Eine Milliarde Gisuerverluste. Schätzung der Reichseinnahmen wird revidiert. Die Verschärfung der Krise prägt sich trog der vcrschiedenllichen scharfen Steuererhöhungen in einem anhaltenden Sinken der Steuereinnahmen des Reiches aus� Dieser Entwicklung hat sich das Reichssinnnzmmislerium nunmehr soweit angepaßt, daß die Steuereingäuge für das Rechnungsjahr 1931(April— März) neu veranschlagt worden sind. Diese neuen Schätzungen sind jetzt verössentlicht worden. Gegenüber dem Voranschlag des vom Reichs- tag verabschiedeten Haushaltsplanes werden nuninehr die Besitz» und Verkehrs st euern um 789,5 Millionen und die Zölle und Verbrauchsabgaben um 276,1 Millionen weniger ver- anschlagt. Damit werden die gesamten Einnahmen des Reiches um mehr als 1 Milliarde niedriger angesetzt. Die Reichseinnahmen im Oktober zeigen ein etwas günstigeres Bild als in den vorhergehenden Monaten. Dies ist einmal auf den fälligen Ouartalstermin für Vorauszahlungen und auf die viertel» jährlichen Lagerabrechnungen bei den Zolleinnahmen zurückzuführen. Außerdem wurde im Oktober zum erstenmal die Krisensteuer bei den veranlagten Einkommen erhoben.— Die Gesamtein» nähme im Oktober blieb mit 893,4 Millionen um rund 189 4 Millionen Mark hinter den Einnahmen im Oktober 1939 zurück. Das Auskommen an Besitz und Verkehrssteuern stellte sich auf 693 8 Mil- lionen und aus den Zöllen und Derbrauchsabgaben auf 289,6 Mil- lionen Mark. Wie gemogelt wird. lieber die Erfolge der Buch- und Betriebsprüfung veröffent- licht das Reichsfinanzministerium eine Mitteilung, wonach im Rech - nungsjahr 1939 insgesamt 87 693 Nachprüfungen in den gewerb- lichen und industriellen Betrieben stattgefunden haben. Die Gesamt- summe des rechtekrästig festgestellten Mehrbetrages beläuft sich ins- gesamt auf 184,8 Millionen für Reichesteuern und 31,4 Millionen für Landeosteuern, was insgesanU einen Steuermehrbetrag von 216 Millionen Mark ausmacht.— Wegen Steuerhinterziehung wurden insgesamt Geldstrasen in 5iöhe von 3,70 Millionen verhängt. Die guten Leistungen der Steuerpolizei werden dadurch gekennzeichnet, daß es gelungen ist, mil Hilfe der Buch, und Be- triebsvrüfung die Cteuermehrbeträge gegenüber 1929 um 24,5 Proz. zu steigern. Oer Eindruck des„Welibühne�-Ltrieils. llnterhausanfiage.- Bericht aus Berlin angefordert. London , 39. November. Im linterhaus brachte Sir Austen Chamberlain die jüngsten Hochoerratsurteile in Deutschland zur Sprach«. Er fragte den Außenminister, ob er in Anbetracht der Rückwirkungen der jüngsten staatsanwaltlichen Vorgehen in Deutschland aus die Frage der Ab- rüstung und der Ausgabenbegrenzung für die Rüstungen dem Unterhaus irgendwelche Angaben über die Gründe machen könne, die zu der Verurteilung eines Ausländers durch das Gericht in Breslau wegen Hochverrats geführt habe, und zwar an- läßlich seiner Teilnahme an einer Versammlung des Stahlhelm — einer Körperschast, die von der deutschen Regierung als ein« private Organisation ohne militärische Ziele bezeichnet wurde. Ferner fragte Sir Austen Ehamberlain, ob der Außenminister die Um- stände erläutern könne, unter denen ein deutscher Redakteur und Flieger von dem obersten Gerichtshof in Leipzig wegen Preisgab« von militärischen Geheimnissen in einem Artikel über den Haus- halt des Zivilflugwesens des Reiches verurteilt worden sei. Sir John Simon antwortete, daß er den englischen