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BERLIN Montag 9. November 1931

Der Abend

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Nr. 526

B 263 48. Jahrgang

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Verkehr weiter eingeschränkt!

Acht Straßenbahnlinien sollen verschwinden/ Durchführung ab 1. Dezember

Tagenchauffeur ermordet

Auf der Bucher Straße bei Buchholz Eine Spur der Täter

Heute mittag hat der Aufsichtsrat der Berliner Verkehrsgesellschaft nach stundenlangen Beratungen, die nach Ansicht der BVG. durch den Verkehrsrückgang not. wendig gewordenen Einschränkungsmaßnahmen beschlossen. Die Beschlüsse stellen ein Kompromis dar zwischen dem Direktionsvorschlag und dem Einschrän fungsprogramm des Verkehrsausschusses. Am schwersten wird die Straßenbahn von den Maßnahmen be- wieder einmal ein Tagenchauffeur das Opfer eines In den frühen Morgenstunden des Sonntags ist troffen. Hier sind einige wichtige Berufsverkehrslinien schweren Verbrechens geworden. Auf der Bucher eingezogen worden. Es erscheint zweifelhaft, ob es, wie Straße, kurz hinter Buchholz, wurde die Citroen von der BVG.- Direktion versichert wird, möglich sein tare IA 31 102 verlassen aufgefunden. Zehn Meter da wird, durch Umleitung von Linien und durch Schaffung von entfernt lag tot der Chauffeur des Wagens. eines stärkeren Einseterverkehrs besondere Härten zu Der Ermordete ist der am 16. April 1907 geborene vermeiden. Die Einschränkungen bedürfen noch der Kurt Pohl, der bei seiner Mutter in der Eintracht Genehmigung des Polizeipräsidenten. Mit ihrer Durchstraße 5 in Pankow wohnte. Von den Mördern hat man führung ab 1. Dezember muß die Oeffentlichkeit jedoch noch keine Spur. Auf ihre Ergreifung ist eine Be fchon heute rechnen. Iohnung bon 1000 Mart ausgesetzt worden.

Acht Straßenbahnlinien sollen verschwinden.

Folgende Straßenbahnlinien sollen eingezogen werden: Linie 29, 48, 55, 66, 89, 115, 168, 184. Abgelehnt wurde die Einziehung der Linie 17, 45 und 199. An den Sonntagen werden die Linien 16 und 92 eingezogen. Veränderungen bzw. Kürzung der Linienführung für die Straßenbahn find vor­gesehen auf der Linie 8, 12, 41, 141, 43, 96 und 92.

Beim Omnibus werden eingezogen die Linien A 4 und A 28. Abgelehnt wurde die Einziehung der Linien A 1, A 22, A 24 und A 30. Beränderungen bzw. Kürzung der Linien­führungen beim Omnibus find vorgesehen auf der Linie A 2, A 16 und A 31, 3m Untergrundbahnvertehr werden feine Veränderungen vorgenommen.

Reichsbannermann niedergeschoffen. Bon Hafenfrenzlern nachts überfallen/ Die Zäter geflüchtet In der Nacht zum Sonntag wurde auf den 27jährigen Reichs­bannermann Karl Unger aus der Klopstockstraße ein hinterhältiger Ueberfall verübt. Unger befand sich gegen 1.45 Uhr auf dem Heim­weg. Als U. am Bundesratsufer entlang ging, fielen mehrere Nationalsozialisten über ihn her. Einer der Burschen zog eine Pistole und schoß den Reichsbannerkameraden nieder. Mit einem Oberschenkelschuß wurde der Ueberfallene ins Krankenhaus gebracht. 2lls die alarmierte Polizei am Tatort eintraf, hatten die Rowdys bereits das Weite gesucht. Die Nachforschungen der Beamten blieben bisher leider ergebnislos.

Sechs Frauen überfahren.

Schweres Unglück an einer Haltestelle in Mariendorf .

In Mariendorf ereignete sich an der Ede Attila- und Schöneberger Straße in den späten Nachmittagsstunden des gestrigen Sonntags in schweres Verkehrsunglüd. Eine Autodroschke geriet auf den Bürgersteig und fuhr in eine Menschengruppe hinein. Sechs Frauen wurden überfahren und mußten ins Krankenhaus gebracht werden.

