Jo rnhaly: ttl ASCOtta
Sie gingen mitten auf der staudüberpuderten Straß«, in lerne- neu Hosen, mit offenen Hemden und weichen Tuchschichcn, che tn« blauen Bändern um ihre nackten Knöchel gebunden waren. Kam ein Auto, o murmelte Max träge:. tn!". woran sie langsam zur Seltc wichen, die Rücken gegen die weißen Kalkmauern preß- ten und den Wagen vorbeiließen. Dann hott« Dick zehn M nuten lang Gelegenheit, den gehaßten Staub in fein abgezirkelten Bogen de Speichel auszuspucken, che Max' Bewunderung erregten und die er nachzuahmen versucht«. Hatten sie so lang« Zeit in der heißen Sanne gestanden und mehr oder minder vorzüglich gespuckt. schlenderten sie wester, barhaupt und ahne«inen anderen Willen als ven, soviel Sonne aufzuschnappen, ol, ihre worinebe&ürftigen Körper aufzunehmen imstande waren. .Sonne!" seufzte Max.„Hast du Sonne, Dick?" „Nein", sagte Dick, dem d«r Schweiß auf der Stirn stand. „Woher denn? In diesem Land., Daraus erregt« ein neuer Berg ihre Äufmerlsameiit, der sich bei einer Wegbiegung wie«in« unerwartet« Kulisse in die Felsen- lanoschaft schob. „Möchte wissen, wer hier Berge aus dem Boden stampft! Weißt du, wieviel Berge es hier gibt?" „Nein." „Wenn man sie vom linken Ufer aus zähst, stnd es acht, vom rechten mindesten» sechzehn." „Schöner See, überhaupt schöner Ort hier. Wunderbar." „Wahrhaftig, ganz schöner Ort. Möchte hier wohnen." „Die Häuser sind mit Rotwein angestrichen", sagt« Dick nach. denklich.„Denk' mal, Max, mit Rotwein. Dersosfene Stadt! Sie tauchen Strohb«s«n in Tonnen mit Rotwein und pinseln alles rosen- rot an. Mächtest du ein Rotwelnhaus haben?" An der Piazza, deren bonbonfarben« Häuser dem Lago mag- giore zugewandt ivaren und von deren Balkongittern Bündel rot- gedörrter Maiskolben hingen, wuschen schwarzgekleidete Frauen Wäsche im See und breiteten sie zum Trocknen über den Quai. Es war genau zwölf Uhr mittags, alle Glocken läuteten, und aus den fernen Ortschaften jenseits des Lago läutete es zurück. Gleichzeitig ertönte» aus Ronco die«rsten Sprengschüss«. Das Echo lief polternd über den sanftbewegten und glasklaren See. Eine Weile ergötzten sie sich an der Versuchung, zu baden. Da sie aber zu saut waren, sich des Hemdes, der Hose und der schwieri- gen Bänderschuhe zum entledigen, setzten sie sich aus Die weitz- gescheuerten Muschelsteine des Lido und sahen über das Wasser nach Italien hinüber. In diesem Zustand träumerischer Aufgelöst- heit waren sie zu träge, um Hunger zu empfinden. „Was machst du da?" sagte Dick und starrte In Max' weit- geöffneten Mund. Max antwortete, daß er seinen Magen sonne, der«In Anrecht guf die Natur habe. ..Mach' ihn zu", befahl Dick schläfrig.„Es ist kein erfreulicher Anblick." „Ich müßt« jetzt eigentlich wütend sein", murmell« Max. fiel ober tn Schlaf und steckte seinen Gefährten damit an, daß«r gleich- falls zu schlafen begann. Als st« fast gleichzeitig die Zlugen öffne- ten, war es ein« gute halb« Stuno« später. Die Sonn« stand jetzt mitten über d«m See. An der Piazza lag«in Lastkahn, in den Baukolk und Stein« geladen wurden. Da» Wasser war mst Sonnenpünktchen betupft, die hin und her sprangen und die Augen blendeten. Ueber den Bergen, dl« da» Tal um- schlössen, hing«in feiner, graublauer Dunst, obwohl der