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Nr. 55948. Jahrgang

1. Beilage des Vorwärts

Sonntag, 29. November 1931

Die vorletzte Station

An den Mauerwänden in den fristen Gassen rings um den Alexanderplatz klebt Zettel neben Zettel, mit dem fast gleichen Text immer dasselbe ver­kündend: Männerheim! Geheizte Räume, Federbetten, Morgenkaffee, Bett 80 Pfennige. Folgt die Angabe der Straße, mo sich das Heim befindet. Für Tausende von zwanzigjährigen jungen Männern sind diese Heime die vorletzte Station, das Mittelding zwischen Schlafstelle und Obdach. Mandher wird zweifeln, weil wir sagen: für Tausende von jungen Männern. Aber das stimmt. Einer hatte damit angefangen, sich einen Tanzsaal gemietet, und wo einst zum Walzer auf­gespielt wurde, da hatte er Militärbetten hineingestellt. So an die dreihundert. Siebenzig andere haben ihm das nachgemacht. Haben Betsäle, Lagerräume oder Gastwirt­schaften, die nicht mehr gingen, gemietet und immer alles voll Betten gestellt. Das Geschäft geht. Denn das Obdach, das riecht für die Jungen zu sehr nach Almosen, da sitzt auch die Kriminalpolizei am Eingang, da ist eine Hausordnung, die will respektiert sein, das ist alles nichts Rechtes für die Jungen. In diesen Männerheimen dagegen fragt kein Mensch danach, wann sie kommen und wann sie gehen, wer beim Morgengrauen kommt, schläft eben bis zum Mittag, gerade, daß er zeitig genug zum Stempeln kommt. Dann ist die Sache im Männerheim billiger als in der Schlafstelle. Die kostet sechs Mark pro Woche. Und im Männerheim haben die Stammkunden Extratarife: man zahlt nicht acht Groschen für die Nacht, sondern drei und ein halbe Mark für die Woche. Die neugebackenen Herbergsväter leben dabei, mindestens die Hälfte aller Betten ist ständig belegt und die Sorgen eines rechtschaffenen Hoteliers kennen sie nicht.

Betteln, Handeln, Gingen.

Diese Herbergsväter intereffieren nicht meiter. Benn fie fein Männerheim aufgemacht hätten, würden sie mit Kartoffeln handeln. Wichtiger sind die Jungen, die bei ihnen wohnen. Das find 16-, 18-, 20jährige junge Männer, die hoffnungsvoll aus Oberschlesien , aus Westpreußen oder auch aus dem Rheinland nach Berlin tamen, die aber hier feinen Taler fanden wie ihre 70 Herbergsväter. Anfangs arbeiteten fie alle, auf dem Bau, in der Fabrik, im Verkehrsgewerbe, wo es etwas zu schaffen gab, da faßten sie zu. Mensch, feine Ar beit habe ich gehabt," sagen sie und sind tottraurig, daß sie heute betteln gehen müssen. Denn es ist keiner mehr unter ihnen, der Ar­beitslosenunterstützung erhält. Die paar, die noch Krisengeld kriegen, find an den Fingern herzuzählen. Die meisten bekommen im Monat ihre 37 Mart Wohlfahrtsunterstützung. Dieser Saß ist so gering, weil sie als Zugewanderte noch nicht fünf Jahre in Berlin sind. Wer 1926, furz vor Toresschluß noch antam, ist besser daran.

Von 37 Mart im Monat tann feiner leben. Wenn man mun 100 der jungen Menschen hernimmt und fragt: ,, Was macht Ihr denn nun fo?", dann wird sich herausstellen, daß rund 40 Prozent betteln gehen, weitere 40 Prozent einen armieligen Handel betreiben und die restlichen 20 Prozent sind Hoffänger. Das sind gewissermaßen die Kavaliere. Das Betteln, berichten die Jungen der ersten Gruppe, bringt in Arbeitergegenden nichts mehr ein.. Wenn man zehn Häuser abgeflappert hat, besitzt man noch feinen Sechser. Die Leute knallen sofort die Türe zu und sagen: Donnerwetter, die ewige Bimmelei, wir sind doch selber arbeitslos!" Man muß schon in andere Gegenden gehen. Da braucht man ungefähr 20 Häuser, um einen Fünfziger zusammenzufriegen. 20 Häuser abbetten dauert ungefähr drei Stunden. Man sollte mun annehmen, daß einer noch drei weitere Stunden Klinken puzen" geht, um, eine Mart zu sammenzubekommen, aber das macht kaum einer, nach drei Stunden

hat jeder die Nase voll.

