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Jtr. 557 48 Jahrgang

2. Beilage des Vorwärts

Sonnabend, 28 November 1�34

Tut mehr für die Bauern! Größere Kuttergersteeinfuhr nur ein Anfang. Auch Mais muß herein.

Seit Monaten'hat die Sozialdemokratie eine Revision der Getreidezollpolitik gefordert, da die jede Einfuhr oerhindernden <iölle nicht mehr der jetzigen Getreideversorgungelage Deutsch- lands entsprechen. In erster Linie verlangt die Sozialdemokratie Senkung des Roggenzolls und Erleichterung der Futtergetreideeinfuhr, um jede unnötige Roggenvcr- jütterung vermeidbar zu machen und Preissteigerungen am Roggen- markt zu verhindern. Diese Forderungen der Sozialdemokratie haben jetzt zu einem Teilerfolg geführt. Die Einfuhr von Futterger st e ist neu geregelt wor- den. Während bisher bei der Abnahme von einem Doppel- Zentner Kartofselflocken aus den Beständen der Deutschen Getreide- Handelsgesellschaft e i n Doppelzentner Gerste zum verbilligten Zoll- satz von 5 Mark eingeführt werden konnte, können jetzt drei > Doppelzentner Gerste zu einem Zollsatz von 4 Mark je Doppel- zentner eingeführt werden. Da der A b g a b e p r e i s für die Kar- toffelflocken auf 180 Mark je Tonne festgesetzt ist und der Welt- Marktpreis für Gerste 97 Mark beträgt, wird eine Tonne des Futtcrgemischs aus Gerste und Kartoffelflocken jetzt 15 0 Mark i» st e n a n st a t t 10 0 Mark vor der Neuregelung. Wenn auch diese Preisermäßigung nicht voll der sozialdemo- kratischen Forderung entspricht, nach der der Gerstenzollsatz auf 2 Mark gesenkt werden sollte, so ist doch durch die Neuregelung der Gersteneinfuhr die Versorgung Deutschlands mit Futtergetreide erleichtert. Zur die nordwestdeulschen Bauern hak die Sozialdemokratie in ihrem Kamps um die Aenderung der Gelceidezollpolitik eine verbilligung der Broduklionskosten erreicht. Dennoch kann diese Regelung nicht genügen. Das Angebot an K a r t o f f e l f l o ck e n ist sehr gering. Die Kartoffeltrocknereien werden insgesamt nur 100 000 Tonnen manche Schätzungen lauten auch nur auf 72 000 Tonnen Kar­toffelflocken liefern. Zur Zeit ist das Angebot an Kartoffelflocken so gering, daß die Deutsche Getreidehandelsgesellschaft jeder Import- firma nur 105 Tonnen wöchentlich zu sofortiger Lieferung verkaufen kann. Da dreimal soviel ausländische Futtergerste eingeführt werden kann wie Kartoffelflocken verkauft werden, können nur 225 000 oder höchstens 300 000 Tonnen Gerste eingeführt werden. Diese Menge reicht nicht entfernt aus, um den Bedarf an ausländischem Futtergetreide zu decken. Es muß also entweder das Verhältnis zwischen Kartoffel- ilocken und zollverbilligter Gerste bedeutend erweitert werden oder die Maiseinfuhr ist in weitestgehendem Maße zu erleichtern. Des- ivegen ist es unbedingt notwendig, den Maismonopolpreis von jetzt 130 M. je Tonne erheblich zu senken. V Die Reichsregierung beabsichtigt auch, ihn auf 160 Mark l-erabzusetzen. Das genügt aber nicht, der Mais muh villi- ger werden als das Gemisch aus Gerste und Kartofselslocken, um einer, Anreiz zur Einfuhr von Mais zu geben. Auch aus einem anderen Grunde ist es vorteilhaft, den Maispreis möglichst niedrig festzusetzen. Die G e r st e Vorräte am Weltmarkt sind Verhältnis- mäßig knapp, so daß die Preise eine steigende Tendenz auf- ' weisen. Dagegen ist Mais in diesem Jahr die billigste Getreideart und wird auch am wenigsten von der zu erwartenden Hausse am Weltgetreidemarkt betroffen werden, weil die Maisernte in den wichtigsten Exportländern gut ausgefallen ist. Wird der Zuschußbedorf Deutschlands an Futtergetreide vor- nehmlich durch die Einfuhr von 0>erste gedeckt, so werden die Welt- Marktpreise für Gerste in die Höhe getrieben, während die Mais- preise selbst bei einer beträchtlichen Verstärkung der Einfuhr durch diese kaum beeinflußt werden. Die notwendige Zuttergelreide- Versorgung Deutschlands kann also durch die Einfuhr von Mais billiger erfolgen als durch die Einfuhr von Gerste. De? halb ist es notwendig, daß der Maismonopolpreis auf mindestens 145 Mark gesenkt wird, um die Einfuhr run Ma's zu begünstigen und den Bauern weiter zu hilse zu kommen. Karioffelvorräte werden zurückgehalien. Ist die Not der ostelbischen Landwirtschaft wirklich so groß? Die letzt« Notverordnung zur Sicherung der Erhaltung des ostelbischen Großgrundbesitzes wurde begründet mit der ver- zweifelten Lage der ostdeutschen Landwirtschaft. Wenn nicht dem Landwirt das Siegel der Verzweiflung, das ihm ein Heer von

