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Elfe Möbus:

Der Weg über die Grenze

Grau und farblos hingen die Schatten des einbrechenden Abends vor dem Fenster. Eine dünne Rauchfahne schwang sich aus dem Kamin und legte sich schläfrig über das alte, moos= bewachsene Dach. Die breiten, dunklen Aleste der Eiche, dia das niedere, fleine Fenster halb verdeckte, ließen feine Helligkeit mehr durch. Nur seitwärts frochen noch Lichtstrahlen in den Raum. Sie glitten über den blau- und rotbemalten Schrank und blieben auf dem blankgescheuerten Tisch liegen,

Die Hände der alten Frau fuhren unruhig über das rot­gewürfelte Federbett. Ich find' feine Ruh' im Grab", sagte fie haftig. Dünn und klanglos schwang die Stimme durch das ärmliche

Zimmer.

Die Blicke des Sohnes, der am Tisch saß, blieben an den ab­gezehrten, verarbeiteten Händen hängen, die sich ineinander ge­frampft hatten. Ich kann dir mein Wort nicht geben", sagte er. gepreßt, denn ich weiß nicht, ob ich's halten kann. Siehst ja selbst, wie's hier geht."

Die alte Frau antwortete nicht. Nur ihre Hände verrieten, wie es in ihr aussah.

Ist ja auch mein Wunsch immer gewesen, daß du neben dem Vater liegen sollst. Aber sag selbst, wo soll ich's Geld hernehmen, um dich auszukaufen von der Gemeinde? Wer hier stirbt, der be­fomit seinen Platz hier auf dem Friedhof. Aber geh, mußt net an den Tod denken, Mutterl, haft noch Zeit genug!" Er beugte sich über sie.

Aber die Frau hatte sich der Wand zugedreht. Sie antwortete nicht. Der Sohn stand noch einige Augenblicke und horchte auf die unruhigen, stoßweisen Atemzüge. Dann ging er mit gesenktem Stopf hinaus.

Die Frau im Bett marf sich stöhnend hin und her. In dem müden, des Dentens ungewohnten Kopf jagten die Gedanken im

Kreis.

,, Ich find' feine Ruh'....", sagte sie mit trockenen Lippen vor sich hin. Dann richtete sie sich halb auf und versuchte, den letzten schwachen Lichtstrahlen zu folgen. Dort drüben, über dem Berg, Lag der Friedhof ihres Heimatortes, auf dem sie alle begraben lagen, mit denen sie einmal vereint sein wollte. Der Mann, der Bruder und die beiden Töchter. Aechzend legte sie sich in die Kissen zurüid. Leise öffnete sich die Tür. Ein blasses, dünngliedriges, fleines Mädchen tam herein und ging mit scheuem Lächeln auf das Bett Der Großmutter zu. Sollst dir feine Sorg' mehr machen, läßt dir der Vaterl sagen, und gleich morgen früh geht er zum Amtsvor­steher. Un sollst nimmer ans Sterben denken."

Die Alte schien die Worte nicht zu hören. Aber plötzlich öffnete sie die Augen und sah das Kind an. Ich denk net ans Sterben, Annerl", sagte fie fast heiter. Ich dent an was anderes. Und jetzt geh schön zum Schlafen."

Die Nacht war folt und regnerisch. Die Wetterfahne drehte sich freischend nach Nordwesten und überließ sich dann dem Sturm, Der immer stärker auffam. Er fegte über das breite Stoppelfeld und schlug die morsche Fensterlade dröhnend an die schlecht über­pinselte Kalfwand. Dann packte er die Haustür und versuchte, sie der traftlojen, gebüdten Gestalt, die sie geöffnet hatte, zu entreißen. Kurz und scharf schlug der Hund an, aber dann troch er schweiss wedelnd herbei.

Die alte Frau fraute ihm mit zitternder Hand das Fell. Bravs Hunder!!" Dann schlich sie gebückt über den Hof.

Die Landstraße war aufgeweicht. In dicken Klumpen heftete fich der Lehm an die Sohlen. Die Alte teuchte. Auf ihrer Stirn standen dice Schweißperlen.

