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Rr. 545 48. Jahrgang 1. Beilage des Vorwärts

Seiffert jenseits der Grenze?

Vor wenigen Tagen noch 150000 Mark flüssig gemacht!

Die letzten Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und der Polizei über das plöhliche Verschwinden des Direktors Seiffert der Berliner   Bant für Handel und Grundbesitz lassen bereits jetzt m ziemlicher Klarheit erkennen, daß Seiffert ins Ausland geflüchtet ist. Man glaubt nicht recht an die angeblichen Selbst­inordabsichten Seifferts, denn der Flüchtige ließ vor wenigen Tagen 150.000 m. abheben, welche Summe er zum großen Teil bei fich tragen dürfte.

Von den Grenzstellen, die sämtlich durch Polizeifunk von der Flucht Seifferts in Kenntnis gesetzt wurden, ist bisher keine Meldung über das Auftauchen des Gesuchten eingelaufen. Die Hoff­nung, ihn beim Grenzübertritt zu fassen, ist sehr gering. Seiffert hatte einen zu großen Vorsprung und es ist sehr wahrscheinlich, daß er zu der Zeit, als man sich in Berlin   über den Steckbrief und über den Erlaß eines Haftbefehls schlüffig wurde, lange die Grenze hinter sich hatte. Bekannte Seifferts glauben, daß er sich nach der Schweiz   gewandt hat.

Der Herr Bankdirektor leble nach den neuesten Feststellungen weit über seine Berhältnisse,

tie Unterhaltung der Villa in der Augustastr. 23 in Lichterfelde  fofiete viel Geld und auch sonst hatte Seiffert sehr noble Passionen, die mit seinem Einkommen nicht in Einklang zu bringen woaren. Außerdem soll S. bei Oranienburg   ein Landgut und bei Rheinsberg   sogar ein Rittergut befizen. Die Nachforschungen

der Behörden über die Besitzverhältnisse sind aber noch nicht ab­geschlossen Gerade in den letzten Monaten war es aufgefallen, daß die zusammengebrochene Bank eine ungewöhnliche Pro­paganda entfaltete. Filialen schossen in allen Stadtteilen wie Pilze aus der Erde. Wo sich nur in einer geschäftsreichen Gegend ein leerer Laden bot, trat die Grundbesitzerbank auf den plan und baute die Räume aus. Bedauerlicherweise haben sich gerade in der letzten Zeit nahezu 2000 neue Kunden, meist Hausbesizer, Lehrer und auch kleine Beamten einfangen lassen, die ihre Spargroschen bei der Bank gut aufgehoben glaubten, und nun eine furchtbare Enttäuschung erleben.

Sonnabend, 21. Rovember 1931

trages von Goldpfandbriefen gesichert, so daß aller Boraussicht nach ein Verlust nicht eintritt.

Die aktienmäßige Beteiligung, die seit Jahren in der Bilanz des Berliner   Pfandbriefamtes schon auf den Wert von 1 M. abgeschrieben ist, ist allerdings gefährdet. Ein bilanz­mäßiger Verlust tritt auf Grund der erwähnten Abschreibung hin­sichtlich der nominell 100 000 m. betragenden Beteiligung also nicht ein.

Die Depotunterschlagungen bei dem Bankgeschäft Marcus u. Co. in der Jägerstraße. Die annähernd Mil­Staatsanwaltschaft I gegen die Inhaber des Bankgeschäftes lionen betragen sollen, haben jetzt zu einem Verfahren der dieses Jahres hatte das Bankgeschäft plöglich die Zahlungen einge­wegen Verdachts der Depotunterschlagung geführt. Am 5. Oftober stellt. Ein Vergleich scheiterte und das Unheil nahm seinen Lauf.

Die Staatsanwaltschaft 1 iſt bemüht, das umfangreiche Bücher Mutter und Kind in den Tod.

material schnellstens zu überprüfen. Mehrere Revisionsbeamte arbeiten ununterbrochen an den Büchern und man hofft bereits heute mittag soweit zu sehen, daß man erklären kann, inwieweit noch andere Personen an dem Zusammenbruch Schuld tragen.

Stadt Berlin   nicht geschädigt.