Geschäfts- träger in Berlin ersucht habe, über diese Dinge zu berichten. Er werde da» Ergebnis dem ehrenwerten Mitglied des Unterhauses dann mitteilen. Thälmann verbreitet Lügen. Eine gepfefferte Antwort ans Hamburg . Der Vorsitzende der KPD. , Ernst Thälmann , veröffentlicht in der„Roten Fahne" vom Sonntag, dem 29 November, einen Lelt- artikel über die„Einheitsfront". Darin stellt er neben vielen anderen Ungereimtheiten folgende Behauptung auf: „Bilden sie sich wirkUch ein, die Arbeiter hätten das sozial- demokratische Wort des Hamburger Abgeordneten Dahrendorf veraesien:„Lieber zehn NaUs als einen Kom- muuisten im Präsidium der Hamburger Bürgerschaft?" S:e unterschätzen das Gedächtnis und den Berstand der deutschen Arbeiter gründlich." Der Borsitzende der KPD. macht sich mit dieser Behauptung zum Verbreiter einer skrupellosen Verleumdung. die von dem kommunistischen Hamburger Dürgerschastsabgeordneten Andre ausgestellt worden ist. Wegen dieser Behauptung, die zum ersten Male am 4. November in der kommunistischen ,F)am- burger Volkszeitung" erschien, hat unser Parteiblatt, das ,�am- burger Echo", Herrn Andre„einen notorischen Verleumder" Genannt und ihn mit folgenden Worten zur Klage aufgefordert: � „Unser verantwortlicher Schristleitcr ist nicht wie Sie, Herr Andre, immun: er kann deswegen jederzeit von Ihnen vor Gerickt gestellt werden. Unser verantwortlicher Sckriflleiter weiß auch,'daß die absichtlich gehaltene scharfe Formu- l i e r u n g ihm eine Verurteilung wegen formaler Beleidigung bringien wird. Er ist berest, diese Verurteilung aus sich zu nehmen, um vor Gericht Gelegenheit zu haben, den S ch w i n d e l der„Hamburger Volkszeitung ", den Sie mit Ihrer unwahren Erklärung unterstützen, aufdecken zu können. Herr Andre, klagen Sie!" Der Aufforderung, die an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig Neß, ist Andre nicht nachgekommen. Die„Hamburger Volks- zeitung" versucht mit der Ausrede, es handle sich um ein po.itische Frage, auf die die„entlarvten Demokraten" antworten müssen, den Andre zu schützen. Das„Hamburger Echo" hat seine Auf- forderunn an Andre, zu klagen, wiederholt. Es hat Andre weitere zwei Male wegen derselben Angelegenheit als„notori- schcn Verleumder" bezeichnet. Andre hat diese Bezeichnung immer noch ohne ein Wort des Widerspruchs oder der Abwehr auf sich sitzen lassen. Nachdem jetzt auch Thälmann an der Spitze des kommunistischen Zentralorgans jene verleumderisch- Behauptung sich zu eigen gemacht hat, richtet das„Hamburger Echo" heute an Thälmann eins Antwort, in der es den Vorsitzenden der KPD. öfsenllich der Lüge bezichtet und feststellt, daß er sich als Hamburger Reichstags- abgeordneter und Bürgerschaftsmitglied nicht scheut,«in« s k r u p e l- lose Verleumdung weiter zu verbreiten obwohl er weiß, daß der Verleumder zu feig« sei, vor Gericht einen Wahrheits- beweis für seine Behauptung zu oersuchen. Dl« lommnnlfkische Relchslagrsraklioa fordert in einem Antrag an den Reichstagsprästdanten di« sofortige Einberufung des Aeliesten- rats des Reichstags, der die Einberufung des Reichstags zum 4. Dezember beschließen soll.
Schloß Hohehorst unterm Hammer.
Das piunkschloß der Lahu'rs gelaugt dieser Tage zur vcrsteige>u. g.
Hitler :„Diesen palazzo könnte ich auch noch für mich brauchen!" Die Budapester Putschpläne. Verraten und rechtzeitig verhindert.
