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BERLIN  Dienstag 1. Dezember 1931

Der Abend

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Nr. 562

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Budapester Blutdokumente

Gleicher Inhalt wie die hessischen Dokumente der Nationalsozialisten

Budapest  , 1. Dezember.

Erster Tag eingeschränkter Verkehr

Drosselung schafft Verteuerung- Einsetzer müssen gefahren werden

Aus den Aussagen der wegen der Putschpläne Ver­hafteten geht hervor, daß sie eine Kundgebung vorbe. reitet hatten, in der es heißt: Alle Banken sind zu sperren, die Zahlung von Zinsen und die Rück. zahlung von Kapital werden aufgehoben. Derjenige, der zahlt oder zurückzahlt, wird mit dem Heute morgen ist der neue Fahrplan für die Berliner  Tode bestraft. Die Abspeisung erfolgt gemein Straßenbahn in Kraft getreten, der die Einziehung der Linien 29, sam; es wird die Arbeitspflicht eingeführt, jedoch 48, 55, 68, 89, 115, 168 und 184 vorjieht. Bei der riesigen Aus­nicht für Juden, die dagegen auch von der gemeinsamen dehnung des Berliner   Verkehrs läßt sich naturgemäß nach den Vor­Abspeisung ausgeschlossen sind und sich selbst ihre Lebensgängen innerhalb eines Vormittags fein abschließendes Urteil ab­mittel zu verschaffen haben. Jeder Beamte ist vergeben. Aus einer Reihe von Einzelbeispielen ergibt fich allerdings, pflichtet, auf seinem Posten zu bleiben und sich zum daß die Einziehung von acht Straßenbahnlinien für einen Teil der Dienst zu melden. Wer es am ersten Tage nicht tut, berufstätigen Bevölkerung eine Verteuerung des Berkehrs ge­wird erschossen. bracht hat.

Die Linksblätter heben die Aehnlichkeit dieser Aus­Fährungen mit dem von dem hessischen National. sozialisten Dr. Best verfaßten Schriftstück hervor. Auf der Liste der festzunehmenden Geiseln steht auch ber Name des stellvertretenden Polizeichefs von Budapest  , Setengi.

Aus deur Berhör der Verhafteten geht weiter herbor, daß sie bestimmt auf das Gelingen thres Unternehmens und auf die Durchfekung ihrer Absichten in den ersten Tagen rechneten.

In Budapest   ist eine Bande rechtsraditaler Butschiften ver. haftet worden. Sie hatten einen Aufstand, Erschießungen und Blünderungen beabsichtigt.

Sie wollten ein Manifest veröffentlichen: Schließung affer Banken, Ablieferung von Gold und Valuten, Verfügungsrecht über fämtliche Lebensmittel für die Regierung, allgemeiner Arbeits. 3wang, Kartensystem für die Ernährung.

Das alles ist uns geläufig: es ist der Geist der Dokumente vom Borheimer Hof. Diese Putschistenbande von Budapest   und die Putschistenbande von Hessen   sind Brüder vom gleichen Geiste.

Es erhebt sich die Frage: wie erklärt sich die auffallende Ueber­einstimmung der Diktaturmanifeste vom Borheimer Hof und von

Budapest  ?

Neben diesen Gemeinsamkeiten zwischen den Putschisten von Budapest   und Hessen   besteht ein Unterschied:

In Budapest   droht ihnen das Standrecht. In Deutschland  sind sie nicht einmal verhaftet worden.

Ade, mein Land Tirol! Defterreichische Nazis mit Fäuften für den Berrat an Südtirol  .

In Innsbrud follte eine Versammlung über Das zerrissene Tirol" stattfinden. Diese Versammlung wurde durch National fozialisten gesprengt, die mit Fäusten auf die Ver­sammlungsbesucher einschlugen und durch Gebrüll den Referenten Nationalrat Dr. Kolb am Reden verhinderten.

