Florian Seidl: S)er ffietSMilSmiel
3ic[e Gelchichte muß ganz still und mit Andacht erzählt werden. Auch arme Leute haben sich lieb. j)ans Multerer war Kellner, «in großgewachsener Mann; wer ihn sah. hätte nicht gedacht, daß er weich und gut sein tonnte wie ein Kind. Seine Frau war klein und zart, sie hätte nicht in dem lichtlosen Zimmer Hausen sollen, sondern in Seide gehen und mit Schuhen aus feinem Leder. Sie hatte die Krankheit der armen Leute: die Schwindsucht, und die Aerzte gaben ihr nicht viele Tage mehr. Man weiß, Frauen haben chrc Wünsäie und Sehnsüchte, an denen sie mit ganzer Seele hängen, die sie in sich tragen und durch Jahre nicht vergessen, und Kranke zumal greifen so einen Wunsch aus mit der ganzen leidenschaftlichen Kraft ihres verlöschenden Lebens. Unvernünftig sind diese Wünsche, aber sie sind und sind um so stärker, je weiter sie schweifen, je unerfüllbarer sie scheinen. So träumte das Frauchen von einem Pelzmantel, wie die Reichen ihn tragen, die in die Geschäfte gehen und aussuchen können, ohne ängsllich zu forschen, was das Erwählte denn koste, und dann breit und aufgeplustert an den Zahltischen stehen. Ein Pelzmantel. Herr-- lich müßte das sein! Einmal damit über die Straß« gehen, einmal warm eingehüllt sein, einmal reich scheinen, einmal beneidet sein! Sie hatte nicht mehr lange zu leben. Der Mann wußte es, und der Mann wollt« ihr die Freude machen, so viel hatte sie ja«nt- behren müssen bei ihm, er hatte ihr kein schönes Leben bereiten können, warum sollte sie nicht den Mantel noch erhalten! Er ging in die Geschäfte, aber vor dem Preis, der ihm genannt wurde, schlug es ihn zurück.„Teilzahlung!" stammelte er und dachte, die erste Rate brächte er auf, denn er hatte ein Weniges erspart, und für die folgenden Zahlungen hätte er nicht mehr zu sorgen, bis sie fällig wären, läge die Frau tot, dann könnten sie den Mantel wieder holen. Doch auch die erste Rate war nicht zu erschwingen, wahrscheinlich setzte man diese so hoch an, weil man ihm nicht zutraute, daß er einen ehrlichen Kauf abschließen wollte und ein Geschäft mit ihm gar nicht wünschte. Arme Leute sollen eben zu nichts kommen! Er suchte noch Geld. Niemand lieh. Er wollte verpfänden. Was? Man lächelte, als er die Sachen brachte. Dafür erhielt er nichts, soviel wie nichts. Was tun? Stehlen? Er war immer ehrlich gewesen und— auch zum Stehlen muß man eine Kasse wissen, di« erreichbar ist. Die kleine Frau hustete, Winter war, sollte sie ihren Mantel nicht mehr bekommen? Da nahm er ihn. Ach, es war so ungeschickt gemacht und«in Wunder, daß sie ihn dabei nicht ergriffen. Er kam nach Hause. Die Frau lag schon im Bett, sie setzte
sich auf, ihre Augen weiteten sich, sie hiell di« Hände vor die Brust, jubelte dann!„Woher hast du den Mantel?"„Gekauft", log er, „die erste Rate bezahlt, und für den Rest Geld in Aussicht." Sie sprang aus dem Bett, schlüpfte in den Mantel, ging durch die Stube, schlug ihn um sich, vorne zusammen, wiegte sich, drehte sich, voll kindlicher Seligkeit. Später in der Nacht fieberte sie und konnte nicht schlafen. Der Mann mußte ihr immer wieder den Mantel ans Bett bringen, und sie strich mit den heißen Händen liebkosend über den Pelz. Am anderen Tag wurde er von seiner Dienststelle weg ver- haftet. Er wunderte sich nicht und ging willig mit, bat nur, man möge seiner Frau nichts sagen und schrieb ihr, daß er plötzlich habe verreisen müsien. Als ob es möglich gewesen wäre, das zu verbergen! Denn als er nicht heimkam und die Frau voll Unruhe bei