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BERLIN Freitag 20. November

1931

Der Abend

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Nr. 544

B 272 48. Jahrgang

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Bankdirektor Seiffert geflohen

Trotz polizeilicher Ueberwachung seiner Villa

Im Zusammenhang mit der Zahlungseinstel. Iung der Berliner Bank für Handel und Grundbesik ist von der Staatsanwaltschaft 1 Berlin gegen den Vor­stand Seiffert ein Ermittlungsverfahren wegen Bilanzverschleierung, Konkursvergehens und ab. fp sichtlichen Handelns zum Nachteil der Gesellschaft ein­gleitet worden. Die Geschäftsbücher der Bank sind sichergestellt.

Hitlers Tank.

Seiffert ist nicht aufzufinden. Die Staats­anwaltschaft hat die Fahndungsmaßnahmen eingeleitet. o Der Zusammenbruch der Berliner Bank für Handel und Grundbesitz hat durch das Verschwinden des Haupt­schuldigen, des 43 Jahre alten Direktors Seiffert, jetzt noch eine besonders sensationelle Wendung genommen. Seiffert ist seit

Drei Agrarier ftreifen.

Sie wollen nicht mehr Wirtschaftsbeirat sein.

Die drei landwirtschaftlichen Mitglieder des Wirtschaftsbeirates san der Reichsregierung, Präfident Dr. Brandes. der Präsident des Deutschen Landwirtschaftsrates. Rittergutsbesiger von Oppen­Dannenwalde, Präsident der Brandenburgischen Landwirtschafts­fammer, und Dr. Holtmaier von der Bereinigung der Deutschen Bauernvereine, haben seit Donnerstag an den Sihungen des Wirt­fchaftsbeirates der Reichsregierung nicht mehr teilgenommen.

Sie haben in einem Schreiben an den Reichspräsidenten diesen

HEIL HITLER

DENK FAULHEIT

ELORATZ

schwerde darüber geführt, daß die preußischen Polizeibehörden ihn in seinem Kampf gegen die Verrohung der politischen Sitten" mur mangelhaft unterstüßt hätten. Klagges habe daher in erster Linie jene sozialdemokratische Presse im Auge gehabt, die die unerhörtesten Falsch und Lügenmeldungen über die hiesigen Borgänge am 17. und 18. Oktober verbreitet hätte. Schließlich noch hätte ausge= rechnet der jetzige Naziminister auf der Konferenz die Behauptung aufgestellt, in Braunschweig sei die Meinungsfreiheit der Beamten besser geschützt als in Preußen.( Die vielen wegen ihrer Zugehörig­feit zur Sozialdemokratischen Partei entlassenen und ge= maßregelten Beamten können ein Liedchen von dieser ,, Meinungsfreiheit" unter einem Raziminister singen.).

Verkehrsprüfung geht weiter.

Entscheidung über die Einschränkungen nächste Woche.

Die Untersuchung des Polizeipräsidiums über den Umfang und die Tragbarkeit der von der BBG. geplanten Verkehrseina ichränkungen zieht sich länger hin, als ursprünglich auge nommen wurde. Es hat sich die Notwendigkeit herausgestellt, nicht nur jede einzelne Linie, die von den Maßnahmen betroffen werden wird, eingehend auf ihre Frequenz ufm. zu prüfen, sondern auch Feststellungen allgemeiner Art über den Spizenverfehr bei allen Berliner Verkehrsbetrieben zu treffen und dabei zu untersuchen, mie sich die Verhältnisse auf den betreffenden Verkehrsmitteln mutmaß­lich nach Durchführung der geplanten Einschränkungen gestalten merden.

Schritt eingehend damit begründet, daß die Arbeiten des Wirt- Des Spießers Geistesnacht- ift Hitlers Weg zur Macht! Antrag, wie er dem Polizeipräsidium vorliegt, von vornherein Ein­schaftsbeirates fich in Einzelheiten und Kleinigkeiten verlören, ohne daß bisher an die Ausgestaltung eines einheitlichen und erfolgver­sprechenden Programms herangegangen wäre. Herrn Brüning haben die Streifenden mündlich unterrichtet.

