Nr. 555 48. Jahrgang
Ich stand auf der Praça do commercio und überlegte mir, was zu tun sei, als ich vor dem Zollgebäude rechter Hand einen amerika nischen Wagen bemerkte, der durch seine lackierte Eleganz auffiel. Ich trat einige Schritte näher; im gleichen Augenblick sah ich einen hochgewachsenen Herrn um das Auto kommen; ihm folgte ein Zollbeamter in Uniform und eine Dame, der ein Kenner unschwer die Amerikanerin ansah. Aha," dachte ich,„ reifendes Ehepaar aus USA. , eins von den vielen."
Ich habe mir im Laufe meiner zahlreichen Reisen eine gottes fürchtige Unverschämtheit angewöhnt; ich trat also näher und ver= suchte die zahlreichen Leistungsplafetten und Klubschilder zu entziffern, die an der Kühlerwand befestigt waren. Der alte Herr, der vielleicht gar nicht so alt war( weil die meisten Amerikaner nach dem vierzigsten Lebensjahr ergrauen), fonnte sich mit dem portugiesischen Zollbeamten nicht verständigen. Ich ging also noch näher und hörte, wie der Amerikaner um eine Auskunft bat; er wollte nach Villa Monserrate und Cintra fahren und wußte nicht, wie er das machen sollte. Während er unentwegt in nuscheligem Englisch auf den Zollbeamten einredete, entfaltete er eine Karte und fuhr mit dem Finger einer Linie nach, die er für den Weg nach Cintra hielt.
Die Dame war nun auch hinzugetreten; fie fügte ihre Erflä rungen den Meinungen des Gatten hinzu; aber der gute Zollfrize stand, als wäre er gerade geboren worden. Die heiße Tejosonne schien ihm in seine erstaunten Augen. Ich hatte Gelegenheit zu zeigen, daß die Deutschen höfliche Menschen sind; ich sagte, ich kenne den Weg nach Monserrate und nach Cintra; wir können über Belem zurückkehren. Da ich es mit Amerikanern zu tun hatte, nannte ich auch die Kilometerzahl, beschrieb genau den Weg, zählte einige Sensationen auf( z. B. die Grabdenkmäler des Vasco da Gama und des Camoens) und wollte mich gerade zurückziehen, als ich sehr herzlich eingeladen wurde, mit nach Cintra zu fahren.
Der Mann hieß Burden, James Burden, ein prachtvoller, heiterer Geselle, der mir später erflärte, er sei in Chikago Häusermafler gewesen. Das ist Gwendolyn," sagte er und zeigte auf seine Frau. Ich sagte, diese Frau sei eine typische Amerifanerin; ich erfannte sie an dem hoheitsvollen Blick, ferner an der Kette echter Berlen und an einem Lorgnon, von dem allerdings nur selten Gebrauch gemacht wurde. Burden, der Häusermafler sagte:„ Wir sind von USA . hergekommen, um hier die Schönheit zu suchen wenigstens meine Frau, die Gwendolyn."„ Das ist mahr," stimmte Gwendolyn bei, aber mein Mann vergißt manchmal, wo er ist." Ich wußte nicht, worauf sich das bezog; Burden lachte gutmütig: ,, Wir beide, Gwendolyn sowohl als auch ich freuen uns, wenn wir mal' n guten Tropfen Wein trinken können."
Es war wirklich ein prachtvoller Wagen; die völlig ausgehöhlten
Schoß.
Luft zu machen. Wir setzten uns an eins der kleinen Marmortischchen, die vor einem Kaffeehaus standen. Ein speciger Kellner schob uns Tee hin; es gab hier mehr Fliegen als Gäste. Wir mußten um uns schlagen, um nicht von ihnen aufgefressen zu werden. Während Burden erzählte, füllte sich die Avenida da Liberdade mit Spaziergängern und eleganten Automobilen; der abendliche Korso begann.
,, Es ist natürlich so," sagte Burden, daß ich einen gewissen Freiheitsdrang verspürte; darüber möchte ich Sie nicht im unflaren lassen. Ich sehe gern mal ein Lanzlokal, obgleich ich mich für zu gejezt halte, um selbst noch an diesem Vergnügen teilzunehmen. Gwendolyn, die eine Seele von einem Menschen ist, denkt über derartige Vergnügen zu streng. Der Mann, den ich kennen lernte, war ein Phänomen an Romantik. Er sagte mir, er habe dreißig Jahre in Mozambique als Gefangener. gesessen. Mojambique, müssen Sie wissen, ist eine wilde Insel irgendwo da unten bei Afrika . Never mind. Ich meine, wenn dieser Kerl, wie er mir gesagt hat, vor dreißig Jahren seinen Leutnant niederschlug, so daß diefer nicht wieder aufstand, verdiente er das ja wohl. Nun, sagte er, hätten fie ihn begnadigt, und er sei wieder in Lissabon . Glauben Sie das? Was fagen Sie dazu? Sie sind doch auch in der Welt herumgekommen?"