den Nachbarn fragte, denen natürlich die Nachricht von der Verhaftung schnell genug bekannt geworden war, erfuhr sie, wo der Mann wellte. Da zog sie den Mantel an, zum ersten Mal« ging sie mit ihm auf die Straße und lief auf die Polizei, wo man sie sogleich nötigte, den Pelz auszuziehen und ihn beschlagnahmte. Die Frau war fasiungslos über soviel Bosheit. Sie durfte ihren Mann sprechen, stand da, zllternd, hob die Hände nach ihm, konnte nur sprechen: „Hans, mein Mantel..." Der Mann versicherte, es sei ein Miß Verständnis, sie möge beruhigt nach Hause gehen, er werde bald wieder bei ihr sein, alles werde sich aufklären, und der Mantel, ihr Mantel, fei rechtmäßig ihr Eigentum. Nur jetzt müsie sie ihn hierlassen. So sagte der Mann in seiner Ratlosigkeit, obwohl«r wußte, daß es Lüge war und daß doch alles herauskommen müsse. Die Frau ging und kam von der Türe zurück und warf sich dem Mann an den Hals und schluchzte und war doch getröstet und ging wieder, und der Mann stand, groß und breit und mit dem Blick eines hilflosen Rehs. Winter war, und die Frau mußte in ihren dünnen Kleidern üb«r die naßkalten Straßen eilen. Den Mantel hatten sie zurückbehalten, trotzdem, er war ihrer, ein Miß Verständnis war es, sagte der Mann, sie würde ihn also bald wieder zugestellt erhalten, man glaubte eben armen Leuten einen derart kostbaren Mantel nicht, tröstet« sie sich. Zu Hause mußte sie sich legen und stand nimmer auf. Als der Mann von den Richtern abgeurteilt wurde, lag die Frau längst unter der Erde, sie war gestorben mit der seligen Freude, daß der Mantel ihr gehöre und daß niemand ihn ihr nehmen dürfe. Auch arme Leute haben sich sieb.
Wlax ffiarihel:
flialclmtir, die Staup der WeU
Im Hotel„Dclewoy Dwor" standen viele. Zimmer leer. Di« meisten Delegierten waren abgereist. Die Hauptgruppc der Italiener war verschwunden, diese lauten, lustigen und derben Burschen, die leichtfertig im Leben und streng in der Theorie waren. Di« italieni- schen Arbeiter hatten die Fabriken besetzt, und Mussolini formierte sein« Schwarzhenrden. Die Rote Armee war demobilisiert.- Sie war m den andauern- den Kämpfen auch demoralisiert. Trotzli ließ im polnischen Krieg einige Kommunisten erschießen, die von ihrem Posten in der Front geflohen waren. Die Armee wurde verjüngt und sollte im Frühling neu und stark nach innen und außen dastehen. Die Partei wurde gesäubert. In den schrecklichen Jahren des Hungers und des Bürger- krieges hatte sich in dem strengen Gefüge viel Unrat und Schlamm angesetzt. In den Behörden nistete sich eine starrköpfige Bürokratie ein. Die großen Städte hungerten und waren von allen notwendigen Dingen entblößt. Nur Papier gab es genug. Papier war alles: zuerst das Parteibuch, dann das Mandat, endlich der Propusk, der Ausweis und schließlich die Resolution. Die Partei entwickelte sich zu einem mächtigen Orden, in dem es Bnßprsdiger, Pioniere, obere Gottheften, Zyniker, Enthusiasten, Konjunkturschieber und einfache Soldaten gab. Der neue Staat sollte so einfach und so durchsichtig sein, daß chn jede Waschfrau regieren konnte. Diese Forderung hatte Lenin ausgegeben. Aber der Staat war gar nicht so einfach und so durchsichtig. Das Leben bestand in einer Kette von Erniedrigungen um den Bissen Brot. Das Leben war Kampf und Niederlage, Niederlage auch nach jedem Sieg, denn der Sieg war ja nur Befehl zu neuen Kämpfen, Befehl für neue Opfer. Im Sommer waren deutsche und schwedische Arbeiter nach Sowjetrußland gekommen, um beim Aufbau der zer- rütteten Industrie mitzuhelfen. Die meisten Ausländer aber gingen nach wenigen Monaten enttäuscht zurück. Nur ein Häuflein pro- letarischer Idealisten war geblieben und harrte in den verschiedenen Fabriken aus. In Kolomna , in einer Lokomotiofabrik, arbeiteten Deutsche . Die Produktion hatte sich in den letzten drei Monaten ver- sechsfocht. Das wurde in den Zeitungen wie ein Sieg gefeiert.