Die Zahlungseinstellung der Berliner Bank für Handel und Grundbesitz A.-G. hat auf die Stadt Berlin   und ihre Institute keinerlei Rüdwirkung, da die Stadt an dieser Bank in leiner Weise beteiligt ist. Ein Guthaben des Berliner   Pfandbrief­amtes das übrigens eine völlig selbständige unter Aufsicht des Magistrats stehende Einrichtung ist bei der Hausbefizerbank ist durch pfandweise Sicherstellung mittels eines wesentlich höheren Be­

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Kasperle in der Schule

Die Gustav Stresemann   Schule in Adlershof  | gleich fie als Rahmen für das luftige Kasperleftüd dem Raum eine zeigte in einer Zeichenausstellung die Ergebnisse dieses festliche Note gaben. Das Puppenspiel, von Schülern felbft Unterrichts. Eine Fülle von Arbeiten aus den verschiedensten Ge- verfaßt, mar Höhepunkt der Ausstellungseröffnung. Kasperle als bieten des Kunstunterrichts, Erfolge in Wettbewerben, Arbeiten von Studien­Das Puppentheater in der Gustav- Stresemann- Schule. fahrten gaben einen lleberblick über die Arbeit des letzten Jahres. Auch. diese Ausstellung gibt einen Einblick in moderne Erziehungsarbeit, die die schöpferischen Kräfte der Schüler als Ausgangspunft für ihre pädagogischen Ziele nimmt. Auch hier zeigt sich, wie der Zeichenunterricht der Schularbeit neue Wege weist.

Die Ausstellung litt etmas unter 3uviel an Arbeiten. Be­schränkung auf die wirtlich guten und für Schüler charatteristischen Zeichnun gen wäre besser gewesen. Wenn nun cinmal die Deffentlichkeit eingeladen wird, erscheint es nicht zweckmäßig, un­bedingt von jedem Schüler etwas aus: zustellen. Es war auch etwas lieb­los" gehängt; die einzelne Zeichnung fam nicht zur Geltung. Es fiel auf,

daß von älteren Schülern viel Karikaturen gezeichnet wurden, die gute Kinderzeichnung wirkt zwar auf den Erwachsenen oft als Kari­tatur, ist aber nie als solche vom Schüler beabsichtigt, sondern mit heiligem Ernst wird versucht, die Natur wiederzugeben. Karikaturen von Kindern sind meistens mehr oder minder geschickt irgendwelchen Vorbildern nachgeahmt. Und das zeigte sich auch hier. Auch die großen Wanddekorationen in der Aula hatten etwas davon, wenn­

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Familie Lovist

Roman Den Eife Mobus

Walter sitzt angezogen an seinem Tisch. Er sieht grau und übernächtigt aus. Teilnahmslos blickt er den Eintreten den entgegen.

Der eine Beamte tritt auf ihn zu.

Herr Loriot  , Sie sind heute Nacht in die Wohnung des Direktors Spruther eingedrungen, haben die Sicherungen her­ausgeschraubt, das Telephon abgeschnitten, find in das Zimmer des Sohnes eingedrungen und haben Ihren Freund mit dem Revolver bedroht!"

Der junge Mensch sieht schweigend vor sich nieder. Aber das ist doch Unsinn! Ich bin selbst gestern mit ihm in sein Zimmer gegangen, und wir haben noch bis Mitternacht geplaudert", jagt Germaine.

Aber Walter sieht sie müde an. ,, Das stimmt schon, Schwesterchen, das stimmt schon. Aber leider stimmt das andere auch!" Er lachte bitter.

Nervös fährt er zusammen, als sich plötzlich die Tür öffnet und die Mutter eintritt. Mit einem Blick scheint sie die ganze Sachlage zu erfassen. Verstört tritt sie auf den Sohn zu. Balter, um Gottes willen! Was ist geschehen! Go sprich doch!" Sie hat ihre Selbstbeherrschung ganz verloren und packt ihn erregt bei den Schultern.

Auch der eine Kriminalbeamte tritt auf den zusammen gesunfenen jungen Menschen zu.

Ja, folgen Sie Ihrer Frau Mutter, Herr Loriot  , sprechen Sie sich aus, sagen Sie uns die Wahrheit! Sie ersparen uns und sich selbst eine weitere Vernehmung auf der Polizei."

Walter hob den Kopf. Ich leugne gar nichts, denn das wäre ja Blödsinn. Es stimmt schon alles, was Sie sagen!" Frau Loriot   schrie laut auf. Aber Germaine stellte sich an die Seite des Bruders.

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Walter ist kein Verbrecher, Mutter, da kannst du wirk­lich beruhigt sein! Er wird schon seinen Grund gehabt haben,

Sterndeuter und Wahrsager", der den König betrügt, zum Tode ver= urteilt wird und schließlich als Sieger und Held dasteht, wird zu einem furzweiligen, die Zuschauer mitreißenden Theaterspiel. Die Schüler als Dichter, Regisseur, Schauspieler, Puppenverfertiger, Bühnenmaler, Beleuchter usw. haben gemeinsam eine Arbeit ge= leistet, deren erzieherischer Wert nicht hoch genug veranschlagt

werden kann.