Dr. Paul Grabein  :

Hinter der Sägemühle öffnete sich ein breiter Fahrweg, der sich im Dunkel des Waldes verior. In den Wipfeln und Aesten pfiff und sauste es. Klatschend schlug ein Tannenzapfen in die Wasser­lache mitten im Weg. Die alte Frau bebte am ganzen Körper. Der Schweiß rann ihr in Strömen über das Gesicht. Das waren die Waldmänner, die in den Sturmnächten hier ihr Wesen trieben. Auf schäumenden Pferden rasten sie über den Wald und peitschten mit den Roßschweifen die tief geducten Baumwipfel. Krampfhaft umflammerte sie den Krückstock und haftete bergaufwärts.

An der Kreuzung der drei Tannen blieb sie endlich stehen und knüpfte sich das Kopftuch fest, das ihr der Sturm herabgerissen hatte. Dann lehnte sie sich an den harzbedeckten Stamm. Eine

tödliche Schwäche kroch in den Beinen herauf und eine schwere, dunkle Hand rührte an ihr Herz.

" Nein, nein...." Mit übermenschlicher Kraft zwang sie die Füße zu ihrem Dienst und feuchte vorwärts.

Farnkräuter und Pilze strömten ihren Duft aus. Ein weicher Hauch von Wärme und Wasser lag in der Luft. Da unten mußte schon der See liegen. Die alte Frau atmete tief auf. Bald war die Grenze erreicht.

Bon den Zweigen tropfte Nässe herab und durchdrang die Kleider bis auf die Haut. Der Waldboden wurde locker und sumpfig, er schwankte und gurgelte unter dem Fuß.

Schwer und pfeifend ging der Atem durch die Lungen. Aber die Alte hastete vorwärts wie im Fieber. Wieder faßte die schwere

Hand nach ihrem Herzen, aber diesmal mar fie falt wie Eis. Nach einmal rajfte sie sich zusammen. Taumelnd ging sie ein paar Schritte vorwärts. Dann brach sie am Fuß einer alten, ausgehöhl ten Weide zusammen.

Als sie wieder zu sich fam, war es Morgen. Der Sturm hatte sich gelegt und es hatte aufgehört, zu regnen. Aus dem feuchten Boden stiegen dünne Rebel. Am Himmel standen groß und glänzend die Sterne..

Mit einem Schlage fam ihr das Bewußtsein. Eine Welle des Entsetzens flutete über ihr Gesicht. Dann umflammerte sie den Weidenstamm und versuchte, die eiskalten, steifen Glieder auf den Boden zu stellen. Mit fieberglühenden Augen taumelte und froch sie vorwärts, Schritt um Schritt. Wenige Meter vor ihr mußten schon die Felder beginnen. Es fonnte nicht mehr weit sein. Ein schmaler Wiesenpfad führte hindurch.

Schneller, immer schneller begann die Frau zu laufen. Es wurde ihr plötzlich ganz leicht und frei. Wie rasch die Landschaft vorüberglitt! Unmittelbar vor ihr waren schon die ersten Häuser zu sehen, und dort dort ragten wohlnertraute Kreuze auf, alt, windschief, verwaschen von Regen und Sturm.

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Aber da merkte sie endlich, daß sie gar nicht mehr ging, sondern als sie ihren Kopf zurücklegte, fand sie halt an einer breiten Brust. daß jemand sie trug. Ein fester Arm umschlang ihren Körper, und Ist schön, daß du mir entgegengekommen bist, Mann", sagte sie, es mar zu meit für mich.....

Als die Sonne aufgegangen war, tam ein kleiner Trupp singen der, junger Menschen den Wiesenplan entlang. Aber sie blieben bestürzt stehen, als sie mitten auf dem Weg, wenige Schritte über der Grenze, die leblose Gestalt einer alten Frau liegen sahen. Un­schlüssig und flüsternd umftanden sie den bewegungslosen Körper.

,, Sie muß einen schönen Tod gehabt haben", sagte der eine. Sie sieht so glücklich aus. Wir wollen sie hinauftragen ins Dorf." Die alte Frau aber lächelte so geheimnisvoll in sich hinein, wie ein Mensch, der für sein armes, bedeutungsloses Leben einen Sinn und ein Ziel gefunden hat.

