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Arbeiterschast und Staat

Karl Höltermann , Magdeburg

Der zu Ihnen spricht, war Jahrgang 1894, war Frontsoldat und gehörte somit zu der Schützengrabengemeinschaft und Kameradschaft des Krieges. Und so wende ich mich heute an meine Kameraden aus den Schützengräben zuerst und bitte sie, mich anzuhören. An- zuhören, wie im Unterstand ein Kamerad den anderen hörte. Hört mich im Gedenken an die Kameradschaft von damals, so verschieden auch die Wege sein mögen, die wir politisch seitdem gegangen sind. Eine Bemerkung zuvor: in seinem Lustspiel»Die Journalisten- läht Gustav Freytag die Heldin Adelheid zu ihrer Freundin Zda also sprechen:Wenn ich jemals in die Lage käme, einen Wann zu nehmen, ich würde ihm nur eine Bedingung stellen, die weise Lebensregel meiner Tante: Rauchen sie Tabak, mein Gemahl, soviel sie wollen, er verdirbt höchsten» die Tapeten, aber unterstehen Sie sich uicht, jemals eine Zeitung anzusehen. Da» verdirbt Ihren Cha- rakter.- Ich werde sprechen, wie ich feit Ende des Krieges in Zeitungen schreibe. Wer also dem Tanlenglauben von Anuo dazumals anhängt und fürchtet, dag sein Charakter leide, wenn er einen Politiker höre, der schalte sich aus und verzichte, an der Gestaltung des deutschen Volkes Schicksal teilzunehmen. Er klage aber auch mcht, datz audere über ihn beschliehen. Der deutsche Arbeiter kann sich den Luxus eines Daseins ab- seits von der Politik nicht leisten. Wo auch" immer politische Ent- scheidungen gefällt werden, immer wird der Arbeiter des Hirnes und der Faust an die Quellen der Erkenntnis zu dringen trachten. Als im August 1914 in den KafernenhSfen die grauen Kolonnen zum Abmarsch an die Grenzen sich formierten, da sland am rechten Flügel eines badischen Landwehrregtmentes ein Kriegsfreiwilliger im Landsturmaller. Gr war der Reichstagsabgeordnele und Ar­beiterführer Ludwig Frank . Er wollte nicht warten bis zu dem Gestellungstag. der in seinem Pah verzeichnet war. Er wälle die ersten Schlachten milschlageu, er wollte dabei sein, wie er seinen Freunden sagte, dort, wo die Fundamente de» neuen Staates gelegt werden. Im ersten Gefecht seiner Kompagnie ist Ludwig Frank gefallen. Der Manu Ludwig Frauk ist tot. irgendwo in französischer Erde liegt er al» unbekannter deutscher Soldat zwischen Rnbekaunleu. Volltische Erkenntnis gewinnen erschien ihm wichllger als das Leben. Am Hause Seefahrt in Bremen steht eine lateinische Inschrift, die besagt:Schiffahrt ist nötig, Leben ist nicht nötigt Plutarch , der Geschichtsschreiber des alten Rom, hat uns dies Wort über» liefert. Pompejus , der ein Aufseher war über das Getreidewesen wir würden sagen: Ernährungsminister fuhr mit Schiffen nach Afrika , um Rom mit Getreide zu versorgen. Als die Rückfahrt mit den beladenen Schiffen angetreten werden sollte, erhob sich ein so schwerer Sturm, daß die Schiffer die Fahrt nicht antreten wollten. Da sprang Pomoejus als erster in sein Schiff und rief seinen Kapi- tönen zu:Schiffahrt ist nötig, Leben ist nicht nötig." Mit anderen Worten:Abfahren mllsien wir jetzt, und wenn wir dabei auch unser Leben aufs Spiel setzen." So handelte Ludwig Frank . Und wo und wann auch immer deutsche Arbeiter versammelt sind, über ihnen steht dae Wort:Politik ist nötig, Leben ist nicht nötig!" Wir sind Ludwig Frank gefolgt. Wir treten mit ihm in Reih und Glied, wir sind mit ihm marschiert, wir waren mit ihm dort, wo die