maxDoriu: Wir find 9>rovinm...
Die Prinatbahir Schmalspurig. Drei grüne Wägelchen. 'n Lokomotiochen. Weißer Qualm,'n Pfiff. Ilnd— halt! Steigt niemand aus? Nö. Und die Frachtgüter? Js nix da. Traurig! Kall weht der Wind vom Gebirge herab— halb Schnee, halb Regen. Zlm Tslegraphenmast.fitzt ein Rabe— wie er schreit: Grab, Grab, Grab— ja, die schöne Sommerzeit ist dahin,'s wird Winter. Und dann sitzen sie alle im Wartesaal— die lieben Genossen von der Prioatcisenbahn— Passagiere sind keine da, es steigt niemand aus— es steigt niemand ein-- da dürfen wir Kleinbahner uns wohl im warmgeheizten Wartesaol'n bißchen groß machen— das heißt: unter uns unser Mcnschtum gegenseitig gellen lassen— wenn wir auch nur Provinz sind! Menschen mit kleineren Mägen und Schweigemäulern—. Was sagstc da, von wegen Schweigen, na, warte: wenn wir erst gefrühstückt haben! Wirf mal'n paar Schippen Kohle ins Feuer— der Ofen muß singen, den hohen Sopran, zum Baß des Windes: der draußen ums kleine Stationshäuschen donnert und tobt! Schnee und Regen klatscht gegen die Scheiben, als ob der Berggeist Rübezahl mit flacher Hand dran schlüge. Schoo, nun ist es gemüllich. Das Frühstück der Privatbahner. Hannes— du hast ja heute kein Speck auf Brot? Geht nich, der Lohn is zu knapp, ich eß heute Margarine mit Zwiebeln— ich will mir mein Messer am Ofen schärfen-- horrijeh, der Wasserkessel bullert, er kocht, wer gibt heute das Kaffeemehl? Der Jakob. Schüll ein-- hu, der würzige Duft, Kornkaffee, gebrannter Roggen— 'S sind auch drei echt« Brosilbohnen drin, es könnten mehr Brasil- bahnen sein, wenn die Leute in Brasilien Kohlen hätten, aber sie müssen ihre Großlokomotivcn in Brasilien mit Kaffeebohnen heizen — darum trinken wir Kleinbahner hier Kornkaffee. Wir sind nur Provinz! Pfiii— macht draußen der Wind— klatsch, klitsch— Regen und Schnee au die Scheiben. Im Wartesaal ist es nun heiß. Wir haben gespeist. Pfeifen heraus. Tubak hinein. Es riecht«in ganz klein wenig nach Laub— wir müssen den Tubak strecken, Portoriko mit drei deutschen Kastanienblättern. Wir sind Provinz! Und nun wolln se uns noch die Löhne und Gehälter abbauen— wir aber werden die Zähne weisen, wie die Wölfe im wilden Gebirge, auch die Provinz kann beißen! Der Ofen glüht. Es riecht ein wenig nach nassen Kleidern— wir haben die Ueberröcke zum Trocknenn gehängt. Ernste Gesichter. Vorläufig herrscht noch Schweigen. Wer unter dem. Schweigen glüht es wie im Ofen— der Lohnabbau feuert unfern Zorn an. Alle Stande von der Provinzbahn sind wir hier vertreten— da ist das braunverwitterte Gesicht des alterskrummen Genossen Strecken- arbeiters— und der Streckenwärter, der von der Weiche: der streckt seine langen Beine weit von sich— er spuckt mal aus— mitten durch die Beine hin— der Teufel soll sie holen, die von der Di- rektion!.fjooo, der Stationsvorsteher räuspert sich— als ob wir hier in der Provinz von der frischen Lust fall würden— mit den paar Mark kann man doch keine sieben Mäuler satt machen—. Der Lokheizer aber protestiert: Heinrich, du hast immerhin noch'nen ganz andren Gehalt als ich— was soll ich denn sagen— mit meinen acht