Budapest . 30. November.(Eigenbericht.) Die Polizei hak nach zahlreichen Haussuchungen bei man- archislischcn Elementen festgestellt, daß in der Nacht zum Sonnlag eta pulsch veranstaltet und die Militärdiktatur in Ungarn aus- gerufen werden sollt«. Alle erforderlichen Vorbereitungen dazu warea getrosseu. Durch verrat erhielt die Polizei von den Ab- sichten keuuluis und schrill zu zahlreichen Verhaftungen. Unter den festgenommenen Versoueu befinden sich zahlreiche berüchtigt« Terra- ristea aus der blutigen Anfangszelt des weißen Schreckens. Da» sozialdemokralische Organ in Budapest wurde wegen einer Besprechung der pulschplSue konfisziert. Eine amtliche Darstellung. Budapest , 89. November. Heute abend wurde eine amtliche Mitteilung verössentlicht, die die jüngsten Nachrichten in fall allen Einzechesten bestätigt. Aus der Mitteilung ist noch hervorzuheben, daß die Ziel« der Be- wegung teils auf die Gefährdung der gesellschaftlichen Ordnung, teils auf gemeine Berbrechen gerichtet waren. In die Kasernen der Honoed und der Polizei hätten sich die Beteiligten mit Hilfe gefälschter Defehl« Eingang verschaffen wollen, um sodann eine Diktatur, und zwar irgendeine s o w s e t- artige(??) Staatseinrichtung ins Leben zu rufen. Der Hand- streich wurde aus bisher unbekannten Gründen von dem ursprünglich in Aussicht genommenen 21. November verschoben, hätte aber am 28. November unter allen Umständen aus- geführt werden sollen, da die Verschwörer bemerkt hatten, daß die Behörd«» von ihren Absichten Kenntnis bekommen hatten. Die Negierung traf jedoch die notwendigen Vorkehrungen und begann berests am 27. November mit der Verhaftung der Rädelsführer und ihres Anhanges, schon um zu verhüten, daß falsch unterrichtete Personen unter patriotischen Schlogworkeu zu Verbrechen bewogen würden, andererseits um durch rasches und energisches Einschreiten den Beweis zu erbringen, daß sie allen störenden Versuchen gegenüber imstande sei, Recht, Ordnung und Sicherheit zu schützen. Aus den bisherigen Berhören läßt sich fest- stellen, daß hinter den Putschisten keine Massen standen und daß sie keiner im Reichstag vertretenen politischen Partei ange- hören. Unter den Verhafteten befinden sich sowohl Personen, die im Jahre 1929 zu den Rechtsradikalen zählten, als auch solche, die beute als l i n k s r a d i k a l(?) angesehen werden können. Aus den Verhören läßt sich auch feststellen, daß hinter dem aus sechs Mitgliedern bestehenden Vollzugsausschuß eine Gruppe von etwa 159 bis 299 Leuten stand, die jedoch die Pläne der Führer nicht im einzelnen kannten. Dagegen scheint der Voll- zugsausschuß zum äußersten entschlosien gewesen zu sein, da nach einzelnen Aussagen nicht nur geplündert werden sollte, sondern man entschlosien war, führende poNkiker sowohl von der Rechleo wie von der Linken festzunehmen oder zu ermorden. Die amtliche Mitteilung endet mit der Feststellung, daß außer dem Verpflegungsoffizier V a n n a y keinerlei Militärpersonen in die Angelegenheit verwickelt sind. Die Verhöre werden sortgesetzt. Budapest , 39. November. Die Zeitung„A Reggel" schreibt, daß die Putschisten den Plan gehabt hätten, etwa 1999 Anhänger der Bewegung gruppenweise in die Hauptstadt zu schmuggeln. Oberleunant Bannay, der im Zeug- amt Dienst tat, hätte dann den Putschisten Uniformen ausge- händigt, und die Leute wären, auf verschiedene Kasernen verteilt worden Der nächste Schritt wäre die Entwaffnung der Woche ge- wesen. Nächste Etappe im Programm der Putschisten sei die G e- fangennahme der Regierungsmitalieder gewesen. Die Besetzung der öffenllichen Gebäude und Banken hätte folgen sollen. Nach Informationen des Blattes soll einer der Verschwörer die Aufgabe erhalten haben, die Synagoge in der vohanygaste in die Lufk zu sprenge». Außerdem hätten die Verschwörer eine Liste von 1599 reichen Leuten zusammengestellt, die verhaktet werden sollten. Nach Erlangung der Macht hätten di« Putschisten Plünderungen und andere Gewalttätigkeiten organisieren wollen. Hingegen will ein anderes Blatt berichten können, daß die Ver- schwörer jede Gewalttätigkeit und jeden Wafsengebrauch hätten ver-
meiden wollen, um sich für den Fall des Mißlingens des Putsch- Versuches den Rücken zu decken. e- Nach allem, was man bisher gehört hat, handelte es sich bei dem Komplott unzweifelhaft um ein rechtsradikales Unternehmen. Allein die Absicht der Dynamitterung einer Eiznagoge zeigt, wessen Geistes Kinder die Verschwörer waren. Der Versuch der ungarischen Regierung, den Tat- bestand zu verdunkeln und politische Verwirrung anzurichten. indem man im Polizeibericht von„sowjetartigen Diktaturein- richtungen und von„heute linksradikal eingestellten" Beteilig- ten spricht, ist ebenso aussichtslos wie verwerflich. Das er- innert allzusehr an die berühmte Verlautbarung der Bendler- straße nach dem Küstriner Putsch im Herbst 1923, in der von „nationalkommunistischen Haufen" die Rede war.