Der Alle vom Berge und die Assassinen  

aber sie ist durch die moderne Geschichtsforschung durchaus beglaubigt worden und somit als zuverlässige Quelle anzusehen.

Die mohammedanische Mördersekte der Assassinen   und ihr Ober-| den meisten Zeitgenossen höchst wunderbar und faum glaubhaft vor; haupt, der gefürchtete Alte vom Berge", die zur Zeit der Kreuz­züge auch dem Abendlande durch ihre Bluttaten befannt wurden, haben es zu einer Weltberühmtheit, oder besser gesagt, Berüchtigung gebracht, die selbst im Laufe von neun Jahrhunderten nicht verblaßt ist und ihren Namen noch heutzutage mit einem unheimlichen Zauber umsponnen hält. Sie haben die Phantasie nicht nur des Morgenlandes lebhaft erregt, was die Niederschläge in dem Märchen von Tausendundeine Nacht  " bezeugen, sondern ebenso die der europäischen Bölker und auch hier Eingang in die Literatur ge­funden. Sie sind Gegenstand zahlreicher Romane geworden, so 3. B. auch in Gustav Freytags Ahnen" in dem Bande Die

Brüder vom deutschen Hause".

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Es soll hier in die Geheinmisse dieses länderumspannenden politischen Mörderbundes hineingeleuchtet werden, und zwar auf Grund des sachkundigen Berichtes eines zuverlässigen zeitgenössischen Zeugen, des bekannten venezianischen Weltreisenden des 12. Jahr hunderts Marco Polo  , der Jahrzehnte hindurch am Hofe des großen Mongolentaisers Kublai- Khan   lebte und in seiner berühmt gewordenen Reiseschilderung auch den Assassinen   ein Kapitel widmete.

werden

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Der Name Assassinen   kommt von dem arabischen Wort Haschaschin", das sich im Munde der europäischen Kreuzfahrer in Assassin wandelte; er bedeutet ,, Sanfesser" und enthält somit eine Anspielung auf den narkotischen Rausch, der wie wir sehen eine verhängnisvolle Rolle bei dem dunklen Treiben dieser großen Mördergenossenschaft spielte. Sie wurde im Jahre 1081 ven einem Scheich Hassan ibn Sabbah   aus der Gegend von Teheran  gestiftet, der eine Anzahl von Jünglingen um sich sammelte, die fich Fidami", d. h. ,, die sich Opfernden", nannten und gefügige Werkzeuge in der Hand ihres dämonischen Meisters wurden. Der Kreis dieser Jünger wuchs mächtig an; er betrug zur Zeit seiner größten Macht schäzungsweise an 60 000 Personen, und die Gefte breitete sich von Persien   bis nach Syrien   und ins Gelobte Land aus. Ihr Oberhaupt nannte sich Scheich ul Dschibel", d. h. der ,, Alite vom Berge", nach der uneinnehmbaren, schloßähnlichen Berg­feftung Alamut in Persien  , die der Borort dieses Mörderbundes mar. Die Assassinen   bekämpften die islamischen Gesetze und Herrscher. Daher suchten sie zunächst Beziehungen zu den christlichen Kreuz­fahrern, deren Kampffront ja die gleiche war. Aber bald ergaben fich Konflikte, und nun wurden sie die grimmigen und heimtüdischen Feinde der Kreuzfahrer. Unter ihren Dolchen fielen viele von ihren Anführern, unter anderem auch zwei mit geschichtlich be­rühmten Namen, Raimund I., Graf von Tripolis, und Konrad, Martgraf von Montferras und von Tyrus  .

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Die Kreuzfahrer hatten bereits in Palästina und Syrien   von einem ,, Alten vom Berge" gehört, aber dieser war nur der Führer eines Zweiges der großen Sette, der auf einer Bergveste im Libanon hauste. Man wußte nicht, daß das eigentliche Oberhaupt des Meuchlerordens weitab in Persien  , eben in Alamut, jaß. Hier von sowie von der Organisation des Geheimbundes erhielt das Abendland erft durch den Bericht Marco Polos   Kenntnis, der 1195 erschien und bald größtes Auffchen erregte.. Seine Schilderung tam