Ich zuckte die Achseln. Burden fuhr fort:„ Ich habe' ne gewisse Schwäche für außerordentliche Schicksale; das ist wahr. Bei uns in USA . geht der Tag so ziemlich regelmäßig seinen Weg, und wenn unsereiner nach Europa tommt, will er was erleben."
,, Es gibt hier auch viele Kerle," sagie ich ,,, die auf Reisende scharf sind so wie Sie Mister Burden. Die erzählen dann das Blaue vom Himmel herunter, weil sie hoffen, irgendeinen Vorteil dabei zu erwischen."
Burden nichte: ,, Der Mann war ganz braunschwarz wie ein Neger. Habe mir gesagt, daß die Sonne in Mozambique natürlich allerlei Hize in sich hat, und daß ein Mensch kein Pferd ist. Wenn man sich da unten dreißig Jahre lang aufhält, wird man' n braunes Fell triegen. Was meinen Sie dazu? Sie sind doch auch in der Welt herumgekommen?"
,,' n braunes Fell wird man schon friegen," sagte ich.
,, Eins mar dem Burschen jedenfalls nicht ausgebrannt worden. Er hatte' n feinen Riecher; er wußte gleich, daß ich mal gern so' n bißchen Freiheit genossen hätte. Ein fleines Lanzlofal oder so was, wo man die Damen nicht gerade gern mit hinnimmt. Und da Gwendolyn gerade im Hotel war und gesagt hatte, sie sei ermüdet und wolle fich früh hinlegen... Berstehen Sie jetzt...?"
Dr. Hans Meier:
Freitag, 27. November 1931
Ich verstand. Burden machte eine ziemlich unglückliche Figur. Was ist nun geschehen?"
,, D nicht viel! Wir sind ein wenig spazieren gegangen; und es war mir, als hätte der Kerl meine geheimsfen Gedanken eher gewußt als ich selbst. Ich bin ein Mensch, der sich gern lenken läßt; aus reiner Bequemlichkeit, wissen Sie. Wir waren in der alten Stadt; ich habe meine Ohren aufgesperrt. Die alte Stadt, sagte der Mann immer in seinem scheußlichen englisch; aber das habe ich verstanden; man hätte es übrigens auch schon an den Straßen sehen können. Es gibt da ganze Reihen von Häusern, die mir in Chikago nicht als Zeitungsfioste benutzen möchten. Die Kneipe, in die wir schließlich gingen, hieß zum Hafen von Mozambique "; das muß für den Kerl eine Art Wollust gewesen sein, jetzt, nachdem er be= gnadigt mar, sich in eine Kneipe zu setzen, die so hieß. Was mag er sich dabei gedacht haben? Wahrscheinlich: gut, daß ich hier bei einem fühlen Tropfen size, während die anderen unter der Sonne Afrikas schwitzen. Nicht wahr?"
,, Wäre auch möglich, daß er sich gedacht hat: Gut, daß ich jemanden gefunden habe, der mir eine Flasche Wein. bezahlt.
Burden wehrte ärgerlich ab:„ Das ist selbstverständlich, das bedarf gar feines Wortes. Wenn ein Mensch aus einer dreißigjährigen Gefangenschaft fommt, fann man ihm ja mal' ne Flasche Wein bezahlen. So ein Jubiläum gibts ja schließlich nicht alle Tage."
,, Sicherlich! Haben Sie auch getanzt, Mister Burden...?" Ja, getanzt und getrunken
..Und was ist nun los...?"
Burden neigte sich zu meinem Ohr: Erstens ist Gwendolyn verschnupft, und zweitens ist meine Brieftasche mit meinem Scheckbuch weg
,, Gestohlen
Burden zuckte die Achseln.
,, Sie müssen die Schecks sofort sperren lassen..."
Wir erhoben uns, zahlten und schritten die Avenida hinab. Burden sagte:„ Das lohnt sich nicht; da waren nur noch hundert Dollar drauf. Wenn mir einer das Scheckbuch geflaut hat, so soll er sich mit den hundert Dollar einen guten Tag machen. Nee, ein Mister Burden läuft hundert Dollar nicht nach.".
,, Aber Gwendolyn.