kleinen Krabben— und die Großmutter ham mer auch noch— daß sie lange leben möge!' Nun sind sie warm geworden, die Provinzbahner, ihre Zungen tauen aus— die Pfeifen sind frisch gestoppt— der Ofen hat noch was'rein gekriegt—. Jetzt hörst du Gerede und Gepolter, Geblitze und Gesunkel stehst du, mal'nen Fausthieb aus den Tisch! Der Lok- führer sagt— auf der Konferenz neulickp/ dmmwinte der Vertreter aus der Großstadt, der dicke Aktionär Siebensack, vor dem Kriege seien die Kleinbahner mit 26 Pfennig Stundenlohn ausgekommen
— der Siebensack, jawohl, der hafs gesagt— und 44 Pfennig wären jetzt ein glänzender Stundenlohn: das hat er auch noch ge- wimmert, der Hauptallionär, der Graf von Siebensack—. Der kleine runde Schaffner aber wirft mit spitzer Stimme ein: Borhin is er an uns vorbeigejagt, der Herr von Siebensack, er hat den Kopf abgewandt, daß wir ihn nicht sehen sollten— er schämt sich, daß er seine eigene Bahn nicht benutzt— ich habe ihn an seinem blauen Jagdauto erkannt— er fuhr ins Gebirge. Stimmt! knurrt der Genosse Rangierer, ich Hab'n auch gesehn, den Siebensack— er ist die Bergstraße'rauf, ins Jagdschloß Hohenstein! Immer wilder donnert und wellert draußen der Sturm— es ist'n richtiger Schneesturm geworden, weiß sieht's vor den Scheiben aus—. Rot glüht hier drinnen der Ofen, rot glühen die Herzen— auch die Provinz hat Feuer. Dieser Unsinn der kapllallstischen Wirt- schast—. Keine Fracht mehr für unsere Kleinbahn—. Der Basallbruch liegt still—. Kein Kalk, kein Zement— nichts wird mehr gebrochen und gemahlen, die Schlote schmauchen nicht mehr—. Die Eisensteingrube ist längst abgesoffen—. Freunde, es geht bergab. Wir müßten enteignen— Wälder, Holz, Erz, Kohle, Baustein— alles ist da, ein gesunder Staatssozialismus — eine vernünftige Planwirtschaft—. Aber wie enteignen, durch Gesetze? Die Sieben-- säcke sitzen in den Parlamenten überall in der Mehrheit— mit ihrem Oelde kaufen sie die Wahlstimmen—. Rühren müssen wir uns besser, wir von unten, wir andern, trotz allem sind wir doch die fruchtbare Tiefe, der Humusboden der Heimat, Arbeiter, Beamte, Kleinbauern—. Zusammenschweißen—. Freier Verband und soziale Partei—. Millionenheere der Arbeit—. Organisieren, besser werben, nur 6l> Proz. von uns Kleinbahnern sind organisiert — 40 Proz. fehlen, die müssen hinein in unfern Gesamtoerband— wir müssen die Million Mitglieder vollmachen— Arbeiter der öffentlichen Betriebe, Kleinbahner, Straßenwärter, Postleute— her, alle zu uns! Hier is'n Paket Flugblätter, verteilt sie überall— über die ganze Provinz, Flugblätter, Herzblätter:„Mobilmachung!" „700 000 greisen an!"„Entscheidet euch!" Der Lokheizer springt auf, der Boden zittert, der Holzboden im Wartesaal— und habt ihr's gelesen, der Regierungspräsident hat unsere Flugblätter vom Gesamtverband verboten—. Der Teufel hol ihn, wir verbreiten sie doch— wir marschieren: die 700 000 wollen die Million. Wir sind nur Provinz, aber wir sind dabei!— Kollegen, auf: an die Arbeit, in'ner halben Stunde fahren wir, Frühstück ist um! Leer wird der Wartesaal— nur das Feuer ist noch in Zorn, es glüht wie das Herz der Menschen.