Himmel gänzlich wolkenlos und strahlend blau war. „Wollen gehen", schlug Dick vor, während et sich gleichzeitig Mühsam aufrichtete. Irgendwann müsien wrr wohl«inmal essen." Auf ihren binsengeslochtenen Sohlen, die biegsam waren, gingen s>« ziemlich sicher über die glatten Uferkiesel, ohne zu gleiten, bi» sich der Weg in Privatbesitzen verlor. Staunend sahen sie sich in Gärten, oeren zarte Schönheit sie bezauberte, bis ein Wolfshund lautlos, aber fürchterlich um die Ecke schoß und sie versagt«. Den kurzen Weg bis zum Tor legten sie in Eilmärschen zurück; daß «in Hund ihre Freude an Rosen, Palmen und Chrysanthemen ver- darben hatte, mochte sie verdrießlich, ohne daß sie jedoch imstande gewesen wären, sich ernstlich über vi« Verdrießlichkeit zu ärgern. „Zehn Minuten vor Eins", stellt« Dick fest, als der Kirchturm von Ascona über den rebenumkränzten Mauern auftauchte.„Wollen wir auf dem Monte Verita Mittag essen?" Max, der«ine gestohlene Rose im offenen Hemdausjchnist trug, in die er sein« Nase bisweilen liebevoll versenkte, äußerte hin- sitlich des steilen Ausstiegs vorsichtig« Bedenken. Da aber bequeme Treppen in den Berg geschlagen waren und der schmale Weg Kühlung oersprach, beschlossen sie, den Monte Berita mit äußerster Langsamkeit zu erklimmen. Dick stieg voran. Max folgte ihm, indem er den Knotenstock immer genau zwischen die gespreizten Füße auf die höherliegend« Stufe stellte und das rechte Bein nach- zog. Da er sehr zart war, fühlte Dick ein berechtigtes Mitleid mit ihm und blieb auf jeder dritten Stufe stehen, um ihn zu erwarten, welche Gelegenheit Max ergriss, sofort auf der zweiten Stuf« stehen- zubleiben und anklagend zu Dick emporzublicken. „Mächtest Du dich nicht«in bißchen beeilen?" fragte Dick mit einiger Entrüstung. „Weil ich so klein bin, soll ich mich beeilen", klagte Max. Seine Stimme schnitt Dick ins Herz. So kamen sie in ver Tat nicht schneller vorwärts alz die schwarzen Weinbergschnecken, die vor ihnen über den Weg krochen und eine feuchte Spur durch den Staub zogen. Unter ihnen lag die Stadt mit ihren Schottsrdächern und den beioen schönen Kirchtürmen. Di« herbstlichen Rebhügel glühten gelb. Max blieb stehen, wischte sich mit der Baskenmütze über die Stirn und meint« nach schweigendem Besinnen:„Eigentlich könnten wir wieder runter." „Warum denn?" „Wir könnten ebensogut im Derbano essen." Dick erklärt« sich unter der Bedingung mit dem Vorschlag ein- verstanden, daß er die Kellnerin Pheb« in Großaufnahme photo- graphieren dürfte. Max kam es in den Sinn, sich eben hier, an dieser Stelle, gleichfalls Photographie«» zu lassen, um da» Bild einer Berliner Zeitung mit der Unterschrift zu senden:„Herzliche Grüße aus dem herbstlichen Tessin sendet Max." Dick seufzte, während er bereits die Kamera richtete, visierte und blendete.„Bleib schon stehen, wo du standest; da ist der beste Hintergrund für deine Verrücktheit." Max war zu neugierig, um d«m Zwang widerstehen zu können. einen Blick Über die Schultern zu werfen. AI » er hinter sich einen oertrockneten Bambus riesenlang den Himmel überschneiden und auf dem darunterliegenden See«in« phantastische Silberspur sah, fand er, daß der Landschaftsrohmen semer würdig wäre, und schickte sich an. auf einem Bein zu stehen. Nachdem er das Gleichgewicht einigermaßen gesichert glaubt«, hob er vorsichtig beide Arme über *cn Kopf und lächelt« krampfhast. � „Knips!" flüsterte er angestrengt,„sonst fall' ich." .Wae meinst du: soll ich die Gelbscheibe nehmen?" Knips!!!'......., j