Fundamente des neuen Staates gemauert wurden. Aber nicht deshalb, sondern für Deutschland schlechthin haben wir unser Leben eingesetzt. Unsere besonderen innerpolitischen Ziele verschwanden angesichts der Gefahren, die ganz Deutschland bedrohten. Es war damals unsere Ueberzeugung und blieb es, daß Drei- klassenwahlrecht und Herrenhaus nicht bestehen bleiben würden, daß dos Deutschland der Frontkämpfer nach dem Kriege ein frei- heitliches demokratisches Deutschland fein müßte und sein werde. Wir, d. h. wir deutschen Arbeiter, die wir uns als politische Ge- meinschaft empfinden, die wir«iües Geistes sind, wir haben sie mit- gemauert die Fundamente des neuen Staates und wir wissen, in den Mörtel ist gemischt das Blut von Hunderttausenden unserer Ge- fallenen. Wir sind ausgezogen, weil wir wußten, wer von uns zurückkehrt, der marschiert nicht zurück in das alte. sondern in ein neues Deutschland , in dem auch der Arbeiter«in vollberechtigter Staatsbürger ist. Wir wußten:Der Krieg stellt eine Nation auf die Probe. Wir Mumien augenblicklich zerfallen, wenn man sie der atmo- spbärischen Luft aussetzt, so fällt der Krieg sein Todesurteil über alle Einrichtungen im staatlichen Leben eines Volkes, die keine Lebenskraft mehr besitzen." Dies ist. so lehrt uns der größte� Lehrer der Arbeiterschaft, dieerhebende Seite eine» Krieges". So war schon am 4. August 1914 gewiß, daß dem Arbeiter durch den Krieg die Gleichberechtigung in einem demokratischen Staate gegeben werde. Die Gestellungsbefehle waren, rückwärts gesehen, von der Geschichte ausgestellte Garantiescheine auf Gewährung demokratischer Rechte. Als die Mobilmachungsplakat« angeschlagen wurden, da war vom Schicksal bestimmt, daß VA Jahre später die Plakate über die Einberufung der Nationalversammlung an der gleichen Stelle kleben sollten. lind am 9. November 1918 geschah nichts weiter als ein Hinwegräumen der Hindernisse, die der endgültigen Der- einigung zwischen Staat und Arbeiterschaft auf der Grundlag« der Demokratie noch immer im Wege standcn. Revolutionen werden nicht gemacht und können nicht gemacht werden. Eine Revolution machen zu wollen, so hat uns ein Revo- lutwnär aus dem Jahre 1848 gelehrt, ist«ine Torheit unreifer Menschen, die von den Gesetzen der Geschichte keine Ahnung haben. Man kann immer nur einer Revolution, die schon in den tot- sächlichen Verhältnissen einer Gesellschaft eingetreten ist, auch äußere rechtliche Anerkennung und konsequente Durchführung verschaffen. Eben deshalb ist es ebenso unreif und kindisch, eine Revolution, die sich bereits einmal im Schoß«iner Gesellschaft vollzogen hat, zurück- zudämmen und sich ihrer rechtlichen Anerkennung widersetzen zu wollen. Die deutsch « Arbeiterschaft hat strenge Lehrmeister gehabt. In ihren Organisationen ist sie erzogen worden im Geiste de? Frei- Herrn vom Stein, der die Deutschen lehrte, daßdie Teilnahme an den Angelegenheiten des Ganzen der sicherste Weg ist zur geistigen und sittlichen Entwicklung", daß diese Teilnahme an den öffentlichen

