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BERLIN Dienstag 17. November

1931

ICC sid

Der Abend

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Ehrenliste der Unschuldslämmer

Material für die Ministerkonferenz

Die Innenminister der deutschen Länder sind heute beim Reichsinnenminister Groener ber­sammelt. Sie sollen Stellung nehmen zu den politi­schen Tagesfragen, besonders aber zu der Frage, wie dem politischen Terror und der zunehmenden Gewalttätigkeit begegnet werden kann.

Die Presse der ,, Harzburger Front" bemüht sich krampfhaft, die ,, rauhen Krieger" Hitlers als die unschuldigen Lämmer hinzustellen, die von Reichs­bannerleuten und Kommunisten schuldlos überfallen und mishandelt wurden. Wir bringen im nachstehen­den eine Liste von Gerichtsurteilen gegen Nationalsozialisten, die meistens die meistens wegen brutaler Gewalttaten verurteilt wurden. Diese lange Liste erstreckt sich auf nur sieben Mo­nate. Sie kann auf Vollständigkeit leider keinen Anspruch machen.

Mai.

Das Gericht in Hamburg verurteilt fünf Nazis zu Ge. fängnisstrafen von zwei und einem Monat. Die Angeklagten hatten am 3. Februar vier Spiegelscheiben des Konsums Produk­tion" eingeworfen.

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Der Schnellrichter in Wiesbaden verurteilt den Nazi Koh! zu vier Monaten Gefängnis, weil er den Redakteur Quint von der Boltsstimme" in Wiesbaden ohne Veranlassung belästigt und zu Boden geschlagen hatte.

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Der Nazi Dräger aus Lauenburg wird megen Vergehens gegen das Republifschutzgesetz an Stelle einer verwirkten Gefängnis­strafe von einem Monat zu der lächerlichen Geldstrafe von 100 m nerurteilt. Dräger hatte die schwarzrotgoldene Fahne als die Fahne des Betrugs und Verrats" bezeichnet.

Das Erweiterte Schöffengericht in Breslau verurteilt den Nazi Herden wegen Vergehens gegen das Republifschutzgesetz zu der Strafe" von 210 M. Herden hatte behauptet, daß die Republik vor 12 Jahren durch Meineid und Verrat gegründet worden set". Das Schwurgericht in Im verurteilt das Mitglied der Nazis, Fromm, wegen Raubes, Diebstahls und versuchten Mordes zu 3 Jahren und 6 Monaten Gefängnis. Fromm hatte sich das zur Beschaffung seiner SA.- Ausrüstung notwendige Geld von einem Kameraden geborgt, diesem später den Schuldschein geraubt und dann versucht, den unbequemen Mahner durch einen Bistolenschuß zu erledigen. Der Vater Fromms , der Bürgermeister in Beiningen ist, führte vor Gericht aus, daß sein Sohn bis zum Eintritt in die nationalsozialistische Partei rechtschaffen gewesen wäre, seit er der SA. angehöre, habe er jeden Einfluß auf ihn verloren.

Juni.

Trauerfeier für Bartels Sauptfeind: die Sozialdemokratie!

SPO

Im Krematorium Gerichtstraße

Neue Blutschuld!

Hakenkreuzüberfall auf Reichsbannerleute.

Breslau , 17. November.( Eigenbericht.) In Würben, Kreis Chlau, wurde der Reichs Das Münchener Strafgericht verurteilt fünf Hitlerburschen bannermann Schinke von einem National. zum 1. März eine Gesellschaft von Männern und Frauen über Zusammenbrechend rief Schinke um Hilfe. Daraufhin zu 3 Wochen bis 16 Monaten Gefängnis. Sie hatten in der Nacht sozialisten überfallen und niedergeschlagen. fallen und dalet den Maschinisten Engel durch einen Messer- schoß ein anderer Nazi blindlings aus einem Gutshof auf stich in die Lunge lebensgefährlich verletzt. Als Engel zu herbeieilende Reichsbannerleute. Drei wurden ver= sammengebrochen war, traten die Rohlinge auf dem Schwerverletzten lett und mußten ins Breslauer Krankenhaus geschafft herum und brachten ihm noch klaffende Kopfwunden bei. n ihm noch flaf Juli.

Das Schöffengericht in Burg auf Fehmarn verurteilt den Nazi Kleingarten. megen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverlegung in fünf Fällen und Vergehens. gegen das Gesetz wegen Waffenmißbrauch zu fünf Monaten Gefängnis. Das Gericht bezeichnete das Verhalten des Kleingarten als eine boden­lose Roheit und brutale Handlungsweise.

werden.

Hessischer Landtag am 3. Dezember. Die Hitler Partei will den Präsidenten stellen.

Darmstadt , 17. November.( Eigenbericht.) Der neue Hessische Landtag tritt am 3. Dezember zu seiner tonſtituierenden Sitzung zujammen. Die Nazis bean Das Schöffengericht Köln verurteilt den Führer einer Nazi- spruchen für sich als stärkste Fraktion das Amt des Prä­Sturmfolonne namens Winkelfemper zu 6 Monaten Gefängn's. W. hatte im März mit anderen Nazis in einem Vorort von Köln eine Zentrumsversammlung gesprengt und bei diejer Gelegenheit ein Muttergottesbild geschändet.

aus

Das Erweiterte Schöffengericht in Röslin verurteilt den nationalsozialistischen Wanderredner Jungbluth Schwerin megen Bergehens gegen das Republitschußgefeß und Beleidigung zu 3 Monaten Gefängnis und 100 M. Geldstrafe.