Der Unfall ist nach den bisherigen Ermittlungen auf die Un­achtsamkeit einer Passantin zurückzuführen. Die Betreffende lief direkt in die Autodroschke hinein. Um ein Unglück zu verhüten, riß der Chauffeur das Lenkrad scharf nach links herum. Dabei geriet der Wagen auf n Bürgersteig und überfuhr sechs Frauen, die an der Haltestelle auf die Straßenbahn warteten. Die Verletzten wurden durch die Feuerwehr und den Chauffeur des Unglücksautos nach dem Lankwizer und Josephsfrankenhaus gebracht.

Zwei Tote auf den Schienen.

An der Nuthebrüde zwischen Rehbrüde und Drewiß wurde heute früh auf dem Ferngleis die völlig zerstückelte Leiche eines Mannes gefunden. Von der Polizei wurde der Tote als der Maler Karl Bachler aus der Husarenstraße in Nowawes festgestellt. Ob ein Unglücksfall oder Selbstmord vorliegt, fonnte noch nicht

ermittelt werden.

In der Nähe des Bahnhofs Trebbin wurde heute im Mor­gengrauen von einem Streckenwärter die Leiche eines bisher un­bekannten Mannes entdeckt. Dem Toten war der Kopf vom Rumpf getrennt. Nach dem Befund handelt es sich zweifellos um Selbst

mord.

Am Tatort.

Die Straße, auf der das Verbrechen verübt worden ist, führt über den Ort Hobrechtsfelde nach Buch. Sie ist mit Kopfsteinen gepflastert und wird hauptsächlich zum Abfahren der Feldfrüchte, die auf den Rieselfeldern, die sich links und rechts von der Straße dehnen, benutzt. Der Wagen stand auf der rechten Seite, etwa 300 Meter von dem Vorwert Sperlingsluft, auf der Chauffee. Die linke Tür war geöffnet. Die Stadt, Schluß- und Taruhrlampen brannten. In dem Wagen selbst waren feine auffallenden Be­schädigungen zu entdecken. Der unglückliche Chauffeur Pohl lag etwa zehn Meter von dem Graben entfernt auf der steilen Böschung des Abzugsgrabens, der an der linken Seite der Straße entlang läuft. Das Gesicht des Ermordeten lag im Wasser, die Füße zeigten nach oben. Der Gerichtsarzt stellte folgendes fest. Die erste Rugel mar an der linken Nasenwurzel eingedrungen und am rechten Hinterkopf in der Nähe des Ohres wieder ausgetreten. Da das Geschoß das Gehirn nicht berührt hatte, wirkte es nicht sofort tödlich. Der zweite Schuß hatte den jungen Mann in die rechte Brustseite getroffen und war dort stecken geblieben. Die Kugel hatte den dicken Belz und die Kleidung durchschlagen. Eine Batronenhülse wurde im Wagen unter dem Sitz des Chauffeurs, die zweite auf dem Sommerweg, etwa zwei Meter vom Wagen

Josef Lübbring

Der Polizeipräsident von Dortmund , Genosse Lüb bring, ist am Sonntagvormittag um 8 Uhr an den Folgen einer Lungen­entzündung gestorben. Lübbring war Mitglied der Nationalver­fammlung und der später gewählten Reichstage. Nur dem letzten Reichstag gehörte er nicht an.

Lübbring wurde am 26. Juli 1876 in Ahrhaus in Westfalen geboren. Nach seiner Schulentlassung erlernte er das Maurerhand­wert, später wurde er Geschäftsführer des Maurerverbandes in Effen und Wiesbaden . Im Jahre 1911 siedelte er als Bezirksleiter des Bauarbeiterverbandes nach Königsberg ( Br.) über. Bon 1914 bis 1924 war er dort Stadtverordneter. Nach der Revolution tan­didierte er zunächst zur Nationalversammlung und später zum Reichstag. Im September 1919 wurde er zum Bolizeipräsidenten von Königsberg ernannt. Von hier wurde er 1924 in der gleichen Eigenschaft nach Dortmund versetzt.

entfernt, gefunden. Aus diesen Umständen ist der Hergang der Tat zu konstruieren.

Die Mörder haben Pohl mit seinem Wagen auf der Straße halten lassen. Sie stiegen dann aus und Pohl beugte sich von feinem Sige links hinüber, um das Geld in Empfang zu nehmen. In dieser Stellung muß dem Ahnungslosen die erste Kugel getroffen haben.