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menn er seinem sauberen Freund einen Schreck eingejagt hat. Ich gönns ihm ich fonnte ihn nie leiden! Er hat Walter genug belogen. Erst gestern abend hat er mir wieder von ihm erzählt!"-

,, Das Schlimmste weißt du noch gar nicht, Germaine! Er hat mich auch bestohlen!"

Die Beamten tauschten ein verstohlenes Lächeln. ,, Was hat Ihr Freund Ihnen denn gestohlen? Herr Loriot!" Walter sah mit zusammengepreßten Lippen von einem zum andern.

Ich glaube, Sie machen sich über mich lustig, meine Herren", sagte er ,,, und vielleicht haben Sie recht damit. Heute mürde ich es wohl auch anders anpacken! Aber die Ent­täuschung heute nacht war zu groß! Ich war überhaupt nicht mehr ich selbst!"

Aber so sprich doch endlich!" drängte Frau Loriot  . Der Junge nahm eine Anzahl von eng beschriebenen Aftenbogen und Zeichnungen, die vor ihm auf dem Tisch lagen, zur Hand. Dann reichte er sie seiner Schwester. Ich will Ingenieur werden, meine Herren", sagte er leise. Die Maschinen sind meine größte Freude. Und nun arbeite ich seit Monaten an einer Sache es handelt sich um eine Erfindung, die die Geschoßrichtung der Torpedos an den Unterseebooten betrifft und auf dem magnetischen Feld der Kräfte beruht. Hier sind die Zeichnungen und die Berechnungen!" Er deutete auf die Blätter in der Hand Germaines. Mag war der einzige, der davon wußte. Ich traute ihm oft nicht, aber er heuchelte immer wieder eine folche Begeisterung, bis ich ihm alles zeigte und erklärte. Gestern früh habe ich den letzten Federzug getan, heute wollte ich alles an die Oberste Heeresleitung abschicken, um es von Fachleuten prüfen zu laffen. Und heute Nacht, als Germaine gegangen war, wollte ich nochmals alles durchsehen und mich daran freuen." Er warf den Kopf in beide Hände.

,, Als er gestern abend hier war, da hat ihn Germaine allein in mein Zimmer gehen lassen, weil er fagte, er wollte mir eine Weihnachtsüberraschung auf den Tisch stellen. Diesen Augenblick hat er benutzt, um mir die Arbeit zu stehlen. Er allein wußte, wo sie in meinem Schreibtisch lag. Er hat auch die ganzen Vorarbeiten mitgenommen- alles! Als alles! Als ich das erste Erschrecken überwunden hatte, da blieb mir mur noch der eine Gedanke, fofort hinzugehen und mein Eigen­tum wieder zu holen."

,, Aber warum haben Sie die Sicherungen herausge­

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Verzweifelte Frau tötet sich und ihr Töchterchen.

Not und Verzweiflung trieben die 31 Jahre alte Frau Lina Büttner mit ihrer acht Jahre alten Tochter Anni in den Tod.

Frau Büttner wohnt im 2. Stock des Seitenflügels in der Arndt­straße 18. Hausbewohner hatten seit Sonnabend die Frau nim mehr gesehen und das Kind war nicht zur Schule gegangen. Die Polizei öffnete am Freitagnachmittag die Tür und fand beide im Wohnzimmer auf dem Ruhebett liegend tot auf. Auf dem Tisch stand eine Tasse, in der noch ein weißliches Pulver war. Anscheinend hat die Frau für sich und das Kind eine größere Dosis zubereitet, und diesen schweren Schlaftrunk eingenommen. Frau Büttner war bis vor drei Jahren noch als Hausmädchen im Besten Berlins   in Stellung. Sie gab dann diesen Posten auf, um ihre Tochter, die bei der Großmutter in Ostpreußen   war, zu besuchen. Vor zwei Jahren kam sie wieder nach Berlin   zurück. Seit der Zeit ging es ihr sehr schlecht. Sie fonnte feine Arbeit mehr finden. Dazu tam noch, daß sie schwermütig veranlagt war. Sie konnte Kindes, fie verlassen hatte und eine andere Frau geheiratet hatte. es nicht überwinden, daß ihr früherer Verlobter, der Vater des Der Tod muß bereits vor mehreren Tagen eingetreten sein. Die Leichen wurden beschlagnahmt und ins Schauhaus gebracht.