Angelegenheitenden Menschen der Selbstsucht«ntrllckt und Bm in das edle Gebiet des Gesamtwohls versetzt". Von Fichte hat sie gelernt, im Auge zu behalten, was Deutschland zu werden hat, daß sie Deutschland um dessentwillen lieben muß, was Deutschland werden muß und daß es ihr deshalb nicht gleichgültig sein dürfe, wer sie von außen und wer sie von innen beherrscht. Es ist ihr gelehrt worden, daß sie gelten lassen muß das Gesetz Salons, des weisesten Gesetzgebers des Altertums, da derjenige Bürger des Staates als ein Verräter des Vaterlandes zu betrachten ist, der in entscheidenden Fragen nicht Partei ergreift. Es war Ferdinand Lassalle , der staotspolitische Lehrmeister der deutschen Arbeiterschaft, der ihr zurief:Nicht Partei ergreifen, d. h. in einer schmacbvollen Gleichgültigkeit gegen die höchsten Interessen die eigene Ruhe und Bequemlichkeit den gewaltigen Fragen vor­ziehen, von denen das Wohl und Wehe des Vaterlandes abhängt. Die Geschichte hat Verzeihung für alle Irrtümer, sür alle Ueber- zeugungen, sie hat keine für Ueberzeugungslosigkeit." Es war Lassalle , der wider eine Staatsausfassung donnerte, die am liebsten jeden Staat abschafft, Polizei und Justiz an den Mindestfordernden vergibt und Krieg durch Aktiengesellschaften be­treiben lassen möchte. Und wider die Idee von der Nachtwächterrolie des Staates lehrte er der deutschen Arbeiterschast, daß«s Aufgabe und Bestimmung des Staates ist, die großen Kulturfort schritte der Menschheit zu erleichtern und zu vermitteln. Dies ist der Beruf des Staates, dazu existiert er, dazu Hai er gedient und dazu wird er immer dienen müssen. Es ist wider die sittliche Natur des Staates, ausschließlich die ungehinderte Selbstbetätigung seiner Kräfte jedem einzelnen zu garantieren. Wären wir alle gleich stark, gleich gescheit, gleich gebildet und gleich reich, so würde diese Idee als eine ausreichende und sittliche angesehen werden können. Da wir dies aber nicht sind und nicht sein können, so ist dieser Gedanke nicht ausreichend und führt deshalb in seinen Auswirkungen notwendig zu einer tiefen Unsittlichkeit. Denn er führt dazu, daß der Stärkere, Ge- scheitere. Reichere den Schwächeren ausbeutet und in seine Tasche steckt. Der deutschen Arbeiterschast wurde gelehrt, die Seschicht« als einen Kampf mit der Natur aufzufassen-, mit dem Elend, der Un» wissenheit, der Armut, der Machtlosigkeit. Die Freiheft das ist die fortschreitende Vesiegung dieser Machtlosigkeft gegen Elend, Armut und Unwissenheit. In diesem Kampfe wäre nie ein Fort- schritt gemacht worden, wenn jeder einzelne für sich allein ihn geführt hätte. Der Staat ist es, welcher die Funktion Hot, diese Entwicklung der Freiheit zu vollbringen. Der Stäat ist uns eine Einheit von einzelnen in einem sittlichen Ganzen,«ine Einheit, welche die Kräfte aller einzelnen Millionen- fach vermehrt. Aus tiefstem Instinkt heraus empfinden die deutschen Arbeiter, die einzeln sür sich in hoffnungslos hilfloser Lage sind, diese Be- stimmung des Staates und müssen sich aus diesem Instinkt heraus zusammenschließen, um diese Entwicklung des Staates aus der Idee in die Wirklichkeit zu fördern. Nicht rückwärts vorwärts heißt es den Blick wenden! Wir verstehen, daß Menschen, deren Weltbild seine entscheidende Form in der Zeit vor dem Kriegs erhalten hat, bis ins Innerste getroffen sind von dem Unglück des verlorenen Krieges, der fürcht-rlichen Heimsuchungen, die«in unerbittliches Geschick über uns verhängt bat. Denn:Bei aller Unbill des Schicksals ist glucklich gewesen zu sein die unglückseligste Unglücksart." Der deutschen Arbeiterschaft ist die Zukunft des Volksganzen stets wichtiger erschienen als Einzelschicksale der Gegenwart. Aus ihrem Zukunftsglauben erwuchs ihr die Kraft. Not und Tod des Krieges zu überstehen und beizutragen, dieses prophetische Wort Lasialles zu erfüllen:.LLsnn