Jagdschloß Hohenstein. Hoch im Gebirge. Schon tief verschneit. Der Wind heull durch die Tannen. Aber im Försterzimmer ist es lustig— der Jagdherr von Siebensack sitzt mit seinem Forstmann bei Rheinwein und Gansbraten. Zwischen Bissen und Schluck knurrt der Großaktionär Siebensack: Dschaa, Fortmann, im Krieg ham mer uns verrechnet, wir Herren haben uns selber ins Fleisch geschnitten — das kleine Europa hatZich'ne eigene Industrie aufgepäppelt, die Kleinstaaten— wir Großstaaten verkoofen nix mehr, aber noch is Polen nich verloren— wieder fo'n kleines gesundes Jnflatiönchen—. Und wo steckt Louise? Hier kommt sie, des Försters„Nichte", die Louise—„ Der Siebensack: Wo bleibst« denn, Schatz? Forstmann, gucken Sie doch pnal nach meinen Hunden. Wir sind allein. Herr von Siebensack hat Louischen am Schoß— knips, das Etuis springt auf, siehste: Schatz, das Hab ich dir mitgebracht,'ne Goldtette, ich will sie dir nachher ums schone-Beür legen— hahahoo! Elfmal schlägt der Kuckuck. Draußen heult der Sturm. Schnee. Nacht. Winter. Kälte. Jagdschloß Hohenstein im Gebirge. Auch'n Stück Provinz!
Waller 3>ehniel:
Taler Thienemanns fchmarster Tag
Es hatte zwei Tage und zwei Nächte hintereinander geregnet, aber nun, am Morgen des dritten Tages, hatte doch endlich ein frischer Wind die graue Wolkendecke zerteilt und davongejagt. Ein strahlend heller Himmel mit funkelndem Sonnenschein ließ schnell die Bedrücktheit der trüben Regentage vergessen. Vater Thienemann, der grauhaarige Schrankenwärter mit dem zerfurchten Gesicht, stand vor seiner hochgezogenen Bahnschranke, die die Hauptstraße des kleinen Vorortes zeitweilig sperrte, und ölte mit achtsainer Bedächtigkeit das kleine Zahnradgetriebe, mit dessen Hilfe er die Schlagbäume hochzog und niederließ. Er wußte, daß es wesentliche Kräftecrsparnis bedeutete, wenn alles gut ge- schmiert war,— daß jeder Mechanismus ins Stocken gerät, wenn irgendwo ein Teilchen vernachlässigt würde, verrostete, nicht mehr mitarbeitete. Der funkelnde Sonnenschein machte Thienemann. das Herz warm, er blinzelte vergnügt ins helle Licht und war tief innerlich zufrieden. Daran war aber nicht nur die Sonne schuld,— das lag auch noch an anderen Dingen. Schwere Jahre hatte der alternde Mann hinter sich— langdauernde Krankheit und quol- vollen Tod der Frau, Familienzerwürfnisse, tiefgehende Entfremdung und endlosen Streit mit dem Sohn, der schließlich in Un- frieden ihn verließ--, nun aber schien es doch, als wenn ihm noch ein freundlicher Lebensabend beschieden sein sollte. Es war sehr einsam um ihn geworden, seitdem seine Tochter Hanna vor zwei Jahren, dem Ruf eines liebenden Mannes nach Amerika ge- folgt war, aber sie hatte ihn drüben nicht vergessen, und auf ihre immer wiederholten Bitten hin hatte er ihr endlich zugesagt, selbst auch noch den Sprung über das große Meer zu tun. Das letzte Band, das ihn hier noch mit allen Erinnerungen festhielt, sein Amt als Schrankenwärter, das er jahrzehntelang ausgeübt, zerriß nun auch,— man wollte ihn in drei Monaten pensionieren. Davor hatte er Angst,.— zum alten Eisen geworfen und vielleicht in ein Altersheim gesteckt zu werden, zu alten Männern, die schon sabbexten und wirres Zeug sprachen--, nein, er fühlte sich noch rüstig genug, dafür lieber als Wschluß seines Lebens den Sprung in die neue Welt zu wagen. In ein Land, wo alles größer und härter war, wo die Züge viel schneller rasten, die Häuser so hoch in den Himmel wuchsen, das Leben so viel schneller pulsiert«. O, er fühlt« noch genug Spannkraft in sich, um das olles noch auf sich wirken und eindringen zu lassen. Mit einem nach innen gekehrten Lächeln ließ er das Triebwerk spielen, es funktionierte leicht und gut. die Schlagbäume hoben und senkten sich ohne großen Kraftaufwand. Ein kurzer Anruf ließ ihn aus seinen Betrachtungen auffahren.