Nach der Darstellung Marco Polos   hat der Scheich Allo- Eddin in einem hochgelegenen Gebirgstal einen herrlichen großen Garten anlegen lassen, in dem die föstlichsten Früchte und die duftigsten Blumen, die man sich nur denken kann, wuchsen. Paläste von mannigfacher Größe und Form waren in mehreren Terrassen übereinander in diesem Bart aufgebaut, geschmückt mit reichsten Zieraten von Gold, mit Gemälden und reichen Seidenstoffen. Man sah in diesen Gebäuden viele Springbrunnen mit flarem Quell­wasser, aber auch solche, aus denen Wein, Milch und Honig floß. In den Palästen waren die schönsten Mädchen und Frauen, die des Gesanges kundig waren, auf allerlei Musikinstrumenten spielen tonnten, bezaubernd tanzten und sich auf alle Künste der Liebe

verstanden. Angetan mit reichen Kleidern, führten sie ausschließlich ein Leben der Freude, und die Gärten und Pavillons ertönten ständig von ihrem hellen Lachen und lustiger Musik. Ihre Auf­seherinnen und Dienerinnen aber wurden innerhalb der Gebäude eingeschlossen gehalten und durften sich nicht sehen lassen. Der Grund, weshalb der Fürst einen solchen zauberischen Garten hatte herstellen lassen, war nach Marco Polo   der folgende: Mohammed  hat denen, die seinen Geboten folgen, die Freuden des Paradieses versprochen, wo jede Art sinnlichen Genusses in Gesellschaft schöner Frauen geboten ist. Nun wollte der Fürst seine Anhänger glauben machen, daß auch er ein Prophet sei, dem Mohammed   ähnlich, und daß er gleichfalls die Gewalt habe, diejenigen in das Paradies zu bringen, die er in seine Gunst aufnahm. Damit aber niemand ohne seinen Willen den Weg in dies herrliche Bergtal finden konnte, ließ er an dessen Eingang ein festes, uneinnehmbares Schloß errichten, durch das man nur auf einem geheimen Wege in den geschilderten Part mit all seinen Freuden gelangen konnte.

An seinem Hofe hielt der Fürst eine Anzahl junger Leute von 12 bis 20 Jahren, die er aus den Einwohnern der benachbarten Gebirge auswählte. Sie mußten besonders friegstüchtig, verwegen und entschlossen sein. Diesen Jünglingen erzählte er täglich in über­zeugender Weise von dem vom Propheten verhießenen Paradiese und von seiner Macht, sie in dieses einzuführen. Zu dieser Suggestion mit Worten traten aber noch andere, wirksamere Mittel. Zu ge­missen Zeiten ließ er nämlich zehn oder zwölf Jünglinge Tränte von einschläfernder Wirkung geben. Berwandt wurde zu diesem Zwecke offenbar das aus der Hanfpflanze hergestellte Haschisch oder ein damit gemischter Trant, wie er als Bang" noch heute im Orient genossen wird und vielfach zu Bluttaten führt, zu dem sogenannten Amoflaufen. Sobald die jungen Leute in einen todesähnlichen Schlaf versunken waren, ließ der Scheich jeden einzeln in einen der Pavillone des Gartens bringen. Wenn sie hier aus ihrer Betäubung erwachten, wurden ihre Sinne berauscht von all den Herrlichkeiten des Paradieses, die ihnen vorher so oft mit glühenden Farben ge­schildert waren und die sie nun leibhaftig vor sich zu sehen wähnten. Da waren reizende Mädchen und Frauen, die sangen, spielten und fie durch ihre Lieblofungen berückten. Auch bedienten sie ihre Gäfte

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mit den föstlichsten Speisen und Herrlichen Betmen, bis fte, trunten vor Bonne, zwischen Springbrunnen von Milch, Honig und Bein, fich wirklich im Paradiese glaubten und sich von dessen Freuden gar nicht mehr trennen wollten.