Sie die Geschichte genau und mit innerem Verständnis betrachten, so werden Sie sehen, daß die Kulturarbeiten, die unser Volk vollbracht hat. so riesenhafte und gewaltige, so bahnbrechende und dem übrigen Europa vorleuchtende sind, daß an der Notwendigkeit und Unnerwüsilichkeft unserer nationalen Existenz gar nicht gezweifelt werden kann. Geraten w-r also in«inen großen äußeren Krieg, so können in demselben wähl unsere einzelnen Regierungen, die sächsische, preußische, bayerische zusammenbrechen, oder wie ein Phönix würde sich aus der Asche derselben unzerstörbar erheben das, worauf es uns allein ankommen kann das deutsche Poll!" Das un sch ätz bare G u t der Reicheeinheit ist über Krieg und Niederlage gerettet morden und damit die Gründlage für die kommende neue wettpolilische Geltung Deutschlands . Ja, mie ein Phönix aus der Asche, so hat sich das deutsche Volk aus dem Zusammenbruch des Krieges erhoben. lind das verdankt Deutschland der Undeirrbarkelt, mit der die deutschen Arbeiter an der Demokratie festhiellen. Dort aus den freigeleoten Tiefen unseres Volkes strömte die Kraft, die uns die Einheit"als Volk und Staat erhielt. Es ist niemand anders als der jetzige Reichspräsident von Hin- denburg. der von Friedrich Cbert sprach:Sein Mut. sein staols- männischer weilblick, sein Verantivorlungvgefühl. gepaart mit kennt- nis der Psyche der großen Masse, seine lautere vaierlandsliebc haben uns gcrellet." Was von Friedrich Ekert gilt, dos gilt auch von der deutschen Arbeiterschaft. Für sie gilt heute mie 1914 da?Bekenntnis" Karl Brogers, der ein Arbciterdiäster war und ein Dickster der Front- soldaten dazu: Immer schon hoben wir eine Liebe zu dir gekannt, bloß wir haben sie nie mft Namen genarmt. Als man uns rief, da zogen wir schweigend fort, auf den Lippen nicht, aber im Herzen das Wort: Deutschland . Immer schon haben wir«ine Liebe zu dir gekannt, bloß wir haben sie nie bei Namen genannt. Herrlich zeigte es aber deine größte Gefahr, daß dein ärmster Sohn auch dein getreuester war. Denk es, o Deutschland !

Oer Rundfunkkonflikt. (Fortsetzung von der 1. Seite.) gehört haben, sich ein sicheres Urteil bilden können, ob sie Anlaß zu dem Einschreiten des Reichsinnenministers geboten hat. Die Stellen, die wir im Druck halbfett hervorheben, haben das Wutgehul der Rechtspresse hervorgerufen. Gründe... Was Hugenberg verbieten möchte. Die Unverschämtheit der deutschnationalcn Reaktion wird mit jedem Tag größer. Als die Schwindelhetze gegen den Hallenser Theo- logen Dehn kläglich zusammenbrach, faselte der stZokal-Anzeiger", daß gegen Dehnneues Material" vorliege. Und was war das? Dehn l>->be sich beim Begräbnis der ehemaligen Kaiserin gegen die B«- teiligung setner Kirche am Trauergeläut ausgesprochen! Auf dem gleichen Niveau, daß nämlich jeder Republikaner der davongelaufenen Monarchie nach wie vor tiesite Reverenz schuldig sei, liegen die Hetzaueführungen der Hugenberg-Presse wegen des Rundfunkvortrages Höltermanns zum 9. November. ImTag" wird der Konflikt damft begründet, daß überhauptiinMarxistes unternehmen durste, öffent­lich den Tag der Schmach zu feiern. Wenn derTag" den 9. November als Tag der Schmach an- sieht, so hat er ja von seinem monarchistischen Standpunkt aus die feige Flucht Wilhelms, die kampflose Kapitulation seiner Anhänger vollkommen Recht. Warum ober die Republik verpflichtet sein soll, die Schmach der ausgerissenen Monarchie mit dem