Oer Gegensatz Frankreich — England. Flandin in London. — Vorbesprechungen, aber keine Der« Handlungen Varls. 39. November.(Eigenbericht.) Der„T e m p s" erklärt zu der Londoner Reise de» Finanzmini st ers Flandin, man dürfe aus der Tatsache, daß Flandin bei einem Diner im Hause des englischen Außen- Ministers mit Schatzkanzler Chamberlain und Handelsminister Runci- man Unterredungen gehabt habe, nicht schließen, daß der vollkommen p r i v a te Besuch Flandins den Beginn einer Verhandlung zwischen Frankreich und England darstelle, die aus jeden Fall sorgfältig vor- bereitet werden müßte. Der Londoner Korrespondent eines französischen Nachrichten- büros hatte mit dem Finanzminister vor seiner Abreise aus London eine Unterredung. Er meldet darüber, daß in der Frage der Kriegs- schulden und Reparationen sowie der Befugnisie des Sachverstän- digenausschusses der französische und englische Standpunkt immer noch entgegengesetzt seien, da England zugunsten einer An- nullierung der Reparationen und Schulden sei. Innerhalb des eng- lischen Kabinetts soll die Meinung darüber geteilt sein. Ebenso sei keine Einigung zwischen dem Schatzkanzler und den Beamten des Schatzamtes über die Stabllisierung des englischen Pfundes vor- handen. Es scheine jedoch, daß England seine Währung nicht stabili- steren wolle, bevor nicht die Frage der Kriegsschulden. Reparationen und der festgefrorenen Kredite endgültig geregelt sei. Das tägliche Zollbukelt. London , 89. November. Das Handelsamt hat soeben eine weitere Notver- o rdnung erlasien, nach der vom 4. Dezember ab aus solgrnde Waren ein fünfzigprozentiger Wertzoll erhoben wird: Glasslaschen und Glaskrügc(mit Ausnahme von Glaswaren für wissenschaftliche Zwecke): Kohlenelemente: Garne, ganz oder tellweise aus Wolle, einschließlich Mohaire, Alpaka. Kaschmir : Kokosmatten und-vorleger: Haushaltsleinen einschließliä, Tischtücher und Handtücher, ganz oder teilweise aus Leinen: serner ganz oder teilweise aus Jute hergestellte Gewebe: Kerzen: Sport- ge wehre,-slintcn und-karabiner sowie Teste davon: Luftdruck- gewehre,-flinten und-Pistolen: Lössel und Gabeln für den Hausgebrauch, soweit sie nicht aus Edelmetallen hergestellt sind. Die Tatsache, daß die heutige Verfügung des Handelsamtes die Klasse der Eisen- und Stahlwaren nicht berührt, kann auf die scharfe Meinungsverschiedenheit inner- halb der betrofsenen Handelskreile im Unterhau» und im Kabinett' sowie auf den Wunsch Runcimans zurückgeführt werden, di« Be- steuerung von Waren zu vermeiden, die einen wesentlichen Rohstoff für die brstische Industrie bstden. So hat zum Beispiel Runciman «in« Abordnung des Unterausschusses über Eis. -n und Stahl empfangen, der von chm die Einführung von Zöllen verlangte, um der britischen Eisen- und Stahlindustrie Sicherheit und neues Kapital zu beschaffen während später eine Abordnung der Z i n n b l e ch- fabritonten bei chm vorsprach um stch gegen eine Einfüh- rung von Zoll auf chr Rohmaterial einzusetzen. Die Frag« erweist' sich als so kompliziert, daß es nicht Wunder nähme, wenn sich d<� Kabinett dahin einschiede, im Augenblick in dieser AngelegenHir' nichts zu veranlassen.