Burdens Gesicht verfinsterte sich. Das ist wahr," sagte er, ,, mit Gwendolyn ist die Geschichte schwieriger..."
Burden wollte mich bestimmen, mit ihm ins Hotel zu gehen; aber ich lehnte ab; die Perlenkette und das Lorgnon hatten mir einen Respekt abgenötigt, der mir erst jetzt zum vollen Bewußtfein tam.
Ich sah Burden noch eine Zeitlang; er schritt vorsichtig, in tiefen Gedanken.
Wege nach Cintra fuhren wie mie in Abrahams Co. Der er Die weißen Stellen der Landkarte
reisende Häusermafler entpuppte fich als ein Juwel von Mensch; während er mit großer Geschicklichkeit den Wagen lenkte, fand er viel Zeit, sich bei mir nach Land und Leuten zu erkundigen. Wahr ist, daß seine Anschauungen etwas einfach waren; obwohl er sich nach außen hin mit Gwendolyn stets einverstanden erklärte, merkte ich doch, daß er eigentlich die Umgebung zu„ malerisch" fand. Er vermißte die rauchenden Schornsteine, Krane, Wellblechschuppen, Garagenhäuser. Einmal hielten wir an, weil Gwendolyn darauf bestand, sich von einem Hedenrosenstrauch einen Zweig abzubrechen. Burden und ich befamen eine Blume ins Knopfloch gesteckt.
In Cintra staunte Burden über die Burg; Möbelstücke, die ihm gefielen, bellopfte er genau und untersuchte sie auf ihren Materialwert. Wirklich interessant fand er einen Raum, in dem, mie der Führer erzählte, ein Königssohn sieben Jahre gefangen gesessen hatte. Gwendolyn, die sich das romantische Leben der Königinnen vorstellte, war begeistert. Sie drückte mir mehrfach im Ueberschwang die Hand und bedankte sich dafür, daß ich mitgekommen sei. Ich wies energisch zurück; aber die beiden waren so voll überströmender Liebenswürdigkeit, daß ich mich gar nicht mehren fonnte. Burden murde lustig wie ein fleiner Junge; der alte weißhaarige Knabe spielte mit den Portugiesenkindern auf dem Schloßplaz Nachlaufen. Gwendolyn mußte ihr übliches„ Aber James" mehrfach von sich geben, bis wieder Ruhe war. Die Jungs starrten uns an mie under aus dem Märchen; Burden opferte alles Kleingeld, das er in der Tasche trug. Es gab ein Geschrei und ein Gejubel, daß man fein eigenes Wort nicht verstehen konnte.
Wir saßen in dem Gastzimmer eines fleinen Restaurants; die Tischtücher waren befleckt und die Spaghetti talt; aber James blidte nur nach der Weinkarte. Wir stießen auf das Wohl unserer Baterländer an Es war wirklich eine prachtvolle Stimmung. Auf der Rückfahrt sahen wir uns Belem an, vergaßen auch nicht, einen Blick auf die von mir erwähnten Grabdenkmäler zu werfen. Die Hize des Tages begann zu schwinden; gleichmäßig rollte unser Wagen dahin; ehe ich mich versah, stand ich wieder auf der Praça do commercio.
Am folgenden Tag machte ich einen Spaziergang durch die große Freiheitsallee; ich bewunderte die eleganten Portugiesinnen und staunte das ungezwungene Leben an, das sich vor den Kaffee häusern entwickelte. Ich dachte:„ Sie haben halt den Schuß Cham pagner im Blut, den Bismard bei uns vermißte." Während ich langsam weiter schritt und mir unter den glühenden Strahlen der Sonne die verschiedensten Begriffe, Bismard, Champagner, Portu giefinnen, Kaffeehäuser, wild durch den Kopf wirbelten, sah ich
freilich vom Lande mur die allernächste Umgebung der Küste darstellen und nur für Schiffahrtszwecke dienen, besigen wir heute von fast allen Festlandsküsten und wichtigen Inseln. In Europa zeigt graphisch am schlechtesten bearbeiteten europäischen Gebieten wie die Landkarte nirgends mehr weiße Stellen. Auch von den kartoIsland und Albanien gibt es gut brauchbare Uebersichtskarten. Die
In früheren Jahrhunderten haben die Hersteller von Land| fartenmäßig aufgenommen. Seekarten von großer Genauigkeit, die tarten die einzelnen Leile, die noch nicht bekannt waren, entweder aus freier Phantajie willkürlich ergänzt und damit manchmal größte Berwirrung gestiftet, oder sie haben dort allerlei schmückendes Bei18. Jahrhundert, als 1716 der erste neuzeitliche wissenschaftliche mert, auch Fabelwesen und Seeungcheuer eingezeichnet. Erst im Atlas von Homann erschienen war, verzichtete man auf diese phantastischen Beigaben und ließ lieber die tatsächlich noch unbe-| ausgedehntesten weißen Stellen finden sich im Polargebiet und im fannten Gebiete auf der Karte unausgefüllt. Erst seit dem Beginn| Innern der außereuropäischen Erdteile. unferes Jahrhunderts find, mit Ausnahme der Polargebiete, diese meißen Stellen auf den Landfarten allgemein verschwunden. Man mill damit zeigen, daß das Bild unserer Erde heute in großen Bügen allenthalben befannt ist.. Troßdem find wir von einer richtigen genauen Bermessung und fartenmäßigen Festlegung aller, auch der befannten und bereisten Gegenden der Erde noch sehr meit entfernt. Ja sogar für den weitaus größten Teil der Erde gibt es noch keine genauen Karten etwa in der Art, Ausführung und Zuverlässigkeit, die unfere europäischen Rarien befizen.
