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BERLIN

Sonnabend 14. November

1931

Der Abend

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Spätausgabe des Vorwärts"

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10

10 Pf.

Nr. 536

B 268 48. Jahrgang

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Arbeit des Mordgesindels

Acht Hitlerleute erstachen einen Reichsbannermann

Einige Berliner SA.- Leute haben sich an den Reichspräsidenten mit einem Schreiben gewandt, in dem sie sich als bedrohte Unschuld hinstellen und das kurze Zeit nach Braunschweig !

Wie die SA. des Herrn Hitler arbeitet, zeigt die folgende Dar­stellung der Ermordung des Reichsbannerkameraden Wolf in Riesa : ,, In der Nacht vom 3.. zum 4. November wurde in Riesa der Kamerad Arno Wolf von Nationalsozialisten ermordet. Wolf wurde auf dem Wege vom Volkshause zu seiner Wohnung von einem nationalsozialistischen Stoßtrupp umringt und nieder gestochen.

Einen Anhaltspunkt für die Motive zu dieser gemeinen Tat gewinnt man aus folgendem: Einige Tage vorher hatten in Riesa Plänteleien zwischen Reichsbannerkameraden und National­jozialisten stattgefunden. Daraufhin zog die Ortsgruppe der NSDAP . für den 3. November eine große Anzahl auswärtiger mit= glieder, und zwar in Zivil, nach Riesa zusammen.

Hier wurden Stoßtrupps zusammengestellt, die syste­matisch Straßenabsperrungen vornahmen. daherkommende

Reichsbannerkameraden überfallen.

Allein wurden

So ging es auch Wolf, der einer der Hauptbelastungs­3eugen gegen Mitglieder der NSDAP . wegen der menigen Tage

vorher stattgefundenen Anrempeleien war!

Wie die Tat geschah, sagt die Zeugin L. G. aus:

Am Dienstag, ungefähr 10% Uhr, ich lag schon im Bett, hörte ich einen lauten, marferschütternden Hilfeschrei. Darauf sah ich aus dem Fenster und stellte fest, daß unter unserm Fenster

eine Anzahl Leute, ungefähr sechs bis acht Mann, einen einzelnen umringt hatten, auf den sie ein schlugen.

Der Betreffende schrie um Hilfe. So wie ich, sahen nun auch noch andere Leute aus dem Fenster auf Grund der Hilferuse. Die Schläger merkten dies und st oben auseinander, weil auch ein Polizeibeamter herankam und Stehenbleiben!" rief. Nachdem die Schläger sich entfernt hatten, sah ich, wie der Geschlagene noch ein paar Schritte ging und sich krampfhaft ans Herz faßte. Dann fiel derselbe um, ohne auch noch ein Wort zu sagen.

Da ich glaubte, es sei ein Bruder von mir, weil der auch so groß ist, ging ich hinunter, um festzustellen, wer es sei. Hier erkannte ich den Arno Wolf. Derselbe war bereits verstorben. Ein Arzt, der des Weges gefahren tam( Dr. Orthlow), stellte ebenfalls den bereits eingetretenen Tod fest."

Diese Banden, deren Hände mit viehischem Mord befleckt sind, sind eine dauernde Lebensgefahr für alle anständigen Menschen, eine einzige Berhöhnung der Legalität!

Schnelljustiz in Holstein.

Reichsbannerleute schleunigst verurteilt.

Eufin, 14. November.( Eigenbericht.) Ein Schnellgericht verurteilte von den 21 verhafteten Reichs­bannerleuten 11 wegen unbefugten. Waffen­besizes zu Gefängnisstrafen von 2 bis 9 Monaten. Die ver­hafteten Reichsbannerleute waren von Lübeck nach Eutin gekommen, um bei etwaigen neuen Ueberfällen der Nazis den Reichsbanner­leuten zur Seite zu stehen. Der Hakenkreuz- Terror in Eutin hält unvermindert an. Wie man an dem Schnell­gericht sieht, ist die Justiz durchaus in der Lage, präzise wie ein Uhrwert zu arbeiten, es muß sich nur um Reichsbanner­

leute handeln!

Naziüberfälle auf harmlose Passanten. Tag und Nacht wird Berlin durch die nationalistischen Horden beunruhigt und terrorisiert. In der vergangenen Nacht war der wedding der Schauplatz so schwerer nationalsozialistischer Aus­fchreitungen man hat harmlose, zur Arbeit gehende Arbeiter brutal niedergeschlagen daß fie eine sofortige Sühne im Sinne der Notverordnungen finden müssen.

Gegen 4 Uhr tauchte an der Ede Scheerer- und Magstraße eine Horde von etwa 20 bis 25 Saten ( Fortlegung auf der 2. Seite.)