Vier oder fünf Tage lang ließ man die jungen Menschen dieses Leben genießen, dann wurden sie, auf die gleiche Weise wie vor­her, wieder in Schlaf versezt, aus dem Garten gebracht und nach ihrem Erwachen vor den Fürsten   geführt. Auf seine Frage, wo sie gewesen seien, antworteten sie mit tiefster leberzeugung: Im Paradiese, durch die Gnade Eurer Hoheit!" Und dann erzählten sie vor dem ganzen fürstlichen Hofe, der ihnen mit Staunen und Neugier zuhörte, von dem Außerordentlichen, das sie gesehen und erlebt hatten. Der Fürst wandte sich dann an sie und sagte: Wir haben die Versicherung von unserem Propheten, daß der, der seinen Herrn verteidigt, in das Paradies kommen wird, und wenn Ihr treu meinen Geboten nachkommt und gehorsam meinen Befehlen seid, so wartet Eurer dies glückliche Los!"

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Hingerissen von dieser Zusicherung, schätzten sie sich alle giüd­lich, die Befehle ihres Herrn zu empfangen, und eiferten danach, in seinem Dienst zu sterben, um bald der verheißenen Wonnen - führt Marco Polo für immer teilhaftig zu werden. So geschah es weiter aus daß, wenn irgendeiner der benachbarten Fürsten, oder wer sonst, ihres Oberhaupts Mißfallen erregt hatte, dieser ihn durch die von ihm erzogenen Meuchelmörder töten ließ. Keiner schraf zurüd, sein eigenes Leben daran zu sehen, das er gering schäzte, wenn er nur die Befehle seines Herrn ausführen fonnte. Auf diese Weise wurde die Tyrannei des ,, Alten vom Berge" furcht­bar in allen umliegenden Ländern.

Das Treiben der Assassinen  , deren Sette fast zwei Jahrhunderte lang bestand, wurde dem ganzen Orient verhängnisvoll. Das Reich der Seldschufen wurde durch ihre unablässigen Fehden und Morde schwer erschüttert und seinem Berfall nahegebracht. In Persien  , das damals noch zum Machtbezirk des Mongolenreichs gehörte. machte im Auftrage des Großkhans dessen Bruder Hulaga 1256 der furchtbaren Mördersefte ein Ende, indem er ihren Hauptsitz. eben das Bergschloß Alamut, nach dreijähriger tapferer Verteidi­gung aushungerte und zerstörte. Der Alte vom Berge" und alle seine Anhänger wurden getötet. Noch heute sind die lleberreste

dieses Assassinenschlosses erhalten, wenn sie freilich auch nichts mehr ahnen lassen von der einstmaligen Zauberpracht seiner Anlagen und geheimnisvollen Einrichtungen. Dr. R. H. France:

Lichtmangel der Stubenpflanzen eines eigenen Gärtchens versagen muß, darauf verzichten, sich nicht Wer möchte mohl, wenn er sich als Großstädter die Freuden wenigstens am Fensterbrett oder Balkon eine kleine grüne Daje in

die Staubwüste seines Wohngehäuses zu schaffen, und seien es nur ein paar Pelargonien, ein Stachelfattus, eine Azalee, ein Topf voll Wie es Hausfreunde unter den auf die Hochebene Tibets und Perus   und in die eisige Polarnacht Zierspargel oder ein Efeuſtod! Tieren gibt, gleich den Hunden, die dem Menschen überallhin folgen, Grönlands  , wo sie kaum die ihrer Art zusagenden Lebensbedin= feine dunklen Wohnhöhlen", die gewiß nicht geeignet sind, einem gungen finden, so begleiten auch einige Pflanzen den Menschen in nur durch das Licht lebenden Geschöpf als dauernder Aufenthalts­ort zu dienen. Einzelne Gewächse, so namentlich der Lorbeer und die mit unserem heimischen Maiglödchen noch verwandte Schild­blume, welche aber die wenigsten der Blumenfreunde unter diesem in ihrem Lichtbedarf so anspruchslos, daß man sie auch in eine Namen kennen, da sie die Gärtner als Aspidistra verkaufen, sind völlig dunkle Zimmerede stellen fann, ohne daß sie eingehen. Der Lorbeer erträgt fogar monatelang völlige Dunteiheit ohne wei teren Schaden.