Welche Gebiete sind wirklich erforscht?
Wirklich zuverlässige Karten gibt es nur für etwa 27 Millionen Quadratkilometer, das ist ein Gebiet etwas größer als Nordamerifa, noch nicht ein Fünftel der gesamten Landoberfläche der Erdkugel! Für die übrigen vier Fünftel sind die Angaben der Landkarte sehr viel unzuverlässiger, da sie meist nur auf einer Aneinanderreihung von sogenannten Routenaufnahmen und sonstigen Beobachtungen von Forschungsreisenden, aber nicht auf genauen Vermessungen beruhen. Auch unsere großen Handatlanten bringen für die meisten Länder nur Uebersichtskarten in einem Maßstab, aus denen zwar die allgemeinen Oberflächenformen mit Ge
wässern, Gebirgen, Hoch- und Tiefländern zu erkennen find, die aber keine Einzelheiten zeigen. Wollte man den Versuch machen, nur mit einer solchen Uebersichtskarte ohne andere Hilfsmittel etwa durch das Innere eines Erdteils zu reisen, so würde man sich nicht zurechtfinden; denn abgesehen von dem Fehlen aller nötigen Einzelheiten, die man zur Orientierung braucht, enthalten diese Karten auch noch manche Fehler. Auch in neuester Zeit gibt es bei Forschungsreisen gelegentlich noch große Ueberraschungen und wichtige neue Entdeckungen.
Geographische Ueberraschungen.
Eine solche Ueberraschung war 3. B. im Jahre 1927 die Entin der noch wenig erforschten nördlichen Mandschurei feststellen, daß mar. Natürlich, Burden. Burden allein. Er sah nicht anders aus dort Flüsse und Gebirge auf den neuesten Karten um über ais gestern, hatte die Pfeife im Mund, den Hut etwas teď auf der 100 Kilometer verschieden eingetragen waren daß die deutschen rechten Kopfseite; aber irgend etwas in seinem Auftreten wollte mir Atlanten dort nicht unerhebliche Fehler aufweisen. Gewiß werden nicht gefallen. Er sucht wieder Fabrikschornsteine und Wellblech leberraschungen dieser Art immer seltener, und das Beispiel des hallen dachte ich, während Gwendolyn in einem Museum sich um das Berständnis der Kunst plagt. Ich verstehe, daß er das Bedürfnischerffigebirges wird wohl eine der letzten dieser Art sein. Die hat, mal allein zu gehen; die beiden sind ja doch ein wenig verfchiedener Natur.
plöglich vor mir die Hinterfront eines Menschen, der mir bekannt dedung des Tscherſtigebirges. Ich ſelbſt konnte auf meiner Reiſe
' n Tag, Mister Burden," sagte ich ,,, wie geht's? Ist Ihnen die gestrige Fahrt gut bekommen.?"
Burden sah mich etwas verschwommen an. Das ist in Ordnung," fagte er ,,, aber denten Sie sich, gestern, faum daß wir uns
von Ihnen getrennt verabschiedet hatten, traf ich einen Herrn, dessen Namen ich nicht verstanden habe."
,, Einen Herrn, dessen Namen Sie nicht verstanden haben? Und Ihre Gattin... hat sie ihn auch nicht verstanden...?" Gwendolyn war schon im Hotel."
,, Sie waren also allein mit fenem Herrn, dessen Namen Sie nicht verstanden haben?"