> Und es war auch ein Sieg. Mit den Russen war die Zeit. Europa war viel zu viel mit sich selbst und seinen Problemen beschäftigt. Die neuen Staaten bauten an den Untsrdrftckungsmaschmen gegen ihre nationalen Minderheiten. Die alten Staaten waren durch Blutverluste oder durch Verdauungs- beschwerden von eroberten Provinzen erschöpft. Die Russen hatten Glück. Mit ihnen war auch die Trägheit ihrer eigenen Völker. „Laßt nur die Boljchswiki," sagten sie,„bißt sie nur, bald werden sie von ganz alleine krepieren" Aber sie krepierten nicht. Sie schlugen alle Ausstände nieder und blieben am Leben. Die Sowjetgrenzen gingen durch alle Länder der Erde, lieber- all, wo es Ausgebeutete und Unterdrückte gab, sammelten sich heim- siche Sowjetbürger. Und die schwankenden Rohre vor jedem Sonnenaufgang, die Intellektuellen, beugten sich dem Osten zu. Die Sowjets waren geheiligt durch eine gewaltige Idee. Sie konnten in den Jqhren des Bürgerkriegs durch Blut waten: ihren Anhängern erschienen st- in blendender Reinheit. Die Waffen der Diktatur ver- wandelten sich jür die Gläubigen in weiße Lllien. Die Sowjets konnten Agitationslüzen funken: ihren Anhängern im Westen er- schienen sie als heilige Wahrheit. Pier Jahre hatten die Völker Blut gesoffen. Vier Jahre lang wurden sie von Lügen gemästet. Sie hatten genug an der alten Pestkugel Erde . Sie hatten übergenug an ihren Kaisern, Königen. Präsidenten, Friedenskongressen. Kriegsrüstungen Staatsanwälten. Agenten und Schiebern. Sie hatten genug an ihren allen Vater- ländern und wollten nun russisch mit ihren Ausbeutern sprechen. Ueberall gab es Verschwörungen. Ausstände und Putsche. Die Aufstände und Putsche wurden im Westen niedergeschlagen. Die bayerische und ungarische Räterepublik, sie stürzten zusammen wie schlecht gebaute Kartenhäuser. Unter den tragsschen Trümmern wurden viele Opfer begraben. Unter den vielen Flüchtlingen, die nach den Zusammenbrüchen ins sowjetrussische Exil gingen, müssen an erster Stelle die Ungarn genannt werden. B-la Khun, ein dicker, untersetzter Mann, war ihr Führer auch im Erll. Das Erll aber
war kein Exil: es war die Etappe zu neuen Vorstößen nach den satten oder hungertaumelnden Ländern des Westens. Unter den Emissären, die im Frühling 1921 beim mitteldeutschen Ausstand eine große Rolle spiellen, war auch Ernö Farkas, einer von den Kriegs- I miniftern der ungarischen Räterepublik. Farkas kam im Sommer 1929 nach Moskau als Delegierter zum Zwecken Kongreß der Dritten International«. Er war ein eleganter Bürger, Dr. jur.. Journalist und feck einigen Jahren„Berufs- revolutionär". Während des Weltkrieges hatte er noch heftig mck den Sporen patriotischer Kriegsberichterstattung geklirrt. Vom K. u. K. Kriegsberichterstatter zum Kriegsminister einer Räterepublik war es ein gewalliger Schrill. Er tat ihn mit der unverschämten Sicherheit eines Spekulanten auf das schlechte Gedächtnis der Ar- bester. Er war ein kluger Kriegsminister, denn er rettete beim Au- sammenbruch selbstverständlich fein Leben. Kriegsminssier werden gewöhnlich sehr alte Leute. Sie haben einen gesunden Beruf. Im Moskau wurde ich mit diesem Ungarn