nicht die geringste Spur im Mittelländischen Meere gefunden sein soll. Wäre de Bofis nahe der torsischen oder afrikanischen Küste untergegangen, dann mären bis heute Trümmer feines Flugzeuges gefunden worden. In Italien weiß man das alles, man weiß auch, daß die faschistische Regierung teinerlei Information über den Flug de Bosis von der franzöfifchen Regierung erbeten hat.
Das Schweigen der Tatsachen und das Schweigen der römischen Regierung haben in Berbindung miteinander in Italien zu folgender Erklärung geführt: De Bofis sei von einem oder zwei Militärflugzeugen getötet worden, die ihn verfolgt hatten. Die Maschinengewehrschüßen der Flugzeuge mußten befehlsgemäß schweigen. Trümmer des Flugzeuges mit deutlichen Maschinengewehr
aid steinschüssen
feien an der italienischen Küste gefunden aber auf höchsten Befehl heimlich nach Rom geschafft worden. Trotz des Wunsches Balbos, zu zeigen, daß seine Fliegerei" sich zu rächen, und den, der fie in einigen hundert Metern Höhe über dem Palazzo Chigi verhöhnte, zu strafen wußte, habe die Furcht, im In- und Ausland der ein Berbrechen beging, dás, fein Gefet bestraft, nännlich das der einen zweiten Fall Matteotti zu schaffen, dem Faschismus einen zweiten Fall Matteotti zu schaffen, dem Faschismus politischen Propaganda, entfett fogar den Faschismus. diefe Tattit des Schweigens ratfam erscheinen lassen.
Ermordung eines Fliegers ohne Waffen,
Ein Hungerschiedsspruch.
aid elo
Wo ist endlich die Grenze? Leipzig , 6. November. ( Eigenbericht.)
Für die weitsächsische Textilindustrie mit ihren
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,, Die Nationalversammlung besteht aus Abgeordneten, die aus freier Wahl des Volkes durch allgemeine, gleiche und direkte Abstimmung hervorgehen."
Artikel 54 der jugoslawischen Verfassung. Wahlausfall in Jugoslawien ? Aber die Wahlen zur Nationalversammlung oder Narodna Stupschtina finden doch erst am 8. November statt! Ganz gewiß, nur tut das nichts zur Sache, ihr Ausgang sieht schon heute fest. Und nichts sagt über Wattsystem und Wahlfreiheit in diesem Lande mehr aus, als daß man sich, ohne ein Prophet zu sein und ohne eine Widerlegung durch die Ereignisse befürchten zu müssen, über die Abstimmung des Volfes verbreiten kann, lange ehe der erste Wähler sich auf den Weg zum Wahllokal gemacht hat. Das Wahlergebnis? Hier ist's! Gewählt find alle Kandidaten der Regierung, sonst
niemand!
den Abbau der Diktatur ankündigte, die seit dem 6. Januar Als Anfang September ein Aufruf König Alexanders 1929 wie ein Sargdedel auf Jugoslawien lastete, war die Meinung nicht ganz ungerechtfertigt, daß unter dem Druck der Wirtschaftskrise und auf den Rat befreundeter europäischer Demokratien die Belgrader Machthaber wirklich einen Schritt in der Richtung des Konstitutionalismus getan hätten. Aber da die Einzelheiten der geplanten Neuordnung durchdrangen, wurde das Rüpelspiel offenbar, das hier mit einem im tiefsten Grunde echt demokratischen Bolke getrieben werden sollte. Ja, fast war das Neue schlimmer als das Alte. Denn eine unzweideutige, fauftehrliche, rohe Diktatur da weiß alle Welt, woran man ist. Aber das neue Regime zog lediglich über die brutalen Reiterstiefel des Kavalleriegenerals Schiwtowitsch bürgerliche Filzpariser, täuschte Verfaffungsmäßigkeit vor und blieb doch Willkür, sah wie Parla
merde. Die Beratung der Anfrage wurde vertagt, da man die mentarismus aus und war doch Dittatur. angefündigte Dentfchrift abwarten mill.
Der Stand der Sozialgesekgebung.
200 000 clend bezahlten Arbeitern und Arbeiterinnen Der fozialpolitische Ausschuß erwartet Regierungsbericht.
fällte der Schlichter für Mitteldeutschland nach zweitägiger Verhandlung einen Schiedsspruch, der einen weiteren Lohnabbau von 5 Proz. vorsicht. Alle bisher in der Textilindustrie gefällten Schiedssprüche hatten angesichts der Hungerlöhne, die jekt gezahlt werden, den alten Tarifzustand verlängert. Der Schlich ter Hauschild ist dagegen wohl der Ueberzeugung, dan Direktorengehälter in der Textilindustrie von 90 000 m. und mehr ganz in der Ordnung sind, aber Stundenlöhne der Textilarbeiter von weniger als 50 Pf. noch her untergesetzt werden müssen. Wo ist endlich die Grenze des Lohnabbaus?
Schlange: Schöningen Reichsminister.
Bugleich Reichsfommiffar für die Osthilfe. Der Reichspräsident hat den Reichsminister Treviranus und den preußischen Staatsminister Dr. h. c. Sirtfiefer ihrem Antrage entsprechend von den Aemtern als Reichskommissare für die Osthilfe entbunden. Auf Vorschlag des Herrn Reichstanzlers hat der Reichspräsident das Mitglied des Reichstages, Rittergutsbesitzer Schlange, zum Reichstommiffar für die Osthilfe und zugleich zum Reichsminister ohne Geschäftsbereich ernannt.
