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Rr. 537 45. 3abrgans 1. Beilage des Vorwärts An

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Vom

Sonntag, 15. November 1931

Feld sum Markt

' Arbeitslose kommen auf die sonderbarsten Ge­danken: da geht ein etroa 40jähriger Mann zur Automesse, sucht sich einen 11- Tonner- Chevrolet aus und ist gerade dabei, mit dem Verkäufer den Vertrag zu machen. Der Verkäufer rechnet, schreibt und fragt: ,, Ihr Beruf, Herr Heinzebusch?"- Ja, gelernt habe ich Kaufmann , jetzt bin ich arbeitslos." Der Verkäufer glaubt, er höre nicht recht, und ob­wohl der Wagen kein Staatsstück ist und auch nur. einen guten Tausender kostet, sieht der Verkäufer im Geiste schon die geplatzten Wechsel... Ja, er­lauben Sie, Herr Heinzebusch, wenn Sie arbeitslos sind, wozu brauchen Sie denn ein Auto?" ,, Eben meil ich arbeitslos bin, brauche ich das Auto, ich will einen Handel anfangen." Dann kommt heraus, daß der Mann einen Bruder hat, der Landwirt ist und elmas über Fürstenwalde hinaus nach Frankfurt an der Oder zu wohnt. Die beiden Männer haben sich zusammengesetzt, und da hat der Landwirt- Bruder gesagt: ,, Weißt du, Max, wenn der alte Aufkäufer kommt, der gibt mir mit Hangen und Würgen eine Mark und ein paar Groschen für meine Kartoffeln. Was geht mich dieser Mann an; Gib du mir 1,60 oder 1,80 Mark für den Zentner, fahre die Kartoffeln in die Stadt, da wirst du sie für einen Taler den Zentner reißend los. Hast noch deine gute Mark am Zentner verdient." Das ist sehr einleuchtend, der Kaufmann- Bruder war Feuer und Flamme, wenn er nur erst den Lastroagen hätte, dann wird er den halben Kreis Lebus nach Berlin schleppen und ein Heidengeld verdienen. Der Stein der Weisen hieß für ihn: vom Feld zum Markt.

Kartoffeln fahren nach Berlin .

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Leider sind die beiden Brüder zu spät aufgestanden. Denn um 8 Uhr morgens geht es auf den Höfen los: ,, Kartoffeln, Kar­taffeln, prima Industriekartoffeln, drei Froschen zehn Pfund. Kar­toffeln, die prima Industriekartoffeln." So geht es den ganzen Vormittag in Abständen von einer halben Stunde. Und regei­mäßig steht vor der Tür ein gottvoller Lastwagen, der gerade noch fahrt, darauf ein Berg Kartoffeln. Die haben wir vom Bauerit geholt", erklären die neugebackenen Händler, die vor einem Jahr noch Maschinenbauer waren, deshalb find wir einen Groschen Filliger:" Run gut. Aber in allen diesen Fällen, da steht zwischen dem Erzeuger und dem Verbraucher immer noch ein Handelsmann. Warum sollen die Bauern darüber hinaus nicht aufs Ganze gehen und selber mit ihren Produkten nach Berlin kommen? Denn jeder hat ja nicht einen abgebauten Bruder mit einem Lastwagen. So tommt zum Beispiel immer nach Pankow so ein Bauer. Und zwar aus Jerpenschleuse mit einem Planivagen voll Kartoffeln.., Was nehmen Sie für den Zentner, Herr Nachbar?"- ,, Drei Mart." ,, Donnerwetter!" Ja, Sie haben aber bei mir die prima Bauern­kartoffel mit dem feinen Geschmack. Jede Kartoffel ist ausgesucht, und dann kommt auf meinen Acker nur natürlicher Dünger, fein Kunstdünger. Sie wissen ja selbst, wie Gutskartoffeln find... Das braucht der Bauer nicht zweimal zu sagen, denn daß nach Berlin die größten Schweinekartoffeln verladen werden, das merken. die Hausfrauen jeden Mittag an ihrem Kochtopf. Deshalb hat der Bauer um Absaß keine Sorge, eine Frau sagt es der anderen, mn diesem Haus hat er 20 Zentner zu liefern, in jenes 25 Zentner, nur meint der Mann aus Zerpenschleuse, das wären die letzten Tage, denn seine 400 Zentner sind ausverkauft. Alle anderen Kar­toffeln brauche er für seine Wirtschaft. Nun ist der Mann knapp zehnmal nach Berlin gekommen und kann sich jetzt in den stillen Adventsabenden damit vergnügen, 400 blanke Taler einen nach dem anderen auf den Tisch zu zählen. Aber das kann er auch nur, weil er in aller Herrgotts frühe seine Liese anspannte und noch zur rechten Zeit in Berlin war. Zerpenschleuse, das sind von Berlin 50 Kilometer, die trabt die Liese gemächlich in vier Stunden. Aber solange man den Bedarf Berlins eben nicht mit den Erzeugnissen seiner umliegenden Dörfer decken kann, so lange müssen Fälle wie die der Zerpenschleusener Kartoffelbauern Ausnahmen bleiben. ady

