Totenfeier auf dem Garnisonfriedhof
Das Reichsbanner Schwarz- Rot- Gold veranstaltete an der Müllerstraße. An den Gräbern der eigenen Opfer stellte auch an diesem Totensonntag wie alljährlich unter starker Be das Reichsbanner Ehrenwachen auf den verschiedenen teiligung eine Gedenkfeier auf dem Garnisonfriedhof Friedhöfen.
Der Tag der Toten
Massenstrom zu den Friedhöfen/ Die Gedenkfeiern
Ein schöner, sonnenklarer Himmel wölbte sich über dem gestrigen Totenfonntag. Schon vom frühen Morgen an waren alle verkehrsmittel dicht befeht, aus allen Richtungen 30g der Strom der Trauernden den verschiedenen Friedhöfen zu. Nach Stahns dorf und Friedrichsfelde , wo sich die größten Berliner Friedhöfe befinden, gab es ein lebensgefährliches Gedränge, trotzdem dem starken Ansturm durch eine große Anzahl von Zügen Rechnung getragen war. Das schöne Wetter dürfte auch dazu beigetragen haben, die Zahl der Fahrgäste erheblich zu steigern. Während sonst der Hauplandrang erst in der Mittagsstunde einsetzte, fuhr diesmal schon alles in den frühen Morgenstunden. Jeder wollte das schöne Weiter ausnützen, um ein paar Stunden im Freien zu verbringen; das kranz- und Blumengeschäft hatte in diesem Jahr eine ganz besonders gute Konjunktur zu verzeichnen, es wurde bedeufend mehr gekauft als im Vorjahr.
Die Feier der Kriegsbeschädigten.
Der Plenarsaal des Reichstages zeigte gestern würdigen Schmuck der Trauer und der Totenehrung. Große Kränze, mit Schleifen in den Farben der Republik geschmückt, lagen vor der Rednertribüne ausgebreitet: der Reichsbund der Kriegsbeschädigten ehrte am Totensonntag die Opfer des
Weltkrieges.
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Die Cavatine aus dem Streichquartett op. 130 von Beethoven , von den Gebrüdern Steiner vortrefflich wiedergegeben, bildete die weihevolle Einleitung. Dann trug Maria Schanda vom Staatstheater die wehmütig schönen Verse von Emma Dölz ,, Der Mutter Klage" vor. In der künstlerischen Bollendung, die wir seit langen Jahren schäzen, gab die Typographia Freiligraths Friede den Schlummernden" nach der Weise von May Bruch. Der Bundesvorsitzende Pfändner nahm das Wort zu seiner Gedenkrede, die zu einem ergreifenden ,, Bergiß es nie" ward. ,, Müttern ohne Zahl hat sich der Opfertod ihrer Söhne wie ein Schwert in die Geele gebohrt. Den Schmerz und den Verlust empfinden sie alle gleich tief die am Rhein und die von den Alpen , die an der Donau und die an der Loire , die an der Wolga und die in den schottischen Bergen. Es liegt eine Schuld der Menschheit vor. Gibt es bei aller Klage noch Hoffnung? Kriege find Menschenwerk, und weil sie das sind, so soll unser Glaube sein, daß sie durch die Menschen überwunden werden. Unverletzlichkeit des Lebens und die Pflicht, alle Schranken zu öffnen, die Freiheit und Kultur absperren, müssen Selbstverständlichkeiten werden. Alle Verantwortlichen sollten die unzähligen Kreuze der Kriegstoten in ihren Beratungszimmern und bei ihrer Arbeit immerdar vor ihrem geistigen Auge haben. Ernst ist die Mahnung, die das unendliche Opfer an die Jugend richtet! Die Toten rufen euch Jungen zu: Schafft eine bessere Welt ohne Krieg! Wirkt für die Wohlfahrt der Allgemein heit! Uns alle aber mahnen sie, daß wir den Lebenden dienen sollen und den Hinterbliebenen der Gefallenen helfen mit allen unferen Kräften."
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Der 2. Satz aus dem Klavierquintett op. 34 von Brahms schloß sich der mit Ergriffenheit aufgenommenen Trauerrede Pfändners an. Dann sprach mit hinreißender Leidenschaft Heinrich Witte vom Staatstheater Conrad Ferdinand Mayers Chor der Toten". Bieder sang flangrein und erhebend die Typographia Bir", Worte von Hermann Claudius , Weise von Walter Rein . Der 2. Satz aus dem Klavierquintett op. 44 von Schumann bildete den Abschluß der würdigen Feier, der neben den vielen Angehörigen Berliner Kriegsopfer auch zahlreiche Vertreter der Behörden und der Reichstagspräsident beiwohnten.
Reichsbanner denkt der Gefallenen.