Preußen und die Osthilfe.
Im Hauptausschuß des Preußischen Landtages am Freitag fündigte bei der Beratung einer tommunistischen Großen Anfrage über zu hohe Zinsforderungen bei der Verteilung von Reichs- und Staatsgeldern zur Entschuldung der Landwirtschaft in Ostpreußen ein Bertreter des Landwirtschaftsministeriums eine umfang reiche Dentschrift an, die demnächst dem Landtag zugehen und über alle Fragen der Osthilfe Aufschluß geben
Der Sozialpolitische Ausschuß des Reichstags hielt am Freitag eine Eizung ab, in der Petitionen beraten murben Am Schluß der Sigung richtete Abg. Schwarzer( Bayr. Bp.) an den Vorsitzenden die Frage, ob er nicht beabsichtigte, in Bälde den Ausschuß einzuberufen zum Zwecke der Beratung über den gegen wärtigen Stand der Sozialgesetzgebung. Der Redner vermies auf die Gerüchte über beabsichtigte große Reformen in der Sozialversicherung, die in den beteiligten Kreisen Beunruhigung hervorgerufen hätten und hielt es für notwendig, daß der Ausschuß über diese Fragen unterrichtet werde. Er beantragte, daß der Vorsitzende des Ausschusses mit dem Reichsarbeitsminister in Berbindung treten foll, um ihn zu ersuchen, baldigst dem Sozial politischen Ausschuß einen Bericht über den Stand der Sozial Derfierung zu geben. Inter 2blehrung eines weitergehenden Antrages der Kommunisten, schon in der nächsten Woche wieder zufammenzutreten, nahm der Ausschuß den Antrag des Abg. Schwarder an und beschloß, feine nächste Sizung am 26. November abzuhalten mit der Tagesordnung: Entgegenahme eines Berichts der Reichsregierung über den Stand der Sozialversicherung.
Hoesch wieder bei Laval.
Noch feine deutschen Vorschläge.
Paris , 6. November.( Eigenbericht.) Der deutsche Botschafter von Hoesch hatte heute nachmittag eine neue Besprechung mit Laval und im Anschluß daran auf Veranlassung des Ministerpräsidenten eine längere Unterredung mit dem Finanzminister Flandin. Diese Besprechungen bildeten die Fortsetzung der am Dienstag begonnenen Verhandlungen über die Reparationsfrage. Irgendwelche tontrete Vorschläge der Reichsregierung hatte der Botschafter auch heute noch nicht ber franzöfifchen Regierung übermittelt.
Zwei Bestimmungen der Wahlordnung vor allem vernichteten auch die bescheidensten Hoffnungen, die etwa Freunde der Demokratie an die Wandlung in Belgrad ge= fnüpft hatten. Einmal die Einschränkung, daß den Wählern
nur Staatslisten, Listen für den ganzen Staat, unterbreitet werden, für die die aufstellende Partei in jedem einzel= nen Kreis zweihundertsechzig Unterschriften aufzubringen hat. Da die Slowenische Bolfspartei, die das Katholische, die Kroatische Bauernpartei, die das Kroatische, die Bosnische Moslempartei, die das Mohammedanische in ihrem Bro gramm und in ihrer Zusammensetzung betonte, die eine in rein orthodoxen, die zweite in rein serbischen, die dritte in rein christlichen Bezirken zur Beibringung dieser Unterschriften außer stande ist, vermag keine dieser Gruppen zu fandidieren. Das gleiche gilt für andere nicht regional oder fonfeffionell begrenzte Parteien wie die Sozialdemo= fratie, für die in den entlegenen Teilen Mazedoniens niemand aus Angst vor dem Gendarmen seine Unterschrift herzugeben wagte. In der Tat war innerhalb der dafür vorgesehenen Frist nur eine, die offizielle Lifte, die der Regierung eingereicht und genehmigt worden, an deren Spize Pera Schimtowitsch selber steht. Glorreiche Beiten, in denen den„ Volkswillen" ein Diktator ,, vertritt"!
Die zweite Bestimmung, die den 8. November zum Tag einer schalen und frechen Posse herabwürdigt, ist die öffentliche Wahl. War schon vor der Diftetur bei der geheimen Abstimmung Wahlfreiheit hier und da ein sehr tautschufartiger Begriff, so macht die Deffentlichkeit des Botums die Wahl namentlich auf dem flachen Lande völlig von der Laune des Gendarmen abhängig. Hat Jugoslawien noch nie Balkanwahlen gekannt, diesmal. gibt es Balkanwahlen. Aber nicht nur, daß die Deffentlichkeit eingefchüchterte Wähler abhält, für die Opposition zu stimmen, sie zwingt auch alle Wähler, die gegen einen Druck von oben empfindlich sind, die von den Behörden gezwiebelt werden fönnen, ins Wahllokal, ob sie wollen oder nicht. Da primitiv vervielfältigte Flugblätter heimlich von Hand zu Hand gehen, in denen die früheren Oppositionsparteien, namentlich die Bäuerlich- Demokratische Koalition Pribit
Revolutionsfeier Montag, 9. November, 20 Uhr,
Sportpalast, Potsdamer Str.72