Neben diesen hartlaubigen" Gewächsen gibt es aber auch andere, die sich feineswegs in unfere Stube bequemer wollen. Schon die Kapuzinertreffe( Tropaeolum) verfümmert, wenn sie nicht unmittelbar am Fensterbrett steht; ihre von Natur aus langen und dünnen Blattstiele strecken sich durch Wachstum unwahrschein­lich lang und halten die merkwürdigerweise in der Mitte an ihr angewachsene Blattscheibe mit einer wahrhaft sehnsüchtig anmuten­den Gebärde gegen das lichtspendende Fenster hinaus. Sie beweisen damit, daß die Pflanze den Lichteinfall wahrnimmt und in ihrem Wachstum ein Mittel besitzt, um ihre Lebenslage durch Bewegung, durch Ortsveränderung zu verbessern. Dem Gärtner war das von icher bekannt; er nannte eine solche, durch das Streben" nach besserer Beleuchtung zu übermäßigem Wachstum angeregte, ge­wöhnlich auch durch mangelnde Blattgrünbildung blasse und ihrer natürlichen Form entkleidete Pflanze vergeilt und wußte sehr gut, warum er eine erfolgreiche Zimmerblumengärtnerei eigentlic) nur in Glashäusern mit Oberlicht unternehmen wollte. Die meisten der von Blumenfreunden gepflegten Zimmerpflanzen sind mehr durch ihre einseitige, von der Fensternähe bestimmte Gestalt. Sehr oder minder vergeilt und verraten ihren Lichthunger zumindest

viele und gerade die schönsten Gartenblumen eignen sich daher aus ihrem großen Lichtbedürfnis gar nicht für die Stubenpflege, und so zeigt uns schon die erste Betrachtung unseres Blumenfensters das

große pflanzengeographische Gesetz: Das Licht regelt die Verbreitung der Pflanzen.

Es ist freilich nicht der Lichtmangel allein, der eine Menge von Pflanzen untauglich zu unseren Stubengenossen macht. An fich ist er wohl der wichtigste Faktor, denn wenn der Wiener Botaniker Fenster in einer Stadtgasse entfernt nur ein Sechzigstel der Licht­J. Wiesner herausgefunden hat, daß Meter von einem Beleuchtungsverhältnisse, die in der Natur fast niemals an vege­menge herrscht wie auf einer Wiese im freien Felde, so verrät das tationsreichen Orten vorkommen. Denn selbst am Boden des dichten Tannenwaldes herrscht noch ein Dreißigstel der Lichtmenge, die eine auch nur ein wenig auf die Natur achtet, befannt, wie pflanzenleer Wiese trifft, und es ist jedermann, der auf seinen Spaziergängen das Waldesinnere unter den Bäumen eigentlich ist

Moderne Verkehrsregelung in England. Während in früheren Jahren für Automobile beim Befahren von Landstraßen, besonders in den viehreichen irischen und schottischen Gegenden, eine Kenntlich­machung durch rote Fahnen Vorschrift war, soll vom britischen Verkehrsministerium jetzt bestimmt werden, daß Viehherden bei Tag durch einen Mann mit roter Fahne, bei Nacht mit roter Laterne Londoner   Straßen find fürzlich Flugzeuge in den Dienst der begleitet werden sollen. Zur Regelung des Riefenverkehrs in den Verkehrspolizei gestellt worden, die auf radiotelegraphischem Wege der Straßenpolizei Verkehrsstörungen melden.

Der reichste aller indischen Fürsten, der Nizam von Haiderabad, befigt in feiner Edelsteinsammlung den größten Smaragd, der je gefunden wurde. Aus diesem Stein ist ein lebensgroßer Bapagei

geschnitten worden.

Zunahme der Großstädte. Im Jahre 1900 gab es auf der Erde 278 Großstädte, jetzt gibt es über 400.

Verantwortlich für Politik: Victor Shiff: Wirtschaft: G. Klingelhäfer: Gewerkschaftsbewegung: 3. Steiner; Feuilleton  : Dr. John Shitowsti; Lotales und Sonstiges: Frig Karstädt; Anzeigen: Th. Glode; sämtlich in Berlin  . Berlag: Borwärts- Verlag G. m b. H., Berlin  . Drud: Vorwärts- Buchdruckerei und Berlagsanstalt Raul Ginger u. Co. Berlin G. 68, Lindenstraße S.

Sierau 2 Beilagen.