Gefangen in maurischer Wüste

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schnell zum Ursulinerinnenklaster in die Lindenstraße. Hier gibt es die mitunter belegt find. Das wäre das Frühstück. von 8 bis 11 1hr einen Becher voll Kaffee und ein Paar Stullen,

Tempelhof bringen bei zwei Sängern jedem fnapp zwei Mart;| Stulien. Wer noch nicht jatt ist, rennt über den Spittelmarkt noch in Steglitz jedem 1,50 Mart und in Charlottenburg jedem ungefähr 1,20 Mart. In Arbeitergegenden zu singen, hat menig Zweck, da gibt es pro Hof höchstens einen Groschen. Aber ansonsten ist die Technik dieser Jungen verblüffend: die sind doch nun alle vor ein oder zwei Jahren aus dem Kreis Ratibor oder aus dem Kreis Lauenburg oder sonst woher nach Berlin gekommen, aber daß in Stegliz kurz vor dem Ersten nichts und nur bis zum Achten des Monats etwas zu holen ist, das wissen sie ganz genau. Der beste Singetag ist der Sonntag zwischen 10 und 2 Uhr, da sind alle Leute zu Hause. Montag und Donnerstag sind auf der anderen Seite die schlechtesten Tage.

Ganz lang stehen die Lauten- und Mandolinenkolonnen. Wenn die zu ihrer Musik noch den Refrain singen: ,, Das ist die Liebe der Matrosen," dann hat jeder in fünf Stunden seinen Tafer.

Bettlauf nach Essen .

Wer um die Mittagsstunde von der Tour" in die Gegend seines eims zurüdtommt, geht in die Mulachstraße zum Pferdeschlächter und faut sich für 25 Pfennig drei Bjerdebuletten mit Kartoffeln. Das heißt die Bettler, die Sänger haben das kaum nötig. War der Verdienst gut, geht es für 30 Pfennig in ein Kino. Wer eine Zeitung lesen will, und die neueste dazu, geht in ein Haus nachmittags um 4 Uhr und zieht sich ein Abendblatt aus dem Briefkasten. Das er­ist und nicht schon wieder betteln gehen will, muß sich allerdings zählen die Jungen jedem, der es hören will. Wer fnapp an Geld beizeiten auf die Strümpfe machen, um Essen zu bekommen.

Eine bekannte Eßtour ist folgende: früh um 5 1hr antreten am Alexander play. Hier gibt eine Stadtküche an 30 bis 40 Mann übrigens nicht, daß die Stadtküche zu einem Delikatessengeschäft ge= je ein Viertelpfund guter Abfälle aus. Die Jungen begreifen hört, sie sagen immer Städtische Küche" zu dem Laden. schnell zur Kaiserstraße, hier gibt es im Xaverius- Stift um 9 Uhr einen Teller voll Haferflocken-, Mehl- oder Reissuppe. Jetzt

Dann

die Beine in die Hand und zur Niederwallstraße, dort ist um 9 Uhr Stullenausgabe.. Es gibt ein Paar unbelegte, geschmierte

Die Hoffänger geben noch eine Stunde zu. Vier Stunden lang wird gesungen, dann sind sie heiser, sagen sie. Und morgen soll mieder gefungen werden. Nun stimmen die Jungen merkwürdige Bardentlänge an, soviel Rührung und soviel Traurigfeit gibt es beinahe gar nicht auf einmal. Eine Kolonne läßt zum Beispiel Der Faschismus bringt folgenden Hochgesang jeden Vormittag erschallen und ist noch ganz stolz darauf:

Gefangen in maurischer Wüste, Sigt verlassen ein Fremdenlegionär, Die Augen zur Heimat gerichtet, Denkt er an die Lieben zurück.

Teure Schwalbe auf Frankreichs grünen Augen ,. Die ihr den Weg durch Sand und Wüste fand't, Euch ist's vergönnt, die deutsche Flur zu schauen, Bringt uns ein Gruß aus fernem Heimatland." Dieses Singen bringt bedeutend mehr ein als das Betteln. Der Aerger dabei find die Neubauwohnungen. Diese Bauten sind alles verschlossene Häuser, faum eine Katze fommt auf den Hof, gejdy weige zwei Sänger. Die Jungen rechnen so: vier Stunden Singen in

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Tod und Hunger.