Dick drückte den Hebel herunter, ohne daß Max di« Stellung veränderte. Sie waren sehr zufrieden und begannen den Abstieg. Schon waren ihnen die kleinen Häuser wieder nahe, als es von den Kirchtürmen Eins schlug. Di« Gassen lagen w-c ausgestorben. Auch vor dem Cost Berbano war alles still. Di« Tür stand ein wenig offen, auf der alten Steinschwell« sonnte sich eine Kotze. „Bon schiorno, Sinjorina Phabe!" grüßt« Dick die Katze, indem er sich mst mnem listigen Zlugenblinzeln vor ihr verneigt« Er wußte genau, daß die schwarze, magere Kellnerin sie hinter der Glastür beobachtet«; tatsächlich ertönte gleich Sarauf ihr Gelächter Um dies« Stunde gab es in Verbano imr einige Fuhrleute und Arbstter. di« nahe den Fenstern in Gruppen a» den Holztischcn sahen und die Straße Im Auge behielten. Su sprachen mit gedämpften und fröhlichen Stimmen auf italienisch. Sobald sie es wogten, oen Arm um Signorina Phcl« zu legen, entwand sich diese mit einem kaum betonten, aber aufregenden Hustenschwung, und trippelte aus den hohen Absätzen ihrer Pantoffel davon. Die Pantoffel waren aus Birkenholz und hellrotem Leder, auf das kleine Sträuße Lergißnichtmein gemalt waren. Selbst aus den Absätzen prangten Vergißmeinnicht. „Fräuleln Phebe sorgt für die Erinnerung", grinst« Max. nach- dem sie Wein. Schwarzbrot und Käs« bestellt hatten. „Und einen Rettich, schongttlissima Signorina", rief Dick
hinter ihr her. Sie antwortete mst einem Blick, unter dem Dick in seinen Weinkrug versank. Es dauerte eine ganze Weile, ehe er die glänzenden'Augen wieder aufzuschlagen wagte.' „Hat sie dich durchbohrt?" jragt« Max»eidisch- „Meln Lieber", antwortete Dick von oben herab,„sie ist«in« charmant« Person, da» muß ihr selbst der Leumund lassen." „Ich habe nie geleumundet", empörte sich Max und goß Ströme von W«in in seinen Hals. Er war sosort angenehm betrunken und sing an, ununterbrochen nor sich hin zu lach««. „Warum lacht«?" fragt« die zärtliche Pheb«. „Entschuldigen Sie, Fräulein Pheb«. er lacht, weil d»r Wein gut ist", entgegnete Dick mst einem gerührten Blick auf den Früh- stehen.„Gr lacht in aller Still«,«eil er einen Schwtp, hat. Ein goldenes Herz...!" Da«r aber gewohnt war, in allen Dingen dos gleich« zu tun. fühlte« sich verpflichtet, ebsnsolls zu lachen. Di« Gesichter in Pen Händen verbargen, d>« Ellenbogen auf die Tischplatte gestützt, überließen sie sich ganz ihrer Heiterkeit und lachten über den Wein, Rettich und Käse bi» zu Tränen, sa. bis sie fast daran erstickten. Dann bezahlten sl« ihr« Zeche und schwankten in den Sonnenschein hinaus, atme Signorina Pheb« phofographiert zu haben. Sie hatten es vollkommen vergessen. Es war est, Viertel nach Eins. In einem Hof« sang«ine Knohenstimm«:„Oh bell» oita!" Sie schnappten das Lied voller Begeisterung aus und gröhlten es durck, die stillen Straßen, bis sie ein« Wiese fanden, auf der sie sich unter Weidenböumen zum Schlafen niederlegten. Bräunliche» Rindvieh mst schweren, kupfer- nen Halsglocken rupfte den Klee um sie her."