bekannt. Wir wohnten zusammen im Hotel Zimmer an Zimmer. Farkas schrieb an ein Buch über die russische Revolution, trotzdem er höchstens zwanzig russische Worte verstand. Bei einem Meeting, ans dem wir sprachen, sagte Farkas am Schluß der eindrucksvollen Versammlung zu mir: „Sehen Sie bittä einmal dies« Arbeiter an, es sind bittä ganz gewöhnlich« Arbeiter und ein ganz prachtvolles Material und Element. Und warum bittä? Weil sie revolutionär sind, werter Genossäl Sehen Sie sich bittä die Heldengesichter an, und haben Sie nicht auch das härrliche Gefühl, mit den Lauf der Welt bittä ent- scheidend beeinflussen zu können? Als ich noch Kriegsminister, ent- schuldigen Sie bittä, ich meine Volkskommissar für dos ungarische Heereswesen war..." Und noch auf dem Heimweg sprach Farkas über seine ungarische Berufung. Beinahe ein« ganze Stunde hielt er ein Kolleg über die Strategie des Bürgerkriegs, über proletarische Taktik und verpaßte Gelegenheiten. Er machte dann die anderen ungarischen Kriegs- minister verächtlich und stimmte einen Lobgesong auf seine eigene, alles überragende Persönlichkeit an. Mit diesem Farkas kam ich am nächsten Abend in einen Schwann junger Kommunisten, die ans dem Kreml mit großer Verzückung losbrachen und di« breite Twerskaja hinunterliefen. Moskau schien eine ganz südliche Stadt zu fein. Der Abend spannte sich hoch und m>ld erglänzend über den Straßen. Manchmal kamen warme Wind- stöße aus den nahen Wäldern. Der Marsch die breite Twerskaja hinauf war wie ein Tanz. Am Obelisk der Freiheit hielten die jungen Leute und improvisierten eins Versammlung. Italiener waren da- bei, der draufgängerische Römer Bombacci mit dem gepflegten Räuberbart und der glattrasierte fanatische Neapolitaner Bordiga Schabkin und Zetlin sprachen für die Russen, auch die Ausländer ergriffen das Wort. Es war wie eine Verbrüderung unter den Sternen. Auf dem weiten Platz und um den Obelisk drängten sich die Moskauer und jubelten den Ausländern wie Erlöser zu. Farkas trat nicht als Rodner auf. Er tanzte und fang auch nicht mit den anderen. Er ging rubiq und gelassen neben den Schwärmern her und fügte sie als„Material" und„prachtvolles Element" in seine Kalkulationen ein. Dann ging es nach dem zweiten Sowfethaus. in dem Bucharin wohnte. Bucharin wurde von den Jungen verehrt und geliebt, er war ja selbst noch ein Junger. Endlich trat er an das Fenster und hielt eine kleine Rede. Und plötzlich drängte sich Farkas vor und riskierte eine kleine Ansprache im Namen des beldenwütigen ungarischen Proletariats" an den „teuren Genossen Bucharin , das klar« Hirn der proletarischen, inter - nationalen Revolution". Wir gingen nach Hause. Farkas war auk dem Wege sehr still. Am anderen Tage aber erschien von ihm ein Aussatz über den Tanz der Jugend unter den Sternen. Dieser Bericht war so hinreißend und voller Schwung, daß er«inen Dichter hätte beickämen können. Der Ungar war kein Dichter. Er war nur ein geschickter, c-skatter Macher, der das Volk kannte und sein« Wallungen und Gefühle mathematisch berechnete und ausnutzte. In seinem Bericht zttiert« er«ine Episode, die er beobachtet