Das Dortmunder Schöffengericht verurteilt den Nazi Barth wegen verbotenen Waffenbefizes zu 2 Monaten Gefängnis.

Das Schöffengericht in Dresden verurteilt den Nazi Haupt­vogel wegen schweren Landfriedensbruchs, gefährlicher Körper­verlegung, Bergehens gegen das Republikschutzgesetz zu 9 Monaten Gefängnis, die Razis Leided und Peters wegen gemeinschaftlichen ( Fortlegung auf der 2. Seite.)

sidenten.

Mit dem Meffer auf den Direktor. Ueberfall auf den Direktor des Dresdener Arbeitsamtes. Dresden , 17. November.

Am Montagnachmittag betrat ein Angestellter des Dresdener Arbeitsamts das Büro des Arbeitsamtsdirettors Dr. Nerschmann, um ihn wegen eines dienstlichen Tadels zur Rede zu stellen. Im Berlaufe der Unterredung 30g der Angestellte plöglich ein Dolchmesser und verlegte den Direktor am linken Arm. Herbeieilende Angestellte des Arbeitsnachweises überwältigten den Täter und übergaben ihn der Polizei. Direktor Rerschmann fonnte sich in häusliche Pflege begeben.

Die Antwort der Roten Fahne".

Unter der Ueberschrift Die Einheitsfront, die siegen wird. Statt einer Antwort an Herrn Breitscheid" ver­öffentlicht die ,, Rote Fahne" eine grundsägliche Auseinander­setzung über das Thema Sozialdemokratie, Faschismus und KPD . Sie kommt dabei zu dem Ergebnis, daß nicht der Faschismus, sondern die Sozialdemokratie der Hauptfeind ist. ,, Es wäre ein Berbrechen, den Ernst der faschistischen Ge­fahr irgendwie zu verkleinern", sagt die ,, Rote Fahne", um ein paar Zeilen weiter unten auseinanderzusehen, daß es eine faschistische Gefahr überhaupt nicht gibt. Denn:

Der Brüningsche Faschismus ist um kein haar besser, als der Hitlersche Faschismus. Brüning und Groener unterscheiden sich prinzipiell in feiner Weise von Hitler und Hugenberg. Sie vertreten die gleichen Inter­effen des Finanzkapitals, die gleichen bürgerlichen Klasseninteressen im schonungslosen Kampf gegen die Arbeiterschaft. Brüning und Groener sind den Hitler und Hugenberg nur dadurch über­Legen, daß fie die Notwendigkeit begreifen, die Sozialdemokratie zur Entrechtung und Berelendung der Arbeiterklasse bis zum Aeußersten auszumuzen.

Alfo, ob Brüning und Groener oder Hitler und Hugen­berg. regieren, interessiert die Rote Fahne" faum. Das eine mie das andere ist für sie Faschismus". Ja, Brüning und Groener sind als Faschisten" den Hitler und Hugenberg sogar ,, überlegen". Muß man daraus nicht folgern, daß Hitler und Hugenberg für die Arbeiterklasse gegenüber Brü­ning und Groener eigentlich noch das fleinere Uebel sind?

Die Rote Fahne " beschäftigt sich dann mit der Darm­ städter Rede des Genossen Breitscheid und bezeichnet sie als ,, ein schlaues Spiel". Aber die ,, Rote Fahne" ist weit davon entfernt ,,, auf diese Leimrute zu friechen". Und nun geht es folgendermaßen los:

Der Beschluß des Zentralfomitees gegen den individuellen Terror wurde nicht gefaßt, um Wels und Breitscheid einen Gefallen zu erweisen, sondern um alle Fehler und Dummheiten auszumerzen, die uns daran hindern,

den vernichtenden Stoß gegen die Partei der Wels und Breitscheid

zu führen. Unsere Stellungnahme gegen alle opportunistischen terroristischen Abenteuer bedeutet feine Abweichungen und den Kapitalismus und seine Stüze, die Sozialdemokratie. Abschwächung, sondern die allerſtärkste, rücksichtsloseste, unerbitt­Sozialdemokratie muß politisch geschlagen werden, damit die deutsche

lichste Verschärfung unseres revolutionären Massenkampfes gegen

Die

Arbeiterklasse frei werde, damit der Faschismus vernichtet werden fann. Die Sozialdemokratie ist unser Hauptfeind im Proletariat.

Gegen die Sozialdemokratie führen wir den Hauptschlag

in der gegenwärtigen Periode des Klassenkampfes.... Darum antworten wir auf das neueste Manöver des Partei­vorstandes: Keine Spur von Glauben, kein Haar breit Vertrauen den Erklärungen der Wels und Breitscheid , die in 13 Jahren bis auf den letzten Reft gezeigt haben, wer fie find! Berschärfung des Kampfes gegen die Sozialdemokratie auf der ganzen Linie!

Wir fassen zusammen. Mit der Begründung, ob Brüning- Groener oder Hitler- Hugenberg sei gleichgültig, ja Brüning- Gröner seien wohl noch schlimmer, erklärt sich die ,, Rote Fahne", am Rampfe gegen die Front von Harzburg desinteressiert. Der vernichtende Stoß" gilt nicht ihr, sondern der Sozialdemokratie. Der gegen die Sozialdemokrate. Hauptfeind" ist nicht der Faschis­Hauptschlag" geht nicht gegen Hugenberg und Hitler , sondern Sozialdemokrate. ,, Hauptfeind" mus, sondern die Sozialdemokratie.

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Die Rote Fahne " bleibt damit der Politik jenes 9. August treu, an dem ihre Rotfrontleute mit Stahlhelm und S2. zusammen gegen Otto Braun und Severing zum Boltsentscheib aufmarschierten.