Es handelt sich bei dem Ausscheiden der drei Agrarier in der Hauptsache darum, daß sie eine allgemeine Zinssenfung für land­wirtschaftliche Hypotheken verlangen. Hiergegen haben sich die Ver­treter der Banten , namentlich der Landschaften und Hypotheken­banken gewandt, die eine weitere Erschütterung des Pfandbrief- und Hypothekenmarktes durch ein solches Vorgehen voraussagen.

gestern aus Berlin verschwunden. Nach den Aussagen seiner An gehörigen hat er einen Revolver bei sich. Hieran wird nun die Vermutung geknüpft, daß sich S. das Leben nehmen werde. Man glaubt jedoch, daß der Flüchtige, der über einen Auslands paß verfügt, versuchen wird, die Grenze zu überschreiten. Vielleicht ist ihm das schon gelungen, denn es scheint, daß Seiffert bereits gestern mittag Berlin verlassen hat.

Wie wir erfahren, war die Flucht des Beschuldigten, um es gerade heraus zu sagen, nur durch die Larheit der Behörden mög­lich. Bereits vor drei Wochen war bei den maßgebenden Stellen die bevorstehende Zahlungseinstellung der Bank für Handel und Grundbesitz bekannt. Aber erst in den gestrigen späten Nachmittags­stunden wurde die Staatsanwaltschaft I um entsprechende Maß­nahmen gebeten. Es wurde sofort ein Ermittlungsber fahren wegen Bilanzverschleierung, Konkursvergehens und absichtlichen Handelns zum Nachteil der Gesellschaft eingeleitet. Gleichzeitig wurden sämtliche Geschäftsbücher der Bank sichergestellt. Um ein Entweichen des Bankdirektors aus seiner Lichterfelder Villa in der Augustastraße 23 unmöglich zu machen, wurde von der Staatsanwaltschaft I noch am gestrigen Spätnachmittag die Bewachung und Beobachtung des Hauses angeordnet. Leider fam die Behörde mit dieser Maßnahme zu spät.

Die Beamten der Staatsanwaltschaft bewachten ein leeres Nest, Direktor Seiffert hatte breits das Weite gesucht.

gesetzt worden. Es ist ein Steckbrief erlassen worden. Sollte Seiffert sich nicht schon jenseits der Landesgrenzen befinden, so dürfte mit seiner baldigen Verhaftung zu rechnen sein.

Vor der geschlossenen Bank.

=

ander

Das Hauptgebäude der Berliner Bant für und Grundbesitz in der Kaiser Wilhelm- Straße Ede Spandauer Straße ist seit heute morgen geschlossen, die Gittertür sperrt den Eingang, die Gitterfenster find heruntergelaffen. Mehrere hundert Menschen haben sich angesammelt und stehen und debattieren noch um die vierzehnte Stunde, dem Außeren nach zu meist Hausbefizer, viele ältere Männer darunter, dann zahlreiche Kleingewerbetreibende, Besizer von fleinen Gemüsegeschäften oder Bosamentierläden. Schußpolizisten patrouillieren auf und ab, aber sie haben keine Veranlassung, einzuschreiten. Die Geschädigten find aufgeregt, erbittert, empört, aber sie randalieren nicht. Eine afte Frau weint um ihre 300 Mart, die sie einzahlte.

steht:

An allen Fenstern ist ein Zettel angebracht, auf dem zu lesen ,, Unser Institut hat heute die Schalter geschlossen. Die Reichs­regierung hat die erforderlichen Maßnahmen ergriffen, um eine ruhige Abwicklung der Bank zu gewährleisten. Es ist beabsichtigt, die Abwicklung durch die Dresdner Bank vornehmen zu lassen. Die Reichsregierung wird zu diesem Zweck der Dresdner Bant eine größere Summe zur Verfügung stellen, um mit ihrer Hilfe eine Vereinbarung mit den Kreditoren der Bank über die Art der Abwicklung herbeizuführen.

Bank für Handel und Grundbesitz A.-G."

Die Menschen lesen es, aber sie glauben nicht daran. Einer meint: ,, Wo soll denn die Reichsregierung überall helfen? Sie hat doch selber nichts!", und einem Journalisten, der sich die Erklärung der Bank abschreibt, wird gesagt: Das schenken Sie sich nur! Das ist doch nur alles Schwindel!"

Vertraulichkeit und Klagges.