Mantel christlicher Nächstenliebe zuzudecken, ist uns unerfindlich. Und worauf läuft die sachliche Kritik Hugenbergs an dem Bortrag hinaus? Man höre und staun«: Der Reichsbannermann sagte wohl, daß für ein Deutschland schlechthin der feldgraue Arbeiter sein Leben eingesetzt habe, aber er entwertete diese Wahrheft mft der in diesem Zusammenhange blasphemifchen Behauptung, der Soldat habe damals die Ueberzeugung gehabt, daß das Dreiklassenwahlrecht und das Herrenhaus nach dem Kriege nicht mehr bestehen würde.Unsere Gestellungsbefehle waren uns von der Geschichte ausgestellte Garantiescheine auf die Gewährung demokratischer Rechte." Also gegen garantierte politische Belohnungen ist das Volk von 1914 hinausgezogen? Eine dumm«, der Begriffswelt des Kon- jumvereins entsprungene Beleidigung." Der angeblicheStandpunkt des Konsumoereins" deckt sich auf- fällig mit dem Standpunkt, den vor und nach den F r e i h e i t s- kriegen von 1813/181S Männer vom Range eines Fichte, Arndt, Jahn eingenommen haben, wie ihn damals die ganze deutsche Jugend gefühlt hat. Der Philosoph Fichte schrieb vorahnend in seinem Bermüchtnis von 1813: Würde die Monarchie wiederum das Volk betrügen, würde alle Aufopferung von Blut und Begeisterung nur zur Wiederherstellung des alten Systems dienen, so bliebe dem Gerechten nichts weiter als aus- zuwandern! Wahrscheinlich hält derTag" den Philosophen Fichte deswegen für einenKonsumvereinsbonzen". Daß das Dreitlassenwahlfystem mft dem Augenblick der Mobiii- sierung moralisch und faktisch erledigt war, hat das alle System selber zugestanden in der kaiserlichen Oster- botschost von 1916. Selbst Wilhelm und seine Berater glaubten, dem feldgrauen Arbeiter nicht zumuten zu können, sich für Dreiklassenwahlrecht und Herrenhaus zu schlagen. Und jetzt soll der republikanische Rund- funk kaiserlicher fein als der Kaiser, mon- archischer als die Monarchie? Eine Frechheit, wenn Herrn Hugenbergs Presie dies zu verlangen wagt! Wie Scholz Herrn Groener unterrichtete. Als vor fünf Jahren der Politische Ueberwachungsouoschuß für die Berliner Funkstunde in« Leben gerufen wurde, bestimmte das Reich al» seinen Vertreter den Deutschnationalen Scholz, die preußisch« Staatsregierung dl« Abgeordneten Heilmann und Riedel. In ähnlicher Weise wurden auch bei den übrigen Sendegesellschaften neben den Kftlturbeirätcn politisch« Koittrollorgon« geschaffen, die die Neutralität der Sendungen zu überwachen haben Beim Berliner Ueberwachungsausschuß wurde der Vorsitzend« in regelmäßigen Abständen gswechselt. Unter der Leitung der letzten beiden Reichsministcr Seoering und Wirth war Herr Scholz recht ruhig. Von seiner Arbeft hoben nur die Rundfunkredner selbst gemerkt, wenn nänrlich in ihren Manuskripten der Rotstift wütete. Seoering beförderte den damaligen Oberregierungsrat Scholz, der im Reichsministerium des Innern gleichzeitig Refereift für Rundfunkangclegenheiten ist, zum M'mistcriolrat. Seitdem hat Herr Scholz sich kräftig nach rechts entwickelt. Ebenso entgegenkommend verhielten sich auch stets die beiden übrigen Mitglieder im politischen Ueberwachungsausschuß. Als diesem das Höllermannfche Manuskript vorlag, wurden Aende- rungen vorgeschlagen, mit denen später auch Höllcrmann ein- verstanden war. Nur Scholz gab sich nicht zufrieden und erstattete dem Minister Groener Bericht. Der Minister crhiell die subjektiven Darstellungen eines seiner sehr weft nach rechts gerichteten Ministerialräte, der es nicht für notwendig erachtete, seinem Minister das kurz vor dem Vortrag nochmals geänderte Manuskript vorzulegen. Der Minister erhielt auch viel später erst das Protokoll der Sitzung, in welcher der politische Ueberwachungsausfchus den Vortrag des Genosicn Höller- mann behandelle. Wie lange will sich Herr Groener noch auf die Berichte seines Reserenten Scholz verlassen? Völkerbund gegen Japan . Oie Mandschurei von Japan selbständig" gemacht. Genf , 11. November.