Burden nidie; ich merkte, daß er geneigt war, seinem Herzen
tartographische Vermessungsarbeit stellt jährlich neue Karten von vorher weniger bekannten Gebieten her. So sind in den letzten Jahren durch eine deutsch - russische Expedition in dem schwer zu gänglichen, wild vergletscherten Hochgebirgsland von Bamir in Zentralafien Karten aufgenommen worden, deren Genauigkeit diejenige von Spezialfarten Deutschlands erreicht, und sogar in der Hirtenrepublik der Mongolei wird eine staatliche Landesaufnahme vorbereitet, welche die dortigen, bisher wenig erforschten Eteppengebiete tartographisch vermessen soll.
Die weißen Stellen der Landkarte. Auf genauen Karten nehmen die weißen Stellen, das heißt die ungenügend erforschten Gebiete, noch immer die Hälfte der gesamten Landfläche der Erde ein! Naturgemäß sind die Küsten der Fest Länder am frühesten erforscht worden und daher aud) am genauesten
Wasserlose Wüsten und undurchdringliche Urmälder, unwegfame Hochgebirge und dürre Trockensteppen, feuchtheißes Fieberflima und ewig gefrorener Frostboden sehen in gleicher Weise den Forschungsreifenden Hindernisse entgegen und erschweren im besonderen Maße die Arbeit des mit topographischen Meßgerät, Meßplatte, Kompaß und empfindlichen, schwer transportablen Präzisionsinstrumenten arbeitenden Landmessers. Daher finden sich die großen weißen Stellen der Landkarte in den großen Waldgebieten der Erde, wie in Sibirien , im Tieflande des Amazonenstroms und in der malaiischen Inselwelt einschließlich Neuguineas , und in Kanada , ferner in den eintönigen nordischen Sumpf- und Mooslandschaften, den sogenannten Tundren Sibiriens , Kanadas und Alaskas , so= dann in den steppen- und müstenhaften Hochländern Vorder- und Zentralafiens, in den Sandwüsten Nordafrikas , Arabiens und Australiens und in der eisgepanzerten Dede der Polarwelt. Zu den naturgegebenen Hindernissen, die sich der Erforschung entgegen= stellen, kommen da und dort noch die politischen.
Die unbekanntesten Gebiete der Erde.
Will man unter den genannten Gebieten noch eine engere Auswahl derjenigen Gegenden treffen, in denen uns die Grund
lagen einer Kartendarstellung am meisten mangeln, so sind das außer den von Menschen überhaupt noch nicht erreichten Landstrichen im Nord- und Südpolargebiet namentlich die großen Urwaldländer. Seit Jahren schon steht das Flugzeug im Dienste der Kartenaufnahme, da es mühsame Bodenarbeit beträchtlich veremfachen und abkürzen hilft. Im nördlichen Südamerika find in den letzten Jahren zur Feststellung und Regulierung der Staatsgrenzen Kolumbiens und Venezuelas mit großem Erfolg vom Flug
zeug aus aufgenommene Flugbilder verwendet worden, und ebenso ist in vielen anderen, sonst schmer zugänglichen Ländern eine genaue Kartenaufnahme von der Luft aus in Angriff genommen. An ciner internationalen Weltkarte im Maßstab 1: 1 000 000 wird in wissenschaftlicher Zusammenarbeit aller Staaten seit langem gearbeitet. So dürfen wir hoffen, daß die weißen Stellen unserer gange Erde sich erstreckenden genauen Kartenaufnahme Platz geLandkarte vielleicht im Laufe weniger Jahrzehnte einer über die
macht haben werden.
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Ratten als Wetterpropheten. Während der Stürme, die in den Schaden hervorriefen, hat man merkwürdige Beobachtungen über letzten Tagen die Küste der Bretagne heimsuchten und schweren den Wettersinn der Ratten gemacht. Es fiel auf, daß zu Lorient und an verschiedenen anderen Orten der Küste Scharen von Ratten, die sonst in den Docks ihr Wesen trieben, plöglich landeinwärts wanderten und ihren Unterschlupf in Häusern, Ställen und Scheunen suchten. 24 Stunden nach dieser Rattenwanderung brachen die Stürme los. Die Tiere hatten die drohende Gefahr früher erkannt als alle Wetterkundigen, denn in der Nacht, die auf ihre schleunige Räumung der bisherigen Wohnungen folgte, wurde der Kai von Lorient durch die Sturzwellen zerstört, und in dem nahegelegenen Badeort Larmon wurden die Badekabinen sowie zahlreiche fest. Ratten jetzt augenscheinlich besseres Wetter voraussehen, find fie gemachte Boote von den Wogen fortgerissen. Da die prophetischen mit dem Steigen des Barometers sofort wieder nach den Docks zurüdgefehrt.