Das Geschoß, das den Kopf durchschlug, ist rechts in den Türrahmen eingedrungen. Ob sich Pohl mun selbst aus dem Wagen begeben

Kampf um den Lohn.

Heute nachmittag schwere Entscheidungen.

dem Schlichtungsausschuß über die vom BBM3. geforderte Lohn­Um 2 Uhr heute nachmittag beginnen die Verhandlungen vor fürzung in der Berliner Metallindustrie.

Nachverhandlungen über den von beiden Seifen abgelehnten Zu derfelben Zeit beginnen im Reichsarbeitsministerium die Schiedsspruch, der die Löhne der Gemeindearbeiter im ganzen Reiche um Pro3. gekürzt wiffen will.

hat oder ob ihm die Mörder herausgerissen haben, läßt sich nicht fagen. Wenige Schritte vom Wagen ist er jedenfalls zusammen­gebrochen. Dafür zeugt die große Blutlache. Außerhalb des Wagens hat er dann den zweiten tödlichen Bruſt=

schuß erhalten. Die Mörder padten ihn dann an den rechten Arm und schleiften ihn zu dem Graben. Sie gingen mit so roher

Gewalt vor, daß der Arm ausgefugelt ist. An den Hülsen ist zu er­kennen, daß die Mörder eine 7,65- Pistole zur Tat benugt hatten. iDese führten einen Weg, der nach dem Bahnhof Karow Am Tatort wurden Suchhunde von der Mordkommission angesetzt. führt. Es ist somit nicht ausgeschlossen, daß die Mörder nach der Tat diesen Weg eingeschlagen haben.

Von Sachverständigen, die sofort herbeigeholt wurden, ist die Taruhr des Wagens sofort einer eingehenden Durchsicht unter­zogen worden. Die Fahne war auf Kaffe eingestellt. Der Preis­anzeiger meldete die Summe von 3,15 m., das würde ungefähr einer Fahrt von 6 Kilometern mit zwei Personen entsprechen. Pohl war im ganzen etwa 28 Kilometer gefahren, da­von kommen 11 Kilometer auf Lehrfahrten und 17 Kilometer mit Gästen. Abzüglich der Summe, die die Uhr noch zeigte, mußte er etwa 4,95 m. eingenommen haben. Bei einer Durchsuchung feiner Kleider fand man in der Jackettasche die Geldbörse, die etma 20 m. enthielt. Zweifellos hatte er Silbergeld von zu Hause zum Wechseln mitgenommen.

Der 24 Jahre alte Kurt Poh I lebte zusammen mit seiner Mutter in der Eintrachtstraße 5 in Pankom. Er hat noch einen Bruder, der ebenfalls Maschinenschlosser und Chauffeur ist, und eine verheiratete Schwester. Pohl hatte erst seit Mittwoch vergangener Woche feste Anstellung bei dem Fuhrunternehmer Scherwin in der Lantmizer Str. 16 erhalten. Vorher fuhr er als Aushilfschauffeur. Am Sonnabend hatte er gegen 16 Uhr den fast neuen Citroen­wagen von dem Tageschauffeur übernommen. Dieser übergab ihm eine Raffe von 8 M.

Die nächtliche Todesfahrt.

Von der Mordkommission sind bereits eine ganze Anzahl Zeugen pernommen worden. Der Standplatz Pohls war an der Bantower Kirche. Als er gestern abend dort vorbei fuhr, sah er viele Kollegen warten, darum entschloß er sich nach dem Friedensplaz in Niederschönhausen zu fahren. Als er dort hinkam, warteten nur zwei Droschten. Er stellte sich als dritter an. Gegen 23% Uhr war er erster geworden und bekam etwa zehn Minuten später eine Fahrt. Ob diese seine Todesfahrt war, läßt sich noch nicht mit Sicherheit sagen. Die Rieselwärter glauben gegen 2 Uhr Schüsse gehört zu haben. Im Gegensatz dazu, be= hauptet ein junger Mann, der mit seinem Fahrrade die Karomer Chaussee wenige Minuten nach) 24 Uhr passierte, er hätte den Wagen mit laufendem Motor an der Fundstelle stehen sehen. Einen Chauffeur hatte er nicht beobachtet. Zwei junge Frauen und zwei