„Nun sog mal, Ernst, du hast wohl noch zuviel überschüssige Kraft in dir. daß du. die Schlagdäume so außer der Zeit spielen läßt? Ein Mann, der es so eilig Hot, ist dadurch gezwungen, extra vom Rod zu steigen!" Thienemann drehte sich lächelnd um. Ein Rodfahrer stieg da vom Rade, ein Mann in seinen Jahren in einem kalkbespritzten Maurer- anzug. und droht« spaßhaft mit der Faust. Dann lachte er und
reichte Thienemann die Land. Der schüttelte sie herzhast und fragte erstaunt:„Bist du noch immer auf dem Bau, Hermann? Ist dir das nicht zuviel in dejnen Jahren?" Der Maurer lächelte gutmütig und erwiderte ohne Härte:„Laß gut fein, Ernst, was soll man machen? Die Zeiten sind schwer, und die Kinder können sich heute kaum selbst ernähren, geschweige noch ihre Eltern! Und es geht ja auch noch mit uns Alten, das sieht man ja an dir! Da drüben steht der Bau, ich war nur eben zum Meldeamt, eine Anmeldung erledigen. Na ja, du weißt ja, mein Sohn Fritz hat geheiratet, ich habe meinen ersten Enkel angemeldet! Siehst du. Ernst, nun bin ich schon Großvater!" Er lachte stolz. „Der Fritz ist auch auf meinem Bau, ist tüchtig, der Junge, schon ein halber Architekt, bin ordentlich stolz auf ihn! Jetzt muß ich aber weiter,.auf Wiedersehen, alter Junge, halt dich grade!" Und fröhlich lachend steigt er aufs Rad. Vater- Thienemann blickt versonnen die Straße hinunter. Ja, das ist es ja eigenllich auch, was ihn am meisten nach Amerika zieht: noch einmal so ein kleines Kerlchen auf den Knien halte», ein Enkelkind mit aller Innigkeit, die so ein altes einsames Männer- herz noch in sich hat, betreuen zu können. Er blickt sich um,— die Well sieht heller aus bei solchen frohen Gedanken. Ein Klingelzeichen erinnert ihn an seine Pflicht. Er schließt die Schranke und wartet auf den Zug. Prustend und schnaubend rasselt der Vorortzug vorbei, salutierend steht er am Schlagbaum. Lachende Gesichter sind im Vorbeijagen an den Fenstern zu er- kennen, einzelne winken lustig mit der Hand. Vater Thienemann lächelt wieder, bald wird er das auch können, so dahinfahrcn, an geschlossenen Schranken vorüber, dann werden andere da stehen und salutieren,— er Hot es lange genug getan. Es wird Nachmittag, die Sonne steht schräg in der Richtung des Bahngleises und läßt die Schienen wie flimmernde Bänder aufleuchten, man kann gar nicht recht hinsehen. Vater Thienemonn läßt einen langen Güterzug vorbeifahren und schaut ihm noch einen Augenblick nach.„Was so eine Lokomotive für Kraft hat, sechs- üstdvierzig Wagen schleift das Ding hinter sich her!" Ein ungcdul- geduldiges AutoHupen mahnt zum Oeffnen. Ein Krankenauto holt da, den Fahrer kennt er doch.„Nun sei man nicht so ungeduldig, Willem", ruft er hinüber,„wenn wollt ihr denn holen?" „Wir müssen zum Bau, Vater Thienemonn", antwortet der zurück,„ist einer abgestürzt, Hermann Neubauer! Na ja, so alle Männer gehören eben nicht mehr auf den Bau!" Tbienemann ist tief erschrocken: Hermann ist abgestürzt? Vor Stunden hatte er noch gesund und lustig hier vor ihm gestanden und gelacht!— Der alte Bahnwärter blickt unruhig in die Richtung, die der Wagen genommen hat. Er wird doch hier wieder vorbeikommen, vielleicht kann er etwas erfahren. Das Klingelzeichen vom Blockwerk meldet den v-Zug 103 an, in zwei Minillen kommt er hier durchgerossell, er hat immer ein mörderisches Tempo Langsam geht Vater Thienemann an seine Kurbel, langsam läßt er die Schlagbömne herunter, dos Trieb