� haben wollte, nänckich:„Em sunger Mensch mit gemeißelter Marmor» , stirn, um welche die Gewitter der proletarischen Revolution ihr« schönsten Blitze sendeten, fragte seinen Nachbar, als die Tanzenden einen Atemzug lang innehielten, um neue Kräfte zu sammeln: „Hast du, teurer Genosse, dir schon einmal Gedanken gemacht, wo die Hauptstadt der Vereinigten Erdballrepublik sein soll?" Sein Freund schüllelle das Angesicht, um welche» da» Morgenrot einer besseren Zukunft leuchtete, und sagte:„Nein. Genosse." Der andere aber antwortete triumphierend:„Aber ich, Bruder! In Kaschmir wird sie sein, in Kaschmir !"„Und ehe sein Freund antworten konnte," fuhr der Ungar in seinem Aufsatz fort,„begann neuer Ge- sang, und die jungen proletarischen Füße hüpften tanzend der kommenden Hauptstadt der Vereinigten Erdballrepicklik Kaschmir entgegen!" Diesen Bericht hatte Farkas veröffentlicht, ohne richtig Russisch zu verstehen oder zu sprechen. Er selbst hüpfte nicht tanzend Kaschmir entgegen, im Frühling 1921 ging er als Emissär nach Deutschland und leitete mit im Hintergrund den mitteldeutschen Ausstand. Er war ja Fachmann in deutschen Angelegenheiten, et sprach und verstand ja Deutsch . Als dieser Ausstand zusammenbrach, Farkas konnte sich selbstoerstöndlich retten, fuhr er nach Amerika und spielte dort einig« Jahre eine große Roll« in der amerikanischen Kommunistischen Partei. _ Weier Bens.' Ilrfulas Derkehrsiurm Älein-Ursula hatte mit ihren Altersgenosssnnen alle Spiele gespielt, die zu spielen sind. Ruht etwa, daß sie damst auf einen toten Punkt gekommen wäre. O bewahre! Sie hätten ja schlimmstenfalls wieder von vorn anfangen können. Aber das wollte sie nicht. Dafür fehlte ihr vorläufig leglichcs Interesse. Sie wollte mal etwas anderes. Ein genialer Gedanke kam ihr. Einen Verkehrsturm mußte sie haben! Damit waren ungeahnte Möglichkeiten verbunden. Im Garten fand sie den Rest eines ehemaligen Wäschepfahls. Den unternagelte sie mst einem Kreuz aus alten Latten. Das war nicht so einfach. Es kostete viel Schweiß und einen blauen Finger- nagel. Er sah nicht besonders vorteilhaft aus im Rohbau, ihr Per- kehrsturm. Auch fehlten noch die Richtungszeiger. Sie nagelte ein zweites Lattenkreuz darauf und sich selbst eine kleine Blutblase an den linken Handballen. Um dem Wäschepfahl seinen alten Berufscharoktcr zu nehmen, übertünchte sie ihn mit rosa Oelfarbe . Das Verkehrs- kreuz wurde knallrot. Hände, Gesicht und Kleidchen hatten wohllos beide Farben angenommen. Aber das Werk war vollbracht. Es stand im rosa Glänze mit purpurroter Krone. Im Garten fand es Ausstellung, und man konnte drum herum- gehen— wenn man wollte. Doch das war langweilig. Ursula fand, ihr Verkehrsturm hätte es verdient, an der nächsten Straßenkreuzung aufgestellt zu werden. Dort erst könnte er seinen Daseinszweck er- füllen. Sie schleppte ihn also unter Aufbietung aller ihr zur Ver- fügung stehenden Kräfte hin, stellte sich in den nächstgelegenen Haus- flur und wartete klopfenden Herzens auf den Verkehr, der da kommen sollte. Und der kam. Als erster ein Motorradfahrer. Er stutzte—; nanu, hier hat doch bisher kein...?— bremste und fuhr vorschrists- mäßig langsam um den neuen Verkehrsturm herum. Ursula strahlte. Ein paar Minuten später kam ein ganz gewöhnlicher Radfahrer die Straße heraufgegondelt. Er stutzte—: nanu, hier hat doch...?— staunte und fuhr kopsschüttelnd, aber— vorschriftsmäßig um das Verkehrsmonument. Ursula stieß einen dicken Lacher aus. Dann kam aus der unteren Stadt—«ine vollgültige Verkehrs- Maschine— ein Lastwagen!„O weh, der wird ihn rammen!" Er stutzte—: nanu..?