Dieses Verhalten der österreichischen Nationalsozialisten wird mur dadurch erklärlich, daß es den Hitlerschen Verrat an den deutschen   Südtirolern verdecken follte. Um die Freundschaft der italienischen Faschisten und die Sympathien Mussolinis zu erwerben, wollen Hitler   und die Nationalsozialisten bekanntlich die deutschen  Südtroler widerspruchslos der zwangsweisen Entdeutschung durch die Gewaltmethoden des faschistischen Systems preisgeben. Hitler   hat das frivole Wort von den 200 000 deutschen   Südtirolern gesprochen, an denen die Errichtung des Dritten Reichs nicht scheitern dürfe. Den Sozialdemokraten werfen die Nationalisten vor, daß fie aus innerpolitischen Gründen die nationalen Intereffen

preisgäben. Die Deutschen   Südtirols   sind ein klassisches Beispiel, wie der deutsche Faschismus Deutsche im Ausland preisgibt, um unter der Gönnerschaft des italieniſchen Faschis

mus innen politisch an die Macht zu fommen.

Die Tiroler Landesregierung hat ein Einreise und Redeverbot für nationalsozialistische Führer, darunter den Prinzen Numi, verhängt, mit der ausdrücklichen Begründung: eil Berräter an Südtirol   hier nicht geduldet werden tönnen.

So wird uns aus Lichtenberg   berichtet, daß der Wegfall der Linie 89 den Berkehr nach der Innenstadt star? beeinträchtigt hat. Diese Linie ist nur im Westen durch die Straßenbahn 62 erfekt worden, im Osten Berlins   müssen die Fahrgäste, die bisher die 89 benugten, jetzt bis zur 8 laufen. Wer von der Linienführung ber Straßenbahn 8 zu meit entfernt wohnt, muß jegt eine Zufahrt bahn berurgen und einen Umsteigefahrfchein lösen. Der Bor ug der verbilligten Sammelfarte fällt also für weite Teile der Be wohner Lichtenbergs und Friedrichsfeldes weg.

Noch größere Schwierigkeiten haben sich in Neukölln er geben. Hier war die Straßenbahnlinie 21 eine viel benußte Ber. fehrsmöglichkeit nach der Innenstadt, die über das Hallesche Tor führte. Jegt ist die Linie 21, die bisher nach dem Rathaus in Brig  fuhr, ab Hermannplak durch die Berliner   und Bergstraße nach dem Neuköllner   Gemeindefriedhof umgelegt worden. Die Hermannstraße wird nicht mehr von der 21 durchfahren, wobei noch hinzufommt, daß die Straßenbahnlinie 29, die auch durch die Hermannstraße fuhr,

Offizielle Terrordrohung.

Aus der Reichsleitung der NSDAP  .

eingezogen worden ist. Die Fahrgäste der ehemaligen Linien 21 und 29 müssen ab heute die 27 benutzen. Damit haben sie aber keine Möglichkeit mehr, ohne Umsteigen beispielsweise in die Gegend des Halleschen Tores zu kommen, weil die Linie 27 zum Morizplak abbiegt. Unter diesen Umständen fällt auch für einen erheblichen wie bisher die billige Sammelfarte zu benutzen. Borderhand ergibt Teil der Britzer   und Neuköllner Bevölkerung die Möglichkeit fort, sich also aus verteuerung. der Verkehrsumlegung teilweise eine Berkehrs­

Auch die Einlegung von Einsezwaren während der Hauptverkehrszeiten bleibt problematisch, olange diese Einseßmagen nur kurzfahrten machen. So wird die Linienführung der Linie 73 vom Bublifum start gerügt. Da die fahrplanmäßigen, nur viertel ftündlich verfehrenden Wagen der Linie 73 den Berfehr nicht be­wältigen, läßt die BBG. anerkennenswerterweise während der Hauptverkehrsstunden Einfahwagen verkehren. Diese Einsetzer enbigen jedoch am Berliner Rathaus  , wer also weiter nach dem Süden fahren will, muß auch hier bedauerlicherweise umsteigen. Das Bersonal mirb von der Einziehung der acht Straßen­bahnlinien und der Autobuslinie 4 nur wenig betroffen. Die Schaffner und Fahrer der in Wegfall gekommenen Linien sind auf andere Wagen verteilt worden. Im übrigen war bei der Einführung ber 44- Stunden- Woche im Betrieb der BBG. die ab heute erfolgte Drosselung des Berfehrs bereits berücksichtigt worden.

Für die Zukunft wird zu beobachten sein, ob die BVG. ihr Ver­fprechen, den starken Berufsverkehr durch weitestgehende Einlegung von Einfazlinien zu erleichtern, auch einhält.