Dabei muß noch immer betont werden, daß die BVG. in ihrem sagwagen und-züge für die Zeiten des Spißenverkehrs zum Ausgleich für einzusparende Linien in Aussicht gestellt hat, daß sie also nicht, wie von anderer Seite behauptet wird, erst jetzt auf Grund der Prüfung des Polizeipräsidiums dahingehende neue Vorschläge gemacht hat. Die Befürchtungen bezüglich einer weitgehenden Um­schichtung des Verkehrs von der Straßenbahn auf die U- Bahnen scheinen auch übertrieben zu sein, da in den meisten Fällen die Einsparungen in Stadtteilen erfolgen, die für den U- Bahn- Verkehr gar nicht in Frage fommen. Der Polizeipräsident wird aber die jezigen Feststellungen über die Berliner Berkehrsverhältnisse viel­leicht dazu benutzen, um seinerseits der BVG. Vorschläge über die Besserstellung gewisser benachteiligter Stadtteile zu machen. Entscheidung über das Einschränkungsprogramm wird erst Ende der nächsten Woche gefällt werden.

Die

Kürzung der hohen Pensionen.

Beratungen im Haushaltsausschuß.

tags steht eine Reihe Plenaranträge über Pensionstürzun Auf der Tagungsordnung des Haushaltsausschusses des Reichs­gen, im besonderen die sozialdemokratischen Forde rungen nach einem ernsthaften Bensionstürzungsgefeß. Roßmann( Soz.) als Berichterstatter einen allgemeinen Ueber­Auf Vorschlag des Vorsitzenden Heimann ( S03.) gibt Abg. blick über die derzeitigen Pensionsverhältnisse und über die Anträge.

Im

Praktisch wurde die Pensionsfürzung zum ersten Male durch die Personalabbauverordnung vom Oktober 1923( auf Be­treiben sozialdemokratischer Regierungsmitglieder) vom Kabinett Stresemann durchgeführt. Danach wurde die Pension gekürzt resp. gestrichen, sobald Privateinkommen vorhanden war. Jahre 1925 wurde unter dem deutschnationalen Finanzminister v. Schlieben jene Pensionskürzung gegen die sozialdemokratischen und kommunistischen Stimmen wieder aufgehoben. Im Frühjahr 1930 tam die Pensionstürzungsfrage endlich wieder in Fluß. Es fam zu einem sozialdemokratischen Initiativgesehentwurf.

Er wurde nicht endgültig erledigt, weil die Auflösung des Reichstages fam. Seither ist in der dritten Notverordnung vom 6. Oftober 1931 von der derzeitigen Reichsregierung eine Pensions­fürzung vorgenommen worden, aber sie bedeutet praktisch nur

Als heute früh zur Festnahme Seifferts geschritten werden sollte, Berdächtige Mitteilungen aus der Innenminifterfonferenz. einen Bersuch der Beruhigung der öffentlichen Meinung, ohne

war er spurios verschwunden. Die Vermutung liegt nahe, daß schon wenige Tage nach der unumstößlichen Tatsache der Zahlungs unfähigkeit der Bank Direktor Seiffert in Vorausahnung der kommenden Dinge für eine wohlvorbereitete Flucht gesorgt hat. Die Angelegenheit mit dem Revolver ist doch zu durchsichtig, als daß die Behörden auf diesen Bluff hineinfielen.

Jedenfalls sind heute früh durch Polizeifunt sämtliche Polizei- und Grenzstationen von der Flucht Seifferts in Kenntnis

Auch die

heiten aus

Braunschweigische Landeszeitung" bringt

ein ernsthafter materieller Eingriff in die hohen Pensionen zu sein. Das jezige Pensionsrecht ist nach wie vor sehr großzügig. Die Forderung der Anrechnung von Bezügen aus Brivateinkommen auf hohe Pensionen ist in solcher Notzeit wie heute berechtigt. Jetzt verlangt die Boltsmeinung einen besonders tiefen Schnitt, das fönne man bedauern, es erkläre sich aber daraus, daß nicht schon früher etwas geschehen sei.

Braunschweig , 20. November.( Eigenbericht.) Auch die Braunschweigische Landeszeitung" bringt offen. fundig auf Informationen von Klagges fußend Einzel. der vertraulichen Innenminister fonferenz. Dem Hakenkreuzblatt zufolge ist Braunschweig wiederholt Gegenstand der Aussprache gewesen. Weil Severing Weil Severing bei der Berurteilung der Terrorafte in einem Atemzuge Nazi und Kommunisten genannt habe, sei er von Klagges ,, gebührend zurüd- In der Agitation wird im besonderen von den National­gewiesen" worden. Der braunschweigische Innenminister habe Be sozialisten gegen die hohen Pensionen viel ges