— zögerte und fuhr, wenn auch sichtlich un- willig, gehorsam um den allen Wäschepfahl. Ursula klatschte jubelnd die Hände. Da kam von oben her auf dem Bürgersteig ein seriöser, stattlich aussehender Herr. Der Herr Staatsanwalt! Ursula erkannte ihn, und es wurde ihr-etwas flau um ihren Jubel..Der Herr St---! dessen Aufgabe es ist, alle Menschen gleich einzu- sperren!" Er stutzte, blieb an der Ecke stehen und äugte etwas ungläubig auf das seltsame Ding hinüber, das sich da inmitten des Platzes breitgemacht hatte. Dann ging er energisch ran an den Feind. umkreiste ihn prüfend— wie es einem Staatsanwalt zukommt—, untersuchend mck seinem Stock, und ging, mißbilligend den Kopf schüttelnd, von dannen. Ursula stürzte nach Hause, kam aber umgehend wieder zurück mit einem Zettel in der Hand, heftete den Zettel an ihren Turm und verbarg sich wieder in ihrem Hausflur. Ein Straßenkehrer, schweren Schrittes einen zweirädrigen Karren vor sich her schiebend, kam auf den Platz, nahm seinen Besen, stutzte, schüttelle den Kopf und fegte, wenn auch raunzend, vor- schriftsmäßig um den rosa Pfahl— und verschwand. Ursula nahm befriedigt Kenntnis von seinem respektierlichen Verhallen. Dann aber kam(Ursula erschrak im tiefsten Herzen) eine Uni- form angeradelt. Der Herr Polizeikommissar in höchsteigener Person. Der stutzte nicht, war nicht erstaunt, umging nur feststellend das Lorpus delicti, las auf dem angehefteten Zettel:„Die Polizei wird gebeten, den Verkehrslurm nicht zu entfernen", schüttelle jetzt erst den Kopf, bestieg sein Rad und entschwebte. Ursula atmete auf. Ihr Verkehrsturm hatte nun vor der.allerhöchsten' Behörde anscheinend die Reifeprüfung bestanden. Da aber geschah es, daß der Arbeiter, der vorhin den Platz xe- fegt hatte, zurückkam, geradewegs auf den Turm zuging, den Hut aus der Stirn schob, mit dem Stiefel prüfend gegen den Pfahl trat, ausspuckte, seinen Priem in die andere Backe schob und eben im Bs- griffe war, den gewesenen Wäschepfosten samt Steh- und Fahrt- richtungskreuz unter den Arm zu nehmen und damit zu verschwinden, als Ursula aus ihrem Hausflur geschossen kam, auf ihren mit Schmerz fabrizierten Verkehrsturm zustürzte und rief:.Sie dürfen ihn nicht mitnehmen! Das ist mein Verkehrsturm!" Und ehe der biedere Straßenkehrer eine Entgegnung fand, hatte die kleine Ursula ihren geliebten Turm aus die kindlichen Schultern geladen und maulte, während sie sich mit schiefem Schnütchen und feuchten Kulleraugen entfernte:„Wenn man euch immer gleich alles wegnehmen wollte..!" Was eine Taschenuhr leistet. Die wenigsten Menschen baben einen Begriff davon, welche«norme Leistungen dieses klein« Werk dadurch vollbringt, daß es Taz und Nacht ununterl rochen arbeitet, was bei keiner anderen Maschwe in derartigem Maße der Fall ist! Denkt man sich in einer gewöhnlichen Uhr die sogenannte Unruhe — das ist das hin und her schwingende Rädchen— als ein immer in derselben Richtung weiter rollendes Rad. so würse dieses Rad täglich sech-unddreißig Kilometer oder nach drei Jahren einen Weg zurückgelegt haben, der so lang ist wie der Umfang o«r Erde! Mlivaukee, das ehedem berühmt war als bedeutendstes Pier- brauerzentmm Amerikas , erhebt jetzt den Anspruch, die größte Schule der Welt zu besitzen. Es handett sich um ein sechs, töckiaes Gebäude, dos 12 000 Togesschüler und 9000 Abendschüler hat Diele Schule Hot ihre eigene Bäckerei, ein Friseurgeschäst,«igen« d'ettrts.fc Anlage, eigene Druckerei usw. und beschäftigt 237 Lehrer. Cccantcrortlirt,(Ut tbUtlf;«Iciot Schi,,: SJltfräiafi:« fllinn-IMI«- cScwcckslr-tt-d-wciiun«: 3. Stein«! fftjlDeltin: Dr. Jotn a-sisow,Ii- und Sonst!»«:«rl» N-rftSdt! Än,-!»?n: Tt>.«l-ck»: samtlicb in SerUn Der!»»: DorwSrt-.Der!»» S in>v Berlin. Druck: B»r«Irt,.Duck>>r,.ckrr� und Verlag sanstcilt Paul ginaet� Ä Ci�nftVäfe g.