Gag', wer mag das Männlein fein?" bid Wer von den Erwerbslosen also schon wieder den Rechenstift in der Hand hatte, der lege ihn bitte weg. Das schließt nicht aus, daß täglich alles mögliche direkt von den Erzeugern in Berlin auf den Markt gebracht wird. Vor allem Gemüse. Für den, der sich den sündhaft hohen Handelsgewinn halb und halb in die Tasche stecken kann, ist das sehr schön, aber ein fortlaufender Handels­betrieb mit Gemüse, der setzt eben Gewächshäuser voraus. Ein Gemüsegärtner fann sich nicht hinter den Ofen hoden, wenn er die letzte Staude Grünkohl geerntet hat, und warten, bis der Spargel wieder sprießt. Abgesehen von der notwendigen Arbeitsteilung, menn alles einer allein machen sollte, dann müßte er nachts auf feiner Kohlplantage herumwirtschaften und tagsüber auf dem Markt stehen. Trotzdem gibt es in der Linie vom Feld zum Markt genug Beispiele, herunter bis zu den alten Kräuterfrauen, die un­verdrossen im Sommer wie im Winter auf den Märkten stehen und feilhaften: Wacholderbeeren und Pfefferminze, Kamille und Ros­

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marin, Lindenblüten und nicht zuletzt der 12- Männlein- Tee. Wer weiß, was das für 12 Männlein aus dem Walde sind.

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Velmuger

burgischen, dann bekommt er 5 oder 6 Pfennige für das Ei. Es tönnen sich aber auch eine Anzahl Geflügelfarmer zusammenschließen, einen Verkaufsladen in Berlin unterhalten, und wenn sie dann nach her die Abrechnung machen, erhalten sie immerhin 8 bis 9 Pfennige für ein Ei. So machen es die im Verband der Geflügelfarmsiedler zusammengeschlossenen Eierlieferanten". Berlin beliefern zwei Farmen aus der Gegend von Eberswalde und 15 Farmen aus der Gegend von Fürstenberg a. d. Oder. In der Belle- Alliance- Straße haben sie ihren Verkaufsladen. Sie haben erstmal Verträge mit Großabnehmern, Hotels, Restaurants, und was übrig bleibt, wird an das Publikum verkauft. Wenn sie mehr Eier hätten, fönnten sie noch niel mehr verlaufen. Diese Auskunft von Fachleuten, die etwas vom Eiergeschäft verstehen, läßt aufhorchen. Denn sonst hört man überall, daß die Geflügelfarmen allesamt im Sterben, liegen. Nun ja, sagten die Farmer, verrechnet haben sich die Zuchtgeflügel­züchter. Die Zeiten der letzten Grünen Woche" sind vorbei, wo ein Zuchthahn bis zu 200 Mart kostete, solche Preise zahlt heute fein Mensch mehr. Dann gab es eine Großfarm bei Ebers malde, die stügte sich auf das Bolle- System, schickte Autos nach Berlin , die hielten da und dort, der Kutscher flingelte, dann kamen die Hausfrauen aus den Häusern und konnten Eier taufen. Diese Farm war aufgebaut auf Intensivzucht. Das heißt, die Hühner

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Auch der zweite Mörder gesteht.