Gerichtsvollziehern� aufdrückt, genommen würde so sagte der Reichskommissar Schlange-Schöningen, würden wir tm nächsten Jahr mit einer Ernährungskatastrophe zu rechnen haben. Ganz so schlimm scheint es nicht zu sein, denn die gewerbliche Kartoffelstärke-Industrie bemüht sich bereits seit Mitte Oktober, wenn auch ohne Erfolg. Kartoffeln von der Landwirtschaft zu er­halten. Die aus Kauf von Kartoffeln angewiesenen Stärkefabr'ken haben wachsenden R».l)stossmangel: die Produktion mußte bereits bis auf ein Drittel gedrosselt werden. Dennoch halten die Land­wirte ihre Kartosselvorräte zurück, obwohl sich selbst der groß- agrarische deutsche Landwirtschaftsrat alle Mühe gibt, die Landwirte zum Verkauf von Kartoffeln zu überreden. Während in anderen Wirtschaftszweigen also Betriebsstill- legungen in Massen erfolgen, droht eine Betriebsstillegung der Kartoffelstärkefabriken infolge Rohstoffmangels! Wer, wie die oft- clbische Landwirtschaft, seine Vorräte zurückhält und auf Preis- steigerung hofft, dem kann es noch nicht sehr schlecht gehen. Die drohende Stillegung der gewerblichen Kartoffelstärke- Industrie hat aber noch andere Folgen. Bekanntlich muß auf Grund der Notverordnung vom 6. Oktober 5 Proz Kartoffelstärke dem Weizenmehl beigemischt werden. Da aber die Landwirtschaft nicht genügend Kartoffeln an die Stärkefabriken ab-

liefert, wird wohl bald der Zustand eintreten, daß gor nicht genug Kartoffelstärke für die Beimischung vor- Händen i st. Dieser unverantwortliche, auf keiner wirtschaftlichen Notwendig- teit beruhende Beimischungszwang ist ein Bei spie! für die jetzige üble Gesetzesmacherei und ein Beweis dafür, welche Gefahren ein Regierungssystem in sich birgt, das lediglich durch eine von Jnteressentengruppen einseitig beeinflußte Bürokratie geleitet wird. Herrn Gchieles Bürokratie zur Kenntnis Auf einer Tagesordnung des Bundes der Viehhändler Teutschlands machte der stellvertretende Direktor der Preußi- schen Hauptlandwirtschaftskammer Keif er bemerkenswerte Aus- führungen über die Ursachen der Not in der Landwirtschaft. Obwohl unsere Grenzen durch Zoll maßnahmen gegen jede Vieh- und Fleischeinfuhr gesperrt wurden, seien die Aiehpreise weiter gesunken. Die Butterpreise seien seit 100 Jahren nicht so niedrig wie heute gewesen: aber dänische Butter werde noch billige als deutsche angeboten. Aus diesen Tatsachen gehe zweierlei hervor: einmal handele es sich bei der Not der Landwirtschast um eine internationale Krise, gegen die man schwer ankämpfen könne. Zweitens und vor allem:Alle Maßnahme» werden nichts helfen, wenn es nicht gelingt, die Kaufkraft der konsu- mierenden Menge zu erhöhen!" Wir hätten gewünscht, diese Erkenntnisse wären schon früher von autoritativer Seite geäußert worden. Aber auch jetzt ist es noch nicht zu spät, daß die Bürokratie des Reichsernährungs- Ministeriums sie zur Kenntnis nimmt und danach handelt.

Weltorganisation fürRadioröhren?

Nie Einigung Telefunken Philips .