wert geht leicht und gut. Aach einer Weil« kommt hink«»«f der Straße«in Auto angehupt,— hurrjeh, das Krankenauto, es fährt sehr rasch, wird wohl schlimm um Hermann stehen! Ihr kommt etwas zu spät, ihr Herren, die Schranke ist geschlossen, da heißt es warten! Was schreien die denn so laut und gestikulieren? Der da den verstörten Kopf aus dem Fenster steckt, das ist doch der Fritz. Hermanns Junge?„Laß uns doch schnell durch", rufen sie,„er stirbt uns unter den Händen!" Vater Thienemann ist erschüttert und hilflos. Er kann doch die Schranke nicht mehr öffnen, der D-Zug muß gleich da sein— wenn man doch nur etwas sehen könnte, die Sonn« sticht einem ja rein die Augen aus! Der Hermann tut ihm ja so leid,— einen Augenblick lang ist er noch unschlüssig, schon hat er die Kurbel in der Hand.„Macht schnell, daß ihr hinüberkommt!" ruft er beim Empordrehen laut und blickt ängstlich in die Richtung, aus der der Zug kommen muß Was arbeitet denn der Mann da am Steuer mit den Hebeln, der Motor springt wohl nicht an? Soll nur machen, daß er rüber kommt, sonst kommt der Zug! Plötzlich zuckt Vater Thienemann zusammen, lieber Himmel, da kommt der Zug! Halt, halt! ruft er gellend und läßt die Schlag- bäume wieder herunter, da, Entsetzen, der Wagen schießt mit einem Satz gegen die halb geschlossene Schranke, das herabhängende Draht- gitter zersplittert, halt, halt, der Zug, der Zug! Das rollende Un- tier kommt mit Blitzesschnelle heran, greift mit wirbelnden Pranken das kleine Tier, das ihm da in den Weg läuft, zerdrückt es, zer- malmt es und schleift es mit— Vater Thienemann sieht mit weit aufgerissenen, entsetzten Augen alles mit an,— wie das Auto von dem stampfenden Eisenungetüm da erfaßt wird, herumgeschleudert, mitgerissen,— Entsetzensschreie, Wirbeln, Splittern, Krachen. Funkensprühen und über ollem hin ein langgezogenes schrilles Bremsgeräusch--- Vater Thienemann rennt wie ein Irrsinniger auf dem Reben- gleis hinter dem Zuge her,— der Zugführer kriegt den Zug ja nicht so schnell zum Stehen, die Bremsklötze knirschen durchdringend. die Reisenden werden gegen die Wände geworfen,— endlich nach hundert, hundcrtfünszig Metern kommt das fauchende Ungetüm zum Halten.--- Und immer noch gellen die lauten Entsetzens- schreie-- Vater Thienemann wirft nur einen halben Blick aus das unentwirrbare Knäuel da vor der Maschine, die zerstückten Eisen- und Blechreste eines Autos, die Reste von menschlichen Körpern dazwischen,--- wie von Furien gejagt rennt er zu dem kleinen Häuschen an der Schranke zurück. Tränen stürze» ihm aus den Augen, die Sonne tanzt blutrot vor seinen Blicken, und in seinen Ohren dröhnt noch immer das Knirschen, Splillern und Brechen—'-- Die Feuerwehr kommt klingelnd an, Rettungswagen sausen, die Polizei sperrt den Unglücksplatz--- Sie haben nicht mehr viel ausrichten können,— zu retten war nichts mehr,— sie haben Mühe, die drei zerstückten Leichen zusammenzufinden. Als endlich Kriminalbeamte auf der Suche nach Thienemann in das kleine Schrankenwärterhäuschen dringen, finden sie das vierte Opfer der Katastrophe,— der verzweifelle Mann baumelt er- hängt an einem starken Nagel. Vater Thienemann wird den Sprung über das große Wasser nicht mehr tun, keine neue Welt wird sich ihm mit neuen Wundern auftun, kein Enkelkind wird ihm mehr zujauchzen... Die leuchtende Sonne wurde ihm ausgelöscht durch den wir- belnden Blutstrom, der helle Tag versank jählings ins Schwarze. -- Vater Thienemann trat die letzte große Fahrt ins Dunkle als Verzweifelnder, Zerbrochener an.