Rohrbach gibt den Chauffeurmord zu.

In den gestrigen späten Abendsfunden hat auch der 26 Jahre alte Arbeiter Rohrbach endlich gestanden, an dem Buchholzer Chauffeurmord beteiligt gewesen zu sein und die tödlichen Schüsse auf den Chauffeur Pohl abgefeuert zu haben.

Damit ist die erfolgreiche Ermittlungsarbeit der Kriminalpoli­zei im großen und ganzen beendet. Es sind nur noch einige Un­stimmigkeiten, die sich bei den Aussagen der beiden jugendlichen Verbrecher ergeben haben, zu klären, dann werden die Akten dem Untersuchungsrichter zugeleitet. Noch gestern nachmittag Ieug nete Rohrbach hartnäckig, obgleich ihm die Kommiffare Traeger und Liebenberg das Unsinnige seiner Taktik immer wieder vor Augen hielten. Man hatte Rohrbach bis dahin das Geständnis feines Komplizen Wittstock geheimgehalten. Als die Kommissare sahen, daß mit dem verstockten Menschen so nichts zu erreichen war, fagte man ihm plöglich, daß Wittstock bereits gestanden habe. Nach längerem Schweigen sah Rohrbach dann ein, daß weiteres Leugnen zwecklos fei und legte ein umfassendes Geständ= nis ab. Seine Bekundungen weichen von den Aussagen Wittstocks ab. Er stellt die Tat so hin, als ob der jüngere W. ihn zu dem Verbrechen überredet habe. Nach dem nächtlichen Verbrechen will cr die Mordwaffe auf der Flucht fortgeworfen haben. Das scheint aber wenig wahrscheinlich, denn bei seiner Verhaftung in einer Buchholzer Laubenkolonie wurde R. im Besize einer 7,65- Milli

meter- Pistole angetroffen.

Kaffenräuber erbeuten 900 Mark.

Bei einem Ladenkassenraub, der jetzt schon zu den Alltäglich­neun jüngere feiten gehört, erbeuteten gestern abend Burschen in der Butterfiliale von Thürmann in der Normannenstr. 35 in Lichtenberg rund 900 m. Als der Laden kurz vor Geschäftsschluß voller Kunden war, drang die Bande in das Geschäft ein. Drei oder vier der Täter waren mit Pisto­len bewaffnet. Unter Drohungen wurde das Berkaufspersonal Die Rechnung der Geflügelfarmer. und die Kunden eingeschüchtert. Zwei der Räuber plünderten dann Kommen die Eier an die Reihe. Da liegt für den Erzeuger die Cadentasse aus, die anderen komplicen stahlen fünf Seiten überhaupt nur das Geschäft in der direkten Belieferung des Ber- Sped, zwei Schinken und etwa 20 Würste. Mit der Beute gelang brauchers. Der Geflügelfarmer fann die Eier irgendeiner Eieres der Bande, ungehindert zu entkommen. Die Verfolgung durch verwertungsgesellschaft geben, sagen wir der Pommersch- Mecklen- das alarmierte Ueberfallkommando verlief ergebnislos.

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hatten teinen Auslauf, sondern saßen in Käfigen, wurden also ähnlich gehalten wie Stadtfühe, ganz modern war die Sache auf­gezogen, wo am laufenden Band die Eier wegrollten und der Dung. Aber das hat sich nicht bewährt. Auch die neugegründeten Handelsgenossenschaften brachten den Geflügelfarmern keinen rechten Segen. Sie haben sich nicht recht eingespielt, das Spesenkonto mar auch zu groß, an der Spize mußte gleich immer ein Direktor sizzen, und so haben sich schließlich auch die sächsischen Farmbesitzer von ihrer Genossenschaft losgesagt. Rund 100 Farmer haben sich zu­jammengeschlossen und versorgen jetzt auf eigenes Konto Leipzig . Frei meg mit der Huckelfiepe, mobei sie sich Vertreter angestellt haben, die von Tür zu Tür gehen und immer aufschreibens Frau Müller 10 Eier, Frau Schulze 12 Eier, Frau Lehmann 8 Eier. Aber nur feine Bürokratie mehr. Es kommt dann noch hinzu, daß der Verband der Geflügelfarmsiedler die Futtermittel zentral ein kauft. Würde jeder sich den Zentner Legemehl einzeln faufen, müßte er 12 Mark bezahlen, der Verband kauft aber den Zentner mit 9,75 Mart. Da nun ein Farmer mit 1000 Sennen 750 Zentner Legemehl im Jahr braucht, spart er glatt 1500 Mart im Jahr. Und das will etwas heißen.