Aehnlich wie in der Glühlampenindustrie vollzieht sich jetzt auch auf dem Radiogebiet, besonders im Radioröhrengeschäft, eine Konzentration in der Richtung eines internationalen Monopols. Der Verständigung der Tele funken G. m. b. H. und der N. V. Philips Gloeilampenfabrieken, gingen in den letzten Mo- naten schon andere Zusammenfassungen voraus: die Zusammen- lcgung des Funkgerätevertriebs der AEG. und der Siemens u. H a l s k e A.- G. bei ihrer Telefunken-Gesellschaft, dann der Ver- trag der Telefunken mit der TeKaDe, wonach das gesamte Ge- schüft in gewöhnlichen Radioröhren an die Telefunken fällt, während sich die TeKaDe auf die Herstellung von Spezialröhren beschränkt und schließlich die Interessengemeinschaft der Philips mit der französischen Gesellschaft für drahtlose Telegraphie. Diese llonzentrationen sind teilweise Folgen eines in der Krise verschärften Wettbewerbs, teilweise aber ähnlich wie bei Glühlampen daraus zurückzuführen, daß die hauptsächlichsten Patente auf dem Röhrengebiet in zwei bis drei Jahren ablaufen. Besonders handelt es sich um das jetzt allein bei Telefunken liegende Lieben- Patent, das sich aus die Herstellung und den Vertrieb von D e r- st ä r k e r r ö h re n bezieht und der Telefunren-Gesellschaft auf vielen Märkten eine monopolartige Position sichert. Privatwirtschaft- lich ist es verständlich, daß man sich durch Verständigung und Kon- zentration einen Markt sichern will, der ihr auch in der gegen- wärtigen schweren Krise gute Umsähe und Gewiune bringt. Das gesamte Zuukgerälegeschäst empfindet übrigens die schwere Krise viel weniger. 1330 schon war die Exportzisfer Deutschlands und wahrscheinlich auch die llmsahzisser größer als 1323. Zu der ersten Hälfte 1331 waren die Umsähe der deutschen Radioindustrie etwa um 30 proz. höher als ein Zahr vorher, und der deutsche Radioexport war in diesem Zeitraum dem Wert nach um 10. und der Menge nach um 23 proz. größer als in den ersten 6 Monaten 1323. Der Zunkmarkt ist auch noch außerordentlich entwicklungs- fähig. Dom 1. April 1830 bis zum 1. April 1331 stieg der pro- zentuale Anteil der mit Empfangsgeräten versehenen Haushaltungen von 21,1 auf 24.3 proz., so daß von einer Sättigung noch entsernt keine Rede ist. Deutschland und Holland haben an dem Radioaußenhandel Europa » den weitaus größten Anteil. Die Radioausfuhr der wich- tigsten europäischen Länder bezifferte sich in den letzten Jahren auf rund eine Viertelmilliarde Mark: hiervon entfielen auf Deutsch- land und Holland zusammen etwa vier Fünftel. 1929 war der holländische Radioexport noch fast doppelt so groß wie der deutsche, während gegenwärtig der Anteil beider Länder etwa gleich groß

sein dürfte: der deutsche Export ist erheblich gestiegen, der holländische gleichzeitig in noch stärkerem Grade gefallen. Der Anteil Deutschlands und Hollands an der Versorgung des Weltmarktes beträgt rund S0 Prozent. In der letzten Zeit hat sich jedoch'der amerikanische W e t t b e w e r b,.vor allem in Lautsprechern, in Europa verstärkt. Aber nicht nur wegen der Patentfrage und nicht nur wegen der verschärften Konkurrenz erscheint Telefunken und Philips , den beiden größten Firmen Europas , ein gemeinsames Vorgehen an- gezeigt, sondern auch infolge der Exporterschwerungen. die aus der Schutzzollbewegung erwachsen. Bekanntlich kann jeder kapitalstarke Konzern die Zollmauern dadurch überspringen, daß er innerhalb dieser Schutzzollmauern selber die Produktjon auf- nimmt, lieber die Fabrikation im Ausland verfügen schon heute nicht nur die ganz großen, sondern auch mittlere Firmen. Der Telefunken-Philips -Friede dürfte sich für den Verbraucher in Deutschland , zunächst nur durch schärferes Vorgehen her Konzerne gegen die kleinen Llußenseiter aus dem Röhrengebiet bemerkbar machen. Sobald wie möglich wird man mindestens auf dem Röhrenmarkt jedenstörenden Wettbewerb" unterbinden. Dann wird es mit den sinkenden Funkgerätepreisen wohl ein Ende haben.

Eine Monopolpleite. Die Konzern-Affäre Mechanische Linden A.G. Der Sanierungsberichl, den der Samlkonzern Mechanische Linden A.- G. jetzt verösfenllicht. enthüllt eine Expansienspleite van einem Auemaße, die den FallMechanische Linden A.-G." in die ganz großen Sonzernskandale des letzten Zahres würdig einreih«. Bei einem Kapital von 13,5 Millionen Mark weist der jetzt ver- öffentlichte Jahresabschluß für 1930 einen Gesamtoerlujt von mehr als 18 Millionen aus. Dieses vernichtende Ergebnis ist bei einem Unternehmen möglich gewesen, das in den Jahren 1924/27 je15Proz.Dioidende auszahlen und auch noch 1928 10 Proz. an die Aktionäre ausschütten konnte. Es handelt sich also um eins der ehemals bestfundierten und blühendsten Werke in der deutschen Textilindustrie. Die Verlustquellen, die jetzt zu dieser un- geheuren Kapitalvernichtung geführt haben beruhen m einer h e m- mungslojen Aufsauge- und Expansionspolitik, die seit 1928 getrieben wurde� Die Verwaltung hatte unter der ver-

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