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Die Gefallenen- Gedenkfeier, die die Ortsgruppe Wedding des Reichsbanners Schwarz- Rot- Gold auf dem Garnison Friedhof in der Müllerstraße veranstaltete, nahm einen stimmungsvollen Verlauf. Auf den Glockenschlag 1 Uhr marschierten die Züge der Weddinger Kame= raden auf den Kirchhof. Zwischen den Gräbern, wo die sterblichen Ueberreste der in die Heimat übergeführten Gefallenen liegen, wurde Aufstellung genommen. Rechts und links ein Katafalt, auf denen Fadeln brennen. Ringsum ein dichter, gedrängter Kreis von andachtsvollen Frauen und Männern.
Die Musit spielt den Chopinschen Trauermarsch. Dann spricht der Vorsitzende, Kamerad Paul Guosty. Worte des Gerentens. Er erinnert daran daß die sechs Millionen Toten des Weltkrieges, von denen fast zwei Millionen Deutsche waren, nicht umsonst draußen geblieben sein dürfen. Sie starben für die Freiheit ihrer Heimat und diese Freiheit haben mir bis zum letzten Atemzuge
zu schüzn. Nach Guvsky sprach Pfarrer Kirchner. Er erinnerte die Mütter und Kinder an die bitteren Tränen, die sie vor 13 und 15 Jahren vergossen haben, und alle Menschen können nur wünschen, daß uns noch mehr Tränen erspart bleiben mögen. Dann fenkten sich die umflorten Fahnen, die Häupter entblößten sich und über die Gräber verhallten die Klänge vom„, Guten Kameraden". Inzwischen waren die Fadeln heruntergebrannt, die Reichsbannerfameraden formierten sich zum geschlossenen Abmarsch. Hier haben die Standarten vor dem Kriegerdenkmal Aufstellung genommen, vor dem ein prächtiger Kranz des Reichsbanners liegt. Hell leuchten die Farben der Republik über das frische Grün. Dann ein letztes Defilieren der Massen und die schlichte, aber eindrucksvolle Feier ist beendet.
In die Friedenskirche, Ruppiner Straße, hatte die Ortsgruppe Berlin - Norden des Boltsbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge zu einer Gedächtnisfeier für die Gefallenen des Weltkrieges eingeladen. Im Mittelpunkt der Feier stand ein Lichtbildervortrag In fremder Erde im Vaterland", der über die Ausgestaltung unserer Kriegsgräberstätten im Auslande durch den Volksbund berichtete. Von 2 Millionen Gefallenen ruhen nur 200 000 in Deutschland , die übrigen in fremden Ländern. Auf 13 000 Friedhöfen verstreut über 40 Länder der Erde, zum Teil in Massengräbern. Die Pflege und Instandsetzung dieser Ruhestätten hat der Volksbund als eine Dankespflicht des deutschen Volkes feinen Gefallenen gegenüber übernommen. Die Zahl der Friedhöfe, die der Volksbund bisher instandsetzen fonnte ist noch flein , aber die Lichtbilder zeigten, daß in unermüdlicher Art, besonders in Frankreich , schon viel zur würdigen Ausschmückung getan wurde.
Das zweite Theater feiert bereits Schnitzlers Andenken. Er, der den deutschen Bühnen so viel Talent und Stücke gegeben hat, wird nach seinem Tode lebendig gehalten. Schmitzler war der Dichter einer Wiener Bürgerlichkeit, der ironisch- steptische, melancholische Gestalter eines Lebensgefühles, das mit dem Bürgertum versunken ist, ein feindifferenzierter Psychologe, ein Spieler genießerischen, seiner selbst und des Todes bewußten Lebens. Als dichterischer Exponent einer fultinierten Klassenschicht und einer bestimmten Stadt hat er heute schon historische Bedeutung.
Keine geeignetere Musik hätte den Abend einleiten fönnen als Schuberts unvollendete H. Moll Sinfonie, die von den Mitgliedern der Staatsoper gespielt wurde. Weiche Trauer, eine fast süße Elegie und dazwischen wieder der Ruf des Lebens charakterisiert sie wie das Werk Schnitzlers. Dann sprach Heinrich Mann zugleich im Namen der Dichtersektion der Akademie der Künste. Ein Dichter feierte den Dichter mit Verehrung und Liebe. Er hat ihn aufs tiefste verstanden und weiß ihn in beschwingter Form zu charafterisieren. Zwei Mächte haben Schnitzlers Lebensgefühl erfüll: Liebe und Tod. Er hat die Gebrechlichkeit und Kostbarkeit der erlebten Stunden fühlbar gemacht, er hat das vergängliche und unschätzbare Glück unter den Schatten des Todes genossen, das Spiel des Lebens durch seine Dichtung vervielfacht. Mit dem Versinten seiner Schicht und dem Tode seiner Stadt Wien brach das Dunkel für ihn an; er fand feinen Weg mehr zur neuen Wirklichkeit. Er hatte sein reiches Werk getan.