Der Putschplan der Nazi- Hessen zeigt das wahre Programm der Hitler und Goebbels . Landsknechte sollen über Deutsch­ land herrschen. Erschießen und Aufhängen sind ihre Parolen. Da heißt es:

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Das Mittagsmahl beginnt im Katharinenstift in der Greifswalder Straße. Hier wird um 12 Uhr zu zweien auf dem Hof angetreten. Dann gibt es einen Emailletopf voll Reis-, Gries­Erbsen, Bohnen- oder Linjensuppe. Wer nicht satt iſt, ſtellt sich hinten noch einmal an, die Suppen sollen überdies vortrefflich sein. Wer es schafft, tann noch zum Marien Krankenhaus in die Karlstraße stiefeln, hier gibt es von 1 bis 2 Uhr Mittag, aber da muß man sogenannter Stammfunde" sein und eine Karte haben; Außenseiter friegen mir, was übrig bleibt. Krankenhaus in der Großen Hamburger Straße muß bezahlt Im Hedwigs= merden, da kostet es 10 Pfennig. Dafür gibt es zwei Teller voll, Reis, Nudeln oder ähnlichen Kram. Hier essen jeden Mittag un­gefähr 200 Arme.

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Als noch nachmittags um 24 Uhr in der Karlstraße Stullen­ausgabe war, bot das Abendbrot keine großen Schwierigkeiten. Heute müssen sich die Betteimänner rechtzeitig auf die Strümpfe machen, damit sie nach Schöneberg in die Mühlenstraße zum Norbert Krankenhaus tommen. Sier ist schon um 4 Uhr Stullenausgabe. Dann weiter, nach Neu Tempelhof , da ist eine geheim gehaltene Stelle für belegte Stullen; das soll die beste Stelle von ganz Berfin sein. Es ist auch sehr voll, man muß an­treten. Dann haben einige zu guter Letzt noch Montags und Donnerstags eine Stullenquelle in der Hohenstaufenstraße, angeblich) in einem Lyzeum. Montag und Donnerstag treffen sich übrigens gut, denn das sind ja die beiden schlechtesten Betteltage.

Polizisten und Räuber.

llngefähr alle vier bis fünf Wochen ist Polizeikontrolle in den Männerheimen. Einer von den Jungen schildert das: Wir ſizen abends so zu fünfzig Mann im Aufenthaltsraum, mit einemmal

heißt es: Die Bullen konunen!" Aber so schnell habe ich keinen durch die Fenster und über den Hof verschwinden sehen, wie ungefähr zwanzig von den Jungen. Wir dreißig anderen mußten alle unsere Bapiere vorzeigen, die Kriminalpolizeibeamten hatten verschiedene Steckbriefe in der Hand, von uns dreißig wurden fünf Mann ver­haftet." ,, Also, dann habt Ihr auch eine ganze Portion Räuber unter Euch?" ,, Ja."

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Kaum ist die Polizei weg, blüht der Handel mit erbettelten Sachen wieder auf. Schuhe kosten eine bis vier Mart, Pullover zmei Mart, dafür ist jetzt Konjunktur, weil es falt ist, Hemden fosten 40 Pfennig, am billigsten find Unterhosen mit 30 Pfennig. Mon­tags ist Wäscheabgabe im Männerheim: das Waschen kostet pro

Zusammenstehen! Semb 10 Bennig. Meiſt toilet jeht das Betreten der Heime

Aufklärung zu schaffen, ist die Aufgabe jedes Sozial­demokraten. Führer Zeitung. Stärkt in dem Kampf ist der Vorwärts" Werbt für eure die Reihen der Partei und des Reichsbanners! Deutschland darf nicht faschistisch werden!

30 Pfennig, meil ständig Hunderte von Leuten zu Besuch kamen und die Schlafstellen die reinsten Wärmehallen waren. Allerdings sind die 30 Pfennig nicht verfallen, für das Geld kann Ware genommen werden. ,, Sagt mal, eine Frage zum Schluß, sprecht Ihr über Bolitit?", Nein, darum fümmern wir uns überhaupt nicht."

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