Selbstmordversuch bei Schultheiß- Patzenhofer.

In einem Verzweiflungsanfall brachte sich gestern nachmittag die 42 Jahre alte Witwe Adele Graf aus der Kastanienallee in der Zentrale des Schultheiß- Bazenhofer- Konzerns in der Roon­straße 6/8 aus einer Pistole einen lebensgefährlichen Schuß in die Herzgegend bei. Die Unglückliche fand in der nahegelegenen Charité Aufnahme.

Frau G. hatte von der Brauerei in der Kastanienallee ein Restaurant gepachtet. Infolge schlechten Geschäftsganges mar Frau G. mit ihren Zahlungen an die Brauerei in Rückstand ge­raten und vor einiger Zeit war ihr aus diesem Grunde der Defonomievertrag gekündigt worden. Gestern versuchte Frau Graf. durch eine Rücksprache mit der Direktion die Kündigung rüdgängig zu machen und für ihre Zahlungsverpflichtungen Aufschub zu er halten. Frau Graf mußte sich einige Zeit im Wartezimmer auf­halten, da das betreffende Direktionsmitglied durch eine andere Unterredung gerade verhindert war. Als ein zweiter Besucher das Wartezimmer betreten hatte, zog Frau Graf in sichtlicher Erregung plötzlich eine Pistole hervor, setzte den Lauf gegen die Brust und drückte ab. Schwerverletzt wurde Frau Graf in die Charité ge­bracht, wo sie bedenklich daniederligt.

Billiger Sonnabend im 300. Am heutigen Sonnabend kostet ab nur 50 Pf. für Erwachsene und 25 Pf. für Kinder; dieselbe der Eintritt in den Zoologischen Garten bereits von 12 Uhr mittags Ermäßigung gilt für das Aquarium.

schraubt und die Telephonleitung durchschnitten wie ein Räuberhauptmann! Das war eine folossale Dummheit von Ihnen!"-

,, Ich fürchtete, es fönnte jemand aufwachen und die Po­lizei benachrichtigen. Dagegen wollte ich mich sichern wenigstens so lange, bis ich die Arbeit wieder hatte!" ,, Und weshalb nahmen Sie einen Revolver mit, Herr Loriot!"

Das Gesicht Walters verzerrte sich. Er sprang auf und stieß erregt den Stuhl zurück.

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,, Niederknallen wollte ich ihn, den Lumpenferl, der mich so hinters Licht geführt hatte! Aber als ich ihn dann sah, in feinem Bett fein Geficht war so weiß wie sein Kopfkissen, dieser Feigling, vor Angst fonnte er fein Wort heraus­bringen. Er deutete bloß mit den Armen auf seinen Schrank in seiner Hutschachtel hatte er mein Eigentum versteckt. Da pacte mich der Efe!. Nicht einmal eine Ohrfeige konnte ich ihm geben.

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Frau Loriot   weinte vor sich hin. Aber Germaine schlang. ihren Arm um den Hals des Bruders.

Du hast ganz recht gehabt, Wälti, jeder Mensch wird das begreifen können, was du getan host!"

,, Leider sind wir aber benachrichtigt worden", sagte der eine Beamte halblaut. Herr Direktor Spruther hat die Bo­lizei angerufen und Anzeige wegen Einbruch, Sachbeschädi gung und Bedrohung erstattet. Er sagt, sein Junge habe sich nur einen harmlosen kleinen Scherz machen wollen. Sie hätten doch wahrhaftig warten fönnen bis zum Morgen. Dann wäre, Gelegenheit genug gewesen, zu Ihrem Freund zu gehen und Ihre Arbeit wieder einzufordern!"

Aber Walter schüttelte erregt den Kopf.

,, Das ist fein Scherz gewesen, sondern eine Gemeinheit! Das hätte er nicht tun dürfen, gerade das nicht! Bedenken Sie doch, wenn ein Freund Ihnen wochen und monatelang seine größtes Intereffe, seine Bewunderung ausspricht, wenn er an allem teilnimmt, wenn er Sie anspornt und vorgibt, feft von dem Erfolg dieser Arbeit überzeugt zu sein und dann plötzlich so etwas! Nein, das ist niemals wieder gut­zumachen! Aber ich hätte ihm niemals vertrauen sollen es ist mein eigener Fehler gewesen!"

Der zweite Beamte, der bis dahin bei Frau Loriot   ge­standen hatte, nahm einen Stuhl und setzte sich neben Walter. Dann ergriff er seine Hand. ( Fortsetzung folgt.)