Wermann Wendel: Wnier der Ichwarmen Sahne
Die Arbeitervorstadt Croix Ronsse oder Rotes Kreuz schwebt immer hoch über dem eigentlichen Lyon , wie es sich zwischen Rhone und Sacme zusammenpreßt. Aber an diesem Montag, dem Ll. November lbäl. hängt sie wie eine drohende Lawine über der Stadt, bereit, sich jeden Augenblick zu lösen und vernichtend, zerstörend zu Tal zu rollen. Unheimliches liegt in der Luft: es wird nicht gut endenl Dabei war doch weiter nichts, als daß die armen Teufel, die in den engen, stinkenden Gassen mit den hohen, schwarzen 5)ouser» vieltausendfältig hockten, den Hungergurt um«in paar Löcher hatten enger schnallen müssen. Sie bildeten die mißachtete breite Basis von Lyons Industrieller Blüte, die 30 000 bis 40 000 Seiden- weber, die für kargen Lohn die Tage hindurch und bis weit in die Nächte hinein daheim den Webstuhl, schnurren ließen. Di« nächste Stufe stellten die 10 000 Zwischenmcister dar. halb bürgerliche, halb proletarische Existenzen, deren jeder seine vier bis fünf Webstühle samt dem Rohstoff an di« Nichtshäbigen auslieh. lieber ihnen thronte die dünne Schicht der Warenabnehmer, etwa 800 Fabrikanten oder Unternehmer, in deren Taschen der Hauptgewinn kleben blieb, falls nicht auch sie den wenigen K o m- Missionär«» verpflichtet waren, vollkommen» Schmarotzertypen. die Geld und Material im Großen vorschössen. Unterlagen die Arbester, von denen sich di« Zwischenmeister nährt«» und di« Fabrikanten und Kommissionär« mästiten, derart«in»r Ausbeutung im doppelten und dreifachen Grade, so murrt«» sie doch so lang« nicht, wie die Prosperität der Seidenindustrie sie vor dem nackten Verhunoern schützte. Doch nach den unerbittlichen Gesetzen der kapstalistischen Gesellschaft traf di« au» mannigfachen Ursachen entspringende Krise di« Schwächsten am härtesten: der Tagelohn für einen Hausweber sank von 6, von S, von 4 Franken auf 2, auf 1,7Z. auf 1,25 Franken: schließlich strich»r bei entnervender achtzehnstündiger Arbeitszeit nicht mehr al» 18 Sous ein: da» war ein Stundenlohn von vier Plennig! Da aber auch so verelendet«, oerkümmerte, geduckte und ge> drückte Menschen, wie«» die Lyoner Seidenweber waren, sich gegen den glatten Hungertod sträuben, begann«» im Herbst 1831 auf Croix Rousse zu gären. Gruppen standen l)«rum, krummgezogen«, blasse Männer, hohläugige Weiber. Kinder mst fiebrigen Augen. Obwohl die Staatsgewalt damals von einer sozialen Frage, die die Arbeiter anging, noch nicht» wußte und sich nur zur„Neutralität". das hieß: zur Aufrechterhastung der„Ordnung" im Interesse der Wohlhäbigen, verpslichtet glaubte, legte sich der Präfekt de, Rhone - Departement». DumoUrd. bedenklich geworden, ins Mittel. warb um das Dertrauen der Arbester und brachte durch seinen Ein- fluh im Oktober zwischen Fabrikanten und Webern ein Ueber- e-in kommen mit Mindestlohntarif unter Dach und Fach. Mehr als bescheidene Mindestlöhne, aber aus Croix Roulse tanzt« man erleichtert und stellte abends als Freudenzeichen armselige Lichtchen an die Fenster der Mietkajernen. Die Unter- nehmer dagegen, nur daraus bedacht, di« Wirkungen der Krise von sich auf die Aermsten der Armen abzuwälzen, maulten über das, was ihnen al» unerhörte Durchbrechung des geheiligten Prinzips der Gewerbsfreiheit erschien, schüchterten den Präsekten ein. steckten sich hinter die Stadtverwaltung, gewannen den Truppenkommondeur. General Graf Roguet, rieten Verhängung des Belagerungs. zustande» an. rechneten