(Eigenbericht.) Im Zusammenhang mit der Zuspitzung des Konflikts in der Mandschurei spricht man in maßgebenden Kreisen des Völkerbund - fekretariats von der Einberufung«iner außerordentlichen Vökkerbundsversammlung. die spätestens Anfang Dezember stattfinden müßte. Insofern erwartet man, daß der am 18. November zu- samnuntvetend« Völkerbundsrat nur kurze Zeit tagt. London . 11. November.(Eigenbericht.) Mulden ist am Dienstag zur unabhängigen Provinz proklamiert worden. Die Vertündungszeremonie erfolgte in Gegenwart japanischer Offizier«, wie die Staaten- gründung überhaupt auf japanische Sinstüsse zurückzuführen ist.

Frauenmord in Moabit . In der Küche erstochen aufgefunden. Im Hause Stephan st raße 1» wurde heute vor- mittag 11 Uhr Frau Marie Schkmmelpfeunig in der Küche ihrer Wohnung mit einem Messerstich im rechten Auge, durch de» auch das Gehirn verletzt wurde totaufgefundcn. Ob es sich um einen Raub- mr-rd oder um einen Mord aus anderen Motiven handelt, ist noch nicht bekannt. Die Ermordete ist die ghjährige Ehefrau des Kutschers S ch i m, m e l p f e n n i g. Das Ehepaar bewohnt im ersten Stockwerk des Ouergebäudes eine aus Stube und Küche bestehend« Wohnung. Sch hatte in den Morgenstunden die Wohmmg verlassen, um sich an seine Arbeitsstelle zu begeben. Die Tat ist offenbar zwischen 9 und 19 Uhr verübt worden. Nach dem ersten Befund hat es den Anschein, daß Raubmord vorliegt. Verschiedene Behältnisse waren aufgezogen und der Inhalt wild durcheinandergewühlt. Offenbar hatte es der Täter auf Ersparnisse, die er in der Wohnung vermuftte, abgesehen. Was geraubt ist, können erst die näheren\

Feststellungen und die Vernehmung des Mannes ergeben. Eine oberflächliche Besichtigung der Leiche ergab zunächst, daß der Mörder mit einem dolchartigen Messer auf sein Opfer eingestochen hat. Ein Stich ist in das rechte Auge und ein zweiter oberhalb der Nasenwurzel in den Kopf gegangen. Verletzungen am Schädel lassen ferner darauf schließen, daß Frau Sch. mit einem stumpfen Gegenstand niedergeschlagen wurde. i

I» IDilna kam es vor dem Anatomischen Institut zu schweren Schlägereien zwischen Nationaldemokraten und jüdischen Studenten. Mit istöcken und Steinen schlugen die Gegner aufeinander ein. Ein nationaldemokratischer Student wurde durch einen Sieinwurf auf der Stelle getötet. Tie Universität wurde geschlossen. 16. kreis Köpenick . Die für Sonntag, den 13. November, vor- gesehene Führung durch den Reichstag kann wegen Verhinderung der Referenten nicht stattfinden. Sie findet bestimmt am Sonntag, dem 22. November, statt. Welter für verlin: Meist wolkig ohne wesentliche Nieder- schlage. Temperaturen im ganzen etwas niedriger. Schwache bis mäßige südlich- bis südwestliche Winde. Für D?uljchlaud: Im Nordwesten noch unbeständig und windig, sonst im Norden und auch im Osten wolkig. Keine erheblichen Regenfälle. Kühler, Nachtfrost- gefahr. Im Süden stocken und ziemlich Hefter, nachts Frost.