Die ,, Liebelei" in Jürgen Fehlings Inszenierung und Besetzung, die vom Schiller- Theater her bekannt ist, erneuerte Schnitzlers stärkstes und erfolgreichstes Jugendwerk von 1895. Er ist hier schlichter und volkstümlicher als in den psychologischen Spiegel- und das weiche, genießerische Wiener Milieu in seinen feinsten SchwinSpielerstücken seiner späteren Jahre. Der Stimmungstünstler, der
gungen erfaßt, fommt hier ganz zur Geltung; neben den müden Sprößling einer überfeinerten Schicht stellt er das füße Wiener Mädel aus der Borstadt, das ihm seine erste Liebe ichenft und an ihm ver. blutet, als er sein Leben für die dämonische Frau im Duell verspielt hat. Jetzt hat das Stüd seinen holden Zauber nicht mehr ganz so ausgeübt wie vor 35 Jahren. Lag es an mir, lag es an der Aufführung? Die Stimmung des ersten Aftes bestridte wie früher, aber der zweite und dritte Aft machten mancherlei Handgriffe des Theaters sichtbar, und der allzu lang gedehnte Schluß mit seiner reichlichen Sentimentalität wirkte vollends nicht mehr als Leben, sondern als Theater. Des Dichters Sohn Heinrich Schnitzler gab den jungen Wiener Theodor träumerisch und weich, Richard Duschinsky den träftiger zupackenden Freund. Eigentlich war nur Maria Baud. ler eine vollendete Schnigler Darstellerin; ihre Mizzi hate den richtigen Ton und sie war fesch bis in die Fingerspißen. Lucie Mann heim beherrscht nicht nur nicht den Wiener Dialekt , ihrer Christine fehlt die Innerlichkeit und das Hingegebene. Wir bewundern die Virtuesität, mit der sie sie spielt, aber wir haben nicht das Erlebnis des süßen Mädels. Ihr Wolter- Schrei am Schlusse zeigt nur um so deutlicher, daß auch der Dichter hier versagt hat, da er die Verblutende zu einer Protestlerin stempelte.
K. H. D.
Rundfunkprogramm ohne Schallplatten?
Die Schallplattenindustrie ist jeẞt mit einem Ultimatum an die Reichsrundfunkgesellschaft herangetreten, die Verwendung von Schallplattenmufif im Programm zu streichen Dieser Schritt der Schallplattenfabrikanten wird darauf zurückgeführt, daß man der Ansicht ist, der Rüdgang des Schallplattenabjazes sei durch die Ueberfütterung des Publikums mit Schallplattenmusik durch den Rundfunk zu erklären. Bon seiten der Fabrikanten werden ferner Urheberrechte an den Uebertragungen geltend gemacht. Den Rundfuntgesellschaften bliebe bei Aufrechterhaltung des Ultimatums bie Möglichkeit eines Ausbaues ihrer eigenen Schallplattenproduktion, andererseits aber ein Verzicht auf Schallplattenübertragungen überhaupt und Originaldarbietungen, für die in erster Linie erwerbslose Musiker und Schauspieler herangezogen werden könnten.
Uraufführung in der Philharmonie
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Ein seltsames Erlebnis: Paul Hindemith , den Meister unbe-| sehen. Er wußte Mufit und Weltanschauung immer zu trennen, fümmerten Spieltriebs, den fast leichtfertig beschwingten Musikanten, den im Guten wie im Bösen Zeitverbundensten aller lebendigen Komponisten, zu einem Stoff greifen, einen Text vertonen zu sehen, der ohne jede Frage in das Bereich der Ausdrudskunst gehört, der unserer Zeit so nahe und so fern ist, wie jeder anderen eben auch einen Tert voll schwerblütiger Romantik, poll banger Fragen nach den letzten Dingen, voll trauriger und trüber Reflegionen, voll Zweifel und Berzweiflung, voll hoffnungsloser Angst und schlechtem Trost. Denn das unaufhörliche", das diesem Werk den Namen gab, es ist das rätselhafte große Gesez alles Seins und allen Lebens: Berwandlung ohne Anfang, ohne Ende, ohne Ziel und ohne uns erfaßbaren Sinn. Daß alles fließt... Und was wir sicher wissen, ist allein die armselige Weisheit, daß alles endet, was entstehet, alles alles... Mögen die Männer an große Gedanken, mächtige Formeln, fühne Taten glauben, mögen die Frauen die Liebe für unüberwindlich halten die unaufhörliche Berwandlung ist stärker als Wissenschaft, Kunst, Technit, Macht und Welt: eroberung, stärker als alle und alles, mächtiger selbst als die ewigen Götter Zum Beispiel dessen tauchen Asiens versunkene Reiche aus dem Dämmer der Zeiten, der Traum vom Untergang der weißen Jasse wird geträumt immer geht es um Angst und Abschied, um Traum und Tod und um Vergänglichkeit.