Qeburtenstahl und soziale JCage Daß die Frage der Geburtenregelung bzw. der Verhütung der Empfängnis die größte Bedeutung für die proletarischen Schichte» hat, die im Verhältnis zu anderen eine übergroße Kinderzahl haben, wird durch Zahlen bewiesen, die sich in gleicher Weise in den ver- schiedenen Ländern wiederholen. Für Deutschland haben Dresel und Fries im 7. Jahrgang der„Oeffentlichen Gesundheitspflege" in 900 Ehen bei einer Ehedauer von IS Iahren die Kinderzahl fest- gestellt. Es hatten durchschnittlich: Akademiker.......... 2,7 Kinder Angehörige der freien Berufe.. 3,04„ Beamte und Lehrer..... 3,2„ Kaufleute......... 3,4„ Selbständige Handwerker.... 3,8„ Angestellte......... 4,3„ Arbeiter.......... 6„ Die gleiche Erscheinung ist in anderen Industrieländern wahr- zunehmen, vor allem in England und Amerika . In England hat sich sogar eine Konferenz der Bischöfe für eine Geburtenregelung ausgesprochen, und bei der Beratung dieser Frage im englischen Oberhause am 28. April 1926 wurden folgende Zahlen vorgetragen: Auf 100 Verheiratete unter S0 Iahren kamen Kinder: bei Lehrern 93 bei Geistlichen........ 100— 102 bei Aerzten und Beamten.... 103— 105 bei gelernten Arbeitern..... 153 bei ungelernten Arbeitern 247 Bei dieser englischen Statistik ist besonders beachtenswert, daß die Kinderzahl bei gelernten und ungelernten Arbeitern getrennt gezählt wurde, und daß sie bei ungelernten Arbeitern so unverhäst- nismäßig höher war als bei gelernten. Nun wird ja von Gegnern der Empfängnisverhütung immer gellend gemacht, daß bei größerer Vertrautheit mit den Möglichkeiten der Verhütung die Bevölkerungs- zahl in verhängnisvoller Weise sinken würde. Auch das kann wider» logt werden durch Ersahrungen aus Holland , wo arme Mütter be- rcits seit 30 oder 40 Jahren über Empfängnisverhütung aufgeklärt werden, ohne daß dort die Geburtenzahl wesentlich gesunken ist. Frankreich dagegen hat durch ein Gesetz vom Jahre 1920 die Bc- kanntgabe von Verhütungsmitteln verboten, ohne dadurch etwa eine Steigerung der Geburtenzahl zu erreichen. II. L.
Die neueste Erfindung auf dem Gebiet des Telephouweseus, an der man schon ziemlich lange gearbeitet hall«, besteht darin, daß es jetzt möglich ist. drei oder mehr Personen, auch wenn sie sich in verschiedenen Städten oder sogar Ländern aufhalten, miteinander zu verbinden, so daß sie imstande sind, eine Unterhallung zu mehreren zu führen. Damit ist das Telephon seiner Bervollkomm. nung einen wesentlichen Schritt näher gerückt. Ein Haus aus Zeilungspapier ist in Massachusetts erbaut war- den. Für den Bau find 6SOOO Tageszeitungen und etliche tausend Zellschriften verwendet. Die Außenwände bestehen aus 215 Schichten Papier , die äußerste Schicht ist mit Firnis präpariert. Die Er- bauung dos Hauses hat acht Jahre in Anspruch genommen. Berontworllich tili Politik: Viktor Schi!!: Wirtschaft: S«linaelhSfkr: Scwcrlschoftsbkwkaunq: 2. St-iuer! isouilleton: Dr. Job» S»iiowski- Lokzlrz und sonstiger: t?riti»arstödt: An,kl�:n: Dh.«lock«: sämtlich in Berlin . Berloa: B-rwärts-B-rla«®_ m b. L-. Berlin . TrilS: BormSrt-.Buchdruckkrri und Bcrl<r-?«nst»It Paul Sinaer u.<5>>.. Berlin SW SS, LmdmlKaS» S. $ki3S 2 Beilage«.