siegessicher aus di« bewaffnete Macht— „wenn".. höhnte einer der Großgewinner über die Ausgepowerten. „sie kein Brot im Bauche haben, so werden sie Bajonette hineinbekommen!" Da setzt sich, verzweifeU ob der Nichtachtung des Tarifs durch die Fabrikanten. Croix Rousie am 21. November in Bewegung, gliedert sich in Kolonnen zu Viererreihen, marschiert in guter Ordnung zu friedlicher, unbewaffneter Kundgebung nach der Stadt herunter: die Lawine rollt! Die Nationalgarde, die dem Zug entgegentritt, ist an den Grenadier-Börenmützen als Abteilung aus dem Besitzendenviertel kenntlich: also gehen die Gewehre von selber los: Tote und Verwundete� aus dem Pjlaster: wie eine Feuerzunge leckt über Croix Rousse der Entsetzensschrei:„Unsere Brüder werden abgeschlachtet!" Croix Rousse be- wasfnet sich, Croix Rousse bedeckt sich mit Barrikaden! Inianteric, Kavallerie. Artillerie; Nationalgarde geht zum Boll über: General- marsch. Sturmglockengeläut. Geschützfeuer, und qls die Dunkelheit des 22. November herabsinkt, ist die zweitgrgßte Stadt Frankreichs in den Händen der Proletarier. 'Als jedoch die Weber den Sieg in Händen halten, sehen sie sich erstaunt, fast verlegen an. Was nun? Hinter ihrer Bewegung stand teine Theorie, kein« Doktrin, kein Sozialismus, keine Sehnsucht»ach einer gerechteren Gesellschaftsordnung, stand nichts als der Hunger. Eine andere Losung hatten sie nicht als die düster« Inschrift auf der großen schwarzen Fahne, die der ersten Elendskolonne von Croix Rousse ooraufwehte: Durch Arbeit leben oder tm Kampfe st erben! Etwas wie ein Sinn- bild der dumpfen, ahnungslosen, unaufgeklärten Masse war der Neger Stanislas, der, mit seiner Flinte aus der Morand- Brücke ausgepslanzt, unter wilden Grimassen und Freudengeschrei in die Luft sprang, so oft er einen Kanonier oder Dragoner nieder- gestreckt halte, aber sicher nicht wußte, weshalb er schoß. Do die
Masse auch keine Führer hatte, ihr den Sinn der Erhebung zu deuten, gelang es den Handlangern der Bourgeoisie leicht, die Proletarier in den alten Pferch zurückzutreiben: Die hungernden und frierenden Weber hüteten mit dem Fanotismus eines Wach- Hundes das Eigentum der Besitzenden. Ende der Woche war jede Spur des Geschehenen ausgewischt, und keine Hand rührte sich zum Widerstand, als am Z. Dezember der Marschall S o u l t und der Thronfolger mit stattlicher Truppenmacht einrückten. Was folgte? Das Selbstverständliche: die Entwaffnung der Arbeiter, die Aus- lösung der Nationalgarde, die Verlegung einer Garnison von 20 000 Mann nach Lyon , die Abriogelung der Arbeitervorstadt durch eine Reihe von Sperrforts, und alles, Ausbeutung, Prosit und Hunger, konnte weitergehen wie bisher. >i> Aber instinktloser noch al» die Proletarier waren ihre Gegner. Die Machthaber atmeten vielfach erleichtert aus. al« st« hörten. daß«s sich nicht um einen politischen Putsch van Re- publikanern oder Legitimisten, fondern„nur" um eine» Streit zwischen Fabrikanten und Arbeitern handle. Bagatelle! Zipfelmütze ubers Ohr. izerun, gedreht und wsitergeschlafenl Sie sahen nicht» von der Flammenschrift an der Wand, mit der sich hier die Frag« der Zukunft ankündigte: sie blieben taub für den Marschtritt«wer neuen Klasse, die hier zum ersten Mol« auf den Schauplatz der Geschichte trat: sie rochen nicht im entserntesten den Puloergeruch vom«rsten Vorpostangesecht de» großen sozialen Krieges, unter dessen Schlachten«in Jahrhundert später dl« Erde beben