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Das ist keine neue Philosophie, es ist uraltes Wissen vieler Völker und Zeiten; wir finden es bei Litaipe genau so wie etwa bei Goethe oder Nietzsche , der Gottfried Benn , dem Dichter, ganz besonders Vorbild geworden ist. Die Dichtung ist nicht leicht rerständlich und durchaus nicht gleich wertvoll in allen ihren Teilen; voll fraftvoller Bilder, großer Sprachgewalt und suggestiver Gestaltung des tragischen Grundgefühls( auf dieses kommt es an, nicht etwa auf Erkenntnis), das der hymnische Schluß allerdings nicht zu überwinden vermag, so sehr es auch beabsichtigt war. Das ,, Ringende". die leidvolle Erkenntnis, die über das platte Sattund Glücklichsein gestellt wird es ist weder Lösung noch Erlösung und teine Hilfe gegen das ohnmächtig- schmerzliche Wissen um die dunklen Schatten der Bergänglichkeit über allem Irdischen.
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Eine Art Lied von der Erde " also, eine Dichtung voll fultirierter Nachdenklichkeit, aristokratischer Trauer. ästhetischen Welt schmerzes, tatenloser Resignation durchdrungen von der Kostbarkeit des Individiums, den Problemen des einzelnen, abseits Stehenden geweiht.
Noch einmal: Es ist seltsam, hier Hindemith an der Arbeit zu
nie hat er Bekenntnismusik geschrieben, immer ging er von primärer naiver Mufizierfreude aus, feine Kunst war ihm immer Selbstzwed und niemals Mittel des Ausdrucks. Wenn er jegt daran geht, einen Text zu vertonen, der eine Auseinandersetzung mit dem Unendlichen zum Vorwurf hat, vermag er auch da nicht zu interpretieren, zu charakterisieren, vom Wort zum Klang zu schreiten: er geht den umgekehrten Weg, er baut über dem Text( parallel gleichsam mit diesem) eine im romantisch- harmonischen Sinn uncharakteristische Tonwelt auf, die an sich selbst von vollkommener stilistischer Geschloffenheit ist. Ihre Grundkraft ist Bolophonie, ihre Größe liegt in der Architektur, fann nur in dieser liegen, da der Wert einer von harmonischen Bindungen losgelösten, frei im Raum schwingenden Thematik an sich gering ist. Alles ist in Stimmen geschrieben und aufeinander bezogen; die harmonischen Verhältnisse find Er. gebniffe linealer Führung, die hier oft mehr ist als unbefümmert meisterhaftes Handwerk ein Bauprinzip, das sich durch seine Resultate rechtfertigt: die großen Fugen des Anfangs oder den gewaltigen Schluß mit den feierlich vergrößerten Themen jener Anfangschöre. Es kommt hier durchaus nicht zum Verschmelzen von Wort und Ton; der Vorwurf ist nach mufifeigenen Gesezen, nach hindemitheigenem Stil gestaltet, er ist nicht durch das Verhältnis von Musik und Dichtung, sondern durch die stilistische Geschlossenheit der Musik allein charakterisiert. Das Werk ist dreiteilig, die Soli wechseln mit orchesterbegleiteten Frauen, Männer und Knabenchören. Vom Schlußchor abgesehen, scheint der erste Teil der weitaus stärkste zu sein.
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Otto Klemperer , dem Philharmonischen Chor und Orchester gebühren das Verdienst der Uraufführung des schwierigen Werkes Die ausgezeichneten Solisten waren Charles Kullmann , Matthieu Allersmeyer und( besonders herrlich). Adelheid Arnhold. Der Chor gab sich die größte Mühe, chne allerdings immer die wünschenswerte Klarheit und Durchfichtigkeit erreichen zu tömmen. Das Werf hatte einen ganz außerordentlichen Erfolg komponist, Dichter und alle Mitwirkenden wurden stürmisch gefeiert Arnold Walters.
Schriftsteller hat an den Verband deutscher Zeitungsverleger und an Die Not der freien Schriftsteller. Der Schutzverband Deutscher ben Arbeitgeberverband für das deutsche Zeitungsgewerbe das Ersuchen um gemeinsame Beratungen gerichtet zur Besserstellung und Rettung der freien Schriftsteller und Mitarbeiter, da diese wichtige Schicht geistiger Arbeiter vom Untergang bedroht ist.