Die Schute

Ingeborg".

Wir erlauben uns dann vorzustellen die Schule Ingeborg" aus Altwarp . Die gehört dem Herrn Johannes Krüger , und beide tommen zu jedem Wochenende nach Berlin . An der Weidendammer Brüde wird der Kahn vertäut und eine große, schwarze Tafel auf­gestellt: Frische Fische aus dem Stettiner Haff ! Zander 80 bis 100 Pf., Hechte dito, Barse 30-40 Pf., Plötzen 40-50 Pf., Eis­fische billiger." Natürlich laufen die Frauen die preiswerten Fische, Krüger steht an der Waage und wiegt das zappelnde Gefier ab, ein Junge tötet die Fische, flad- klad, geht das, und Frau Krüger, die schuppt die Fische. Das ist im fleinen etwas ähnliches, was die Nordsee" Deutsche Hochseefischerei Bremen- Curhaven A.-G. im großen betreibt. Die Nordsee" ist erstmal das größte Fischerei­unternehmen der Welt, mit 175 Fischdampfern, einem eigenen Fischereihafen in Nordenham , Spezialanlagen in Cuxhaven und Befermünde, eigener Nezmeberei, Risten-, Dosen- und Faßherstellung, Reparaturwerkstätten, Marinieranſtalt, Fischbraterei, Fischmehl= fabrik und dazu 180 Fischspezialgeschäften. Hier heißt es vom Meer auf den Markt. Und genau wie die Eierhändler auf die Geflügel­farmer mit den Fingern zeigen, weil sie sich nicht hochnehmen lassen, find die Fischhändler der Nordsee" nicht grün. Man hört es immer mrmeln von Brot- weg- nehmen und so.

Vom Kuhstall in den Kochtopf.

Ein bedeutendes Feld der direkten Versorgung des Verbrauchers durch den Erzeuger sind übrigens die Berliner Privaimolkereien. Von der Gesamtmilchmenge, die Berlin zur Verfügung steht, ent­fallen immerhin 21 Proz. auf diese kuhhaltenden Betriebe innerhalb des Stadtbezirks, und das sind pro Tag 300 000 Liter. Dabei er­nährt eine von einem Fachmann gut geleitete Malterei immer noch ihren Mann. Wenn Molkereien pleite gegangen sind, dann lag das einerseits an der Bewirtschaftung durch Nichtfachleute oder an zu geringem Eigenkapital. Für den Preis einer Molkerei hat sich folgendes Berechnungsschema eingebürgert: pro Kuh 1000 Mart, also ein Betrieb mit 15 Kühen fostet 15 000 Mart. Unter den Ein­mirkungen der Wirtschaftskrise hat sich dieses Schema etwas ver­schoben, eine Molkerei mit 15 Kühen ist in Berlin gegenwärtig schon für 12 000 Mark zu haben. Doch wenn von den Molkereien nichts mehr zu holen wäre, dann würde nicht fortlaufend die Zahl der Berliner Milchkühe steigen. Da standen 1918 gerade noch 3756 Kühe in Berlin , 1920 schon 7081, 1922: 15 289, 1924: 18 731, und 1927 zählte Berlin die stattliche Zahl von 24 435 Milchkühen. Wenn nun ein Molkereibefizer seine 15 Kühe im Stall hat und bei guter Bewirtschaftung gibt eine Suh durchschnittlich 14 bis 16 Liter pro Tag, dann fann er seine 225 Liter verkaufen. Da außerdem der

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