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Aufbahrung von Friedrich Bartels

Am Sarge des verstorbenen Landlagspräsidenten und Parteivorstandsmitgliedes Friedrich Bartels hält das Reichsbanner die Ehrenwache

Der hessische Wahlkampf.

Otto Wels spricht in Offenbach. - Massenandrang der Arbeiter.

Frankfurt a. M., 14. November.( Eigenbericht.)

Im überfüllten Gewerkschaftshaus in Offenbach sprach am Freitagabend der Vorsitzende der Sozialdemokratischen Partei, Otto Wels , zur hessischen Landtagswahl. Während in sechs anderen Sälen Offenbachs gegnerische Parteien ebenfalls Wahlversammlungen abhielten, hatten sich rund 2000 Teilnehmer eingefunden. lebhaftem Beifall begrüßt, führte Wels u. a. aus:

Mit

Die deutsche Sozialdemokratie ist in den 13 Jahren nach Kriegsende beispiellos verleumdet und begeifert worden, aber sie hat allen Anstürmen Stand gehalten, trotzdem alle politischen Parteien ihre Hauptkraft gegen sie konzentriert haben. Warum steht die Sozialdemokratie wie ein Fels im Meer? Weil sie ge­tragen ist vom Bewußtsein der Massen, daß sie und nur sie allein für den Aufstieg der Massen kämpft! Mit Stolz erfüllt uns die Tatsache, daß wir von Feinden umringt sind.

Ein kurzes Wort zu der SAP., der Absplitterung von der Sozialdemokratie: Die Absplitterung erfolgte angeblich wegen fehlender Meinungsfreiheit in der Sozialdemokratie, obwohl diese Meinungsfreiheit nie bedroht war. Der Führer der Splittergruppe, Seydewitz, war elf Jahre Redakteur eines oppositionellen Blattes. Opposition und Kritik aus Liebe zur Partei ist gesund, aber wer die Geseze der Organisation nicht anerkennt, gehört nicht in eine Partei, denn auch die Führer sind nur Ausführende des Massenwillens. Die Sozialdemokratie ist keine Spreu und fein Sandhaufen, sondern ein granitener Block, der nicht anders als von innen zu sprengen ist. Diesen Versuch der Sprengung, den ich auf das schärfste verurteile, haben wir verhindert.

Zum Schluß rief Wels die hessischen Barteigenoffen auf, am Sonntag im Kampf für Republik und demokratischen Sozialismus ihre Pflicht zu tun. Wir führen die rote Fahne des Sozialismus und der Völkerversöhnung gegen Reaktion und

Kriegsheze bis zum endgültigen Siege. Unter stürmischem, nicht endenwollenden Beifall brachte Wels ein Hoch auf die internationale Sozialdemokratie aus.

Hungerspruch verbindlich!

Die Klarheit der Lohnpolitif Stegerwalds. Der Reichsarbeitsminister hat den Schiedsspruch für die west­sächsiche Textilindustrie, der bei Löhnen, die bis herab zu 2,85 Mart die Woche gehen, einen fünfprozentigen Lohnabbau vorsieht, für verbindlich erklärt!

In der Begründung wird gejagt, daß dieser Lohnabbau ein schweres Opfer für die Arbeiter sei. Es wird dann darauf hin­gewiesen, daß in dieser Industrie sehr viel Kurzarbeit besteht. Aber eine Berücksichtigung der Kurzarbeiter bei dieser Cohnrege­lung sei nicht möglich, weil sonst die kurzarbeitende Industrie besonders schwer belastet würde, was zu weiteren Betriebseinschrän­fungen, zu Arbeiterentlassungen und zu einer unerträglichen Stei­gerung der Arbeitslosigkeit und der daraus stammenden Casten führen würde! Ueber die Cohnpolitik des Reichsarbeitsministeriums im allgemeinen fagt die Begründung, daß man zunächst den Ab­schluß der Beratungen des Wirtschaftsbeirates abwar­ten müsse, der in etwa zwei Wochen eintreten dürfte. Dann erst werde die Linie der Lohnpolitik wieder klar herausgestellt werden können.

Stegerwald scheint sich nicht nur in den Kopf gesetzt zu haben, der Minister des Lohnabbaus um jeben Preis zu sein; er legt es offenbar auch darauf an, den Wirt­schaftsbeirat der Regierung zu brüsfieren. Sonst wäre die geradezu gewaltsame Fortführung des Lohnabbaus seit Ernennung des Wirtschaftsbeirats nicht zu verstehen. Die sächsische Textilindustrie schlägt dem Faß den Boden aus. Verbindlichkeitserklärung des Schiedsspruchs für die west­hier handelt es sich nicht nur um einen wirtschaftlich ver­derblichen, sondern auch rein menschlich betrachtet ungeheuer­lichen Lohnabbau.

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