Der Bayerische Kurier" sagt dazu: haben wir denn eine Rechtspflege? Die Staats­wanwaltschaft muß doch pflichtgemäß die in ihrem Amtsbezirk er­scheinende Tagespresse lesen. Daß hier strafbare Hand­lungen im Sinne des Strafgefehbuches(§§ 126, 241 usw.) vor­liegen, darüber gibt es wohl keine Auseinandersetzung. Die Sym­bolisierung der Gerechtigkeit mit den verbundenen Augen hat doch wohl nicht den Sinn, daß man alles gehen läßt!"

Die Zeitschrift Deutsches Landvolk" hatte sich gegen den land­wirtschaftlichen Sachverständigen" der nationalsozialistischen Reichs­leitung gewandt, weil er offen zu Gewalttätigteiten auf­gefordert hatte. Darauf erhielt die Zeitschrift das folgende Schreiben:

Jm Tegt der Nr. 46 Jhrer Zeitschrift ,, Deutsches Landvolk" vom 12. November greifen Sie mich an. Es bleibe Ihnen unbenommen, zu tun, was Sie nicht lassen fönnen. Für alle Fälle aber mache ich Ihre Funktionäre darauf aufmerksam, daß Sie die Quittung für Ihr Berhalten bekommen werden und Sie, wenn Sie fo weitermachen, im Dritten Reich auswandern fönnen. Seil! ges. N. Walter Darre  ."

Das ist eine offene Terrorandrohung aus dem Braunen Haufe, Bewels mehr für die Verantwortlichkeit Hitlers   und seiner Reichsleitung" für die Boghelmer Dokumente.

ein

Eine öffentliche Mordliste!

Der Bayerische Aurier" teilt mit, daß das Jugol städter Hitlerblatt die Köpfe derjenigen personen im Marktfleden Pförring, die zuerst rollen werden, mit Namen

nennt.

Das wäre alfo eine öffentlich bekanntgegebene Mordlifte!

Zupacken!

Unter dieser Parole ruft das Berliner   Reichsbanner auf zur Massenkundgebung im Sportpalast

morgen, Mittwoch, abends 8 Uhr.

Es sprechen: Reichstagsabgeordneter Tarnow  , Major a. D. Hauff, Schulrat Kellermann und Gauführer Neidhardt Republikaner, erscheint in Massen! Zeigt den Hoch verratspartelen eure einmalige Kampfentschlossenheit!

Uniformverbot bleibt.

Eine Erklärung des Polizeipräsidenten.

Der Polizeipräsident teilt mit: Durch die Presse geht ver­schiedentlich die Nachricht, daß der Dritte Straffenat des Reichsgerichts ein vom Oberpräsidenten der Rheinproving erlaffenes Berbot des Tragens politischer Abzeichen für die NSDAP  . als reisungütig bezeichnet habe. Das in Frage tommende Urteil ist amtlich noch nicht bekannt, betrifft aber, wie aus den Pressemeldungen zu schließen ist, einen Sonderfall.

Der Polizeipräsident weist deshalb darauf hin, daß das von ihm am 9. April 1931 erlaffene Uniformverbot für die NSDP.   in feiner Weise durch die in Frage kommende Reichs­gerichtsentscheidung berührt und daß das Verbot weiterhin mit allem Nachdruck durchgeführt wird.

In Erwartung der Notverordnung. Schlichtungsverhandlungen verlagt.

Dresden  , 1. Dezember. Wie der Landesausschuß fächsischer Arbeitgeberverbände mil­teilt, wurden die Schlichtungsverhandlungen in der sächsischen Metallindustrie, die am Montagvormittag in Dresden   be gannen, im Hinblick auf die zu erwartende Notverordnung auf Diens­fag 8. Dezember, verlagt.

Der Kammerabgeordnete Chastanet ist von dem sozialistischen  

Bezirksverband seines Heimatsdepartements aus der Partei aus gefchloffen worden. Der Ausschluß ist erfolgt, weil Chastanet sich in einem dem ,, Echo de Paris" gewährten Interview für die Rückkehr der Karthäufer Mönche in das Kloster bei Grenoble   ausgesprochen hat.