sollte! I. JCülselberger: Qibt es wirklich �ierfpr sehen? Der alt« Streit, ob den Tieren auch etwas eigen ist uach Art dessen, was wir Sprache nennen, rührt zum großen Teil daher- daß man sich über den Begriff nicht geeinigt hat- Wenn man unter Sprach« da» Vermögen versteht, logisch gegliederte« Denke» artikulierten Lautgebilden aewcren Wesen oder auch sich selbst verständlich zu machen, so haben die Tier« natürlich kein« Sprach«. denn sie können weder schwierige Wort« bilden, noch haben sie eine Grammatik mit Haupt- und Nebensätzen, mit.Haupt-, Zeit-, Eigen- schast». und sonstigen Wörtern Aber das trifst auch auf die kleinen Kinder zu, die noch nicht sprechen gelernt haben, die aber trotzdem ihr Wohlbefinden, ihre Mißstimmung und dergleichen durch Laute zu erkennen geben. Wenn wir ober, mi« es zum Beispiel Hugo Schuchardt in seinen Zlbhandlungen über den Ursprung der Sprache tut. diese lediglich als die Mitteilung von Gedachtem, Gefühltem oder Gewolltem auffassen, so ist es klar, daß auch die Tiere eine Sprache hoben, durch die sie sich nicht bloß untereinander, sondern häufig auch mit dem Mensch«» verständige» können. Ein Hund oder eine Kotze, die aus der Stube hiimusgelassen zu werden wünschen, vermögen dies ihrem Herrn oder ihrer Herrin sehr wohl zu erkennen zu geben. Umgekehrt kann auch der Mensch ihnen manches sagen, was sie sehr gut verstehen. Ein bezeichnendes Beispiel erzählt Georg Scheridetzky in seiner Schrift„Sprechen Sie Schimpansisch?" Er sucht««inmal Im Herbst in London in dem Zoologischen Garten die Leiterin der Abteilung für Reptilien und Zlmphibien, Miß Praetor, auf. Auf dem Fensterbrett ihres etwas unheimlichen Arbeitszimmers lag in einem schmalen Becken«in knapp meterlanges Krokodil. Als Scheridetzky der Dame von seinen tiersprochlichen Forschungen erzählte, trat sie lächelnd auf das Krokodil zu. gab«Inen nasalen Laut von sich, den man Grunzen nennen kann- Da» Krokodil erwiderte prompt mit dem gleichen Laut und so„unterhielten sich" die Lady und das junge Krokodil ganz ergöglich- Jn der Sprache der Schimpansen, die in Zirkus und Barietä häufig in HerrenNeidung austreten und sich entsprechend vornehm benehmen, gibt es eine Art Gruß, dessen genauer Inholt schwer mit Sicherheit anzugeben ist, der aber meist sofort erwidert wird und die Tiere vertraut macht. Als der erwähnte Forscher wildfremd und allein ohne den Wärter zu den Affenkäsigen im Londoner Zoologischen Garten kam, embot er den Schimpansen in Ihrer Sprach« ihren Gruß- Di« Wirkung war verblüffend- Die Tiere horchten aus, beschauten den Gast und erwiderten bald darauf den Gruß- Sie kamen an das Gitter und ließen sich krauen und kitzeln, als wären sie alte Bekonnte. Der eine zeigt« Scheridetzky sogar die Stelle, wo ein Loch im Gitter das Durchgreifen erlaubte. Der Besucher durfte ihn auf diesem 7Kege krauen und kitzeln. Ein ähnliches Erlebnis erzählt der Asfenwörter des Leipziger Tiergartens Er hotte in einer Singfpielhalle einen Gentleman- äffen auf Schimpansisch angerufen. Der hatte sofort ausgehorcht und war ihm zugelaufen. Das Wort muß etwa bedeuten:„Hollo! Gut Freund!" Diese Beispiele zeigen, daß die Tier« sich und dem Menschen gewisse innere Vorgänge mitteilen, daß die Mitteilungen verstanden und erwidert werden. Darauf beruht ja auch die Kunst der Jäger und Vogelsteller, gewisse Laute der zu erjagenden Tier« nach- zuahmen. Auch die Tierbändiger besänftigen ihre Zöglinge mit Lauten aus deren Sprache.